Außergewöhnlich (eBook)
336 Seiten
FinanzBuch Verlag
9783960929055 (ISBN)
JOE NAVARRO, Jahrgang 1953, kam mit acht Jahren aus Kuba in die USA. Da er kein Wort Englisch sprach, entdeckte er sehr früh den Nutzen der nonverbalen Kommunikation. Später entlarvte er als FBI-Agent in der Abteilung für pionageabwehr 25 Jahre lang Spione, indem er ihre Körpersprache beobachtete und ihre wahren Gedanken und Gefühle bloßlegte. Heute unterrichtet er das Entschlüsseln nonverbaler Kommunikation an Universitäten und verfasst Bücher.
JOE NAVARRO, Jahrgang 1953, kam mit acht Jahren aus Kuba in die USA. Da er kein Wort Englisch sprach, entdeckte er sehr früh den Nutzen der nonverbalen Kommunikation. Später entlarvte er als FBI-Agent in der Abteilung für pionageabwehr 25 Jahre lang Spione, indem er ihre Körpersprache beobachtete und ihre wahren Gedanken und Gefühle bloßlegte. Heute unterrichtet er das Entschlüsseln nonverbaler Kommunikation an Universitäten und verfasst Bücher.
KAPITEL 2
Beobachtungsgabe
Sehen, was zählt
Schulen wir uns darin, die Bedürfnisse, Vorlieben, Absichten und Wünsche anderer ebenso zu erkennen wie ihre Ängste und Sorgen, so befähigt uns das, schnell und genau Menschen und Situationen zu lesen. So verfügen wir über die erforderliche Klarheit, um das zu tun, was in der jeweiligen Lage am angemessensten und effektivsten ist.
Sie sehen wohl, aber Sie beobachten nicht.
Sherlock Holmes, Ein Skandal in Böhmen
Die Cessna 150 hatte gerade eine Höhe von 760 Metern erreicht, wie ich vom Höhenmesser ablesen konnte. Ich genoss die Aussicht aus dem Cockpit, als Bob Lloyd, mein Fluglehrer, mir mit seinem Klemmbrett eins überzog.
»Wo sind wir jetzt relativ zum Flughafen?«, bellte er.
Ich spähte nach dem Flughafen. Wieder traf mich das Klemmbrett.
»Was ist unser Kurs?«
Mein Blick flog übers Armaturenbrett, wo ich den Kurskreisel suchte. Wieder das Klemmbrett.
»Dein Motor hat sich gerade ausgeschaltet«, verkündete Bob und schaltete absichtlich die Vergaservorwärmung aus – was unsere Maschine in ein schweres, ineffizient gleitendes Flugobjekt verwandelte. »Wo kannst du jetzt eine Notlandung hinlegen? Jetzt sofort!«
Bob zog wiederholt die Maschine nach links und rechts, während er den Sprechfunk des Opa-locka-Flugplatzes voll aufdrehte. Im winzigen Cockpit der schlingernden Maschine hallte das Stakkato der Durchsagen an alle Flugzeuge wider, die sich gerade im Landeanflug befanden.
Während ich noch versuchte, mich mitten in dem Krach und den schwindelerregenden Trudelbewegungen daran zu erinnern, was in einer solchen Situation getan werden musste, drückte Bob mir das Mikro in die Hand und sagte: »Setz einen Notruf ab! Was wirst du der ATC [Air Traffic Control; Flugsicherung] sagen?«
Er hätte mir genauso gut einen Ziegelstein in die Hand drücken können, denn mittlerweile befand ich mich in einem Zustand, in dem ich zu nichts zu gebrauchen war. Ich schwitzte, in meinem Kopf drehte sich alles, mir war leicht übel, meine Brustmuskeln hatten sich verkrampft und mein Herz hämmerte wie wild gegen den Schultergurt. Ich konnte nicht einmal die wenigen Worte herauspressen, die fast jeder Mensch kennt: »Mayday, Mayday, Mayday!« Ich erinnerte mich nicht mal an unsere Luftfahrzeugkennung – dabei hätte ich sie ganz einfach vor mir vom Armaturenbrett ablesen können.
Wie jeder gute Fluglehrer hatte Bob Lloyd mich mit einer komplexen Notsituation konfrontiert: eine Reihe angstauslösender Vorkommnisse, die meine Fähigkeit testen (und schärfen) sollte, unter Stress zu beobachten, zu denken und zu handeln. Er prüfte, ob ich fähig war zu fliegen, zu navigieren und zu kommunizieren – oder wie Piloten sagen: to aviate, navigate, commmunicate.
»Wenn du Pilot werden willst, dann musst du selbst in bewusstlosem Zustand noch wissen, wo du dich gerade befindest, wohin du fliegst, was dir hier oben passieren kann und wo du jederzeit einen Platz zum Landen findest«, brüllte Bob und übertönte dabei mühelos den Fluglärm des Lycoming-Motors, während er die Kontrolle übernahm und volle Kraft voraus steuerte. »Du brauchst ständig die volle situative Wahrnehmung!«
Und er warf mir diese Vokabel noch zwei weitere Mal an den Kopf, jedes Mal lauter, während er das Funkgerät leiser stellte. »Situative Wahrnehmung! Situative Wahrnehmung! Du musst wissen, wo du bist. Du musst wissen, was um dich herum vorgeht.«
Als ich diese Worte von Bob Lloyd zum ersten Mal hörte, war ich noch in der Highschool und gerade mal in der elften Klasse. Doch ich sollte sie nie vergessen. Sie wurden für mich zur Mahnung, zur Herausforderung, zum Mantra und auch zu einer Metapher: sich stets gewahr sein, stets zu wissen, was in jeder Situation um einen herum vorgeht, vor allem, wenn es Spitz auf Knopf steht. Damals war mir nicht bewusst, dass ich, während ich schwitzte und versuchte, mich nicht ins Cockpit zu übergeben, eine wichtige Unterscheidung lernte: Sehen und Gewahrsein sind zwei Paar Schuhe. Um sich einer Situation gewahr zu sein, müssen Sie beobachten. Und wenn Sie im Leben Erfolg haben wollen, ob nun als Vater oder Mutter, als Partner, in einer anspruchsvollen beruflichen Tätigkeit oder als Führungspersönlichkeit, müssen Sie exakt beobachten können. In diesem Kapitel werden wir die Kunst der Beobachtung in lauter kleine Schritte zerlegen. Wir werden untersuchen, inwiefern diese Gabe dazu beiträgt, dass Sie Außergewöhnliches leisten. Und Sie werden Übungen kennenlernen, die Ihnen helfen, Ihre Beobachtungsgabe zu schulen und diese angeborene Fähigkeit optimal zu nutzen.
Beobachtung: Wie aus Informationen Einsichten werden
Wir alle schauen. Ständig. So gehen wir durchs Leben. Wir gucken, ob wir sicher über die Straße kommen … ob wir einen Schirm mitnehmen sollen … welche Schlange im Supermarkt sich am schnellsten verkürzt … was unser Nachbar macht. Wir schauen also den lieben langen Tag.
Das Schauen ist eine passive Erfahrung, die zwar nützlich ist, die uns aber keineswegs vollständig Aufschluss über eine Situation gibt. Das Beobachten hingegen ist eine aktive Tätigkeit. Sie erfordert Anstrengung – aber die Erkenntnisse, die wir so bekommen, sind aussagekräftiger und nützlicher.
Wenn Sie beobachten, dekodieren Sie die Welt um sich herum in Echtzeit, und zwar auf allen Ebenen der sinnlichen Wahrnehmung. Wenn Sie beobachten, sind sämtliche Sinnesorgane aktiv – vor allem natürlich Ihr Gesichtssinn, aber Sie horchen auch auf Geräusche, Töne und Worte; Sie »wittern« Gerüche; Ihre Haut erzählt Ihnen alles über Temperatur und Wind; die Millionen Neuronen in Ihrem Darm schicken Signale an Ihr Hirn über Ihre Ganzkörperwahrnehmung der Umgebung – ein außergewöhnlicher, nicht abreißender Strom der unterschiedlichsten Eindrücke, die uns wichtige Informationen liefern. Diese Eindrücke erzeugen auf bewusster wie auf unbewusster Ebene ein 3-D-Bild der Lage, eine nuancierte Wahrnehmung jeder Situation. Passanten gehen auf der Straße an Ihnen vorbei, und Sie bemerken ihre Hände: Manche verbergen sich in Taschen, andere tragen etwas, wieder andere kleben fast am Körper, manchmal schwingen sie auch im Takt der Schritte. Sie nehmen wahr, wer müde aussieht, wer sich nur mit seinem Handy beschäftigt, wer angespannt oder aufmerksam wirkt. Sie registrieren, wer es eilig hat, wer etwas abliefern will oder wer Zeit totschlagen möchte. Sie sehen, was die Menschen anhaben, und das sagt schon einiges über sie aus: Der eine trägt einen Blaumann, die andere ein Nadelstreifenkostüm. Manche Leute signalisieren mit ihrer Kleidung, welchen Sport sie lieben und welches Team sie unterstützen. Bei anderen erkennt man, ob sie sich von der Mode beeinflussen lassen oder ob sie auf soziale Normen pfeifen.
Im Restaurant bemerken Sie die Teenies am Nebentisch, die den Blick kaum vom Handy lösen können, während die Eltern beim Kellner die Bestellung aufgeben. Sie wissen, welche Bedienung im Stress ist und kaum den Wünschen ihrer Gäste nachkommen kann.
Im Supermarkt richten Sie Ihren Blick auf ein in Plastik verpacktes Hähnchen und haben das Gefühl, dass es nicht mehr ganz frisch ist. Also prüfen Sie genauer und beschließen, es lieber liegen zu lassen.
Sie sehen nicht einfach nur, wie Ihre Nachbarin ins Auto steigt und in die Arbeit fährt. Sie bemerken, wie sie das tut. Langsamer als üblich? Ging sie vielleicht gebückt?
Das sind die Unterschiede zwischen Schauen und Beobachten.
Die Welt sendet uns ständig Informationen. Die wirklich scharfsinnigen Menschen – die außergewöhnlichen – nehmen sie auch interessiert auf.
Vielleicht denken Sie jetzt: Wie soll das gehen, wo ich sowieso schon unter Reizüberflutung leide?
Da gibt es durchaus Mittel und Wege. Anfangs ist ein bisschen Training nötig, um die eigene Beobachtungsgabe zu schärfen und alle damit verbundenen Fähigkeiten zu entwickeln – aber eben dabei will dieses Kapitel Ihnen helfen. Und ich verspreche Ihnen: Mit der Zeit wird die Sache deutlich einfacher.
Die Welt ist voll von Menschen, die nicht die geringste Spur von situativer Wahrnehmung besitzen. Achten Sie nur mal darauf, wie Menschen aus Aufzügen oder Flugzeugen steigen. Sie bleiben erst einmal abrupt stehen – weil sie auf jemanden warten, ihr Smartphone auf Textnachrichten checken oder den Blick schweifen lassen, wo es langgeht – mit dem Effekt, dass alle Nachfolgenden um sie herumgehen müssen, um ihren Anschlussflug zu erwischen oder die Treppe nicht zu blockieren.
Auf YouTube gibt es Tausende Videos von Leuten, die vor lauter Unaufmerksamkeit gegen eine Glastür oder eine Parkuhr rennen oder sogar einem Bären in die Arme laufen und was es dergleichen Missgeschicke noch gibt. Wir lachen darüber, wir lachen auch über uns selbst,...
| Erscheint lt. Verlag | 8.8.2021 |
|---|---|
| Verlagsort | München |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft ► Bewerbung / Karriere |
| Geisteswissenschaften ► Psychologie | |
| Wirtschaft | |
| Schlagworte | Agent • Be exceptional • Beobachtung • Bestseller • Erfolg • FBI • Handeln • Joe • Karriere • Kommunikation • Navarro • Number 1 • Psychologie • Selbstbeherrschung • Selbstbewusstsein • Spione • Success • Wohlbefinden |
| ISBN-13 | 9783960929055 / 9783960929055 |
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