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Botschafter in Berlin 1931-1938 -  André François-Poncet

Botschafter in Berlin 1931-1938 (eBook)

eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
480 Seiten
Europa Verlag GmbH & Co. KG
9783958902572 (ISBN)
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Am 28. September 1938 läuft das Ultimatum des Deutschen Reiches an die Tschechoslowakei ab. An diesem Tag sucht der französische Botschafter André François-Poncet in der Reichskanzlei um eine Audienz bei Adolf Hitler nach. 'Sie wissen, Herr Reichskanzler, ich bin immer Ihr guter Stern gewesen', lauten seine Begrüßungsworte. Als in diese Unterhaltung Mussolinis Botschafter Bernardo Attolico mit einem Vermittlungsvorschlag des Duce platzt, ist Hitler schon so präpariert, dass er sich für den Frieden entscheidet. 36 Stunden später, in der Nacht vom 29. zum 30. September 1938, unterzeichnen Neville Chamberlain, Edouard Daladier, Benito Mussolini und Adolf Hitler das Münchner Abkommen, das für kurze Zeit noch einmal den Frieden rettet. Mit der Konferenz von München geht André François-Poncets Zeit als Botschafter in Deutschland zu Ende. Seit seinem Amtsantritt 1931 hatte er aus nächster Nähe den Übergang der Weimarer Republik in eine Diktatur erlebt, in der Willkür und brutale Unterdrückung Andersdenkender immer mehr zunahmen. Gleichzeitig wurde die französische Botschaft zu einem der gesellschaftlichen Treffpunkte Berlins, und François-Poncet avancierte zum 'Doyen des diplomatischen Corps'. Seine scharfsinnigen Beurteilungen der politischen Lage wurden von Freunden und Gegnern respektiert, sogar von den Spitzen der NS-Elite, die nicht selten als Zielscheibe für seinen feinen Spott dienten. Schon früh durchschaute er Hitlers Absichten und schrieb mehrfach warnende Depeschen an den Quai d'Orsay. Sein Buch über die Botschaftsjahre in Berlin ist spannende Lektüre und zugleich ein wichtiges Dokument der Zeitgeschichte.

André François-Poncet (1887-1978), Germanist, Literat, Politiker und überzeugter Humanist, zählt zu Europas schillerndsten Diplomaten vor und nach dem Zweiten Weltkrieg. Ob als französischer Botschafter in Berlin und Rom oder als alliierter Hochkommissar und erster Botschafter seines Landes in der BRD: Er begleitete wie kein Zweiter während eines Vierteljahrhunderts die Geschicke Deutschlands, beeinflusste maßgeblich die französisch-deutsche Annäherung nach 1945 und gilt als wichtiger Wegbereiter des vereinten Europa. Seit früher Jugend ein 'homme de lettres', hat er zahlreiche Bücher veröffentlicht, darunter bedeutende Dokumente voll erzählerischer Kraft, die bis heute Historikern als wichtige Quelle dienen.#Dr. Thomas Gayda ist im Kleinen Walsertal aufgewachsen. Als Musikhistoriker spezialisierte er sich auf das Gebiet der Exilforschung und realisierte federführend die CD-Edition 'Entartete Musik' für das Klassik-Label Decca. Durch die intensive Auseinandersetzung mit der Zeitgeschichte stieß er auf die Tagebuchtexte François-Poncets, die er 2015 in Tagebuch eines Gefangenen publizierte. Zusammen mit dessen Tochter Geneviève sorgte er nun für eine Neuveröffentlichung von Botschafter in Berlin.

André François-Poncet (1887–1978), Germanist, Literat, Politiker und überzeugter Humanist, zählt zu Europas schillerndsten Diplomaten vor und nach dem Zweiten Weltkrieg. Ob als französischer Botschafter in Berlin und Rom oder als alliierter Hochkommissar und erster Botschafter seines Landes in der BRD: Er begleitete wie kein Zweiter während eines Vierteljahrhunderts die Geschicke Deutschlands, beeinflusste maßgeblich die französisch-deutsche Annäherung nach 1945 und gilt als wichtiger Wegbereiter des vereinten Europa. Seit früher Jugend ein "homme de lettres", hat er zahlreiche Bücher veröffentlicht, darunter bedeutende Dokumente voll erzählerischer Kraft, die bis heute Historikern als wichtige Quelle dienen.#Dr. Thomas Gayda ist im Kleinen Walsertal aufgewachsen. Als Musikhistoriker spezialisierte er sich auf das Gebiet der Exilforschung und realisierte federführend die CD-Edition "Entartete Musik" für das Klassik-Label Decca. Durch die intensive Auseinandersetzung mit der Zeitgeschichte stieß er auf die Tagebuchtexte François-Poncets, die er 2015 in Tagebuch eines Gefangenen publizierte. Zusammen mit dessen Tochter Geneviève sorgte er nun für eine Neuveröffentlichung von Botschafter in Berlin.

REICHSKANZLER BRÜNING


Der Besuch von Reichskanzler Brüning in Paris im Juli 1931 war entscheidend für meine Entsendung als französischer Botschafter nach Deutschland. Dieser bleiche, sorgfältig rasierte Mann mit den feinen Zügen, den man für einen katholischen Prälaten oder anglikanischen Priester halten konnte, der mit zagender Stimme sprach, aber klar und bestimmt, ohne jemals laut zu werden, flößte sogleich Vertrauen und Sympathie ein. Die dichten Augenbrauen, die enge Stirn, die schmalen Lippen, ein verschwimmender Blick hinter Brillengläsern riefen vielleicht einen weniger günstigen Eindruck hervor; doch kamen in seinen Zügen Intelligenz und Milde, Rechtschaffenheit und Bescheidenheit des Wesens zum Ausdruck. Er war zurückhaltend, von unauffälligen Bewegungen; er besaß die aufmerksame Höflichkeit eines Geistlichen. Nichts an ihm erinnerte an die raue, schwere Art des Germanen, er überraschte angenehm. Er klagte nicht an und protestierte nicht; gelegentlich schrak er nicht davor zurück, mit etwas traurigem Lächeln Irrtümer und Fehler seines Landes zuzugeben. Man fühlte, er war bemüht, gerecht, vernünftig und anständig zu denken. Man schilderte ihn als einen frommen Laien. Man versicherte, dass selbst seine Gegner nicht umhin konnten, ihn zu achten. Er hatte auf jeden Fall eine angenehme Art, seine vielgestaltige Aufgabe zu lösen, die Schwierigkeiten seines Landes zu vertreten, und er nahm sich der Sache Deutschlands so ehrlich, einfach und würdig an, dass er bei seinen Zuhörern Mitgefühl und den Wunsch erweckte, ihm zu Hilfe zu kommen. Wie hätte man bei einem solchen Reichskanzler, von dem man obendrein sagte, er erfreue sich der vollen Unterstützung Hindenburgs, nicht annehmen sollen, es lohne sich, an dem deutschfranzösischen Problem und seiner Lösung zu arbeiten?

Seit meiner Jugend hatte ich mich für Deutschland interessiert. Ich hatte es auf vielen Reisen besucht und war schon öfter zu einem längeren Aufenthalt dort gewesen. Seine Einrichtungen, seine Sprache, seine Sitten, seine Geisteswelt, die so widerspruchsvollen Ausdrucksformen seiner Landschaft und seiner Bewohner waren mir seit Langem vertraut. Ich kannte seine Vorzüge und seine Fehler; es zog mich in gleichem Maße an, wie es mich abstieß. Wie die meisten Soldaten des Krieges 1914/18 und vielleicht wie die meisten Franzosen wünschte ich, dass die Beziehungen unseres Landes zu dem unruhigen Nachbarn verbessert und gefestigt würden, um uns vor der Möglichkeit eines neuen Krieges zu bewahren. Die Umstände erschienen gerade günstig, einen modus vivendi, wenn nicht sogar eine endgültige Regelung zu suchen, die eine andere Atmosphäre schaffen und uns aus einer aufreibenden Periode stets neu auftauchender Zwischenfälle und Konflikte einmal herausführen könnte.

Das Reich war zu dieser Zeit in ernsten Schwierigkeiten. Die Wirtschaft litt allgemein unter einer schweren Krise. Mit hungrigem Magen lässt sich nicht gut arbeiten. Die Lähmung in Handel und Industrie, die Verschuldung der Landwirtschaft, die Unordnung im Finanzwesen, die enorm hohen Steuerlasten, die zunehmende Arbeitslosigkeit hatten zur Folge, dass die inneren Gegensätze sich verschärften und das Nationalbewusstsein förmlich aufgestachelt wurde. Auf den Tod Stresemanns war ein außerordentlich rasches Absinken des Einflusses der Volkspartei und Demokraten gefolgt, auf die sich die Erfüllungspolitik stützte. Der Kommunismus gewann an Boden. Die Deutschnationalen Hugenbergs, die, vom Stahlhelm unterstützt, über eine starke und dreiste Presse verfügten, hetzten die öffentliche Meinung auf. Hitlers Propaganda, mit starker Hand geführt, errang zusehends Erfolge. Wenn auch unter sich uneinig, waren diese Gruppen doch darin einig, im Versailler Vertrag und seinem Diktat die Quelle allen Übels zu sehen und das Kabinett Brüning der Zaghaftigkeit und Liebedienerei gegenüber dem Ausland zu zeihen, sodass seine parlamentarische Basis, die aus Katholiken, Sozialdemokraten und einem Rest Demokraten bestand, mehr und mehr geschwächt wurde.

Um diesen Vorwürfen entgegenzutreten, vielleicht auch um zu sehen, bis zu welchem Grade sich Deutschland Initiative und Handlungsfreiheit erlauben könne, ließ Brüning seinen Außenminister Curtius den Versuch wagen, eine Union, einen Wirtschaftsausschuss mit Österreich, das in den letzten Zügen lag, zu vollziehen (24. März 1931). Die Wirkung war katastrophal. Deutschland und Österreich mussten wie zwei Schuldige in Genf vor dem Völkerbundsrat erscheinen und sich dem Spruch des Haager Schiedsgerichts unterwerfen.

Die Einbuße, die das Reich dadurch erlitt, war nicht nur moralisch. Beunruhigung hatte Europa ergriffen, ebenso Amerika, wo die Wirtschaftskrise sich mit Heftigkeit auswirkte und man den Eindruck hatte, der Friede auf dem alten Kontinent sei erneut gefährdet. Die Bankhäuser von New York und London begannen, ihre in Deutschland investierten Kapitalien zurückzuziehen, ja, sie beschleunigten diesen Abzug, da die misstrauischen Gläubiger die Zurückhaltung ihrer Gelder forderten. Deutsche Banken, die als die sichersten galten, konnten diesem Abfließen des Kapitals nicht standhalten. Die Reichsbank konnte der Nachfrage nach Devisen, die sie bis zum Weißbluten erschöpfte, nicht nachkommen; ganz Deutschland fand sich in einen Riesenbankrott hineingezogen. Die Katastrophe wurde in letzter Stunde durch das Eingreifen des Präsidenten Hoover und seinen Moratorium-Vorschlag (20. Juni 1931) aufgehalten. Selbst wenn auf den Druck Frankreichs hin die Jahresquote des Youngplans nicht einbegriffen war, bedeutete das Moratorium, das ein Einfrieren der Privatkredite zur Folge hatte, für das Reich eine Gnadenfrist und ließ es zu Atem kommen. Aber es war gleichzeitig eine Warnung an die Deutschen: Seid in Zukunft vorsichtiger, lasst euch nicht zu nationalistischen Herausforderungen hinreißen, vermeidet alles, was in der Welt Kriegsbesorgnis hervorrufen könnte, ihr seid nicht frei in eurem Handeln und in euren Worten, sondern hängt von euren Gläubigern ab. Es liegt in eurem Interesse, auf die Meinung des Auslands Rücksicht zu nehmen.

Das war eine Bestätigung der Leitsätze Brünings. In dieser Hinsicht hätte die Gewährung des Moratoriums für ihn einen großen Erfolg bedeuten sollen; einem andern Kanzler wäre es wohl nicht gewährt worden. Brüning hatte es verstanden, die Achtung der angelsächsischen Welt, insbesondere der Engländer, zu gewinnen. Er war Anfang Juli in London gewesen; er war in Chequers Court als Gast geladen, der König hatte ihn in Audienz empfangen; es war ihm gelungen, die Briten für seine Politik der vorläufigen Zahlungseinstellung und des Zahlungsaufschubs zu gewinnen. Seine Stellung außerhalb Deutschlands war ausgezeichnet, besser als die irgendeines seiner Vorgänger, und er hoffte, dies werde sich auch auf seine Stellung in Deutschland auswirken.

Getragen von dem Wunsch, der Welt Ruhe und Vertrauen zurückzugeben, indem man zeigte, dass die Mächte, von gleichem Willen beseelt, in ehrlicher Zusammenarbeit Mittel und Wege suchten, die Krise zu steuern, hatte die englische Regierung die Vertreter Frankreichs, Belgiens, Italiens, der Vereinigten Staaten und Deutschlands zu einer Konferenz am 20. Juli nach London geladen. Da kam dem französischen Ministerpräsidenten der Gedanke, Reichskanzler Brüning zu bitten, seinen Weg über Paris zu nehmen, wenn er sich nach der englischen Hauptstadt begebe.

Damals glaubte sich Pierre Laval in vollem Aufstieg. Die Leichtigkeit und Schnelligkeit, mit denen sich in weniger als zehn Jahren sein politischer und materieller Erfolg entwickelt hatte, bestärkten sein an sich schon starkes Selbstvertrauen. Er glaubte sich berufen, eine bedeutende Rolle als französischer und europäischer Staatsmann zu spielen. Das Gespenst des Krieges zu bannen, den Frieden zu festigen, das war sein etwas naives Programm, das ihn seiner Meinung nach zum Ruhm führen würde. Er träumte davon, an Stelle des altgewordenen Briand, den er mehr und mehr in den Schatten drängte, als Friedensstifter in einer verworrenen und in sich zerfallenen Welt aufzutreten; ein Held, aus dem Volk hervorgegangen und dem Herzen der Völker nahe, würde er den gordischen Knoten lösen, den man vor ihm für unentwirrbar gehalten hatte.

Kühner und realistischer als Briand, wollte er sich nicht allein auf den Völkerbund stützen. Er schätzte diese Versammlung nicht sehr, ihre Ausschüsse und ihre Reden, ihre geheimen taktischen Manöver; die unpräzisen Formulierungen erinnerten ihn an die schlechten Seiten des Parlamentarismus. Er behauptete, die einzig fruchtbare und rasch zum Ziele führende Methode sei die der direkten Unterhaltung, die persönliche Beziehung von Mensch zu Mensch. Seiner Ansicht nach sollte ein aufrichtiger und intimer Meinungsaustausch, frei von gekünstelter Redeweise, lächerlicher Zurückhaltung und kindischer Vorsicht, wie sie in der Berufsdiplomatie üblich sind – der gegenüber er die im Volk verbreiteten Vorurteile hegte –, am sichersten zur Lösung auch der vielgestaltigen Probleme führen. Hierbei wurde...

Erscheint lt. Verlag 21.9.2018
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik 20. Jahrhundert bis 1945
Schlagworte 2. Weltkrieg • Autobiografie • Biografie • Deutsche Zeitgeschichte • Nationalsozialismus
ISBN-13 9783958902572 / 9783958902572
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