Friedrich II. (eBook)
606 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-73925-5 (ISBN)
Olaf B.Rader ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei den Monumenta Germaniae Historica an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Er gehört zu den besten Kennern der Quellen zu Friedrich II. <br><br> © Foto: Heinz-Hubert Menne
Cover 1
Titel 3
Zum Buch 2
Über den Autor 2
Impressum 4
Inhalt 5
Prolog: Der Verschleierte 9
Deutsche Heimholungen und das «Staunen der Welt» 9
Mainardino, Salimbene und Giovanni weben Schleier der Erinnerungen 15
Friedrich der Sizilianer im Krieg gegen die Zeit 27
Erster Teil: Herrschaften 33
1 Der Erbe 35
Die Goldene Muschel mit der Perle: Palermo 35
Die Geburt des Herrschers 1194 39
Wie Normannen zu Königen von Sizilien wurden 51
Die salisch-staufischen Vorfahren 54
2 Der Jüngling 60
Erste Worte, erste Würden 60
Der Kindkönig als Faustpfand 65
Eisiger Nordwind: Kaiser Otto 72
Nasse Hosen und die Reise nach Konstanz 1212 76
Der « Knabe aus Apulien » und die Sizilischen Goldbullen 80
Wes Brot ich ess, des Lied ich sing: Walther von der Vogelweide 84
3 Der «Staufer» 88
Blei für Onkel Philipp: Friedrichs Verwandlung zum Staufer 88
Der Blutsonntag von Bouvines 1214 98
Der junge König greift zum Hammer 106
Der Triumphator auf dem Weg nach Rom 110
4 Der Kaiser 116
Die Kaiserkrönung in Rom 1220 116
Imperiale Herrschaft 125
Die Kronen des Herrschers 133
Das goldene Bild des Kaisers überall 139
Die Hochschulgründung in Neapel 1224 146
5 Der Gesetzgeber 152
Die Konstitutionen von Melfi 1231 152
Urkunden als Träger kaiserlichen Willens 161
Der Mainzer Hoftag 1235 176
Judenschutz und Ketzerkampf als Politik 183
6 Der Bauherr 195
Herrschaft zeigen: Das Castel del Monte 195
Herrschaft sichern: Das Netz der Kastelle 203
Herrschaft genießen: Die Residenz in Foggia 214
Herrschaft herleiten: Das Brückentor von Capua 218
Zweiter Teil: Leidenschaften 225
7 Der Liebhaber 227
Friedrich und die Frauen 227
Die einzige Kaiserin: Konstanze von Aragón 233
Die Kindkönigin: Isabella von Jerusalem 237
Die Ankunft der neuen Braut: Isabella von England 240
Der schöne Heiratsplan: Gertrud von Österreich 251
Die wahre Liebe: Bianca 254
8 Der Dichter 258
«Amore donna mia»: Der sizilianische Dichterkreis 258
Der Kaiser sammelt alte Manuskripte und nimmt ein Bad 266
Schirmherr der Wissenschaften und Künste? 273
Ein Sternbild ohne Sterne und viele Kaninchen 276
9 Der Falkner 286
Kriemhilds Falke 286
Des Kaisers Lieblinge 289
Friedrich schreibt über die Beizjagd 293
Ein Geschenk für den Papst 306
Dritter Teil: Feindschaften 311
10 Der Kriegsherr 313
Kriegermönche: Der Deutsche Orden 313
Das Heer des Kaisers 321
«Wunden mit Eisen ausschneiden»: Cortenuova 1237 326
Schöne Verse umschmeicheln die Römer 335
Die Niederlage vor Parma 1248 342
11 Der Seefahrer 349
Federico il Navigatore 349
Galeeren, «Pfeile» und Lateinertakelung 354
Admiral Heinrich rudert auf dem Nil 361
Die Seeschlacht von Montecristo 1241 362
12 Der Kreuzpilger 371
Der ewige Traum von Jerusalem 371
Friedrichs Kreuznahme in Aachen 1215 379
Der Kaiser im Heiligen Land 382
Die Krone von Jerusalem 396
Ein Freund der Muslime? 401
13 Der Tyrann 406
Gegen den eigenen Sohn 406
Die Deportation der Sarazenen 421
Hob niemand Hand oder Fuß ohne den Willen des Kaisers? 429
Das tragische Ende des Petrus de Vinea 435
Ein ungelöster Mordfall und die Assassinen 440
14 Der Drache 445
Die Schlacht der Federn 445
Kaiser und Papst werden zu Dämonen 452
Der Drache speit Feuer 456
Petrus und Paulus schützen 1240 den Papst 462
15 Der Antichrist 466
Der Mongolensturm weht nach Europa 466
Friedrichs Absetzung in Lyon 1245 473
Dunkle Wolken und neue Könige im Norden 477
16 Der Entseelte 485
Der Kaiser stirbt auf viele Arten 485
Die Testamente des Herrschers 491
Friedrichs Sarkophag in Palermo 495
Götterdämmerung: Der Untergang der Staufer in Italien 501
Epilog: Der Wiedergänger 509
«Er lebt und er lebt nicht»: Der Enkel verwandelt sich in den Großvater 509
Prägende Urteile: Jacob Burckhardt und Friedrich Nietzsche 516
Deutungsgeschichte als Selbstvergewisserung: Ernst Kantorowicz 520
Friedrich II. als geteilter Erinnerungsort 523
Nachwort 531
Anhang 533
Karte: Europa zur Zeit Kaiser Friedrichs II. 534
Stammtafel 535
Zeittafel 537
Abkürzungen 540
Anmerkungen 542
Bildnachweis 567
Quellen und Literatur 569
Personenregister 597
1
Der Erbe
Die Goldene Muschel mit der Perle: Palermo
Meinen Sie wirklich, Chevalley, Sie wären der Erste, der hofft, Sizilien in den Fluss der Weltgeschichte hineinleiten zu können? Wer weiß, wie viele mohammedanische Imame, wie viele Ritter des normannischen Königs Roger, wie viele Gelehrte der Hohenstaufen, wie viele Barone der Anjou, wie viele Gesetzeskundige seiner Katholischen Majestät sich die gleiche schöne Tollheit ausgedacht haben, wie viele spanische Vizekönige, wie viele Reformationen planende Beamte des Neapolitaners Karl III.! Und wer weiß heute noch, wer sie waren?» Diese Sätze legte Giuseppe Tomasi di Lampedusa (1896–1957) in seinem Roman Il Gattopardo dem sizilianischen Fürsten von Salina als Antwort in den Mund, mit der dieser die drängende Bitte eines piemontesischen Abgesandten ablehnte, im nun vereinten Italien mitzuwirken. In dieser Szene umriss der Autor jedoch nicht nur prägnant die Hauptvertreter all der vielen äußeren Mächte, die Sizilien beherrschten und hier ihre Spuren hinterlassen haben. Er bettete zugleich Friedrich, den schillerndsten jener Herrscher der Insel, in eine lange Folge historischer Ereignisse ein.
Sizilien war schon immer ein heiß ersehntes und begehrtes, aber oft auch ein heiß umkämpftes Land gewesen. Zur Zeit Friedrichs II. blickte die Insel bereits auf eine lange Tradition von fremden Herrschern zurück; und das sollte sich auch in weiteren Jahrhunderten nicht ändern. Der berühmte, in Marokko geborene und auf der maurischen Universität zu Cordova ausgebildete arabische Geograph al-Idrisi (um 1100–1160), der später am Hof König Rogers II. wirkte, nannte Sizilien «das erste Land der Welt an Fruchtbarkeit des Bodens, Volkszahl und Alter der Kulturen». In diesem «ersten Land» öffnet sich an der nordwestlichen Küste eine langgestreckte Bucht, die sogenannte Conca d’Oro – die goldene Muschel. In dieser Muschel liegt die wohl funkelndste Perle aus der Krone des Königreichs Sizilien: Palermo. Schon die Griechen nannten den Ort Pànormo, nämlich Ankerplatz für alle Schiffe bei jedem Wetter. Bei den Arabern hieß die Stadt dann Balarm. In der Zeit der Normannen konnte sich allein, so hieß es, die Kaiserstadt Konstantinopel am Bosporus an Reichtum und Schönheit mit ihr messen.[1]
In Palermo erhebt sich auf dem höchsten Punkt des leicht ansteigenden Geländes ein imposantes Gebäude und begrenzt nach Südwesten die alte Stadt: der Palazzo dei Normanni, der Normannenpalast. Zugleich auch starke Festung, das castrum superius, ruht er auf alten karthagischen Fundamenten, die man heute im Keller stellenweise noch sehen kann. In seinen Mauern birgt er zudem die Reste aus vielen Etappen seiner langen Geschichte. An dieser Stelle befand sich im 9. Jahrhundert die als al-Qasr bezeichnete Sommerresidenz des Emirs von Palermo. Als die Stadt dem Normannen Roger in die Hände fiel, machte er diesen Palast zu seiner Residenz und ließ ihn umbauen. Gewaltige Festungstürme entstanden, darunter die noch heute existierende Torre Pisana.
Orientalisches Palermo: Die Stadt, in der Friedrich seine Jugendjahre verbrachte, weist noch heute eine Reihe von Gebäuden auf, die orientalisch anmuten, wie etwa die Jagdschlösser La Cuba und La Zisa, San Cataldo, Santa Maria dell’Ammiraglio oder wie das hier abgebildete Kloster San Giovanni degli Eremiti. Es wurde unter König Roger II. zwischen 1130 und 1143 unter Verwendung eines arabischen Vorgängerbaus als erstes römisch-katholisches Kloster Siziliens errichtet.
Große Aufmerksamkeit schenkten die neuen Herren der prachtvollen Ausschmückung. Einen Raum mit besonders schönen, byzantinisch anmutenden Mosaiken, der sich an ein Atrium anschloss, nutzte man oft als Speisezimmer. Alte persisch-sassanidische Jagdmotive bilden symmetrisch gespiegelt den kostbaren Dekor. Ebenso prachtvoll war die Palastkapelle San Pietro ausgeschmückt worden. Noch heute beeindruckt diese Capella Palatina durch den überwältigenden Bilderreichtum. Durch diesen geradezu märchenhaft anmutenden Palast streifte um das Jahr 1200 nach der Geburt Christi ein wissbegieriger Knabe und betrachtete die kostbar gearbeiteten Mosaiken. Vielleicht beeindruckten den späteren leidenschaftlichen Jäger besonders die Tierszenen im Speisezimmer neben dem Atrium. Vielleicht hat der Junge aber auch immer wieder voll Staunen in der Palastkapelle gestanden, die nun schon seit einem Menschenalter den prachtvollsten Raum des Palastes darstellte. Hier sah er in der Formen- und Farbwelt des alten Byzanz Christus Pantokrator, der die Worte verkündete: «Die Welt ist der Schemel meiner Füße.» Vielleicht regten ihn hier aber auch die verwegenen Abenteuer des Apostels Paulus an, der nach seiner Erleuchtung aus Damaskus floh und sich dabei in einem Weidenkorb von der Mauer abseilen ließ.
Von den Fenstern des Palastes aus konnte der Knabe in nordöstlicher Richtung die quirlige Stadt mit ihren vielen Häusern, den halbrunden Steinkuppeln der Kirchen und Moscheen sowie den dazwischen wachsenden Palmen betrachten. Am Ende des städtischen Gewimmels erstreckte sich das azurblaue Mittelmeer und begrenzte die goldene Muschel. In südwestlicher Richtung, etwas außerhalb der Stadt, auf dem Weg in die Berge nach Monreale zu, konnte er vom Palast aus zwischen den Palmen kleine Sommerschlösser in Form von Steinwürfeln ausmachen. Seine Vorfahren hatten sie in einer Zeit errichten lassen, die man heute als fatimidisch-normannisch bezeichnet, weil sich arabisches Bauwissen mit christlichen Gestaltungselementen zu mischen begann. Eines der Schlösser heißt bis heute La Zisa, von arabisch aziz – glanzvoll. Der Auftrag zur Errichtung erging im Jahr 1165 von König Wilhelm I. Ein anderes, als La Cuba bezeichnetes Gebäude wurde 1180 im Auftrag von König Wilhelm II. geschaffen. Der im 18. Jahrhundert als Kaserne völlig ruinierte Bau stand früher auf einer Insel inmitten eines künstlichen Sees, in dem es Süßwasserfische gegeben haben soll. Am oberen Gesims befand sich eine heute nicht mehr lesbare Inschrift in kufischen Lettern. Im 14. Jahrhundert haben die Geschichten über die prächtigen Gartenschlösser von Palermo den Dichter Giovanni Boccaccio (1313–1375) so sehr beeindruckt, dass er in seinem Hauptwerk, dem Decamerone, in der sechsten Novelle des fünften Tages das Schloss La Cuba zum Handlungsort einer Friedrich-Geschichte wählte. Neben diesen Gebäuden gab es eine Reihe anderer charmanter Verweilorte, die in eine geradezu paradiesisch anmutende Landschaft eingestreut waren. Verglichen mit den kalten Burgen des Nordens war das eine völlig andere Welt.
In Palermo gab es schon zu Friedrichs Jugendzeit eine Reihe von Bauten, deren Stil und Pracht mit ihrer Mischung aus arabischen, griechischen und normannischen Elementen noch heute tief beeindrucken. Aus ihnen ragen Kirchen hervor, deren Kuppeln an Bagdad erinnern und die doch voll von byzantinischem Gold waren, wie San Giovanni degli Eremiti, San Cataldo oder Santa Maria dell’Ammiraglio, die man auch La Martorana nennt. Am Ende der Stadt zum Meer hin existierte neben dem Palazzo Reale noch eine weitere bewohnbare Burg. Diese Befestigung namens Castello a Mare – zusammengezogen Castellammare – war ein für viele Seestädte typisches Wachkastell, das die Einfahrt in das Hafenbecken und damit den Zugang zur Stadt von See her sicherte. Davon ist heute allerdings nicht mehr viel zu sehen, weil man in den Jahren 1922 bis 1924 einen Großteil der Anlage abgerissen hat. Zusammen mit dem Normannenpalast war das Castello a Mare der Garant der Herrschaft über Palermo. Wer die Festung besaß, kontrollierte die Stadt. Diese architektonischen Meisterwerke verschiedener Kulturen, diese wie eine Märchenwelt des Orients anmutende Ansammlung von Bauten in ihrer west-östlichen Formenvielfalt bildeten die Lebenswelt des jungen Kaisersohns, von dessen Geburt nun die Rede sein soll.
Die Geburt des Herrschers 1194
Friedrich erblickte am 26. Dezember 1194 in einer kleinen Stadt namens Jesi in der Mark Ancona das Licht der Welt. Dass der spätere Kaiser hier geboren wurde, ist ein Zufall. Später wird der Herrscher, von der Idee des Messianischen angeweht, das Städtchen in einem...
| Erscheint lt. Verlag | 28.8.2019 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Beck Paperback | Beck Paperback |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
| Sachbuch/Ratgeber ► Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft ► Geld / Bank / Börse | |
| Reisen ► Reiseführer ► Europa | |
| Geisteswissenschaften ► Geschichte ► Regional- / Ländergeschichte | |
| Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung ► Staat / Verwaltung | |
| Schlagworte | 12. Jahrhundert • 13. Jahrhundert • Bauherr • Biographie • Deutschland • Dichter • Falkner • Friedrich II. • Geschichte • Italien • Kaiser • Mittelalter • Porträt • Wissenschaftler |
| ISBN-10 | 3-406-73925-3 / 3406739253 |
| ISBN-13 | 978-3-406-73925-5 / 9783406739255 |
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