Zum Hauptinhalt springen
Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Waffen für Teheran (eBook)

Die Geschichte des Noricum-Skandals
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
224 Seiten
edition a (Verlag)
9783990015001 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Waffen für Teheran -  Gaan Eisenburger
Systemvoraussetzungen
15,99 inkl. MwSt
(CHF 15,60)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Es ist einer der großen Skandale der jüngeren österreichischen Geschichte: Anfang der 1980er-Jahre lieferte das VOEST-Tochterunternehmen Noricum illegal Kanonen an den Iran als Kriegspartei des ersten Golfkriegs. Im Mittelpunkt stand der spätere Hauptangeklagte Gaan Eisenburger. Jetzt erzählt er die wahre Geschichte des Deals und zeichnet dabei ein spannendes Bild von Österreich am Ende der Ära Kreisky und am Beginn einer neuen Zeit. Ein Buch über Schattenmänner, Scheinerschießungen und politische Machenschaften.

Gaan Eisenburger, geboren 1939 in Paris, studierte an der technischen und an der freien Universität Berlin, bevor er nach anderen Tätigkeiten Sales- und Marketingleiter des Waffenproduzenten Noricum wurde. Er war Hauptangeklagter im sogenannten Noricum-Prozess und nach seiner bedingten Verurteilung bis zu seinem Ruhestand Geschäftsfu?hrer einer Firma aus dem Umweltsektor.

Gaan Eisenburger, geboren 1939 in Paris, studierte an der technischen und an der freien Universität Berlin, bevor er nach anderen Tätigkeiten Sales- und Marketingleiter des Waffenproduzenten Noricum wurde. Er war Hauptangeklagter im sogenannten Noricum-Prozess und nach seiner bedingten Verurteilung bis zu seinem Ruhestand Geschäftsführer einer Firma aus dem Umweltsektor.

FÜNF JAHRE ZUVOR


DAS GESCHÄFT


»Ich weiß schon, meine Damen und Herren, das ist alles sehr kompliziert…«

– Fred Sinowatz, Bundeskanzler, bei seinem Amtsantritt

JORDANIEN, ANFANG 1981


Der Kanadier Gerald Bull entwickelte 1975 in Kanada seine Kanone GC-45, nachdem er bereits für die Amerikaner an einer »Weltraumkanone« gearbeitet hatte, die Satelliten in den Orbit schießen sollte. Das Besondere an der GC-45 war ihre unglaubliche Schussdistanz von mehr als 40 Kilometern. Bull galt als genialer Techniker auf dem Gebiet der Rüstungsindustrie. Keine andere Kanone dieser Zeit konnte diese Distanz erreichen.

In Österreich gibt es keinen Umkreis von vierzig Kilometern, der frei von Städten und Dörfern ist. Man muss schon in die jordanische Wüste fahren, um eine GHN-45 (Gun Howitzer Noricum), die von der österreichischen Firma Noricum modifizierte Version der GC-45, ausprobieren zu können.

Und das war genau, was wir taten.

In dem menschenleeren Gebiet führten wir unser hauseigenes Produkt, die weiterentwickelte GHN-45 Gun Howitzer Noricum, einem interessierten Publikum vor. Und interessiert waren so einige.

In der Wüstenlandschaft, eingeschlossen von Irak und Saudi-Arabien, war jede Explosion meilenweit zu sehen und wir konnten gefahrlos testen.

Beim Abfeuern trieb eine Druckwelle durch den Sand und ließ die wenigen Büsche und Pflanzen erzittern. Das Projektil schoss beinahe lautlos durch die flimmernde Luft nach oben. Dann bildete sich irgendwo in weiter Ferne eine Staubwolke. Das Loch, das durch den Einschlag entstanden war, konnten wir von unserer Position aus bloß erahnen.

Die jordanischen Militärs hatten in vierzig Kilometer Entfernung ein Viereck abgesteckt. Darin stand ein leeres Ölfass. Das war das Ziel.

Ein einzelnes Ölfass in einer genau abgesteckten Zone zu treffen, aus vierzig Kilometer Entfernung, ist so gut wie unmöglich. Das Projektil ist während seines Flugs einigen Einflüssen ausgesetzt, vor allem Wind. Die markierte Stelle sollte dabei helfen, zu bestimmen, wie nahe das Projektil seinem Ziel kommen konnte.

Die Militärs und wir warfen einen Blick auf die Einschlagsstelle. Wo war das Ölfass gewesen? Nach einem Moment wurde uns klar, dass es genau dort gestanden hatte, wo jetzt ein Krater klaffte. Unsere Kanone hatte das Fass genau getroffen. Die Wahrscheinlichkeit dafür war vermutlich so groß wie ein Hole-in-One beim Golf.

Die jordanischen Offiziere wussten genau wie wir, dass es sich dabei um einen unglaublich glücklichen Zufall handelte. Aber das machte es nicht weniger beeindruckend. Und es konnte als gutes Omen aufgefasst werden. Also klopften die Offiziere meinem Kollegen Ellmer und mir auf die Schulter. Es war ein überaus beeindruckender Test.

Auch die Gäste des jordanischen Königs aus Thailand, dem Irak und Saudi-Arabien verfolgten die Demonstration gespannt. Für Ellmer und mich war es die Stunde der Wahrheit. Erst hier, mitten in der jordanischen Wüste, mit allen Verträgen fertig ausgearbeitet, würden wir herausfinden, ob die HN-45 hielt, was wir unseren Kunden versprachen. Und das tat sie.

Unsere belgischen Kollegen, sonst professionell und reserviert, wirkten ebenfalls erleichtert. Auch für sie ging es um viel Geld, denn der Deal war, dass die belgische PRB (Poudreries Réunies de Belgique), eine der ältesten Waffenfabrikanten des Landes, die Munition und wir die Kanonen lieferten. Das eine war ohne das andere nutzlos.

»Zufrieden?«, fragte ich den tscherkessischen Offizier, der die Verhandlungen für die jordanische Seite führte.

Er legte Wert darauf, als Tscherkesse erkannt zu werden. Tscherkessen waren eine Volksgruppe, die in Russland siedelten, allerdings während des Kaukasuskrieges in den Nahen Osten vertrieben wurden, etwa nach Jordanien. Viele von ihnen fand man im Militär.

Der Offizier nickte. Mein Kollege Ellmer und ich konnten aufatmen. Damit stand dem ersten großen Deal der Noricum nichts mehr im Weg.

Wir waren erst seit etwa einem Jahr im Wehrgeschäft. Das war eine verdammt kurze Zeit. Statistiken zufolge lagen zwischen den ersten konkreten Kontakten von Verkäufer und Käufer und dem tatsächlichen Verkauf durchschnittlich fünf Jahre. Waffen sind ein heikles Gut. Viel muss bedacht werden. Wie funktionieren sie? Wie werden sie geliefert und gewartet? Vor allem aber: Wo und wie dürfen sie überhaupt verwendet werden?

Besonders für eine österreichische Firma bedeutete der Handel mit Waffen ein großes Risiko. Und wir waren nicht irgendeine Firma. Die Noricum war ein Tochterunternehmen der VÖEST, das seit Jahrzehnten als Paradebeispiel der verstaatlichten Industrie galt. Nach dem Zweiten Weltkrieg, nach dem Nationalsozialismus und dem Neutralitätsgesetz produzierte der Staat Österreich wieder großkalibrige Waffen. Alles, was mit Militär zu tun hatte, war durch Österreichs Vergangenheit vorbelastet. In den Medien hätte es einen großen Aufschrei gegeben.

»Das lief gut«, sagte Ellmer leise zu mir, als wir in die Jeeps der Jordanier stiegen, die uns zurück Richtung Hauptstadt Amman brachten. »Ich glaube, sie sind beeindruckt.«

Ellmer und ich hatten in den letzten Monaten viel Zeit damit verbracht, diese Vorführung zu organisieren.

»Mein Rücken schmerzt noch immer«, beklagte ich mich auf der Rückfahrt über holprige Straßen. »Das mit der Economy-Class ist kein Zustand.«

Die Belgier schickten stets eine Delegation gut gekleideter Männer, die First Class flogen und den Champagner auf die Spesenrechnung setzten.

Die VÖEST verfolgte eine etwas andere Politik.

Ellmer war ein alter VÖESTler, wie er im Buche steht. Er war ein begnadeter Techniker, sorgfältig und genau. Seine Management-Fähigkeiten waren allerdings bescheiden, genauso wie seine Englischkenntnisse. Er hörte lieber zu, das Reden überließ er mir. Wir waren mit der Zeit ein ausgezeichnetes Team geworden. Er war für die Technik zuständig, ich für das Geschäft.

»Ich fand den Flug nicht schlimm«, sagte er nur.

»Die Belgier fliegen First Class. Jeder in diesem Geschäft fliegt First Class«, fügte ich hinzu. »Wir sind die einzigen Leute in der ganzen internationalen Wehrindustrie, die zu einem Milliardengeschäft in der Economy Class fliegen, neben schreienden Kindern und betenden Männern.«

»Die VÖEST gibt eben nicht unnötig Geld aus«, sagte er und zuckte mit den Schultern.

Es war sinnlos, mit ihm darüber zu diskutieren. Genau wie die anderen bei der VÖEST verstand er nicht, dass eine Maschine technisch perfekt sein konnte, aber wenn das Auftreten der Verkäufer nicht stimmte, blieb sie am Ende des Tages übrig. Im Verkauf ist technische Qualität ein wichtiger Teil, aber vor allem geht es um Vertrauen. Und es ist nicht besonders vertrauenserweckend, wenn wir die beste Kanone verkaufen wollen, die es auf dem Markt gibt, und dafür in der Economy Class anreisen.

Aber so lief das bei uns. Wenn wir mit einer Delegation österreichischer Politiker irgendwohin flogen, um über Geschäftsbeziehungen zwischen Österreich und dem Ausland zu verhandeln, flogen die Politiker und ihre Beamtenschaft in der Ersten Klasse. Die Generaldirektoren der Verstaatlichten, die den Trip bezahlten, durften es sich in der Zweiten Klasse bequem machen.

Einige Kilometer außerhalb der Hauptstadt fuhren unsere Wägen in eine Militärbasis. Wir wurden in einen spartanischen Raum gebracht, in dem wir die Verträge unterzeichneten. Zuletzt wurde das Endnutzer-Zertifikat unterschrieben. Dieses Dokument war besonders wichtig. Darin versicherte der jordanische Staat, die Kanonen zum Eigengebrauch zu erwerben. Wenn sie sich entschließen sollten, die Kanonen an irgendwelche zwielichtigen Unruhestifter weiterzugeben, dann war das nicht mehr unser Problem. Das dachten wir damals zumindest.

Überreicht wurde uns das unterschriebene Endnutzer-Zertifikat vom Bruder des jordanischen Königs Hussein I., der eine wichtige Rolle während des Nahostkonflikts zwischen Israel und den arabischen Nachbarstaaten um Palästina gespielt hatte und dafür in der westlichen Welt großes Ansehen genoss. Die Übergabe hatte beinahe einen feierlichen Rahmen, so gut das in der Militärbasis eben möglich war.

Nach dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen, die sich bereits über Wochen erstreckt hatten, wurden wir in unser Hotel gebracht. Auf dem Weg dorthin schlängelte sich unser Wagen durch das hektische Treiben einer arabischen Großstadt. Händler versuchten sich gegenseitig lautstark mit Angeboten zu übertreffen und Kinder flitzten durch enge Seitengassen.

Endlich kamen wir im Hotel an. Das Haus gehörte zu einer europäischen Hotelkette. Ein großer Luster hing in der Eingangshalle, die Rezeption war holzvertäfelt, Arabesken und Ornamente schlängelten sich die Wände empor.

Beim Aussteigen schüttelte uns der tscherkessische Offizier, der die Verhandlungen mit uns geführt hatte, heftig die Hände. »Ihr zwei«, sagte er, »seid zur Feier unserer abgeschlossenen Geschäfte meine Gäste. Heute tscherkessische Tänze in der großen Festhalle von Amman!«

Es war unmöglich, ihm diesen Wunsch abzuschlagen, und er hatte schließlich recht. Erfolgreiche Geschäfte mussten gefeiert werden.

So fanden Ellmer, der Offizier und ich uns wenige Stunden später, umgezogen und aufpoliert, in einer Loge der nationalen Festhalle wieder. Die Lichter waren gedimmt, das Publikum brachte mit der Garderobe einen Hauch von Europa in die jordanische Hauptstadt. Doch bei den ersten Klängen wurde uns klar, wie weit entfernt wir der Heimat waren. Der schnelle Takt der Trommeln und die rhythmischen Klänge eines Instruments, das wie ein...

Erscheint lt. Verlag 27.2.2021
Verlagsort Wien
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Zeitgeschichte ab 1945
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte Geschäfte • Illegal • Iran • Korruption • Noricum • Politik • Prozess • Schattenmänner • Skandal • Voest • Waffenhandel • Wahre GEschichte • Zeitgeschichte
ISBN-13 9783990015001 / 9783990015001
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Adobe DRM)

Kopierschutz: Adobe-DRM
Adobe-DRM ist ein Kopierschutz, der das eBook vor Mißbrauch schützen soll. Dabei wird das eBook bereits beim Download auf Ihre persönliche Adobe-ID autorisiert. Lesen können Sie das eBook dann nur auf den Geräten, welche ebenfalls auf Ihre Adobe-ID registriert sind.
Details zum Adobe-DRM

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen eine Adobe-ID und die Software Adobe Digital Editions (kostenlos). Von der Benutzung der OverDrive Media Console raten wir Ihnen ab. Erfahrungsgemäß treten hier gehäuft Probleme mit dem Adobe DRM auf.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen eine Adobe-ID sowie eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die Gründerzeit der Bundesrepublik 1955–1967

von Harald Jähner

eBook Download (2025)
Rowohlt E-Book (Verlag)
CHF 19,50
Der Große Aufstand und die Wurzeln des Nahostkonflikts

von Oren Kessler

eBook Download (2025)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
CHF 19,50