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Ich dachte, sie ziehen nie aus (eBook)

Ein Überlebenstraining für alle Eltern, deren Kinder flügge werden
eBook Download: EPUB
2019
Penguin Verlag
978-3-641-23793-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ich dachte, sie ziehen nie aus - Lucinde Hutzenlaub, Heike Abidi
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Loslassen ist nichts für Feiglinge!

Wir haben sie gewickelt und gestillt, bespaßt und herumkutschiert, unterstützt und getröstet: unsere Kinder. Dass sie irgendwann lebenstüchtig genug sind, um uns zu verlassen, haben wir immer gehofft und zugleich befürchtet. Jetzt sind sie groß, cool, wissen alles besser und verabschieden sich so langsam in die Unabhängigkeit. Und wir? Müssen uns neu erfinden – ohne das Projekt Brutpflege und die dazugehörigen (Streit-)Themen. Doch halt: So ganz weg ist der Nachwuchs dann doch noch nicht, denn wenn’s hart auf hart kommt, steht er prompt wieder vor der Tür und will, dass wir ihm die Waschmaschine erklären. Worüber wir heimlich beinahe ein bisschen froh sind ...

Lucinde Hutzenlaub wurde in Stuttgart geboren, wo sie nach mehreren Auslandsaufenthalten wieder lebt. Die gefeierte Bestsellerautorin ist Kommunikationsdesignerin, systemische Coach und Heilpraktikerin, sie ist geschieden, hat drei Töchter und einen Sohn. Die Fans ihrer DONNA-Kolumne »Lucindes Welt« lieben sie für ihren Witz und ihre Authentizität. Bei Penguin erschienen zuletzt ihr Roman »In Liebe, Deine Paula« sowie, zusammen mit Heike Abidi, »Ich dachte, zu zweit muss man nicht alles selber machen«.

Heike


Die Nabelschnur in unseren Köpfen


Wenn eine Nabelschnur durchgeschnitten wird, tut das gar nicht weh. Es klingt nur komisch. Krrrrchk. Als würde ein Truthahn tranchiert. Ich selbst war nach der Geburt unseres Sohnes zu erschöpft und von dem Hormoncocktail, der meinen Körper flutete, dermaßen high, dass mir das gar nicht auffiel. Mein Mann jedoch, der den entscheidenden Schnitt vornahm, schwört, dass es sich haargenau so anhörte (und er hat in seinem Leben schon jede Menge Geflügel auseinandergenommen). Er kann das Geräusch sogar nachmachen! Überhaupt hat er ein Talent in Sachennachmachen, die man eigentlich nicht nachmachen kann (wie die Haltung einer Taube beim Sinkflug).

Doch zurück zur Nabelschnur. Man denkt, einmal Schnippschnapp genügt, und schon ist sie weg. Okay, beim Säugling fällt das restliche Stück erst nach ein paar Tagen ab, doch spätestens dann ist sie Geschichte, und nur der Bauchnabel erinnert daran.

Ammenmärchen! Glauben Sie das bloß nicht.

Die Nabelschnur im Kopf bleibt nämlich lebenslang beste­hen. Sie wird nur mit der Zeit flexibler – um nicht zu sagen: Sie leiert aus.

In den ersten Tagen nach der Geburt konnte davon jedoch noch nicht die Rede sein. Meine Mutter brachte es auf den Punkt, als sie uns im Krankenhaus besuchte: »Dein Bauch liegt jetzt in zwei verschiedenen Betten«, sagte sie, und genauso kam es mir vor – als wäre mein kleiner Sohn weiterhin ein Körperteil von mir.

Zum Glück gab es Rooming-in, denn ich hätte es nicht ­ertragen, wenn er – so wie das früher üblich war – die ­meiste Zeit in der Säuglingsstation verbracht hätte. Als er wegen seiner Neugeborenengelbsucht zur Lichttherapie gebracht wurde und einen halben Tag von mir getrennt war, verbrachte ich den größten Teil davon schluchzend im Bett. (Okay, es war der vierte Tag nach der Entbindung und somit ohnehin der klassische Heultag.)

Niemand war so erstaunt über meine Reaktion wie ich selbst. Denn ich hätte nie geglaubt, einmal so eine Glucke zu werden! Ich schob es also auf die Hormonumstellung und freute mich auf meine erste Unternehmung ohne Bauch und ohne Kind. Einfach mal allein in die Stadt fahren, etwas bummeln, vielleicht irgendwo einen Kaffee trinken, mich treiben lassen, tun, was mir gefällt.

Das war der Plan. Und eigentlich sprach auch nichts dagegen. Mein Sohn war inzwischen etwa drei Wochen alt, mein Mann hatte die Situation daheim absolut im Griff, und ich beschloss, mir einen schönen Nachmittag zu machen.

Doch was tat ich? Ich bummelte nicht, ich hetzte mich ab. Zeit für einen Kaffee nahm ich mir erst gar nicht. Statt alles gemütlich angehen zu lassen, hakte ich hektisch die wichtigsten Punkte auf meiner Liste ab und raste dann wieder nach Hause – völlig verschwitzt und total erledigt.

Warum ich das tat, hätte ich nicht erklären können. Es war, als ob ich von einem unsichtbaren, aber irrsinnig starken Gummiband gezogen würde. Erst viel später wurde mir klar, dass das wohl die Nabelschnur in meinem Kopf war.

Verrückt, oder? Aber damit bin ich kein Einzelfall. Meine Kollegin Stefanie kennt das Gefühl auch nur zu gut. »Kurz nachdem ich Mutter wurde, las ich irgendwo ein Zitat von Elizabeth Stone, das mir damals und noch heute unter die Haut geht. Es lautet: ›Die Entscheidung, ein Kind zu haben, ist von großer Tragweite. Denn man beschließt für alle Zeit, dass das Herz außerhalb des Körpers herumläuft.‹«

Deshalb kostet es uns auch jedes Mal so viel Überwindung loszulassen. »Vor allem, wenn Kinder einen Entwicklungsschritt machen, der sie von einem entfernt, geht es mir so«, ergänzt Stefanie. Der erste Tag im Kindergarten. Der erste Übernachtungsbesuch bei einem Spielkameraden. Die erste Klassenfahrt. Die erste weite Autofahrt …

Oh ja, die unsichtbare Nabelschnur wird mit den Jahren ganz schön strapaziert, und obwohl das – wie bei jeder guten Stretching-Übung – ganz schön zieht und schmerzt, geben wir uns wahnsinnig viel Mühe dabei, denn wir wissen ja: Es muss sein. Und es tut gut. Uns ebenso wie dem Nachwuchs. Loslassen ist wichtig! Und wenn man es gar nicht mehr aushält, gibt es ja zum Glück die digitale Verlängerung der unsichtbaren Nabelschnur: das Smartphone!

Übrigens geht es nicht nur mir so, wie ich immer wieder in Gesprächen mit Freundinnen und Kolleginnen erfahre. Jana zum Beispiel empfindet es ganz ähnlich. Sie gibt sogar zu, eine ziemliche »Klammermutter« zu sein. »Das ist sicher nichts, worauf ich stolz bin, aber zu wissen, dass ich meine Töchter jederzeit erreichen kann, fühlt sich gut an.«

Wie es unsere Eltern damals ertragen haben, dass wir im Wald Hütten gebaut und am Flussufer gespielt haben, mit dem Rad querfeldein zum Badesee gefahren sind und später dann wochenlang mit Interrail in ganz Europa unterwegs waren, ohne dabei erreichbar zu sein – aus heutiger Sicht unfassbar. Aber es schadet wohl nicht, sich ab und zu daran zu erinnern. Sie haben uns vertraut und uns einfach gelassen. Trotz der unsichtbaren Nabelschnur, die in solchen Situationen garantiert bis zur Schmerzgrenze überdehnt war.

Heutzutage flippt man ja schon fast aus, wenn das Kind nicht sofort ans Handy geht und Nachrichten nicht umgehend beantwortet. Oder wenigstens liest! Man sieht schließlich genau, um welche Uhrzeit der Nachwuchs zuletzt ­online war, und zieht seine Schlüsse daraus. Sofort geht das Kopfkino los: Warum wurden die Nachrichten nicht, wie sonst, gleich nach dem Wachwerden abgerufen? Da muss doch was passiert sein!

Meistens ist natürlich nichts passiert, höchstens das Smartphone ins Klo gefallen. Und wenn wirklich etwas Gravierendes vorgefallen wäre, hätte man es ohnehin erfahren. Aber es hätte ja sein können …

Erstaunlicherweise gibt uns diese digitale Nabelschnur nicht immer das ersehnte Gefühl der Beruhigung, sondern verunsichert vielmehr zusätzlich. Je mehr man das Smartphone zur Kontrolle benutzt, desto schlimmer. Es gibt übrigens nicht nur Tracking-Apps, die den Standort von Kindern bestimmen, sondern auch spezielle Apps, die ihr Verhalten im Straßenverkehr analysieren. Man kann auch das Internet-Verhalten der Kinder überwachen und die meisten Funktionen ihres Smartphones vom elterlichen Handy aus deaktivieren, wenn sie auf Anrufe nicht sofort reagieren.

Das hat weniger mit Vertrauen zu tun als vielmehr mit totaler Überwachung. Vor allem aber stört es die Eltern-Kind-Beziehung und schafft eine Atmosphäre der Angst, warnt der Kinderschutzbund. Und überhaupt ist es Unsinn: Wie oft wird schon ein Kind einfach so entführt? Und finden nicht die meisten Missbrauchsfälle innerhalb der eigenen Familie statt? Was sollen diese Apps also bringen?

Außerdem: Auch Kinder haben ein Recht auf Privatsphäre. Und was den Datenschutz betrifft, will ich gar nicht erst anfangen. Zumal sich auch potenzielle Verbrecher diese Überwachungs-Apps zunutze machen können …

Da ist es schon besser, man nutzt die digitale Nabelschnur, um seinem Nachwuchs einfach mal einen lieben Gruß oder einen Smiley zu schicken und alles Gute für die Klassenarbeit zu wünschen. Töchterlein oder Sohnemann wird dann schon antworten.

Das bestätigt auch Stefanie: »Seit es WhatsApp gibt, haben wir viel mehr intime Momente als früher. Durch die kleinen Nachrichten, Fotos, lustige Schnipsel oder Sprachnachrichten schafft man einen kleinen Augenblick Nähe im Alltag.«

Diese Erfahrung habe auch ich gemacht. Wenn mein Sohn unterwegs ist, kommuniziere ich oft mehr mit ihm, als wenn er zu Hause in seinem Zimmer sitzt. Je größer die Entfernung, desto intensiver die Kommunikation. Ob dann wohl auch bei ihm die unsichtbare Nabelschnur ziept?

Jana kennt das: »Oft muss ich die großen Töchter gar nicht anrufen, wenn wir ein paar Tage keinen Kontakt hatten, was ohnehin selten der Fall ist. Denn ganz oft passiert es, dass wir einander tatsächlich im gleichen Moment schreiben. Eine zuppelt an ihrem Ende der Schnur, und die andere merkt das irgendwie. Verrückt.«

Oder einfach nur eine gute Mutter-Tochter-Beziehung. »Und die funktioniert in beide Richtungen«, betont Ste­fanie, »also mit meiner Tochter und meiner Mutter.«

Unsichtbare wie digitale Nabelschnüre verbinden eben die Generationen untereinander.

Als ich zur Welt kam, gab es noch drei Generationen vor mir. Ich hatte meine Eltern, drei Großeltern und vier Urgroßeltern. Viele Nabelschnüre, die einem Halt geben – wie die Stützräder des Lebens. Inzwischen ist nur noch meine Mutter übrig, und ich muss das Gleichgewicht fast alleine halten. Das gelingt zwar meistens ganz gut, doch der Gedanke daran, dass aus dem dicken, stabilen Band irgendwie ein seidenes Fädchen geworden ist und ich irgendwann selbst zur ältesten Generation gehöre, erschreckt mich.

Auch Angelika kennt das. Sie erzählte mir von einem Sonntag, an dem sie auf einmal total melancholisch wurde: »Mir wurde bewusst, wie lange mein Leben bereits währt, und ich konnte es irgendwie nicht fassen, dass auch meine Eltern immer noch da sind. Alles roch irgendwie nach Abschied, und ich musste, für mich selbst überraschend, sehr ­heftig darüber weinen.« Kurz darauf erfuhr sie, dass ihre Mutter just an diesem Tag ins Krankenhaus gekommen war und dort auf der Intensivstation lag. »Sie hat es geschafft, aber es war haarscharf – wir dachten damals alle, sie würde sterben.«

Ja, die krasseste Form des Loslassens ist der Tod. Zum ersten Mal erlebte ich ihn bewusst, als mein Opa starb. Meine Urgroßeltern lebten zwar schon seit Jahren nicht mehr, aber deren Tod hatte ich als Kleinkind nicht bewusst mitbekommen. Danach blieb unsere Familie über...

Erscheint lt. Verlag 9.12.2019
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Familie / Erziehung
Schlagworte eBooks • Empty Nest • Familie • Geschenkbuch • Gesundheit • Humor • Ich dachte, älter werden dauert länger • Kleine Geschenke • Loslassen • lustig • lustige • Monika Bittl • Nestwärme • Silke Neumayer • Spiegel Bestseller Autoren
ISBN-10 3-641-23793-9 / 3641237939
ISBN-13 978-3-641-23793-6 / 9783641237936
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