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Die Enkel des 20. Juli 1944 - Felicitas von Aretin

Die Enkel des 20. Juli 1944 (eBook)

eBook Download: EPUB
2021
388 Seiten
Dittrich Verlag
978-3-947373-73-4 (ISBN)
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Traumata können sich bis in die Enkel und Urenkelgeneration auswirken. In den achtziger Jahren beschäftigen sich Romane und Forschung mit den Folgen der NS Zeit auf die Nachkommen von Tätern und Opfern. In Widerstandsfamilien bleibt es hingegen lange ein Tabu, seelische Auswirkungen zu thematisieren. Um die 'Spirale des Schweigens' in diesen Familien besser zu verstehen, führte die Autorin zahlreiche Gespräche mit Enkeln und Enkelinnen und stellte die Doppelporträts von Enkel/in und Großvater in den zeithistorischen Kontext. Sie erzählt, wie die Nationalsozialisten nach dem Attentat Rache an den Nachkommen nehmen und zeichnet den Umgang beider deutschen Gesellschaften mit einem ambivalenten Datum nach. Außerdem analysiert sie die verschiedenen Rezeptionsphasen politischer Instrumentalisierung - vom Widerständler zum Staatshelden.

Felicitas von Aretin ist Historikerin und Sachbuchautorin. Studium der Geschichte, Kunstgeschichte und des Öffentlichen Rechts in Frankfurt a. M., Heidelberg und München. Promotion am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz. Als Journalistin für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, den Tagesspiegel und die Welt tätig. Leitung der Pressestellen der Freien Universität Berlin, der Max-Planck-Gesellschaft sowie des Deutschen Jugendinstituts. Seit 2021 leitet sie das Münchner Büro der Agentur hpunkt kommunikation.

Felicitas von Aretin ist Historikerin und Sachbuchautorin. Studium der Geschichte, Kunstgeschichte und des Öffentlichen Rechts in Frankfurt a. M., Heidelberg und München. Promotion am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz. Als Journalistin für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, den Tagesspiegel und die Welt tätig. Leitung der Pressestellen der Freien Universität Berlin, der Max-Planck-Gesellschaft sowie des Deutschen Jugendinstituts. Seit 2021 leitet sie das Münchner Büro der Agentur hpunkt kommunikation.

Vorwort S. 7

Die Not der Erinnerung > Von Landesverrätern zu unbequemen Helden S. 8

Die Vielfalt des Diskurses > Vom Hilfswerk zur Forschungsgemeinschaft S. 84

Das Pathos des Redens > Von der
familiären Gedenkfeier zum politischen Staatsakt S. 144

Die Spirale des Schweigens > Vom Umgang der Generationen mit einem schwierigen Tag S. 186

Der wieder entdeckte Großvater > Beatrix Heintze und der Industrielle Walter Cramer S. 224

Der Verlust der Mitte > Constanze Kuntze und
der Gewerkschaftler Hermann Maaß S. 243

Europäische Visionen und ein afrikanischer Traum > Corrado Pirzio-Biroli und der Botschafter Ulrich v. Hassell S. 256

Verteufelung und Sakralisierung > Maria-Theresia Rupf-Bolz und Staatspräsident Eugen Bolz S. 277

Eine Ohrfeige als Befreiungsschlag > David Heinemann und der Sozialdemokrat Julius Leber S. 289

Gegen die Republik der Blockwart-Enkel > Jens Jessen und der Volkswirt Jens Peter Jessen S. 308

Von der Wichtigkeit der Großmütter > Clemens Schaeffer und Oberstleutnant Carl-Ernst Rahtgens S. 324

Zwischen Kiez und Forschungsgemeinschaft > Christian Lindemann und General Friedrich Lindemann S. 334

Der 20. Juli – ein Randthema > Hermann Pünder und der CDU-Mitbegründer Hermann Pünder S. 353

Wüste, Weite, Einsamkeit und der 20. Juli als Kraftquelle > Sascha Hendrikoff, Michael v. Hofacker und Oberstleutnant Cäsar v. Hofacker S. 362
Dank S. 383

Die Not der Erinnerung >
Von Landesverrätern zu unbequemen Helden1


Am 20. Juli 1944 schlug der Bombenanschlag auf Adolf Hitler im Hauptquartier »Wolfsschanze« in Rastenburg fehl. Schon in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli ließ Generaloberst Friedrich Fromm den Attentäter Claus Schenk Graf v. Stauffenberg, sowie seine Mitverschwörer Werner von Haeften, Friedrich Olbricht und Albrecht Ritter Mertz v. Quirnheim im Hof des Bendlerblocks in Berlin standrechtlich erschießen. Den Berufsoffizier Ludwig Beck, entscheidend im militärisch-bürgerlichen Widerstand, forderte Fromm zum Selbstmord auf und ließ ihm nach zwei missglückten Versuchen von einem Feldwebel den »Gnadenschuss« geben. Zahlreiche andere Mitverschwörer wurden verhaftet; einige entzogen sich den drohenden Folterungen und der Haft durch Selbstmord. In einer nächtlichen Rundfunkansprache wandte sich Hitler an das Volk und verkündete: »Eine ganz kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich verbrecherischer, dummer Offiziere hat ein Komplott geschmiedet, um mich zu beseitigen und zugleich mit mir den Stab praktisch der deutschen Wehrmachtsführung auszurotten.«2

Bereits am 21. Juli bildete der Diktator im Amt IV des Reichssicherheitshauptamts (RSHA) die so genannte »Sonderkommission 20. Juli«, deren Chef Reichskriminaldirektor und SS-Gruppenführer Heinrich Müller wurde.3 Die Sonderkommission arbeitete in elf Fachabteilungen und wuchs bald auf 400 Mann an.4 Gleichzeitig arbeiteten alle Stellen der Polizei der Sonderkommission zu. Unter Einsatz aller Mittel suchte die Sonderkommission nach weiteren Verdächtigen, wobei sich der Kreis immer weiter ausdehnte, auf Diplomaten, Gewerkschaftler, Sozialdemokraten, Männer der Kirche, bürgerliche Intellektuelle und Wirtschaftsführer.5

Am 30. Juli 1944 fand im »Führerhauptquartier Wolfsschanze« eine Besprechung zwischen Reichsführer-SS Heinrich Himmler und dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, vor Hitler statt, in der das weitere Vorgehen gegen die Männer des 20. Juli und ihrer Angehörigen beschlossen wurde. Danach galt die besondere Rache Hitlers den Familien Stauffenberg und den Nachkommen des seit 1943 in sowjetischer Gefangenschaft lebenden Generals Walter v. Seydlitz-Kurzbach. Der General war bereits im Frühjahr 1944 in Abwesenheit vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt worden. Außerdem ließ Hitler Anfang August einen so genannten »Ehrenhof«6 einrichten, ein neues militärisches Gremium aus Feldmarschällen und Generalen des Heeres unter Wilhelm Keitel. Diese hatten zu prüfen, wer an dem Attentat beteiligt war und wer deshalb aus dem Heer ausgeschlossen oder entlassen werden sollte. Bis Mitte September stieß der »Ehrenhof« 55 Offiziere aus der Wehrmacht aus, weitere 29 wurden auf Vorschlag des »Ehrenhofs« entlassen. Mit der Ausstoßung aus der Wehrmacht änderte sich der gerichtliche Zuständigkeitsbereich. Zuständig war für alle politischen Strafsachen, auch für Soldaten, der Volksgerichtshof, der zuvor Fälle von Landes- und Hochverrat behandelt hatte. In mehr als 50 Prozessen wurden schließlich etwa 200 Männer und Frauen angeklagt.7 An den Vorgaben bei der rachsüchtigen Verfolgung seiner Gegner ließ es Hitler an Deutlichkeit nicht fehlen: »Diesmal werde ich kurzen Prozess machen. Diese Verbrecher (...) sollen nicht die ehrliche Kugel bekommen, sie sollen hängen wie gemeine Verräter! Ein Ehrengericht soll sie aus der Wehrmacht ausstoßen, dann kann ihnen als Zivilisten der Prozess gemacht werden (...) und innerhalb von zwei Stunden nach der Verkündung des Urteils muss es vollstreckt werden. Die müssen sofort hängen ohne jedes Erbarmen.«8 In Folge des 20. Juli wurden rund 600 bis 700 Personen9 – darunter auch die Sippenhäftlinge – verhaftet.

Am 7. und 8. August fand der erste große Prozess gegen Generalfeldmarschall Erwin v. Witzleben, Oberleutnant Peter Graf Yorck von Wartenburg, Generaloberst Erich Hoepner, Generalleutnant Paul v. Hase, Generalmajor Helmuth Stieff, Hauptmann Friedrich Karl Klausing, Oberstleutnant Robert Bernardis und Oberleutnant Albrecht v. Hagen statt, der das Todesurteil für alle Angeklagten zur Folge hatte. Den Vorsitz führte bis zu seinem Tode am 3. Februar 1945 meist Präsident Roland Freisler, der für seine menschenverachtende Brutalität und seine Hasstiraden bekannt war. In der Regel ließ Freisler in keinem der darauf folgenden Prozesse die Angeklagten länger zu Wort kommen; dennoch gelang es einigen Verschwörern, das Gebrüll des Volksgerichtspräsidenten für Sekunden zu unterbrechen. Legationsrat Hans-Bernd v. Haeften nannte Hitler beispielsweise »einen großen Vollstrecker des Bösen«,10 Hauptmann d. R. Ulrich Wilhelm Graf Schwerin erwähnte als Motiv für seinen Widerstand die »vielen Morde«.11 Während über den ersten Prozess noch ausführlich in der gelenkten Presse berichtet wurde, wurde in den kommenden über 50 Prozessen – die mit mehr als 110 Todesurteilen endeten – weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. Hitler hatte zunächst verlangt, dass sowohl die Prozesse als auch die Hinrichtung in Plötzensee zu filmen seien. Tatsächlich endeten die letzten Aufnahmen mit dem Prozess gegen Rittmeister Friedrich Scholz-Babisch am 10. Oktober 1944. Da die Kameramänner sich weigerten, die sich lange hinziehenden Exekutionen zu filmen, sind nur die Hinrichtungen vom 7. August 1944 filmisch festgehalten. Der Film gilt allerdings seit Jahrzehnten als verschollen.12 Der letzte Prozess vor dem Volksgerichtshof gegen die Männer des 20. Juli fand am 19. April 1945 statt. Die meisten Männer wurden mit Ausnahmen, wie Carl Goerdeler und Finanzminister Johannes Popitz, wenige Stunden nach dem verhängten Todesurteil in der Hinrichtungsstätte Plötzensee gehenkt oder enthauptet. Die Witwen durften nicht Schwarz tragen, mussten die Rechnungen für die Hinrichtung bezahlen. Außerdem waren Todesanzeigen mit entsprechenden Hinweisen verboten.

Entscheidende Hinweise auf weitere Kontakte der Verschwörer hatte die Sonderkommission erhalten, als es am 10. August 1944 gelang, den ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler13 gefangen zu nehmen. Goerdeler hatte sich auf abenteuerliche Weise drei Wochen versteckt gehalten und wurde von einer Luftwaffenhelferin erkannt und denunziert. Einen weiteren »Erfolg« konnte das Reichssicherheitshauptamt Ende September 1944 verzeichnen, als den Ermittlungsbeamten in einem Panzerschrank in Zossen Aufzeichnungen von Oberregierungsrat Hans v. Dohnanyi über frühere Widerstandspläne aus dem Kreise des militärisch-bürgerlichen Widerstands um Generaloberst Ludwig Beck, Generalmajor Hans Oster und Generaloberst Franz Halder in die Hände fielen. Anfang April 1945 entdeckte die Sonderkommission schließlich die legendären Tagebuchaufzeichnungen des Admirals Wilhelm Canaris,14 der bis 1944 das Amt Ausland/Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht (OKW) leitete. Angesichts des nahenden Zusammenbruchs entwickelten die Nationalsozialisten eine große Hektik, um die noch lebenden Regimegegner nicht den Alliierten in die Hände fallen zu lassen. Abwehrchef Canaris, sein Mitarbeiter Oster und der Theologe Dietrich Bonhoeffer wurden im Februar 1945 in das Konzentrationslager Flossenbürg gebracht und dort nach dem Urteil eines SS-Standgerichts am 9. April 1945 gemeinsam mit anderen Haftungen gehenkt. Zwischen dem 22. und 24. April ermordete die SS 18 Häftlinge auf einem Ruinengrundstück in der Nähe der Berliner Lehrter Straße, unter ihnen den Syndikus Klaus Bonhoeffer, Ministerialrat Rüdiger Schleicher und Professor Albrecht Haushofer.

Viele Frauen der Regimegegner hatten von dem Misslingen des Attentats erst aus dem Radio gehört und mussten ihre Angst und Sorge um ihre Männer im Sommer 1944 vor den Kindern, der Familie, Freunden und dem Personal geheim halten. Im Vergleich zu Frauen im kommunistischen Widerstand waren die Frauen des 20. Juli nur in wenigen Fällen politisch aktiv.15 Alle teilten mit ihren Männern jedoch die Verachtung für den Nationalsozialismus, der gegen jede Form von christlichen und ethischen Normen verstieß. So schrieb beispielsweise Clarita v. Trott zu Solz, rückblickend über ihre Ehe mit Adam v. Trott: »Aber die nie versiegende Freude aneinander wurde aus vielen Quellen gespeist. So gab es vor allem einen gemeinsamen Fundus ähnlicher Überzeugungen, Vorstellungen und Motivationen, die unsere Familien vermittelt hatten. Auch ich war überzeugt, dass das Leben in den Dienst überindividueller Verpflichtungen zu stellen sei.«16

Die Mehrzahl der Regimegegner führten ungewöhnlich glückliche Ehen. »Ja, ich kann sagen, meine Mutter wird wohl der wichtigste Mensch für meinen Vater gewesen sein. Ich habe als Kind immer das ganze Glück der Ehe meiner Eltern von vorneherein gespürt, aber in dieser politischen Situation glaube ich, war die Bindung meines Vaters an...

Erscheint lt. Verlag 20.7.2021
Verlagsort Weilerswist
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik
Geschichte Allgemeine Geschichte 1918 bis 1945
Schlagworte 1944 • Attentat • Geschichtswissenschaft • Gewissen • Hitler • Nachfahren • Nationalsozialismus
ISBN-10 3-947373-73-2 / 3947373732
ISBN-13 978-3-947373-73-4 / 9783947373734
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