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Die Macht der Stille (eBook)

Wie introvertierte und hochsensible Menschen ihre Besonderheit erkennen, verstehen und nutzen können. Schüchternheit überwinden und Selbstbewusstsein stärken
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
192 Seiten
mvg Verlag
978-3-96121-878-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Macht der Stille -  Sophia Dembling
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Wer eher zurückhaltend auftritt, wird von anderen oft als schüchtern, ungesellig oder sogar unfreundlich wahrgenommen. Sophia Dembling ist selbst introvertiert und zeigt in ihrem Buch, dass Menschen wie sie durchaus sehr positive Eigenschaften und Fähigkeiten haben, die aus ihrer Zurückhaltung eine Stärke machen: Sie hören besonders aufmerksam zu, haben eine sehr einfühlsame Art, auf ihre Mitmenschen einzugehen, und sind oft äußerst kreativ. Mit einer Kombination aus persönlichen Erfahrungsberichten und psychologisch fundiertem Wissen gelingt Sophia Dembling ein inspirierendes Motivationsbuch für alle stillen Menschen und ein Plädoyer für mehr Verständnis im Umgang miteinander.

Sophia Dembling betreibt ihren Blog The Introverts Corner für Psychology Today und hat eine Vielzahl von Artikeln in renommierten Zeitschriften veröffentlicht, u.a. im Wall Street Journal. Sie lebt in Dallas, Texas.

Sophia Dembling betreibt ihren Blog The Introverts Corner für Psychology Today und hat eine Vielzahl von Artikeln in renommierten Zeitschriften veröffentlicht, u.a. im Wall Street Journal. Sie lebt in Dallas, Texas.

Die fruchtbare Leere


Kreativität findet statt, wenn der Geist still und aufnahmebereit ist. Das ist die fruchtbare Leere, in der wir der Fantasie Raum lassen. Das Leben Introvertierter spielt sich immer zur Hälfte dort ab.

Es wurden Argumente für die höhere Kreativität Introvertierter vorgebracht. Der Existenzialpsychologe Rollo May, Autor von Der Mut zur Kreativität, sagte, dass »echte Kreativität durch eine Intensität der Wahrnehmung, durch ein höheres Bewusstsein gekennzeichnet ist«. Nach dieser Definition können Introvertierte – mit der erhöhten Wahrnehmung ihrer Umwelt - vielleicht Anspruch auf höhere Stufen der Kreativität erheben. Und ich möchte gerne glauben, dass Introvertierte in jeder Weise überlegen sind, aber ich weiß es nicht. Das ist schrecklich schwierig zu beweisen, und dabei ist mir empirische Evidenz total wichtig.

Sicherlich haben auch Extrovertierte Zugang zu diesem höheren Bewusstsein. Ich kenne zumindest eine Extrovertierte, die unbändig kreativ ist und diese kreative Energie für extrovertierte Aufgaben einsetzt wie Themenpartys und Halloween-Kostüme. Und wo platzieren wir Mozart, der überaus kreativ, produktiv und zugleich ein auffallender Partyboy war? Vielleicht beruhte ein Teil seines Genies auf der Tatsache, dass er Zugang zu beidem in sich hatte, zum Introvertierten und zum Extrovertierten. Einer meiner persönlichen kreativen Helden, George Harrison, liebte es, Leute um sich herum zu haben, gleichzeitig hatte er auch etwas von einem Windhund. Er liebte die Frauen, die seine Liebe erwiderten.

Nein, ich bin nicht sicher, dass Introvertierte die Kreativität exklusiv für sich beanspruchen können. Dennoch scheinen wir Introvertierten leichten Zugang zu diesem Ort der hohen Wahrnehmung zu haben, und unsere Abneigung gegenüber der geschäftigen, sprudelnden Welt versetzt uns in die Lage, leicht in die fruchtbare Leere zu fallen.

Der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi ist der Vater des richtungsweisenden Begriffs »Flow«. Dieser bezeichnet den Zustand, den wir (an einem guten Tag) erreichen können, wenn wir voll und ganz in einer Aufgabe aufgehen. Zeit wird bedeutungslos, wir vergessen uns selbst, haben eine große innere Klarheit und tun diese Arbeit um ihrer selbst willen, nicht im Interesse einer Belohnung. Um seine Theorie zu entwickeln, untersuchte Csíkszentmihályi, wie kreative Menschen arbeiten. Flow verlangt, wie die Introversion, einen inneren Fokus. In gewisser Weise scheinen Introvertierte immer zur Hälfte im Flow zu leben. Er ist für uns Introvertierte, in unserer idealen Umgebung, vielleicht leichter zu erreichen. Da wir auf äußere Reize so empfindlich reagieren, können wir natürlich durch jede äußere Störung auch leicht aus dem Flow gedrängt werden, sozusagen eine »Kreativität interrupta«.

Ich fragte Dr. Csíkszentmihályi, ob es Untersuchungen dazu gebe, ob Introversion und Extroversion irgendeinen Einfluss auf die Fähigkeit haben, den Flow zu erreichen und aufrechtzuerhalten. Er antwortete, es gebe keine entsprechenden Untersuchungen, fuhr jedoch fort: »Ich denke, dass beide, Introvertierte wie Extrovertierte, in den Flow kommen können, aber auf unterschiedliche Weise – die ersten von selbst durch Gedankenspiele und die zweiten im Austausch von Ideen oder in der Zusammenarbeit mit anderen. Manche Menschen scheinen in der Lage zu sein, in einem bestimmten Stadium ihrer Arbeit extrovertiert zu sein, die Interaktion zu genießen und sich dann auf ein Problem zu konzentrieren und wochenlang mit Freude alleine daran zu arbeiten.«

Die Introversions-Theoretikerin Jennifer Grimes ist der Meinung, wenn nicht jeder in sich Ebbe und Flut von Introversion und Extroversion hätte, würde niemals etwas getan. »Wenn Sie in Gedanken etwas planen und vorhaben, es umzusetzen, könnte man behaupten, dies sei Introversion. Aber wenn Sie anschließend nicht handeln und die Energie nach außen kanalisieren, haben Sie überhaupt nichts geschafft.«

Während Reden und Tun für eine Leistung häufig wesentlich sind, können Sie nichts tun, solange Sie nicht entschieden haben, was Sie tun wollen, und da kommt die Tiefenverarbeitung ins Spiel. Reden und Tun folgen normalerweise nach der geleisteten Denkarbeit. Das Reden ist in gewisser Weise der vordergründige Teil der Kommunikation. Denken ist eine stille und einsame Aufgabe (auch wenn man nicht allein dabei ist), bei der eine Menge passiert. Beobachten, denken und schöpferisch tätig sein und manchmal auch einfach den Geist zu Tagträumen abdriften lassen, sind Zeiten, in denen unser Gehirn auf entspannte Wahrnehmung schaltet. Und in diesem stillen inneren Raum können glanzvolle Ideen entstehen.

Selbst wenn Ideen in der Interaktion ihren Ursprung haben – viele Leute werden durch die Zusammenarbeit angeregt, und Untersuchungen zeigen, dass Interaktion und glückliche Zufälle ein Treibstoff für die Innovation sind –, ist es normalerweise nötig, dass man zumindest etwas Zeit mit den eigenen Gedanken verbringt und die Dinge ausarbeitet, um eine erste Idee reifen zu lassen.

Ich bin auf langen Autofahrten besonders kreativ, allein oder mit meinem Mann, sobald die Straße uns in Schweigen eingelullt hat. Eine Autofahrt gewährt mir einige Stunden in der Leere zwischen zwei Orten, in der ich still und der familiären Umgebung fern bin, wo es mir freisteht, nichts anderes zu tun, als die Straße und die Landschaft zu betrachten. In diesem beschaulichen Raum schleichen sich alle Ideen heran, die sich in die hintersten Winkel meines Geistes zurückgezogen haben – die kleinen, erst halb herausgebildeten Ideen. Sie sind schüchtern, durch die fehlende Konkurrenz in meinem Gehirn jedoch ermutigt. In der fruchtbaren Leere wird das Flüstern einer Idee hörbar, und der kleinste Setzling kann Wurzeln bilden und wachsen.

Auch in der Abgeschiedenheit findet viel Kreatives statt. Bücher werden von Menschen geschrieben, die sich allein in ihr Arbeitszimmer eingeschlossen haben. (Der Entstehung von Büchern war vielleicht nichts abträglicher als das Internet. Man ist nie mehr völlig allein. Als wenn das Schreiben nicht schon genug Disziplin verlangen würde, verfügen wir nun über sehr viel mehr interessante Möglichkeiten, Dinge auf die lange Bank zu schieben, als nur den Kühlschrank zu putzen oder Schmutz aus der Tastatur zu schütteln.)

Malen kann geselliger sein; das Malen eines Porträts mit einem echten Modell ist in jeder Hinsicht intim, auch abgesehen von den Techtelmechteln, die sich im Lauf der Geschichte in Künstlerateliers abgespielt haben. Wie auch immer jedoch die Beziehung zwischen Künstler und Modell sein mag, sobald der Künstler den Pinsel auf die Leinwand setzt, betritt er die fruchtbare Leere, in der nichts anderes zählt als Licht, Farbe und Form. Malen ist eine stille Aufgabe, die absolute Konzentration verlangt. Wenn Sie einmal eine Gruppe von Freiluftmalern beobachten, werden Sie sehen, dass diese zwar vielleicht nah beieinander sitzen, aber schweigen, jeder kommuniziert nur mit seiner inneren Muse.

Im Schlaf, dem introvertiertesten Zustand jedes Menschen, ist das Gehirn voll und ganz seinen eigenen Mitteln überlassen. Viele bemerkenswerte kreative Lösungen sind den Menschen im Traum eingefallen: Auf die Flaggenmalerei, die seine Karriere veränderte, kam Jasper Johns durch einen Traum. Dasselbe gilt für die Melodie des klassischen Songs »Yesterday« von Paul McCartney und für ein Experiment, das 1936 zum Nobelpreis für Medizin führte.

Der stille Raum, in dem Introvertierte viel von ihrer Zeit verbringen, ist ein natürlicher Brutkasten für Kunst und Ideen. Aber auch hier stellt sich wieder die Frage: Wenn Introvertierte große Kunst erschaffen, aber nie aus sich herausgehen, um diese zu teilen, beeinträchtigt dies den Wert ihrer Kreativität? Ist eine spektakuläre Stimme, die nur unter der Dusche erklingt, ebenso wertvoll wie eine Stimme, der Tausende lauschen? Oder Hunderte? Oder auch nur fünf?

Ich weiß die Antwort nicht, aber diese Fragen lohnen es, bedacht zu werden. Die Tatsache, dass wir Introvertierten in der fruchtbaren Leere leben, unterstützt vielleicht die Auffassung, dass wir besonders empfänglich dafür sind, unsere Kreativität zu erkunden. Diese fruchtbare Leere steht jedoch jedem offen, der sich die Zeit nimmt, sie zu finden. Wichtiger könnte die Frage sein, was geschieht, nachdem der Grundstein gelegt wurde.

Einfach gerne beobachten


Streng genommen bezeichnet das französische Wort »flâneur« jemanden, der bummelt oder schlendert. Der Dichter Charles Baudelaire verlieh ihm jedoch seine ganz eigene Bedeutung.

»Die Menschenmenge ist sein Element«, schrieb er 1863, »wie es die Luft für den Vogel und das Wasser für den Fisch ist. Seine Leidenschaft und sein Metier sind es, mit der Menge eins zu werden. Für den perfekten Flaneur, für den passionierten Zuschauer ist es eine Riesenfreude, sich im Herzen der Menge niederzulassen, inmitten der Ebbe und Flut der Bewegung, mitten im Flüchtigen und Unendlichen. Um fort zu sein von zu Hause und sich doch überall daheim zu fühlen; um die Welt zu sehen, im Zentrum der Welt zu sein und doch vor der Welt verborgen zu bleiben – unvoreingenommene Naturen, die man mit Worten nur unbeholfen definieren kann. Dieser Zuschauer ist ein Prinz, der inkognito überall glücklich ist.«

Ich lernte den Begriff durch Dr. Laurie Helgoe kennen, Autorin von Introvert Power, und kann mir keine bessere Beschreibung für eine der größten Freuden eines Introvertierten vorstellen: sitzen und beobachten.

Ich bin ein Flaneur. Viele meiner besten Momente auf Reisen hatte ich, wenn ich sitzen und beobachten konnte. In New York verbringe ich viele Stunden im Central Park, ziehe von einer Bank zur...

Erscheint lt. Verlag 14.8.2022
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte Coaching • Hochsensibilität • introvertierte Persönlichkeit • Lifecoach • Persönlichkeitsentwicklung • Persönlichkeitstest • Psychologie • Ratgeber • Selbstbewusstseinscoach • selbstbewusst werden • sensibel
ISBN-10 3-96121-878-1 / 3961218781
ISBN-13 978-3-96121-878-3 / 9783961218783
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