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Läufer sind sexy - Joe Kelbel

Läufer sind sexy (eBook)

Neue Laufabenteuer und die schönste Nebensache der Welt

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019
212 Seiten
mainbook Verlag
978-3-947612-61-1 (ISBN)
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9,99 inkl. MwSt
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Joe Kelbel berichtet in diesem Buch von 20 Ultraläufen weltweit - wie immer auf seine eigene, unnachahmliche Art und Weise. Spätestens unter der Finisherdusche begreifen weibliche und männliche Läufer, dass sie unwiderstehlich sind. Schwarze Fußnägel, wunde Innenschenkel oder marathonal bedingte, ängstlich versteckte Körpergebiete sind Merkmale ausgeprägten Überlebens- und Balzverhaltens. Joe Kelbel muss es wissen. Nach über 400 Marathon- und Ultraläufen bietet er uns einzigartige Einblicke in die Welt des Ultralaufens, die noch von archaischen Pheromonen dominiert wird. Wer denkt, der Laufsport sei langweilig und trocken, dem gehen nach der Lektüre dieses Buches nicht nur die Augen auf.

Joe Kelbel zeigte 1964 in Bonn erstes Interesse am Laufen. Das Schreiben lernte er 1970, doch erst 30 Jahre später gelang ihm der Durchbruch mit Reiseberichten aus Indonesien. 19 Jahre auf dem glatten Frankfurter Börsenparkett perfektionierten seinen Laufstil. Seit 2008 schreibt Kelbel nahezu wöchentlich Berichte über seine Reisen, die er laufend glücklich absolviert. Mit über 300 Marathon-und Ultramarathonläufen ist Kelbel der aktivste laufende Journalist der Welt. Mehr Ultraluafberichte von Kelbel bei mainbook erschienen: '100 km für ein Bier' und 'Laufen bis es knallt'

Joe Kelbel zeigte 1964 in Bonn erstes Interesse am Laufen. Das Schreiben lernte er 1970, doch erst 30 Jahre später gelang ihm der Durchbruch mit Reiseberichten aus Indonesien. 19 Jahre auf dem glatten Frankfurter Börsenparkett perfektionierten seinen Laufstil. Seit 2008 schreibt Kelbel nahezu wöchentlich Berichte über seine Reisen, die er laufend glücklich absolviert. Mit über 300 Marathon-und Ultramarathonläufen ist Kelbel der aktivste laufende Journalist der Welt. Mehr Ultraluafberichte von Kelbel bei mainbook erschienen: "100 km für ein Bier" und "Laufen bis es knallt"

2005 Grizzly Marathon: Skurrile Wild-West Show


Montana, irgendwo zwischen dem Glacier und dem Yellowstone Nationalpark liegt unterhalb der Rocky Mountains Front die Kleinstadt Choteau, benannt nach Jean Pierre Chouteau aus St. Louis, der schon als 15-Jähriger regen Pelzhandel mit den Indianern und hier seine nördlichste Pelzstation betrieb. Büffel gibt es nicht mehr, aber Grizzlybären.

Die City Hall ist gleichzeitig das Rathaus und jeden ersten und dritten Dienstag im Monat geöffnet. Dort ist die Startnummernausgabe. 227 Läufer sind gemeldet, das nutzen die Einheimischen um Stickereien, Taschen aus Stachelschweinborsten und eingekochte Marmelade zu verkaufen. Die kleine Deutschlandfahne auf meinem Hemd wirft die Frage auf, ob ich aus Kansas sei.

Mich treibt eher die Frage um, ob ich denn am Startplatz übernachten kann oder ob man dort von Grizzlybären verspeist wird, denn bei meinem letzten Trainingslauf wurde ich von Polizeistreifen von der Straße gezogen, laufen sei verboten, das würde den Jagdinstinkt der Bären wecken. „Well, the course will be well-monitored for runner‘s safety” sagt man mir, was ich so verstehe, dass hinter jedem Bären ein Ranger mit Knarre läuft.

70 Kilometer oberhalb von Choteau, am Fuße der Rockies ist der Startort mit einer USA-Flagge und sieben mobilen Klohäuschen gekennzeichnet. Ich parke mein Wohnmobil zehn Meter von der Startlinie entfernt, aber in geruchssichererem Abstand zu den Facilities. Bei Karl May gab es immer Bärentatze, ich packe drei T-Bone-Steaks auf den Grill.

Auf der steinigen Wiese zelten zwei Läufer. Matthew und Zac kommen gerade aus dem Irakkrieg zurück, sprühen vor Kraft und Patriotismus. Sie sehen aus wie Bodybuilder, die gerade aus dem Säurebad kommen.

Warum Deutschland nicht zur coalition of the willing gehören würde? Ich antworte, dass Chancellor Schröder sie doch unterstützen würde, und ich einen Kühlschrank mit eiskaltem Bier hätte. Prompt demonstriere ich meine Kampfbereitschaft mit der Öffnung meiner fünften Bierdose, während die beiden Jungs sich für den morgigen Wettkampf mit Liegestützen und Klimmzügen am Startbogen warm machen.

Die Glutsonne geht alsbald hinter den Rocky Mountains unter, es wird empfindlich kalt. Die tapferen Irakkrieger verschwinden in ihr warmes Zelt. Genieße ich halt alleine den Blick über die sanft abfallende Prärie, die in rotgoldenen Farben glüht. Die wellige Prärie hier ist nicht mit kurzem Gras bewachsen, hier wächst die Rutenhirse, Sorte Heavy Metal, und die ist schon mal einen Meter hoch und Lieblingsspeise der Büffel. Wo das Land flacher wird, dort wo die endlosen Weizenfelder sind, dort erahne ich den Missouri, auf dem Lewis und Clark 1805 hinauffuhren und das Land kartographierten.

Um drei Uhr morgens wird es laut, als wäre jetzt auch in Montana Krieg. Grelle Scheinwerfer erhellen das Startgebiet. Männern mit roten und grünen Laserschwertern fuchteln in der Luft herum, als wolle ein F-16-Geschwader vor meinem Wohnmobil landen. Doch die Männer in leuchtenden Westen weisen nur dicke Allradautos an sich korrekt an meinem Fahrzeug auszurichten.

Da jeder Läufer von drei bis vier Wagen mit Freunden und Familienmitgliedern begleitet wird, gleicht diese Szene tatsächlich der Ankunft eines überfälligen Kampfgeschwaders auf einem Flugzeugträger. Vor den Klohäuschen bilden sich meterlange Warteschlangen und eine ungewöhnlich große Anzahl kläffender Kleinstköter kackt vor die Wohnzimmertür meines Recreation Vehicles. Im Zelt der Irakkämpfer jedoch bleibt es ruhig, die sind so einen Auflauf wohl gewohnt.

Um 6:25 Uhr begebe ich mich mit einer Bierdose bewaffnet an die Startlinie. Eigentlich habe ich übergewichtige Menschen erwartet, doch die meisten sind völlig ausgehungert, aber mit dem neuesten Läufer-Schnickschnack in den Farben der Saison ausgestattet.

Die amerikanische Flagge ist riesig, hängt fast zum Boden. Darunter eine Digitalanzeige, denke es geht jetzt los, denn wir sind überfällig. Links zwei Lastwagenanhänger ohne Wände, rechts die unglaublich vielen Fans, da springt ein Pastor gekonnt auf einen der Anhänger und hält eine Rede. „Our father who art in heaven, hallowed be thy name…“ OK. Jetzt geht’s los. Nein.

„Auf, dass Gott unseren Soldaten im Irak und unseren Läufern hier beim Marathon die Kraft gibt, den Kampf fortzuführen“. Training wäre besser gewesen, also ich zurück zum Kühlschrank, das scheint eine längere Rede zu werden. Als ich eine Hymne höre, springe ich wieder raus, doch es ist wohl nur die Hymne von Montana. Es folgt die Hymne der USA. Alle Läufer halten ihre rechte Hand aufs Herz, ich die Bierdose vor meinem Bauch. Geht es jetzt los?

Der Chef des Laufes hält noch eine Rede auf einem der Anhänger, während die Läufer mit den Tränen der Vaterlandsliebe kämpfen. Dann lässt er sich ein Maschinengewehr geben und feuert wie wild in den Morgenhimmel. Ich glaube, es geht los!

Panik! Halbmarathonläufer, die sich vorne eingereiht haben, laufen zurück auf die Startlinie, wo Full Marathon steht. Ich quetsche mich in Gegenrichtung. Nach 40 Metern die Brücke über den Rose River, der in den Yellowstone River führt. Ich laufe links über die Steinbrücke, Halbmarathonläufer kommen mir entgegen, sie sollten rechts laufen. Zwei Typen im Khaki-Anzug, schwerem Gepäck und Halbmarathonnummer versperren mir den Weg. Matthew und Zac brauchen Anweisung: „Get back and fight!“ Machen die auch. Sofort habe ich freien Blick hinunter in die Prärie, etwa 30 grellbunte Läufer vor mir. Wow, das könnte heute lustig werden!

In dem Moment überholt mich ein Kanarienvogel in quietschgrüner halblanger Hose, schwarzen Shorts drüber und roten Socken. Rosa, langärmliges Hemd, weiße Handschuhe. Die Handinnenflächen dreht er feminin nach oben. Die Unterschenkel und Knie sind mit einem Wirrwarr aus blauem und rotem Tape verklebt. Weiße Bandagen dekorieren seine Knie. Es ist die Auferstehung vom Mosi, der mit einem Kabel, nicht mit Tape erdrosselt wurde.

Die Sonne geht auf, es wird schnell warm. Meile sieben: Kurve rechts, heiße Sonne links. Hier beginnt die gravel road, keine Straße, sondern eine Kiesgrube, die einst der Ur-Missouri geschaffen hat. Mein leichter Lauf wird zur Katastrophe, jeder Schritt eine Qual. Erste Steigung von 1300 auf 1600 Höhenmeter. Ich liebe den Blick über die weiten Ebenen. Die Lunge schmerzt, der Kies bohrt sich in die Sohlen, die Gelenke brennen.

Zwei Tage später habe ich Kathleen zu ihren Eltern gefahren

„Good job!“ rufen die Farmerstöchter, was ich sexuell verstehe

Eine blonde Läuferin in Tenniskleidung, deren Arsch die Vakuumtoilette im Airbus 800 luftdicht verschließen würde, reduziert ihr Gewicht, indem sie ihren Hintern über das gelbe Gras senkt. Ich stelle mir vor, wie die Crew des Airbusses nach der Landung die Dame vom Vakuumklo hebelt.

Dann überhole ich einen kleinen, dicken Italienischstämmigen mit nacktem Oberkörper, dessen v-förmige Fettfalten seinen schwarz behaarten Rücken in sechs Abschnitte unterteilen. Ein seltsamer High-School-Footballspieler im Dress der Denver Broncos fühlt sich mit seinen überdimensionierten Schulterschockern als Held. Ein schlaksiger Hüftschwinger stellt sein Skrotum in weißen Lauftights genüsslich zur Schau.

Wende. Sonne von hinten. Erhabener Blick nach unten in die goldene Ebene. Ich zähle 20 Läufer vor mir. Eiskalter Schauer auf meinem Rücken, denn die kriege ich auch noch!

Wieso der Mosi jetzt vor mir ist? Der Hüftschwinger überholt mich: „Only 10 miles to go”, dann bleibt er stehen, ich rieche, dass seine atmungsaktive Jacke nicht mehr atmet. Als ich bei Meile 16 den Mosi überhole, fällt mir auf, dass er seine quietschgrünen Tights nicht mehr anhat, auch sämtliche Bandagen und Tapes sind verschwunden, ist er jetzt geheilt? Nein, er hat seine Zubehörteilchen im Dixiklo entsorgt, erzählt er mir stolz.

Meile 17: Sehr, sehr steil geht es bergauf. Ein starker Wind aus den Bergen bremst mich zusätzlich. Eine Gruppe von sieben Farmerstöchtern pusht mich nach oben: „Good job, go ahead”. Wahrscheinlich ist dieser Spruch Titel des örtlichen Pornofilms und ich stelle mir vor, wie ich aus Gewohnheit das Haar der sieben Farmerstöchter streicheln würde.

Meile 18 hat es in sich. Wie eine Skisprungschanze ragt der Weg vor mir auf. Von oben kommen mir drei Läufer entgegen, ich bin auf Platz vier. Die Lungen schmerzen höllisch, der Gegenwind aus den Bergen wird unerträglich, schlimmer als vor drei Jahren beim Windmarathon in Frankfurt. Ein Skelett in Laufkleidung liegt auf dem Boden „Super Die”…noch 100 Meter steil bergauf bis zum Wendepunkt bei Meile 19… und dann stehe ich oben auf dem Tafelberg, ich könnt heulen vor Freude, muss aber meine Platzierung verteidigen.

Ein drei Meter großer Plüsch-Grizzly drückt mir eine Medaille in die Hand, das ist eine Kontrollmarke. Ich dreh mich um, laufe mit riesigen Schritten abwärts. Komme jetzt wieder an den sieben Farmerstöchtern vorbei. Die große Blonde hat es mir angetan, ein süßes Dingelchen namens Kathleen. „Meet me after the race, my RV is just beside the startbanner.“

Läufer laufen mir bergauf entgegen, gratulieren mir, klatschen, jubeln, ich bin immer noch auf Platz vier! Linkswende, Versorgungsstation, blaue, weiße Getränke und Bananen in der quietschgrünen Farbe, die Mosi anscheinend so gern hat.

Dann sehe ich den High-School-Footballspieler mit seinen überdimensionalen Schulterpolstern vor mir. Hä? Den hatte ich doch schon überholt.

Auf den nächsten 6 Meilen brausen Pick-ups an mir vorbei. Die Ladeflächen voll mit Läufern: Mosi, der Hüftschwinger, der Italiener mit dem behaarten Rücken, alle jubeln mir zu von der...

Erscheint lt. Verlag 19.7.2019
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Sport
Schlagworte Bhutan • Biel • Braveheart Battle • Joggen • Kambodscha • Kathmandu • Laufen • Lauftraining • Marathon • Marathon des Sables • Oman Desert Marathon • Peneda-Geres Trail • Pulsuhr • Sri Lanka • Trail • Trailrunning • Ultra • Ultralauf • Volkslauf
ISBN-10 3-947612-61-3 / 3947612613
ISBN-13 978-3-947612-61-1 / 9783947612611
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