Der Guide für Introvertierte, um ein angsteinflößend abenteuerliches Leben zu führen (eBook)
304 Seiten
mvg Verlag
9783961215553 (ISBN)
Jessica Pan ist freischaffende Journalistin und hat unter anderem bereits im Guardian Weekend Magazine, The Cut (New York Magazine), ELLE Magazin und im Daily Telegraph veröffentlicht. Neben einem Bachelor in Psychologie und Literatur hat sie auch einen Master in Journalismus.Nach ihrer Tätigkeit als TV-Reporterin und Zeitschriftenredakteurin in Beijing lebt sie heute in London.
Jessica Pan ist freischaffende Journalistin und hat unter anderem bereits im Guardian Weekend Magazine, The Cut (New York Magazine), ELLE Magazin und im Daily Telegraph veröffentlicht. Neben einem Bachelor in Psychologie und Literatur hat sie auch einen Master in Journalismus.Nach ihrer Tätigkeit als TV-Reporterin und Zeitschriftenredakteurin in Beijing lebt sie heute in London.
Einleitung
Es gibt zwei verschiedene Arten von Menschen auf der Welt. Die, die Filmaufnahmen vom Glastonbury Festival anschauen, als handelte es sich um einen Horrorfilm, die Decke bis zum Hals hochgezogen beim Anblick des matschigen Höllenlochs. Erleichtert seufzen sie auf. Erfüllt von reiner Freude, nicht dort zu sein, genießen sie das Glück, auf dem Sofa zu liegen, anstatt von Tausenden schwankenden, lauten, betrunkenen Menschen mit vollen Blasen und fettigem Haar umringt zu sein.
Und dann gibt es die Menschen, die nach Glastonbury fahren. Ich gehöre nicht zu ihnen.
Meine Unifreunde organisierten an meinem zweiundzwanzigsten Geburtstag eine Überraschungsparty für mich in meinem Zimmer. Als alle aus ihren Verstecken hervorsprangen, brach ich in Tränen aus. Alle dachten, ich würde vor Rührung weinen. Tatsächlich weinte ich vor Entsetzen – zum ersten Mal seit Monaten übrigens nicht, weil mein Spanischlehrer meine Liebe nicht erwiderte. Gute Freunde, Familienmitglieder und Bekannte saßen direkt auf meinem Bett – zufällig der Ort, wohin ich mich vor diesen guten Freunden, Familienmitgliedern und Bekannten flüchtete.
Ich hatte kein Versteck mehr. Sie waren hier für eine Party. Wann würden sie gehen?
Irgendwann schaltete ich einfach alle Lampen an und wartete darauf, dass sie es schnallten.
Wenn du bist wie ich, dann weißt du, wie es ist, Angst vor der eigenen Geburtstagsparty zu haben. Du hast Angst davor, Reden zu halten, an Team-building-Maßnahmen teilnehmen zu müssen und vor jedem einzelnen Silvesterabend.
Ich bin introvertiert. Genau genommen bin ich introvertiert und schüchtern (mehr dazu später), und jede schüchterne Introvertierte, die was auf sich hält, hat schon die folgenden Dinge getan: ein klingelndes Telefon quer durchs Zimmer gefeuert, Krankheiten vorgetäuscht, eine Netzwerk-Veranstaltung sofort fluchtartig wieder verlassen, so getan, als spräche sie die Landessprache nicht, wenn sie in einer Bar angebaggert wird. Letzteres ist eine Taktik für Fortgeschrittene, aber die effektivste der genannten Maßnahmen. Die anderen sind einfach notwendige Überlebensfertigkeiten. Außerdem haben wir es ziemlich drauf, Augenkontakt zu vermeiden, um Menschen davon abzuhalten, uns anzusprechen. Ich nenne das die »toten Roboteraugen«.
Ich schätze, 90 Prozent meiner Bekannten wissen nicht mal, dass ich introvertiert bin, weil ich mir große Mühe gebe, es zu verstecken. Einen trinken nach der Arbeit? Sorry, hab’ was vor. Mittagessen beim Italiener? Ich kann nicht, ich bin schon verabredet (mit meinen Ramen-Nudeln in herrlicher Einsamkeit). Meine Kollegen halten mich im Büro für ein wenig geistesabwesend und ansonsten für jemanden mit sehr ausgefülltem Sozialleben und schrecklicher Gesichtsblindheit.
Jetzt, da ich älter und weiser bin, wecke ich jedes Jahr an meinem Geburtstag meinen Mann Sam vorsichtig auf und flüstere ihm ins Ohr: »Wenn du mir eine Party schmeißt, ermorde ich dich.« Er nickt dann immer im Halbschlaf folgsam. Allerdings kann er meine Haltung nicht wirklich nachvollziehen, denn er ist ein völlig anderer Typ – ein ruhiger Mensch, der aber gern in eine volle Kneipe oder auf Festivals geht. Doch er hat sich daran gewöhnt, dass Ausgehen bei uns meistens damit endet, dass ich ihm zuzische »Hol meine Jacke und wir treffen uns draußen!« und auf den Hinterausgang zustürze, um einem betrunkenen Junggesellinnenabschied auszuweichen, der gerade die Bar betreten hat.
Sam spielt da mit, aber die genauen Details dessen, was mir Angst macht, sind ihm ein Rätsel. Er versteht zum Beispiel nicht, warum ich Hunde Menschen vorziehe. Dabei liegt das doch auf der Hand. Mit Hunden muss man keinen Smalltalk machen, sie beurteilen einen nicht und sie summen auch nicht neben einem, während man versucht zu arbeiten. Sie fragen nicht, wann man denn vorhabe, Kinder zu bekommen. Sie husten einen nicht an. Für Sam hingegen haben Hunde wilde Augen, könnten einen mit ihren dreckigen Pfoten einsauen und überdies jederzeit angreifen – so ähnlich empfinde ich Menschen gegenüber.
Ich war davon ausgegangen, dass mein Leben als schüchterne Introvertierte einfach bis in alle Ewigkeiten so weitergehen würde. Dann aber geschah etwas Außergewöhnliches: Ich fand mich gewandet in einen schwarzen Jogginganzug in einer Sauna wieder mit einem Exemplar der Men’s Health in der Hand. Weinend beschimpfte ich eine Angestellte.
Das ist die kurze Version.
Etwas musste sich ändern.
Manche Leute können sich gut mit Fremden unterhalten, neue Beziehungen aufbauen und auf Partys ihren neuen besten Freund kennenlernen. Ich kann andere Dinge gut, zum Beispiel mich blass in dunklen Ecken herumdrücken. In Sofaecken verschwinden. Früh abhauen. In öffentlichen Verkehrsmitteln so tun, als ob ich schlafe.
Fast ein Drittel der Bevölkerung (mindestens, kommt auf die Studie an) bezeichnet sich als introvertiert, also trifft das alles vielleicht auch auf dich zu. Wenn wir uns auf einer Party träfen, aus der wir uns beide nicht rauswinden konnten, kann es sein, dass wir beim Verstecken in der Küche aufeinandertreffen und über die Käseplatte hinweg Gemeinsamkeiten entdecken.
Über die Frage, wie eigentlich Introversion und Extraversion zu definieren sind, wird hitzig debattiert. Die allgemein akzeptierte Definition ist, dass Introvertierte ihre Energie aus dem Alleinsein ziehen, während Extrovertierte die ihre aus dem Zusammensein mit anderen Menschen holen. Psychologen diskutieren aber oft zwei weitere damit in Zusammenhang stehende Parameter: schüchtern versus kontaktfreudig. Ich hatte immer angenommen, dass alle Introvertierten schüchtern sind, aber offenbar sind manche Introvertierte in Gruppen sehr selbstbewusst oder können supersouverän Präsentationen halten. Sie sind aber trotzdem introvertiert, weil sie Sinnesreize und viele Menschen nicht lange vertragen.1
Ich dagegen bin schüchtern: Ich habe Angst vor Fremden, davor, im Mittelpunkt zu stehen, und ich brauche Zeit zur Regeneration, wenn ich mit vielen Menschen zusammen gewesen bin. Außerdem hasse ich Menschenmengen. Ich bin, wie es ein Artikel definierte, eine »sozial unsichere Introvertierte«. Ich werde mich künftig eine »schüchterne Introvertierte« oder »Schintrovertierte« nennen.
Ich weiß nicht, ob Schintrovertierte so geboren werden oder erst später dazu werden, aber meine Neigung zeigte sich schon sehr früh. Ich wuchs in einer Kleinstadt in Texas auf und vermied es, auf Geburtstagspartys zu gehen, tat, als wäre ich krank, um in der Schule um ein Referat herumzukommen, und fantasierte abendelang in meinem Tagebuch von einem Paralleluniversum, in dem die Interaktion mit Menschen und gelegentliches im-Mittelpunkt-der-Aufmerksamkeit-stehen kein absoluter Albtraum waren.
Als Kind verstand ich nicht, warum ich das Leben so anders empfand als meine extrovertierte Kernfamilie. Mein Vater stammt aus China und meine Mutter ist amerikanische Jüdin und beide lieben zwei Dinge über alles: chinesisches Essen und neue Leute kennenlernen. Meine Brüder wiederum luden andauernd Freunde in großen Gruppen zu uns nach Hause ein, und die blieben auch noch stundenlang. Anfangs dachte ich, sie würden das alles auch hassen und könnten es nur besser verbergen. Später grübelte ich verwirrt: Warum waren sie gerne in großen Gruppen mit neuen Leuten unterwegs, verbrachten lange Stunden miteinander und schmissen Geburtstagspartys und ich nicht? Ich dachte, mit mir wäre etwas ganz und gar nicht in Ordnung.
Gleichzeitig träumte ich als Kleinstadt-Mädchen von einem größeren Leben voller neuartiger Erfahrungen. Zugleich konnte ich mir diese Art von Leben da, wo ich war, nicht vorstellen. Ich wollte ein neues unbeschriebenes Blatt. Woanders komplett neu anfangen, wo mich keiner kannte. Ich versuchte es in Peking, dann in Australien, und schließlich in London, wo ich jetzt lebe.
Eines änderte sich jedoch nicht auf all meinen Wegen: Egal, wie weit weg von zu Hause ich war, ich blieb trotzdem letztlich dieselbe. Eine Schintrovertierte. Ob chinesische Dumplings, Garnelen vom Grill, Scones mit Sahne – die Schintrovertierte isst allein in der Ecke. Die Verbotene Stadt, das Opernhaus in Sydney, der Tower of London – die Schintrovertierte drückt sich in den Ecken herum. Ich hatte gehofft, dass die fremden Länder mir die Schintroversion austreiben würden, aber ebenso wie mein Hautekzem gedieh sie in allen klimatischen Verhältnissen.
Und dann kam die »Leise Revolution«, ausgelöst von Susan Cains Bestseller 2012. Auf seinen Seiten las ich, dass von drei Personen eine bis zwei introvertiert ist. Und dass daran nichts falsch ist. Dass Introvertierte, um es zusammenzufassen, sich gut konzentrieren können, die Einsamkeit genießen, Smalltalk nicht mögen, Vier-Augen-Gespräche schätzen und es vermeiden, in der Öffentlichkeit zu sprechen. Schüchterne, empfindsame Stubenhocker, ja? Da kann ich die Hand heben!
Das zu lesen, war eine derartige...
| Erscheint lt. Verlag | 13.9.2020 |
|---|---|
| Übersetzer | Alexandra Kay |
| Verlagsort | München |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Lebenshilfe / Lebensführung |
| Schlagworte | 100 introvertiert • Abenteuer Buch • Abenteuer Bücher • abenteuer persönlichkeit • angsteinflößend • Couch Potato • couchpotatoe • Guide • Introvertiert • introvertiert 4 typen • introvertiert ähnliche bedeutung • introvertiert ändern • introvertiert ängstlich • introvertiert arbeit • introvertiert austausch • introvertiert bedürfnisse • introvertiert buch • introvertiert bücher • introvertiert charakter • introvertiert date • introvertiert e • Introvertierte • introvertierte intuition • Introvertierte Menschen • introvertierten • introvertierte öffnen • introvertierte öfter single • introvertierter • introvertiert flirten • introvertiert frauen • introvertiert freunde finden • introvertiert gefühle • introvertiert gehirn • introvertiert gerne allein • introvertiert glücklich • introvertiert gut oder schlecht • Introvertiertheit • introvertiert hobbys • introvertiert hochsensibel hochbegabt • introvertiert intelligent • introvertiert intelligenz • introvertiert intuitiv • introvertiert jung • introvertiert leben • introvertiert menschen • introvertiert merkmale • introvertiert nachteile • introvertiert nicht akzeptiert • introvertiert nicht schüchtern • introvertiert party • introvertiert person • introvertiert probleme • introvertiert prozent • introvertiert psychologie • introvertiert sein • introvertiert smalltalk • introvertiert stärken • introvertiert tag • introvertiert tanzen • introvertiert test • introvertiert treffen • introvertiert typen • introvertiert überfordert • introvertiert überleben • introvertiert überreizt • introvertiert überwinden • introvertiert umgang • introvertiert und selbstständig • introvertiert verhalten • introvertiert vorteile • introvertiert vorurteile • introvertiert was heißt das • introvertiert was ist das • introvertiert werden • introvertiert zeit für sich • introvertiert zu extrovertiert • ist angsteinflößend • Leben am Limit • Leben ändern • leben bewegt • leben führen • leben für leben • Leben genießen • Leben gestalten • leben ist mehr • leben jetzt • leben jetzt und hier • leben kann auch einfach sein • leben lassen • leben lernen • Leben lieben • leben neu ordnen • Leben planen • Lebensfreude • leben sprüche • Lebenswende • Leben verändern • leben zeichen • Ratgeber • was heißt angsteinflößend |
| ISBN-13 | 9783961215553 / 9783961215553 |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
| Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich