Land und Leute in der Lüneburger Heide (eBook)
112 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-347-82976-3 (ISBN)
Die Autoren, das Ehepaar Silke und Udo Kruse, haben seit Anfang der 70er-Jahre über 200 Beiträge vor allem in Fachzeitschriften, aber auch in der Publikumspresse über sozialpolitische und sozialgeschichtliche Themen gemeinsam veröffentlicht. Dazu kommen verschiedene Buchveröffentlichungen. Bei ihren Veröffentlichungen kommt es ihnen darauf an, fachspezifische Themen populär aufzugreifen - sie also auf der Basis nüchterner Fachinformationen (meistens mit Literaturangaben belegt) verständlich und interessant aufzuarbeiten. Dass das gelungen ist, wurde ihnen immer wieder bei Lesungen und Infoveranstaltungen bestätigt. Eine große Rolle spielten hierbei auch jahrzehntelange berufliche Erfahrungen (auch und gerade im sozialpolitischen Raum und in der Marktforschung). Land und Leute der Lüneburger Heide kennen beide bestens seit ihrer Kindheit. Sie sind hier zu Hause. So hat der Verfasser viele der Geschichten und Darstellungen zum ersten Male in seiner Kindheit von seiner Großmutter gehört. Sie wurden hier über Generationen weitererzählt und waren zumindest in den 50er- und 60er-Jahren im Lüneburgischen präsent. Silke Kruse hat Ende der 60er-/Anfang der 70er-Jahre an der Universität Hamburg Betriebswirtschaftslehre studiert. Das war damals eine männliche Domäne. Ihr Abschluss hieß denn auch 'Diplom-Kaufmann'. Aber das ist lange her. Jetzt haben die Frauen aufgeholt, und ihr Abschluss heißt 'Diplom-Kauffrau'. Für beide waren neben dem wirtschaftswissenschaftlichen Studium sechs Semester Soziologie enorm wichtig - gerade nämlich in den damals so bewegten Jahren der Soziologie, in der höchst engagiert der Alltag in der Nachkriegszeit aufgearbeitet wurde. Von daher zählen sie sich zur 1968er-Generation. Vieles davon ist ihnen heute eine wertvolle Grundlage, um diese Jahre mit Abstand zu schildern - so zum Beispiel Alexander Mitscherlichs 'Vaterlose Gesellschaft' oder Karl Martin Boltes 'Deutsche Gesellschaft im Wandel'.
Die Autoren, das Ehepaar Silke und Udo Kruse, haben seit Anfang der 70er-Jahre über 200 Beiträge vor allem in Fachzeitschriften, aber auch in der Publikumspresse über sozialpolitische und sozialgeschichtliche Themen gemeinsam veröffentlicht. Dazu kommen verschiedene Buchveröffentlichungen. Bei ihren Veröffentlichungen kommt es ihnen darauf an, fachspezifische Themen populär aufzugreifen – sie also auf der Basis nüchterner Fachinformationen (meistens mit Literaturangaben belegt) verständlich und interessant aufzuarbeiten. Dass das gelungen ist, wurde ihnen immer wieder bei Lesungen und Infoveranstaltungen bestätigt. Eine große Rolle spielten hierbei auch jahrzehntelange berufliche Erfahrungen (auch und gerade im sozialpolitischen Raum und in der Marktforschung). Land und Leute der Lüneburger Heide kennen beide bestens seit ihrer Kindheit. Sie sind hier zu Hause. So hat der Verfasser viele der Geschichten und Darstellungen zum ersten Male in seiner Kindheit von seiner Großmutter gehört. Sie wurden hier über Generationen weitererzählt und waren zumindest in den 50er- und 60er-Jahren im Lüneburgischen präsent. Silke Kruse hat Ende der 60er-/Anfang der 70er-Jahre an der Universität Hamburg Betriebswirtschaftslehre studiert. Das war damals eine männliche Domäne. Ihr Abschluss hieß denn auch "Diplom-Kaufmann". Aber das ist lange her. Jetzt haben die Frauen aufgeholt, und ihr Abschluss heißt "Diplom-Kauffrau". Für beide waren neben dem wirtschaftswissenschaftlichen Studium sechs Semester Soziologie enorm wichtig – gerade nämlich in den damals so bewegten Jahren der Soziologie, in der höchst engagiert der Alltag in der Nachkriegszeit aufgearbeitet wurde. Von daher zählen sie sich zur 1968er-Generation. Vieles davon ist ihnen heute eine wertvolle Grundlage, um diese Jahre mit Abstand zu schildern - so zum Beispiel Alexander Mitscherlichs "Vaterlose Gesellschaft" oder Karl Martin Boltes "Deutsche Gesellschaft im Wandel".
1. Kapitel
Sie retteten die Lüneburger Heide
August Freudenthal - Hermann Löns - Wilhelm Bode - Alfred Toepfer
Eine Wildnis? Ähnelten die Heidschnucken der Lüneburger Heide nicht eher einem Wildtier als den wolligen Milchschafen anderer Landstriche?!
Die Geschichte eines Wandels
Wie gesagt: Die Lüneburger Heide wurde über Jahrhunderte nicht als schön befunden. Sie erschien den Menschen eher unheimlich und feindlich, als Gegend, in der Wölfe und Gesindel hausten. Selbst die Heidjer, die den Weidegrund für ihre Heidschnucken nutzten, empfanden sie oft als Wildnis. Ähnelten ihre Heidschnucken nicht eher einem Wildtier, kaum vergleichbar mit den wolligen Milchschafen anderer Landstriche? Wenn also überhaupt über die Heide geschrieben wurde, dann meistens negativ.
Im Grunde genommen war das kaum erstaunlich, weil Reisende durch scheinbar endlos lange monotone Heideflächen fuhren, dazwischen offene Dünen und Flugsandfelder, die durch Verarmung der Böden unter der Heide zu Bleicherde entstanden waren. Von den seitab gelegenen kleinen Dörfern und den Menschen dort sahen sie kaum etwas. Sie erlebten nur die holprigen Sandwege, auf denen sich die Räder immer wieder in den Sand gruben, was manchen Kutscher gerade bei den nicht seltenen Steigungen zur Verzweiflung brachte. Noch heute können uns Einheimische solche einstmals sandigen Steigungen zeigen und von der Verärgerung der Kutscher erzählen. War damals eine Spur ausgefahren, wurde eine neue Spur daneben gefahren. So entstanden überall Wegebänder1, die heute noch vielfach neben der Hauptstraße zu finden sind.
Dieser Zustand ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass der entscheidende Umschwung des europäischen Straßenbaus, der im 16. Jahrhundert mit dem Chausseebau in Frankreich unter Ludwig XII. begann, im norddeutschen Raum – so Peter Hennings – erst sehr spät erfolgte: Als um 1789 im Kurfürstentum Hannover gerade erst einmal die beiden ersten Chausseen fertiggestellt waren, hatte Frankreich bereits über 38.000 km routes nationales.2
Kurzum: Es ist nicht verwunderlich, dass sich die verärgerten Reisenden lange Zeit ungnädig über die Lüneburger Heide äußerten.3 So beschrieb Karl Philipp Moritz die Lüneburger Heide 1785 in seinem autobiographischen Roman „Anton Reiser“ als eine „öde, dürre Strecke“ und Graf Friedrich Leopold zu Stolberg erinnert sich in seiner „Reise in Deutschland“ an „Wüsten“. Das Wort „Wüsten“ finden wir in vielen Aufzeichnungen aus dieser Zeit. Und immer wieder das Stöhnen „Nichts als Heide und Heide und abermals Heide!“ Aus der Schulzeit haben wir noch die Schlusszeile von Annette von Droste-Hülshoffs (1797-1848) Ballade vom Knaben im Moor im Ohr: „O schaurig war’s in der Heide!“ Sie hatte dabei zwar die Heide im Münsterland im Auge, aber auch für sie war die Heide so unromantisch unheimlich wie im Lüneburgischen. Im Schulunterricht lernten die Schüler denn auch lange Zeit, dass die Heide ein ödes, unfruchtbares und menschenleeres Gebiet ist, in dem sich Hasen und Füchse gute Nacht sagen. Derartige Einschätzungen waren in manch anderen Regionen in Deutschland kaum anders. Auch die Schönheit der Alpen und des Schwarzwaldes wurde erst spät entdeckt, dann aber schnell von den Künstlern vereinnahmt und von weiten Teilen der Bevölkerung geschätzt.
Ein solcher Wandel vollzog sich im 19. Jahrhundert auch im Lüneburgischen. Entscheidend für den Blick auf die Heide wurde das neue Verhältnis vieler Menschen zur Natur. Zunehmend zog es sie – wie einleitend skizziert - raus aus der Enge ihrer grauen Städte, und Schriftsteller sowie Maler bedienten diese Sehnsucht. Hinzu kam, dass sich die Lebensbedingungen der Menschen in der Heide durch Technik und Fortschritt sowie politische Reformen (zunächst der Hannoveraner und später der Preußen) deutlich verbesserten. Wir werden sehen, dass der dem Wandel höchst aufgeschlossene Heidepastor Wilhelm Bode jetzt entsetzt feststellte, dass dieser Wandel so schnell vonstatten ging, dass den jungen Menschen die Welt ihrer Eltern und Großeltern fremd geworden war. Kommt uns das nicht bekannt vor?
Zu den Vorboten dieses Wandels gehörte Turnvater Friedrich Ludwig Jahn (17781852), der mit seiner Ur-Burschenschaft begonnen hatte, durch Wald und Heide zu streifen, um die Schönheit der Heimat kennenzulernen. Für ihn spielte es auch eine Rolle, die deutsche Jugend auf den Kampf gegen die napoleonische Besetzung vorzubereiten. 1848 wurde er Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung. Heinrich Heine (1796-1858) allerdings, der sich während seines Studiums regelmäßig bei seinen Eltern in Lüneburg aufhielt, beschrieb in seinen populären Reisebildern den Busen einer flachbrüstigen Dame noch als „trostlos öde wie die Lüneburger Heide“ (eine Heine-Beschreibung, der wir immer wieder begegnen). Er hatte dabei wohl noch zu sehr das pulsierende Berlin im Kopf. Jetzt jedenfalls erschienen zunehmend Schriften, die die Heide verherrlichten und damit ein neues Mythos schufen. Richard Linde hat die „Umwertung der Heidelandschaft“ anhand zahlreicher Beispiele ausführlich in seinem Buch über die Lüneburger Heide beschrieben.4
August Freudenthal schwärmt von Land und Leuten
August Freudenthal (rechts) mit Bruder Friedrich: Mit seinen legendären Reiseberichten schilderte er in der Umbruchzeit eine Welt, die die Großstädter suchten.
Zu den bedeutendsten Heimatschrift- stellern gehörte der in Fallingbostel geborene August Freudenthal (1851- 1898). In den 80er-Jahren durchstreifte er die Lüneburger Heide systematisch und schilderte in seinen legendären Reiseberichten mit großer Sympathie Land und Leute. Er schwärmte von den alten Dörfern mit ihren malerischen Bauernhöfen. Er schwärmte von der Landschaft. Und er schilderte die Heide- bewohner als aufgeweckten, offenen, ehrlichen und fleißigen Menschen- schlag. Das war die manchmal sogar romantisch verklärte heile Welt, die die Menschen suchten, denen die graue Großstadt nicht mehr behagte.
August Freudenthal war damals Redakteur der Bremer Nachrichten. Hauptwerk wurden seine vierbändigen „Heidefahrten“ (1890-1897), die er mit zahllosen Sach- und Geschichtsinformationen anreicherte. Für uns sind diese populär geschriebenen Reiseberichte heute wichtige Zeitdokumente, die an Fontanes Wanderungen durch die Mark Brandenburg erinnern. Einen dieser Bände haben wir - von unseren Großeltern geerbt - im Bücherschrank in der zweiten Reihe stehen.
Wie sein Bruder Friedrich (1849-1929) schrieb August Freudenthal sein Leben lang über die Heide. Überhaupt war er sehr produktiv als Journalist, Herausgeber und Zeitungsgründer. Er schrieb Theaterstücke und lyrische Gedichte, von denen später einige vertont wurden. Sein Lied „O schöne Tiet“ wurde sogar in mehrere Sprachen (ins Hochdeutsche, Englische, Schwedische, Dänische, Russische und Holländische) übersetzt. Viele Emigranten sollen es während ihrer Überfahrt nach Amerika gesungen haben. Ähnlich wie die Brüder Grimm sammelte er Sagen und Märchen seiner Heimat.5
August Freudenthal starb 1898 im Alter von nur 47 Jahren. Mit seinen Schriften hat er viele Menschen mit den damals abgelegenen Heidelandschaften vertraut gemacht.6 Heute ist der an die Brüder Freudenthal erinnernde 151 km lange Freudenthalweg einer der Hauptwanderwege durch die Lüneburger Heide. Er beginnt in HamburgAppelbüttel und endet in Walsrode.
Hermann Löns wird „der Dichter“ der Lüneburger Heide
Hermann Löns machte die Lüneburger Heide populär, und die Heide machte ihn berühmt. Er war einer der ersten Verfechter des Naturparks Lüneburger Heide.
Der Dichter der Lüneburger Heide aber wurde letztlich Hermann Löns. Er machte die Heide in ganz Deutschland populär — und die Heide machte ihn berühmt. Seine Werke erreichten sensationelle Auflagen. Auch wenn heute kaum noch Schriften von ihm im Handel sind, wird sein Name noch immer mit der Lüneburger Heide verbunden.
Dabei wurde Löns weitab von der Lüneburger Heide im fernen Kulm in Westpreußen geboren. Schon als Schüler hatte ihn die Natur fasziniert. Auf der Suche nach dem Ursprünglichen durchstreifte er wissbegierig die Wälder und studierte später in Münster, Greifswald und Göttingen Naturwissenschaften und Medizin (wenn auch ohne Abschluss). Und dann schrieb und schrieb und schrieb er. Er schrieb wissenschaftliche Aufsätze, schrieb humoristische Plaudereien und Essays. Und er schrieb gefühlsselige Volkslieder und Romane. Er war ein erfolgreicher Vielschreiber.
Auf Land und Leute der Lüneburger Heide allerdings stieß er erst durch die Schriften der Gebrüder Freudenthal. Als er 27 Jahre...
| Erscheint lt. Verlag | 1.3.2023 |
|---|---|
| Verlagsort | Ahrensburg |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber |
| Sozialwissenschaften ► Soziologie ► Spezielle Soziologien | |
| Schlagworte | Egestorf • Fürstinnenaffären • Heideromantik • Heidewanderung • Heidjer • Lüneburg • Lüneburger Heide • Naturschutzpark • Pastor Bode • Schäfer • Schäfer Ast • Wildschütz Eidig • Wilsede • Winsen |
| ISBN-10 | 3-347-82976-X / 334782976X |
| ISBN-13 | 978-3-347-82976-3 / 9783347829763 |
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