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M wie Matthias Claudius, M wie Mond (eBook)

Matthias Claudius, die Moderne und mehr - eine Bestandsaufnahme nicht nur für aufgeschlossene Jugendliche
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
156 Seiten
tredition (Verlag)
9783347345836 (ISBN)

Lese- und Medienproben

M wie Matthias Claudius, M wie Mond -  Max-Rudolf Müller
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Der Autor möchte Jugendliche - aber nicht nur Jugendliche - mit seinem Buch zum Kunstinteresse anregen und überhaupt zu wissenschaftlichem Denken und zu existentiellem Nachdenken. Zu diesem Zweck zeigt er berühmte Kunstwerke und zitiert Stellen aus von ihm für wichtig erachteten Büchern. Es sind Bruchstücke aus den Wissenschaften, aus Philosophie und Theologie. Neben den Originaltexten liefert der Autor aber auch seinen Lesern Kommentare, die zur Auseinandersetzung mit der Lektüre anregen sollen. Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Zunächst geht es mehr um Kunst und Naturwissenschaft (Physik), dann um Literatur, Philosophie und Theologie. Der zweite Teil widmet sich der konkreten Gegenwart, wie sie sich vor allem in der Presse spiegelt, während der abschließende dritte Teil vorwiegend auf Matthias Claudius eingeht. Der Hamburger Dichter lebte im 18. Jahrhundert, einer Zeit mit nicht wenig brisanten Problemen. Doch Matthias Claudius vertrat auch in wogenden Zeiten zeit seines Lebens den Standpunkt christlich fundierter Gelassenheit. Schließlich geht der Autor noch - bevor es zu einigen abschließenden Quizfragen kommt - auf das sogenannte 'Enneagramm' ein, eine in alter symbolischer Darstellungsform sich zeigende Einheit von Mensch und geschaffener Welt. Die sich dort manifestierenden Grundkategorien spiegeln sich auf ihre Art wider in dem Mikrokosmos Mensch. Hier geht es dann um Persönlichkeitsstrukturen. Der bedeutende Erfinder, Physiker und Theologe Karl Philberth beglückwünscht den Autor zu einem 'Glaubensbuch', das sich einmal nicht an Kinder wendet, sondern an Jugendliche und aber nicht weniger auch an Erwachsene.

4. Reisen (Architektur, Malerei: Tempel, Gotik, Barock, C. D. Friedrich, Die Moderne, Ikonen, Manoppello)

Zum Spektrum der großen Kunstgattungen gehören nun aber auch die Architektur, die Musik und die Malerei – wir gehen hier nicht weiter begründend auf die sinnvolle Unterteilung der Kunstgattungen in der Ästhetik von Hegel ein. Das Streifen einiger Kunstwerke hat seinen Grund auch darin, dass ich im zweiten Teil des Buches bei der ersten Überlegung, was denn unter dem Buchstaben »R« von mir angeführt werden könne, ich mich spontan dafür entschied, einen Imperativ anzuführen, der eben mit »R« beginnt: »Reist«, also geht in die Welt hinaus, lernt sie kennen, erfreut euch ihrer.

Von Claudius stammen übrigens die bekannten Verse:

Wenn einer eine Reise tut,

dann kann er was erzählen,

Drum nahm ich meinen Stock und Hut

Und tät das Reisen wählen.

(Matthias Claudius: Urians Reise um die Welt, mit Anmerkungen)

Ich unterlasse es nicht, einige »Ratschläge« zu geben, was die Reiseziele sein sollten, wodurch vielleicht aber schon die Reiselust bei den solchermaßen Belehrten etwas abnehmen könnte. Es ergaben sich nun einige Ziele, die unter anderen in seinem Leben zu erreichen ich jedwedem Jugendlichen wünschte: im fernen Osten sich bekannt zu machen mit Tempeln und Teehäusern, in Griechenland mit einer bestimmten Ausformung des griechischen Tempels, in Israel mögen sie Bekanntschaft machen mit dem Land überhaupt des Alten Testaments – wir haben es in unserer ästhetischen Besinnung beispielhaft kulminieren lassen in der illuminierenden Gestaltung von Seiten des Alten Testaments.

In Tunesien, in Kairouan, sollte die Jugend sich bekannt machen mit der wunderbaren Architektur einer Moschee – für uns soll das in unserem Buch abgebildete Blatt aus dem Koran genügen, um die Kunstfertigkeit im Islam anzudeuten.

Im Land des Nils wünschte man eine Bekanntschaft mit dessen sakralen Pyramiden- und Tempelbauwerken – für uns kulminiert das auf eine Reise Geschmack Machende im »Ästhetischen Vorspiel« in der Abbildung der Hieroglyphen auf einer Stele.

Eine Begegnung wünschte ich weiter in Frankreich mit der Gotik und mit der Kapelle von Ronchamp, in Italien mit dem Barock und mit der unscheinbaren Stadt Manoppello, in Moskau mit der Tretjakow-Galerie, in Deutschland mit der leicht mit dem Fahrrad zu erfahrenden Nationalgalerie Berlin und schließlich im gelobten Land Amerika, der Neuen Welt, mit der »Multidimensionalität« praktizierenden Aktionskünstlerin Lilo Kinne. – Diese Frau stand in enger Beziehung zu dem Tübinger Altphilologen und Aristotelesforscher Hans Joachim Krämer, einem Wissenschaftler von stupendem Wissen, der nichtsdestotrotz der modernen Welt und ihrer Kunst gegenüber sehr aufgeschlossen war.

Die ernste Prosa kommt aber nun auch nicht zu kurz, der Mond soll nicht nur durch die Kunst erschlossen sein, sondern die Jugendlichen mögen auch eine Reise zum Mond selbst buchen, sie sind also gehalten, auch einmal die liebe alte Erde zu verlassen.

Man sieht: typisches Bildungsgut von Eltern, die um das geistige und geistliche Niveau der Nachkommen bemüht sind.

Wir wollen nun ein wenig mehr auf die Kunst eingehen, die für die Jugendlichen an entsprechenden Orten aufzusuchen ist, per pedes, mit dem Fahrrad, dem Auto, dem Flugzeug oder der Segeljacht – auch im Bildanhang wird auf einige Kunstwerke eingegangen.

Das Faszinierende nun an der asiatischen Kunst – hier in diesem Buch illustriert an einem chinesischen Tempel – ist, dass wir konfrontiert werden mit einem Menschenbild, das dem europäischen geradezu diametral entgegengesetzt zu sein scheint. Der japanische Tempel tritt uns als Ausdruck eines Selbst – das Selbst in Bezug zur Gesellschaft, das Selbst in Bezug zum Kosmos und das Selbst in Bezug zur Götterwelt – gegenüber, das geradezu verblasst vor dem Horizont desjenigen Selbstverständnisses, das sich in der Entwicklungsgeschichte der europäischen Kunst entwickelt hat mit ihrer Tendenz – schon auf der Ebene der Erscheinung durchscheinend –, die Würde des Individuums zu offenbaren, eines Individuums, das seine personale Freiheit verwirklicht in der Polis. Das Individuum spielt dagegen im traditionellen japanischen Fühlen und Denken – wie es sich auch in der Kunst äußert – eine geringe Rolle.

Stellvertretend mag das erste Bild dienen, das einen buddhistischen Tempel in China zeigt. Betrachtet man das Dach und seine nach oben hin gebogenen Ausschweifungen, so wird man leicht feststellen, dass dies eine ganz besondere Form der Dachgestaltung ist, in der sich etwas ganz Besonderes zum Ausdruck bringt, im Vergleich zur Dachkonzeption in der abendländischen Baukunst. Der in seinem Denken in manchen Punkten mit der Ästhetik von Hegel übereinstimmende anthroposophisch ausgerichtete Gottfried Richter (nicht Gerhard Richter!) macht in seinem Werk »Ideen zur Kunstgeschichte« darauf aufmerksam, dass dieses nach Außen-gerichtet-Sein gerade das elementar Verschiedene bezeichnet, wodurch das sogenannte »atlantische Bewusstsein« sich vom europäischen abhebe: das Individuum in Asien habe seine es konstituierende Substanz außerhalb seiner in dem Anderen – sei es der Kosmos, sei es die Welt der Götter. Die europäische Entwicklungsgeschichte dagegen tendiert dazu – in der Kunst sich auch zeigend –, das Andere jedweden Seins als das Andere des Selbst zu entlarven, das im geschichtlichen Verlauf auch immer deutlicher die Signatur dieses Selbst erfährt.

Auf einem langen Weg erlangt in der Renaissance das Individuum erstmals deutlich seine ersehnte »Wiedergeburt« aus dem Geist griechisch verstandener Freiheit. Es ist ein Vorgang der Emanzipation, der seine »Vollendung« dann in der Aufklärung zu finden scheint. In unserer Bilderfolge setzen wir den Fuß von einem buddhistischen in einen griechischen Tempel.

Was uns in Hellas begegnet, ist gewaltig: eine sich ihrer selbst bewusst werdende Individualität, eine Individualität, die in Gemeinsamkeit mit anderer Individualität ihr Bürgersein verwirklicht, in Freiheit, in Gleichheit – dass sich das Ganze in einer auf Sklavenarbeit beruhenden Gesellschaft abspielt, ist historische Gegebenheit. In Bezug auf die Gleichheit und Freiheit (Freiheit beruhend in Wechselwirkung mit Gleichen) betrachte man nur die Ordnung der Säulen.

Gehen wir über zu den Abbildungen der gotischen Epoche, die etwas ausdrückt, was als »die Schwerkraft aufhebende Sehnsucht« bezeichnet werden könnte, eine Sehnsucht, die nicht ruht, als bis sie sich mit Gott vereint sieht. Von der gewaltigen gotischen gen Himmel drängenden Kathedrale (ein Kunsthistoriker wie Hans Jantzen würde vielleicht von »Antiponderosem« sprechen, ein Existenzphilosoph eher ironisch von »Himmelsstürmerei«), wird man bewegt, auch das Innere der Kirche zu erschließen und im meditierenden Verweilen vor einem gotischen Farbfenster deutet sich im physischen Licht die Diaphanie des transzendenten Lichts an.

Die Gotik ist auf dem Weg zum Ich, einem anderen Ich als dem der Renaissance und auch dem der Reformation. Das Renaissance-Ich entdeckt sich und die Welt und erfreut sich seiner und der Welt. Die Kirche spielt nicht mehr die zentrale Rolle. Martin Luther schüttelt ihre bisherige Autorität entschieden ab, wobei er in seinen Schriften die Dualbeziehung Mensch-Gott betont, in welcher der Mensch Gott gegenüber der gehorsame Diener zu sein hat, wenn er sich als wahrhaft frei erfassen möchte.

Wir gehen über zum Barock bzw. zu den Abbildungen des Petersplatzes und des Deckenfreskos von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle. Eine neue Welt begegnet uns. Der Mensch ist aus seiner Unschuld erwacht und er ist fähig und stolz zugleich, zu präsentieren, was ihm widerfahren ist: Immer mehr ist er der Mittelpunkt, von dem ausstrahlend die Deutungshoheit über das Sein und das Nichts ausgeht, diesmal aber noch im mehr oder weniger deutlichen Verharren gläubiger Ergebenheit in die vorrangige Gegebenheit der göttlichen Allmacht Gottes.

Zweifelsohne ist die Vollendung des Petersplatzes von Gian Lorenzo Bernini (1598–1680) die Vollendung der Architektur überhaupt. Eine vielversprechende und beeindruckende Selbstdarstellung der Kirche als Institution finden wir hier: alles ist gebunden in eine Einheit und dies ist denn auch eines der Schlüsselmerkmale des Barocks und seiner Kunst: die Bindung der Gegensätze überhaupt, als da letztlich wären die Gegensatzpaare von endlich und unendlich, von menschlich und göttlich, von immanent und transzendent. Für Kenner ist die Frage nach der Art der Einheit interessant: Zeigen sich im Barock schon Tendenzen einer strukturellen Einheit oder wird alles in einer schon vorgegebenen Einheit aufgehoben? Nun, im Deckenfresko von Michelangelo wird in der Schöpfung des Menschen der Moment gezeigt, wo der Atem Gottes – gleichsam konzentriert im ausgestreckten Zeigefinger seiner rechten Hand...

Erscheint lt. Verlag 18.6.2021
Verlagsort Ahrensburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft Bewerbung / Karriere
Schulbuch / Wörterbuch Lexikon / Chroniken
Technik
Schlagworte Jugendliche • klassisches Wissen • Kunst • Matthias Claudius • Naturwissenschaft • Philosophie • Theologie
ISBN-13 9783347345836 / 9783347345836
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