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Die Staufer (eBook)

Herrscher und Reich

(Autor)

eBook Download: PDF | EPUB
2020 | 4. Auflage
128 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-73806-7 (ISBN)
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Das Bild Friedrichs I. Barbarossa - legendenumwobener Kaiser der Stauferzeit - zeigt noch bis heute die Züge der Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts. Doch wer waren die Staufer wirklich? Dieser Band informiert klar und kompetent über die Geschichte der Staufer und das Leben und Wirken der einzelnen Kaiser vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen ihrer Zeit.

Knut Görich ist Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Entdeckung und Neuentdeckung der Staufer


Die Staufer sind für Staat und Politik in Deutschland mittlerweile ohne Bedeutung. Das war nicht immer so. Aber wenn ‹Stauferjubiläen› heute der öffentlichen Wahrnehmung nicht ohnehin gänzlich entgehen – wie der 750. Geburtstag des letzten Staufers Konradin 2002 oder der 800. Todestag Kaiser Heinrichs VI. 1997 –, dann sind wissenschaftliche Tagungen und ein paar Zeitungsartikel die übliche, wenig feierliche Begleiterscheinung. Als sich 1990 der Tod Kaiser Friedrich Barbarossas auf dem Dritten Kreuzzug zum achthundertsten Mal jährte, prägte die Bundesbank immerhin eine Zehn-Mark-Gedenkmünze. 1990 war auch das Jahr der Vereinigung der Bundesrepublik mit der DDR. Damals rückte auch ein Berg, der die historische Phantasie der Deutschen seit dem frühen 19. Jahrhundert heftig bewegt hatte, aus bisheriger Grenzlage wieder in die Mitte Deutschlands – der beim thüringischen Nordhausen gelegene Kyffhäuser; in ihm schläft der Sage nach Friedrich Barbarossa, der den Berg verlassen wird, um die Herrlichkeit des Reiches wiederzubringen. Aber der Kyffhäuser kehrte nur ins geographische Zentrum Deutschlands zurück, nicht in sein Denken: Niemand kam auf die Idee, mit der Unterzeichnung des Einigungsvertrags durch Helmut Kohl und Lothar de Maizière die Wiederkehr des Reiches zu verbinden. Gedenkmünzen und Sonderbriefmarken, die dem Bundeshaushalt wie im Falle des Todestages Friedrich Barbarossas 1990 oder des 800. Geburtstages Friedrichs II. 1994 eine willkommene Zusatzeinnahme verschaffen, sind die einzigen Formen offizieller Würdigung, deren sich die staatlichen Institutionen bei solchen Herrscherjubiläen bedienen. Das muss man auch nicht beklagen, denn die staufischen Könige und Kaiser haben in der Bundesrepublik ihre politisch-gesellschaftliche Relevanz verloren, die seit dem frühen 19. Jahrhundert immer wieder herbeigedeutet worden ist und mittelalterliche Herrscher zu Projektionsflächen für politische Sehnsüchte der Gegenwart gemacht hatte.

Deshalb war der Anlass für die große Stuttgarter Ausstellung über «Die Zeit der Staufer» 1977 auch ein Jubiläum bundesrepublikanisch-demokratischer Geschichte: Baden-Württemberg feierte sein 25-jähriges Bestehen, und die Identität des ‹Südweststaates› sollte durch die Rückbesinnung auf die Staufer eine Art historischer Tiefendimension erhalten, denn die beiden Landesteile waren im staufischen Herzogtum Schwaben vor Jahrhunderten schon einmal vereint gewesen. Das wurde in Norddeutschland eher verständnislos als eine Art ‹schwäbische Nostalgiegrippe› wahrgenommen. Die neu benannte ‹Straße der Staufer›, die die Touristen im Ländle zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten führte, und die 40-Pfennig-Sondermarke der Bundespost mit dem einschüchternden Frontalbildnis jener Bronzebüste, die seit dem 12. Jahrhundert im Stift Cappenberg aufbewahrt wird und als Porträt Barbarossas gilt, ließen sich trefflich als Formen von ‹Stauferitis› bespötteln. Sensationell allerdings war, dass statt der erwarteten 300.000 über 700.000 Besucher den Weg ins Alte Schloss nach Stuttgart fanden und jeder Vierte den mehrbändigen Ausstellungskatalog kaufte. Mit so viel Aufmerksamkeit für mittelalterliche Kaiser hatte niemand gerechnet, am wenigsten die Mittelalterhistoriker. Bald wurde über die Motive des Erfolgs gerätselt: Neugier auf die gezeigten Schätze? Interesse am Alltagsleben im Mittelalter? «Suche nach verschütteten Bereichen der Menschlichkeit», so Arno Borst? Oder Abwehr der modernen Welt und Hinwendung zum Mittelalter und seinen Herrschergestalten? Oder doch noch die Fernwirkung des seit dem 19. Jahrhundert lange wirksamen, politisch instrumentalisierten Geschichtsbildes, das staufische Geschichte als nationale Sinnstiftung betrieb? Zwar betonte der baden-württembergische Ministerpräsident Hans Filbinger (CDU) ausdrücklich, dass es nicht um «einseitige Heroisierung von Herrschergestalten» ginge, beschrieb jedoch die staufische Geschichte als «Tragik und Katastrophe», die «in einem Niederbruch des mittelalterlichen deutschen Reichs und der abendländischen Kaiseridee (endete), von dem sich Deutschland nicht mehr zu alter Kraft und Geltung erholt» habe. Die staufische Vergangenheit also ein verklärter Bezugspunkt des deutschen Nationalbewusstseins? In diesem Sinne war sie seit dem 19. Jahrhundert in Büchern der Historiker, in Reden der Politiker und in Denkmälern vergegenwärtigt, in der gesellschaftlichen Erinnerungskultur immer wieder thematisiert worden. Aber gerade an diese Deutungstradition wollten die Ausstellungsmacher 1977 nicht mehr anknüpfen, denn die lange Zeit gültige Meistererzählung, in der die Geschichte der Staufer als legitimationsstiftende Vorgeschichte eines deutschen Nationalstaates mit europäischem Machtanspruch erzählt worden war, war nach den Katastrophen der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert fragwürdig geworden.

Als ‹Meistererzählung› bezeichnet die moderne Geschichtsforschung eine Deutung von Geschichte, die für eine bestimmte Zeitdauer die herrschende Erzählweise des Vergangenen ist, weil sie von einem breiten gesellschaftlichen Konsens gestützt wird; sie manifestiert sich in kulturellen Gedächtnistraditionen, medialen Vergegenwärtigungen von Bildern und Denkmälern, historischen Dramen und Romanen sowie politischen Inszenierungen. Der Begriff macht darauf aufmerksam, dass Geschichtsschreibung kein wertfreies Abbild des historischen Geschehens liefert, sondern nur ein Geschichtsbild, das vom subjektiven Erkenntnisinteresse des Historikers abhängt, der sich von den Wert- und Ordnungsvorstellungen seiner eigenen Gegenwart nie völlig frei machen kann und sie häufig unwillkürlich in die Vergangenheit zurückprojiziert. Die Geschichte der Staufer war lange Zeit ein Sehnsuchtsort für nationale Hoffnungen; die Ursache dafür liegt in der späten Entstehung des deutschen Nationalstaates im 19. Jahrhundert.

Die Hinwendung zum Mittelalter begann im späten 18. Jahrhundert zunächst als Suche nach dem Ausdruck eines deutschen Volkscharakters in Sagen und Märchen, Liedern und Erzählungen; später wurde das Mittelalter zum zentralen Motiv der Romantik. Einer ihrer Haupttheoretiker, August Wilhelm Schlegel, bezeichnete 1808 die Geschichte der Staufer als großes Feld für einen Dichter, «der wie Shakespeare die poetische Seite großer Weltbegebenheiten zu fassen wüßte». Tatsächlich wurden Heinrich VI., Friedrich II. und dessen Söhne Heinrich, Manfred und Enzo zu Helden längst vergessener Stauferdramen und Stauferdichtungen. Keinem von ihnen war jedoch eine solche Popularität beschieden wie Friedrich Barbarossa, der im 19. Jahrhundert zum politischen Mythos Deutschlands wurde: Die politischen Sehnsüchte der Gegenwart machten die Kyffhäusersage zur deutschen Nationalsage. Die Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1806, die Niederlagen gegen Napoleon, die beklagte Zersplitterung Deutschlands und die Hoffnung auf künftige nationale Einheit bildeten den zeitgeschichtlichen Hintergrund, vor dem die Geschichte vom schlafenden, aber wiederkehrenden Kaiser zum Symbol nationaler Einheit werden konnte. Die Gebrüder Grimm publizierten die Sage 1816 in ihrer viel gelesenen Märchen- und Sagensammlung und machten sie damit einem breiten Publikum zugänglich. Friedrich Rückert popularisierte den Stoff 1817 in seinem Gedicht «Barbarossa», das bis weit ins 20. Jahrhundert Schullektüre blieb: «Der alte Barbarossa / Der Kaiser Friederich / Im unterirdschen Schlosse / Hält er verzaubert sich. / Er ist niemals gestorben, / Er lebt darin noch jetzt; / Er hat im Schloss verborgen / Zum Schlaf sich hingesetzt. / Er hat hinab genommen / Des Reiches Herrlichkeit, / Und wird einst wiederkommen, / Mit ihr, zu seiner Zeit.» Der prophetische Gehalt der Sage vom entrückten Kaiser traf den Nerv der Zeit und formulierte erst Hoffnung, dann Enttäuschung der Patrioten angesichts ungebrochener Kleinstaaterei in der Restaurationsperiode. Für die Staufer interessierten sich aber nicht nur die Dichter: Wohl nicht zufällig ein Jahr nach dem Untergang des Alten Reiches begann der Berliner Historiker Friedrich von Raumer 1807 mit der Arbeit an seiner zwischen 1823 und 1825 erschienenen sechsbändigen «Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit». Aus diesem viel gelesenem Werk schöpften die Dichter ebenso wie die Maler Personenkonstellationen, Ereignisse und Deutungsvorschläge für ihre eigenen künstlerischen Umsetzungen der Höhepunkte staufischer Geschichte, die Raumer mit großer Sympathie für das Pathos des Untergangs als Drama von Aufstieg und Fall eines Kaisergeschlechts schilderte, das, «nach blendendem Sonnenglanze und unvergleichbarer Höhe, von einem...

Erscheint lt. Verlag 7.1.2020
Reihe/Serie Beck'sche Reihe
Zusatzinfo mit 2 Karten
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Mittelalter
Geschichte Allgemeine Geschichte Mittelalter
Schlagworte Barbarossa • Ethnologie • Geschichte • Gesellschaft • Kaiser • Kultur • Mitteleuropa • Staufer • Volkskunde
ISBN-10 3-406-73806-0 / 3406738060
ISBN-13 978-3-406-73806-7 / 9783406738067
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