Auf meine Schwächen ist wenigstens Verlass (eBook)
224 Seiten
mvg Verlag
9783961218578 (ISBN)
Alexandra Reinwarth ist Bestsellerautorin und hat neben der erfolgreichen Reihe Was ich an dir liebe schon viele andere Bücher für die Verlage riva und mvg geschrieben. Dazu gehört auch der aktuelle Spiegel-Bestseller Am Arsch vorbei geht auch ein Weg. Sie lebt in Valencia, wo sie als Produzentin und Autorin tätig ist.
Alexandra Reinwarth ist Bestsellerautorin und hat neben der erfolgreichen Reihe Was ich an dir liebe schon viele andere Bücher für die Verlage riva und mvg geschrieben. Dazu gehört auch der aktuelle Spiegel-Bestseller Am Arsch vorbei geht auch ein Weg. Sie lebt in Valencia, wo sie als Produzentin und Autorin tätig ist.
LEUTE, DIE KEINE FEHLER HABEN
Ich weiß nicht, ob Sie auch so einen Freund haben, der scheinbar nie Fehler macht – und auch gar keine hat! Ich habe einen Dirk, und wenn es nach Dirk geht, dann ist in Sachen Dirk alles tippi-toppi.
Also wenn sich die Gelegenheit ergibt und man in kleiner Runde über Fehler spricht, und darüber, wie diese einem das Leben schwer machen können, dann sagt Dirk so etwas wie: »Na ja, mein großer Fehler ist, dass ich zu viel Geld für richtig guten Wein ausgebe.« Wer da nicht insgeheim »Arschloch« denkt, der werfe den ersten Stein.
Aber es gibt auch subtilere Charaktere. Der Ex-Mann L. zum Beispiel, ein durchaus intelligenter und reizender Kerl, der ist auf wundersame Art und Weise niemals selbst schuld an irgendeinem Unbill. Das zieht sich durch seine gesamte berufliche und private Laufbahn. Er hat das Abitur nicht geschafft – ein Lehrer hatte ihn auf dem Kieker. Die Ausbildung wurde abgebrochen – die Bedingungen waren nun mal untragbar. Seine erste Ehe ging in die Brüche – weil? Genau, seine Angetraute war zu irgendwas. Und sein Geschäft, das er als Selbstständiger aufgezogen hatte, wurde vom hinterhältigen Finanzamt dahingerafft. Er war praktisch chancenlos, es lag am System. Und wenn das Kind bei ihm übernachtet und am Morgen während eines Wolkenbruchs als Einziges ohne Regenschirm oder Gummistiefel in die Schule latscht – »DANN HÄTTE ES DA EBEN SELBST DRAN DENKEN MÜSSEN!«, sagt L. (Für alle, die das nicht so einordnen können: Das Kind ist acht – da kann man schon froh sein, dass es nicht nur mit Raketenunterhosen bekleidet losstapft.)
Das ist ja auch so ein ganz elementares Merkmal, in dem sich Leute unterscheiden: Die einen denken, sie seien immer selbst an allem schuld, und die anderen denken, alle anderen seien an allem schuld. Ich spiele, Überraschung, in der ersten Liga mit und bin daher ungemein anziehend für die Herrschaften aus der zweiten. Wenn zu mir jemand unmöglich ist, tendiere ich naturgemäß dazu, mich zu fragen, was ich denn nur falsch gemacht habe! Oder, erst vor ein paar Tagen so passiert: L. (ansonsten ein reizender Kerl, wirklich) und ich haben einen Wochenplan, wer wann das Kind von der Schule abholt, es dort hinbringt und wo es übernachtet. Das klappt selten gut. Warum das selten gut klappt, darüber gehen die Meinungen auseinander – ein Klassiker:
L.: »Alex, wir haben da ein Problem am Freitag, da soll ich ja das Kind abholen, aber …«, und dann erzählt L., wie er am letzten Arbeitstag etwas früher Schluss gemacht und deshalb die Wochenpläne für nächste Woche nicht bekommen habe, sondern erst heute – und nun, tja. Muss er an dem Tag arbeiten, an dem er dran ist, das Kind abzuholen.
Hier die vollkommen verschiedene Herangehensweise unserer beiden Gehirne:
| WAS L. DENKT | WAS ICH AN SEINER STELLE DENKEN WÜRDE |
| Ich kann nichts dafür, ich hatte ja die Wochenpläne nicht – die Firma muss schließlich dafür sorgen, dass alle Mitarbeiter die bekommen. Das Kind ist unser gemeinsames, also ist das Problem auch unser gemeinsames. Und warum guckt sie so grantig? | Ich Knallerbse habe es vermasselt. |
Sie verstehen das Prinzip. Ich habe erstaunlich lange gebraucht, um dieses Prinzip zu verstehen. Inzwischen frage ich nach. »Warum kannst du am Tag X nicht das Kind abholen?«, und erfreue mich dann am Seiltanz von L., das irgendwie hinzuargumentieren. »Weil da mein Zahnarzttermin ist!«
»Aber warum hast du den Termin ausgerechnet für diesen Tag ausgemacht?«
»Weil … mein Handy leer war und ich beim Terminausmachen den Kalender nicht aufmachen konnte!«
Das Handy ist schuld. Und das ist nicht mal gelogen, der meint das wirklich! Wenn man nun aus Spaß (oder weil man die Faxen dicke hat) dieses Spiel immer weitertreibt, nur um den Satz zu hören: »Da habe ich einen Fehler gemacht«, dann kann man natürlich weiterbohren:
»Warum hast du es denn nicht aufgeladen?«
»Weil ich keine Zeit hatte, ich war spät dran, ich musste in die Arbeit.«
»Warum hast du es nicht dort geladen?«
»Da war so viel los, die Kunden …«
»Da konntest du nicht das Handy einstecken nebenbei?«
»Was willst du eigentlich von mir?«
Ansonsten ist er wirklich reizend.
L. sowie das Kind und ich leben seit beträchtlicher Zeit in Spanien und die spanische Sprache kommt L. in dieser Hinsicht sehr entgegen. Im Spanischen gibt es nämlich eine ganz wunderbare Art und Weise, von Dingen zu sprechen, die man vergessen, verschludert oder sonst wie vermasselt hat: »Se me ha olvidado.« Zu Deutsch: »Es hat sich mir vergessen.« Also nicht »Ich habe etwas vergessen«, sondern irgendeine übernatürliche, heimtückische Macht hat dafür gesorgt, dass es sich mir vergessen wurde. Ich liebe das. Nur L. liebt das noch mehr. Inzwischen hat auch das Kind diesen eleganten Schlenker übernommen:
»Was ist denn mit der Vase passiert?«
»Die hat sich mir runtergefallen!«
Wenn man Leuten wie L. etwas vorwirft, also ganz persönlich, und etwas ganz Konkretes – »Du hast XY gemacht/nicht gemacht« –, und sie können es auf Teufel komm raus nicht irgendwem anders in die Schuhe schieben und auch keinen Umstand dafür verantwortlich machen, dann haben sie nur noch die Möglichkeit, vom Thema abzulenken. Das geht dann in der Regel mit einer dieser beiden Strategien:
- Strategie 1: Attacke!
Eine grandiose Strategie. Man kennt das noch aus dem Kindergarten, wenn ein Dreikäsehoch den anderen »Blödmann« nennt, dann heißt es nämlich? Genau: »Selber Blödmann!« Mit fortschreitendem Alter wird dieses »Selber« dann etwas ausgereifter. Dabei ignoriert das Gegenüber den eigentlichen Vorwurf und kramt eine beliebige Begebenheit aus der Vergangenheit hervor, bei der man selbst nicht unbedingt geglänzt hat, und beackert diese. Das fängt dann zum Beispiel mit den Worten an: »Aber du hast …«, und schon ist man inmitten einer komplett anderen Diskussion! In dem einen Moment sind Sie noch dabei, den Unmut darüber zu äußern, dass Ihr Liebster SCHON WIEDER vergessen hat, das Kind von der Schule abzuholen, und ZACK!, wie durch Magie verteidigen Sie sich plötzlich, dass Sie 1987 mal kein Klopapier nachgelegt haben.
- Strategie 2: Die Art und Weise des Vorwurfs kritisieren
Das funktioniert so, dass während einer Diskussion, besonders wenn sie an Fahrt gewinnt, der »Schuldi« sich darauf einschießt, wie er kritisiert wird. Zu emotional, zum Beispiel. (Was auch kein Wunder ist, denn diese Vermeidungsstrategien bringen einen recht zuverlässig auf die Palme.) Und plötzlich diskutiert man nicht mehr über den Fakt, dass er SCHON WIEDER vergessen hat, das Kind von der Schule abzuholen, sondern darüber, ob man bei der Formulierung ein falsches Wort verwendet hat, ob man sein Anliegen zu aufgebracht vorbringt, im falschen Moment oder zur falschen Tages- oder Nachtzeit.
Warum die das machen? Keine Ahnung. Ich habe aber eine Vermutung. Allem Anschein nach scheint es in der Welt der fehlerfreien Leute ja nicht in Ordnung zu sein, dass sie welche machen. Warum? Och. Das ist ja meistens so ein Kindheitsgedöns – vielleicht sind sie mit der Überzeugung aufgewachsen, sie wären weniger wert oder nicht liebenswert, wenn sie Fehler machen, die Welt würde sich dann von ihnen abwenden, irgend so etwas, das eine Therapeutin Jahre später aus ihnen herausschälen muss. Weil ihnen aber natürlich trotzdem, wie jedem Menschen, Fehler passieren, kommt es zu einer inneren Missstimmung zwischen dem, wie sie sind (fehlerhaft), und dem, wie sie auf keinen Fall sein wollen (fehlerhaft), und diese Missstimmung nennt man kognitive Dissonanz. Schon mal gehört?
Das ist eine ganz ähnliche Missstimmung, wie ich sie empfinde, wenn ich zum Beispiel Moleskine-Büchlein kaufe. Kennen Sie die? Das sind so Notizbücher mit einem Gummibändchen zum Verschließen, und innen gibt es eine Innentasche aus Papier für – ehrlich gesagt, ich weiß nicht, für was. Dieses Büchlein kostet in der Ausgabe, die mir gefällt, knapp 20 Euro, in der Ausgabe, die mir besonders gut gefällt, 45. Es steht wohlgemerkt nichts drin, nicht die zukünftigen Lottozahlen und auch sonst keine Geheimnisse – es sind leere, linierte Seiten.
Ich hatte diese Diskussion um die Notwendigkeit solcher Büchlein schon einige Male in meinem Leben, besonders zu Zeiten, in denen nicht ganz klar war, ob der Kontostand und das Monatsende harmonisch zusammen ausklingen, oder ob wieder mal mehr Monat übrig ist. Dann ist zugegeben eine Ausgabe in Moleskine-Art zu Hause schwer zu vermitteln. »Nimm irgendein anderes Notizbuch, Alex – hier, ich habe sogar noch eins, ein Werbegeschenk von der Sparkasse, ganz für umme!«, heißt es da unter Umständen. Die Missstimmung, verursacht durch die glasklare Erkenntnis, dass mein Gegenüber recht hat, und auf der anderen Seite dem dringenden Wunsch nach dem Moleskine-Buch, versucht mein Gehirn dann auch sofort zu beheben, indem es anfängt, hanebüchene Argumente zusammenzukramen: »Aber das Moleskine-Büchlein hat so ein Bändchen als Lesezeichen!«
»Das von der Sparkasse auch.«
»Und auf dem Deckblatt ist ein Hinweis ›In case of loss‹ – da kann man reinschreiben, wo es der Finder hinschicken soll!«
Das ist spätestens der Moment, in dem mein Gegenüber anfängt, mit den Augen zu rollen. »Den Hinweis kannst du selbst schreiben! Was ist der Unterschied? Es sind leere Büchlein mit weißem Papier!«
»Das Papier von Moleskine ist elfenbeinfarben …«
… und so kann das ewig hin- und hergehen.
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| Erscheint lt. Verlag | 23.10.2022 |
|---|---|
| Verlagsort | München |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Lebenshilfe / Lebensführung |
| Schlagworte | am arsch vorbei • Bestseller • Fehler lieben lernen • gelassener werden • Humorvoller Ratgeber • Komische Macken • Sachbuch Bestseller • Stärken und Schwächen • unterhaltsames sachbuch • Was ich an dir liebe |
| ISBN-13 | 9783961218578 / 9783961218578 |
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