Peak Mind (eBook)
448 Seiten
REDLINE Verlag
978-3-96267-438-0 (ISBN)
Dr. Amishi Jha ist Professorin für Psychologie an der Universität von Miami und erforscht die Zusammenhänge von Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis. Ihre Forschung wurde bereits bei der NATO, dem World Economic Forum und dem Pentagon aufgegriffen. Ihr TED-Talk How to tame your wandering mind wurde bereits von über 5 Millionen Zuschauern angeschaut. N/A
Dr. Amishi Jha ist Professorin für Psychologie an der Universität von Miami und erforscht die Zusammenhänge von Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis. Ihre Forschung wurde bereits bei der NATO, dem World Economic Forum und dem Pentagon aufgegriffen. Ihr TED-Talk How to tame your wandering mind wurde bereits von über 5 Millionen Zuschauern angeschaut. N/A
Kapitel 3
PUSH-UPS FÜRS GEHIRN
Als mein Sohn noch klein war, während ich mich auf dem Höhepunkt meines Kampfes mit meiner Aufmerksamkeit befand, hatte er ein Spielzeug, das er liebte. Eine Wasserschlange, auch Flutschi genannt. Das war ein durchsichtiger Plastikschlauch, der mit Wasser gefüllt und an beiden Enden verschlossen war. Wenn man versuchte, sie in die Hand zu nehmen und nach ihr zu greifen, schlüpfte sie aus der Hand. Es war unmöglich, die Wasserschlange festzuhalten. Leo schloss seine kleinen Hände darum, dabei ploppte sie in die Luft und hüpfte über den Boden - ein endloser Spaß.
Währenddessen hatte ich überhaupt keinen Spaß. Ich war in derselben Art Endlosschleife gefangen, aber statt einer Wasserschlange war es meine Aufmerksamkeit, die ich zu fassen kriegen wollte. Aber je fester ich zupackte, desto rasanter entglitt sie mir.
Ich weiß noch, wie ich meinem Kopf befahl, sich zu beruhigen und still zu sein. Ich weiß noch, dass ich immer angestrengter versuchte, ihn zu kontrollieren. Es ging grandios nach hinten los. Der stressige, ablenkende innere Monolog wurde nur noch lauter. Ich war ratlos. Es schien, dass es nur noch schlimmer wurde, je mehr ich mich anstrengte. Und in diese Ratlosigkeit mischte sich eine wachsende Sehnsucht. Ich sehnte mich danach, mein Leben wirklich zu leben - und nicht im Schnelldurchlauf oder Rückwärtsgang.
Viele kennen diese existenzielle Sehnsucht. Irgendein Ereignis - eine Krankheit, eine Scheidung, ein tragisches Ereignis oder ein Verlust, eine weltweite Pandemie - bringt uns dazu, darüber Bilanz zu ziehen, wie bewusst (oder auch nicht) wir unser Leben wahrnehmen. Der Auslöser kann aber auch etwas Gutes sein: ein Erfolg, eine Beförderung, ein schöner Moment mit einem geliebten Menschen. Oder es ist eine allmähliche Erkenntnis, eine Ahnung, dass es eine Möglichkeit geben muss, die eigene Leistungsfähigkeit und das eigene Wohlbefinden zu verbessern. Was es auch immer ist, irgendetwas bringt Sie darauf, dass Sie abgelenkt sind, neben der Spur, vielleicht sogar isoliert. Sie bemerken, dass Sie das nicht mehr wollen und sich das ändern muss, wenn Sie Ihr Leben in seiner ganzen Fülle erleben wollen. Allerdings haben wir schon alle Tricks und Taktiken ausprobiert - von digitalen Detox-Wochenenden bis zu Apps mit Lifehacks. Jetzt brauchen wir eine echte Lösung für diese Zwickmühle, etwas, das wir tun können, um fokussierter zu werden und nicht nur zu reagieren, damit wir mit unserem Leben besser in Kontakt kommen.
Wir wissen nun, dass unsere Aufmerksamkeit eine starke Kraft ist, aber sehr fragil, dass wir für Ablenkungen gemacht sind, und dass die Welt um uns herum das erbarmungslos ausnutzt. Ich habe Ihnen auch gesagt, dass Sie dagegen etwas tun können. Eine Schwierigkeit ist, dass die meisten glauben, das Gehirn könne sich nicht groß verändern. Viele glauben, dass sie auf die eine oder andere Art »verdrahtet« sind, und dass diese Verdrahtung relativ fix ist, genetisch bedingt oder Teil ihrer Persönlichkeit.
Neuroplastizität: mit Gehirntraining das Gehirn verändern
Früher dachten Neurowissenschaftler, dass die Verknüpfungen im Gehirn relativ permanent seien. Wir dachten damals, dass Erwachsene, die ihre form- und gestaltbaren Jugendjahre hinter sich gelassen hatten, eben »das Gehirn hatten, das man nun einmal hatte«. Sicher, neue Verbindungen konnten geknüpft werden, wenn man etwas lernte oder eine neue Erfahrung machte, doch dabei wurden nur Verbindungen zwischen bereits existierenden Landmarken hergestellt. So als würde man eine Brücke bauen, um zwei Landmassen miteinander zu verbinden, oder einen Zubringer, um zwei Autobahnen miteinander zu verbinden. Man arbeitete immer mit demselben Grundgerüst und im Erwachsenenalter war die Landkarte bereits in semipermanenter Tinte vorgezeichnet.
Bis wir feststellten, dass wir uns getäuscht hatten - was in der Wissenschaft oft passiert.
Das menschliche Gehirn - das voll entwickelte Gehirn, das erwachsene Gehirn, ja sogar das verletzte Gehirn – besitzt eine unglaubliche Neuroplastizität, das heißt, es kann sich selbst umgestalten oder neu organisieren, je nach dem Input, den es bekommt, und den Prozessen, mit denen es regelmäßig zu tun hat. Hier ein kurzes Beispiel: In London, einer alten Stadt mit einem komplexen, schwindelerregenden Straßennetz, führten Forscher eine Studie durch, bei der sie die Gehirne von Busfahrern mit jenen von Taxifahrern verglichen. Sie stellten fest, dass der Hippocampus, ein zentraler Teil des Gehirns für Gedächtnis und Orientierungssinn, bei den Taxifahrern deutlich größer war als bei den Busfahrern. Sie hatten doch fast denselben Job – durch die Stadt zu fahren –, warum also war das so? Während die Busfahrer nur eine spezielle Route lernen und benutzen mussten, mussten die Taxifahrer immer den gesamten Stadtplan im Kopf haben und flexibel abrufen, um jede Route zu finden. Diese Menschen waren ja offensichtlich in ihrer Kindheit noch keine Bus- oder Taxifahrer, also mussten diese Gehirnveränderungen vor relativ kurzer Zeit stattgefunden haben.
Die Forschungsergebnisse über die Neuroplastizität sind schon seit Jahren bekannt. Aber sie sind noch nicht so ganz ins allgemeine Bewusstsein vorgedrungen. Wir glauben noch immer, dass unser Gehirn »fest verdrahtet« ist; wir glauben noch immer, dass unsere Reaktion auf bestimmte Situationen - ob kognitiv oder emotional - unveränderlich ist, eine Facette unserer Persönlichkeit oder Identität, etwas, womit wir fertig werden müssen, oder das wir umgehen, aber nicht wirklich ändern können. Und es ist nur meiner besonderen Berufswahl zu verdanken, dass es mir während meiner »Aufmerksamkeitskrise« überhaupt in den Sinn kam, dass ich mein Gehirn verändern könnte, statt mein ganzes Leben umzukrempeln. Wenn man eine Krise erlebt wie die, in der ich steckte, war der normale Ansatz wohl, herauszufinden, wie man sein Leben ändern könnte, damit man besser damit fertigwird - den Job wechseln, Verantwortung abgeben und so weiter. Für mich war das aber alles keine Option. Ich befand mich auf dem richtigen Weg, ich tat, was ich liebte. Es gab nichts, was ich ändern wollte, außer, wie ich mich inmitten von alldem fühlte. Und als Neurowissenschaftlerin besaß ich bereits eingehende Kenntnisse über die unglaubliche Neuroplastizität des Gehirns. Hirnverletzungen wie jene, die Gordon erlitten hatte, der Gelähmte, den ich vor all den Jahren als Praktikantin im Krankenhaus kennengelernt hatte, vermittelten mir einen ersten Eindruck davon, was mit Neuroplastizität alles möglich sein könnte. Nach einem Schaden konnte das Gehirn manche Funktionen, die es dem Anschein nach verloren hatte, auf unglaubliche Weise wiedererlangen. Es brauchte zwar Zeit, Übung und Durchhaltevermögen, aber es war möglich. Das zeigte mir, dass das Gehirn sich verändern konnte. Der nächste Schritt nach dem Weg von der Verletzung zur Heilung würde also sein, sich Menschen zuzuwenden, die bereits gesund sind, und ihnen Möglichkeiten an die Hand zu geben, immer wieder zu üben. Die Hoffnung war, dass sie manche ihrer Fähigkeiten durch wiederholtes Üben optimieren konnten. Konnten wir die Kapazität des Gehirns zur Neuroplastizität nutzen, um den Geist gesünder zu machen, damit er sich den Herausforderungen unserer Zeit besser anpassen konnte?
Ich konnte mein Gehirn verändern - so viel stand fest, dessen war ich mir sicher. Was ich nicht so genau wusste, war, wie das gehen sollte.
Im selben Frühjahr, als meine Zähne taub wurden, wollte es der Zufall, dass der namhafte Neurowissenschaftler Richard (Richie) Davidson unsere Uni besuchte, um eine Vorlesung in meinem Institut zu halten. Heute ist Richie Leiter eines erfolgreichen Zentrums für Meditationsforschung an der University of Wisconsin-Madison, dem Center for Healthy Minds, aber als er Anfang der 2000er zu uns an die Penn kam, hatte er noch nicht damit begonnen, ausführlich über seine neuesten Forschungen über Meditation zu sprechen. Gegen Ende seiner Vorlesung legte er zwei fMRT-Bilder von Gehirnen nebeneinander auf den Bildschirm: eines von einer Person, die man in eine positive Stimmung, eines von einer Person, die man in eine negative Stimmung gebracht hatte. Um diese Bilder zu erhalten, provozierten die Forscher emotionale Reaktionen bei den Teilnehmern, indem diese sich glückliche oder traurige Erinnerungen lebhaft vor Augen führten, man ihnen fröhliche oder traurige Musik vorspielte oder sie Videos mit unterschiedlichen Stimmungen ansehen ließ. Währenddessen zeichneten die riesigen Magnetfelder des MRT mit ihren brummenden und piependen Radiofrequenzimpulsen die Daten der Hirnaktivitäten auf.
Das MRT (Magnetresonanztomografie), wie man es bei einer Knie- oder Knöchelverletzung bekommt, bietet einen statischen Blick auf die Anatomie, einen Schnappschuss dessen, was sich im Inneren befindet. Das fMRT (funktionelle Magnetresonanztomografie) ist etwas anderes. Es macht sich die Eigenschaften des Gehirns und des Blutes in einem magnetischen Umfeld zunutze. Wenn Neuronen feuern, benötigen sie Blut, das mehr Sauerstoff enthält - und Blut hat eine unterschiedliche magnetische Signatur, je nachdem, ob es reich an Sauerstoff ist oder nicht. Das fMRT beleuchtet über eine bestimmte Zeit den aktuellen Gehalt des Sauerstoffs im Blut in unterschiedlichen Teilen des Gehirns, das heißt, es kann indirekt in jedem einzelnen Moment nachverfolgen, wo im Gehirn gerade die Neuronen am aktivsten sind. Die beiden Gehirne auf den Bildern, die Richie uns zeigte, wiesen auffallend unterschiedliche Aktivitätsmuster auf, wie Rorschach-Tests mit Tintenklecksen, die sich entgegensetzen. Im negativ gestimmten Gehirn passierte etwas anderes als im...
| Erscheint lt. Verlag | 17.7.2022 |
|---|---|
| Übersetzer | Bärbel Knill |
| Verlagsort | München |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Lebenshilfe / Lebensführung |
| Schlagworte | Aufmerksamkeit • Beruf • effizient arbeiten • Energie sparen • Fokus • Homeoffice • Karriere • Konzentriert Arbeiten • Kreativität • Leistung steigern • Multitasking • Produktivität • resilizenz • Selbstständig • Social Media • Stärke • Stress • Zeit haben • Zeitmanagement |
| ISBN-10 | 3-96267-438-1 / 3962674381 |
| ISBN-13 | 978-3-96267-438-0 / 9783962674380 |
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