David gegen Goliath (eBook)
268 Seiten
REDLINE Verlag
9783864148194 (ISBN)
Klaus Schmeh ist Informatiker und arbeitet hauptberuflich als Unternehmensberater. Sein Schwerpunkt ist die Sicherheit von Computersystemen. Nebenberuflich ist er als Journalist und Buchautor tätig.
Klaus Schmeh ist Informatiker und arbeitet hauptberuflich als Unternehmensberater. Sein Schwerpunkt ist die Sicherheit von Computersystemen. Nebenberuflich ist er als Journalist und Buchautor tätig.
Teil 1
David und das bessere Konzept
Wenn sich ein David in der Wirtschaft gegen einen übermächtigen Goliath durchsetzt, dann liegt das oft daran, dass der erfolgreiche Herausforderer sein Angebot etwas anders gestaltet hat. Mit anderen Worten: Entscheidend für den Erfolg ist in vielen Fällen das Konzept, das einer Ware oder einer Dienstleistung zugrunde liegt. Oftmals hat der erfolgreiche David einfach nur den Geschmack des Kunden besser getroffen als der große Widersacher oder er hat seinen Bedarf besser erkannt. Es ist erstaunlich, wie manchmal schon ein kleiner Unterschied im Konzept eine große Auswirkung auf den wirtschaftlichen Erfolg haben kann. Die folgenden acht ausführlich geschilderten Fälle und die im Anschluss daran aufgeführten weiteren Beispiele belegen dies.
| 1 | Oetti find ich gut – Oettinger gegen die Fernsehbiere |
Pia Kollmar ist Marketing-Leiterin. In einem Unternehmen mit über 900 Mitarbeitern müsste sie eigentlich einer ganzen Abteilung vorstehen, die sich um Werbekampagnen, PR-Aktionen und Sponsoring kümmert. Nicht so jedoch im bayerischen Oettingen bei der nach dem Heimatort benannten Brauerei. Das Unternehmen aus der Kleinstadt bei Augsburg macht nämlich so gut wie kein Marketing, und daher existiert auch keine Abteilung für diesen Bereich. Pia Kollmar, die Tochter des Inhabers Günther Kollmar, kümmert sich daher auch nur in Teilzeit um die Marketingleitung der Oettinger-Brauerei. Ihr Motto: „Das ganze Marketing-Getue nervt die Leute sowieso nur.“
Der Erfolg gibt den Oettingern Recht: Der Familienbetrieb aus der süddeutschen Provinz hat sich nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit zu Deutschlands viertgrößter Brauerei gemausert – ganz ohne Fernsehwerbung, Formel-1-Engagement und Fußball-Sponsoring. Über vier Millionen Hektoliter Bier produzierte die Oettingerbrauerei 2002 in mittlerweile fünf strategisch gut verteilten Produktionsstätten. Die vorläufig letzte davon erwarb das Unternehmen in Form der Mönchengladbacher Traditionsbrauerei Hannen. Die jährlichen Wachstumsraten lagen zuletzt immer um die 20 Prozent.
Dabei scheinen die Vorzeichen für einen solchen Erfolg derzeit denkbar schlecht. Die deutsche Bierbranche steckt seit Jahren in einer tiefen Strukturkrise, die Wachstum zur seltenen Ausnahme macht. Zwei Ursachen wirken dabei auf verhängnisvolle Weise zusammen: Zum einen sinkt der Bierkonsum in Deutschland langsam, aber anscheinend unaufhörlich. So ließ der Bierdurst der Deutschen zwischen 1997 und 2002 um 7,5 Prozent nach, was nicht zuletzt der steigenden Popularität anderer alkoholischer Getränke zu verdanken ist. Zum anderen ist die Anzahl der in Deutschland ansässigen Brauereien für einen gesunden Markt viel zu hoch. Trotz einer spürbaren Marktbereinigung in den letzten Jahren buhlen immer noch mehrere Hundert Brauunternehmen um die Gunst der deutschen Biertrinker – als Folge davon hat sich der Bierpreis in Deutschland in den letzten Jahren deutlich schwächer entwickelt als die Inflationsrate. In anderen Sparten der Lebensmittelbranche bedient oft kaum mehr als ein Dutzend Anbieter den gesamten Markt. Angesichts eines solchen Überangebots prophezeien Experten auch für die kommenden Jahre ein anhaltendes Brauereisterben. Nur für etwa ein halbes Dutzend Großbrauereien soll demgemäß in Deutschland langfristig Platz sein. Da Werberiesen wie Interbrew (Beck’s) und Krombacher bisher den Markt am besten in den Griff bekommen haben, geben Branchenkenner diesen so genannten „Fernsehbieren“ die besten Chancen im Verdrängungswettbewerb. Die momentane Devise auf dem schwierigen deutschen Biermarkt lautet daher: Wer nicht wirbt, der stirbt.
Doch wie um alles in der Welt ist dann der gigantische Erfolg des Werbeverweigerers Oettinger zu erklären? Einen ersten Hinweis darauf erhält, wer im Supermarkt auf die Preisschilder schaut. Wer Oettinger noch nicht kennt, muss meist ungläubig ein zweites Mal hinschauen, denn der Oettinger-Kasten kostet meist nicht einmal 6 Euro. Billiger geht es wirklich nicht. Zum Vergleich: Für die Konkurrenz von Warsteiner, Licher und Co. muss der Bierliebhaber um die 11 Euro auf den Tisch legen. Dass derartige Kampfpreise den Absatz fördern, ist klar, zumal sich inzwischen herumgesprochen hat, dass das Bier aus dem bayerischen Familienbetrieb einen Geschmacksvergleich mit den teureren Mitbewerbern nicht scheuen muss. Weniger klar ist jedoch, wie Oettinger angesichts der konsequenten Niedrigpreisstrategie so prächtig gedeihen kann.
In der Tat haben sich die Oettinger-Manager um Günther Kollmar so einiges einfallen lassen, um ihre Preise am Boden zu halten. Der konsequente Verzicht auf Werbung fällt dabei am meisten auf. Außer einer Web-Seite und ein paar Prospekten kann das Unternehmen als Mittel zur Selbstdarstellung nur die verkauften Produkte vorweisen. So hat auch bisher weder ein Fußballtrikot noch ein Formel-1-Rennwagen den Oettinger-Schriftzug gesehen. Die Oettinger-Flaschen selbst verbreiten ebenfalls wenig Glamour: Die Brauerei verzichtet auf eine Hochglanzbedruckung des Etiketts und lässt die Kronkorken unbedruckt. Was nichts nützt, wird eingespart, lautet die Devise.
Mit einer eigenwilligen Strategie machte Günther Kollmar die einstmals kleine Oettinger-Brauerei zur viertgrößten in Deutschland. Das Unternehmen verzichtet auf Werbung und bietet sein Bier zu äußerst günstigen Preisen an.
Doch Marketingminimalist Kollmar hat noch weitere Gründe dafür parat, warum er alle anderen unterbietet. Eine effektive Organisation und motivierte Mitarbeiter, die er über Tarif bezahlt, gehören dazu. Und die Technik: Als „hocheffizient“ preist Kollmar seine Produktionsanlagen; nicht nur die Dosenabfüllanlage gehört zu den modernsten Europas. Dafür hat der Oettinger-Chef schon so manche Million investiert und dabei offensichtlich eine glückliche Hand bewiesen.
Der größte Kostenkiller der Oettinger Erfolgsbrauerei liegt jedoch offenbar im Vertrieb. Während andere Bierproduzenten für ihre Ware meist unterschiedliche Absatzwege anstreben, beliefert Oettinger ausschließlich Supermärkte wie Rewe, Lidl und Plus. Diese Spezialisierung hat es Kollmar ermöglicht, den Vertrieb komplett selbst zu übernehmen und dabei auf Zwischenhändler zu verzichten. So fahren inzwischen über 100 Oettinger-Lastwagen über die Lande, um den Gerstensaft von den fünf Produktionsstätten direkt an den Einzelhandel zu liefern. Dieser kann ohne die Aufschläge des Zwischenhandels kalkulieren und das Bier damit konkurrenzlos billig anbieten.
Es ist schon seltsam. Da liefern sich Hunderte von Brauereien mit teilweise exorbitanten Werbebudgets einen erbitterten Wettkampf in einem schrumpfenden Markt, während ein Newcomer scheinbar mühelos den Ausstoß in ständig neue Rekordhöhen treibt. Und das mit einem entwaffnend einfachen Konzept: Bier in hoher Qualität auf möglichst einfache Weise zu einem niedrigen Preis verkaufen und dabei auf jeglichen Schnickschnack verzichten. Doch was sich nach einer perfekt geplanten Strategie anhört, wurde – wie so viele andere Erfolgsstrategien – aus der Not geboren. In den Fünfzigerjahren lag das Unternehmen am Boden, nachdem es zwei Jahrzehnte zuvor in eine Genossenschaft umgewandelt worden war, die jedoch nicht so recht funktionieren wollte. So ergab sich zwar für Kollmars Vater die Gelegenheit, die wenig attraktive Braustätte aufzukaufen. Einfach sollten dieser und sein Sohn es damit jedoch nicht haben. Kollmar war im nur sieben Kilometer entfernten Fürnheim aufgewachsen, wo seine Eltern eine kleine Hausbrauerei betrieben, die kaum mehr als den Bedarf des eigenen Gasthauses deckte. Oettingen lag zwar nicht weit von Kollmars Elternhaus entfernt, doch dazwischen verlief die Grenze zwischen Franken und Schwaben. Dadurch hatte Kollmar es doppelt schwer: Einerseits akzeptierten ihn die Oettinger Gastwirte nicht so recht, und andererseits fehlte ihm für den Aufbau eines schlagkräftigen Gaststättenvertriebs das Geld.
So machte Kollmar aus der Not eine Tugend. Er verkaufte sein Bier von Anfang an an den Einzelhandel, der seinerzeit noch durch Läden der Tante-Emma-Philosophie geprägt war. Dieses Konzept erwies sich als Glücksfall, denn als in den Sechziger- und Siebzigerjahren moderne Supermärkte die klassischen Läden an der Ecke immer mehr verdrängten, boten sich für Oettinger hervorragende Absatzmöglichkeiten. Etwa um das Jahr 1972 – genauer ist der Zeitpunkt nicht mehr auszumachen – entstand dann die heute noch gültige Geschäftsstrategie. Nachdem das Unternehmen mit ersten Werbemaßnahmen kein großes Glück gehabt hatte, strich man dieses Thema wieder aus dem Konzept und konzentrierte sich auf das Wesentliche, und das war nun einmal das Bier. Nach stetigem Wachstum gelang Oettinger 1999 der Sprung auf Platz 4 der größten deutschen Brauereien und damit endgültig der Aufstieg in den deutschen Bieradel.
Kein Wunder, dass die Wirtschaftswoche Oettinger nun als...
| Erscheint lt. Verlag | 8.10.2013 |
|---|---|
| Verlagsort | München |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft ► Wirtschaft |
| Wirtschaft ► Allgemeines / Lexika | |
| Schlagworte | Erfolg • Unternehmenserfolge • Wirtschaft |
| ISBN-13 | 9783864148194 / 9783864148194 |
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