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Das tiefe Blau des Meeres (eBook)

Bretagne-Roman
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
636 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7325-0653-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das tiefe Blau des Meeres -  Marie Lamballe
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Romantisch-verwunschene Bretagne!

Als Katharina auf dem Dachboden ihres Elternhauses eine Mappe mit Aquarellen findet, ist sie sogleich fasziniert. Vor allem das verwunschene Landschlösschen, das immer wieder abgebildet ist, hat es ihr angetan. Wo befindet sich dieser magische Ort? Und wie kommen die Bilder in den Besitz ihrer Familie?

Ihre Suche führt sie in die Bretagne, zu einem stark verwitterten Anwesen an der Côte d'Eméraude. Gemeinsam mit dem charismatischen Schlossherrn taucht sie ein in die Vergangenheit des Ortes, die ungeahnte Enthüllungen ans Licht bringt ...

November 1939

Das Meer tobte und warf das kleine Boot auf den nachtschwarzen Wogen hin und her. Ein lärmendes, zischendes Inferno, düster, eiskalt und tödlich. Margot saß in der winzigen Kajüte des Fischerbootes, klammerte sich mit beiden Händen an der hölzernen Bank fest und starrte durch das Fenster in die dunkelgrauen Fluten der Nordsee. Die Sicht war verschwommen, weil das Fenster unablässig von schaumiger Gischt benetzt wurde. Umso mehr hörte man das Brüllen und Zischen der See und das Pfeifen des boshaften Nordostwindes. Hin und wieder glitt eine dunkle Gestalt vor dem Fenster vorbei, torkelnd, sich gegen den Wind stemmend, eine Hand an der Reling, um nicht über Bord gerissen zu werden. Das war Jean, der Skipper. Hinten am Steuer stand Claude; wenn er seine Befehle brüllte, drang seine tiefe, raue Stimme sogar durch das Toben der Elemente.

»Jersey!«, brüllte Claude.

»Nie im Leben!«

Das war Jean, er musste jetzt direkt neben dem Steuermann stehen. Seine Stimme war heller und ein wenig heiser. Er war noch jung, ein drahtiger, rothaariger Normanne.

»Was sonst?«, schrie Claude.

»Herpin!«

»Unmöglich!«

»Herpin! Und dahinter Grouin.«

»Hol’s der Teufel!«

»Backbord muss Cécembre liegen!«

Das junge Mädchen in der Kajüte begriff nur wenig von dem, was es hörte, auch hatten Wind und Wetter wohl etliche Worte davongerissen. Doch ihr wurde klar, dass man vom ursprünglichen Kurs abgekommen war. Lag die Insel Jersey nicht südlich von Cherbourg, wo sie in See gestochen waren? Portsmouth an der englischen Küste aber war im Norden. Auf der Karte hatte es so einfach ausgesehen, ein kleiner Sprung nur, mit einem Ruderboot leicht zu schaffen, man hätte sogar schwimmen können. In Wahrheit jedoch lag zwischen ihr und der rettenden englischen Küste ein graues Ungeheuer: ein wütendes, geiferndes Meer, das sich anschickte, sie allesamt zu verschlingen.

»Wegen einer Deutschen …«, vernahm sie wieder Claudes tiefe Stimme. Es klang voller Verachtung und tat weh. Früher war sie immer stolz darauf gewesen, eine Deutsche zu sein. Früher, als sie noch nicht wusste, dass es zwei Sorten Deutsche gab.

»Hättest es ja auch lassen können.«

»Aus reiner Gutmütigkeit …«

»Tatsächlich? Und das Geld?«

»Lohnt nicht, dafür zu ersaufen!«

Ein Brecher fuhr über das Deck des Fischkutters, klatschte gegen das Kajütfenster. Sie erstarrte, fürchtete, das Glas könne zerspringen, doch es hielt stand. Dann, als sich das Seewasser wieder verlaufen hatte, glaubte sie, oberhalb der Wellenkämme im diesigen Grau einen hellen Punkt zu sehen. Ein Stern? Oder ein Leuchtturm? Jean torkelte an der Kajüte vorbei zum Bug, verharrte dort einen Moment und machte kehrt. Als er die Tür der Kajüte aufriss, drangen Gischt und eisiger Wind zu Margot herein. Triefend stand der Fischer vor ihr, glich das Schwanken des Bootes mit wenigen Körperbewegungen aus, als wäre er mit dem Schiff verwachsen. Seine Gesichtszüge waren im Halbdunkel kaum zu erkennen, nur die Augen schimmerten hell.

»Wir müssen den Sturm abwarten, Mademoiselle. Keine Angst, wir sind nicht das erste Mal bei solchem Wetter draußen.«

Er sprach langsam, wie man zu einem Kind redet. Ohne Zweifel wollte er sie beruhigen, doch der durchdringende Blick seiner hellen Augen sprach eine andere Sprache. Schon als sie gestern Abend über das schmale Brett auf das Schiff balanciert war, hatte er sie so angestarrt. Sie fürchtete sich vor ihm.

»Wann … wann werden wir in Portsmouth sein?«

»In Portsmouth?«

Ihre Angst stieg hoch. Wieso fragte er? Es war doch abgesprochen, dass dieses Boot sie hinüber nach England bringen sollte.

»Ja, in Portsmouth. Oder irgendwo anders an der englischen Küste …«

Er wischte sich mit der Hand über das nasse Gesicht und zog die Nase hoch. Morgen würde man dort ankommen. Nach einem Zwischenstopp auf Jersey, sie müssten sich ausruhen.

»Da hinten klart es auf«, behauptete er. »Das Schlimmste haben wir hinter uns.«

Die hellen Augen ließen von ihr ab, für einen kurzen Moment verdoppelte sich das Brausen und Zischen der Elemente, dann hatte er die Tür hinter sich zugedrückt. Margot hockte verlassen auf ihrer Bank, vor Kälte zitternd, tausend Ängsten ausgeliefert. Ach, sie hatte sich alles selbst zuzuschreiben. Ihr dummer Stolz war schuld, ihr Dickschädel. Waren sie nicht alle vier herzlich in Paris aufgenommen worden? Hatten Tante Sybille und Marcel ihnen nicht großmütig zwei Zimmer ihrer Wohnung überlassen? Aber sie hatte Tante Sybille noch nie leiden können, und sie hasste es, ihr dankbar sein zu müssen. Dann lieber hinüber nach England zu Tante Florence.

Morgen, dachte sie und klammerte sich an diese Hoffnung. Nur einige Stunden Aufenthalt auf Jersey, sie würde sich hier in der Kajüte verstecken, sich zusammenkauern und versuchen zu schlafen. Morgen schon wäre sie an der englischen Küste. Der Sturm flaute ab, würde sich legen. Dann war die Überfahrt ein Kinderspiel. Die beiden hatten Geld bekommen, bei der Ankunft würde sie ihnen den Rest auszahlen. Sie würden Wort halten – schon wegen des Geldes. Morgen. Vielleicht erst am Abend. Wenn das Wetter es zuließ. Spätestens übermorgen saß sie bei Tante Florence auf dem Sofa, trank Tee und erzählte ihr von der abenteuerlichen Überfahrt …

Fröstelnd schlang sie die Arme um den Oberkörper und lehnte den Rücken gegen die Kajütwand. Jean hatte die Wahrheit gesagt: Das Boot schlingerte jetzt nicht mehr ganz so heftig, die See beruhigte sich, nur hin und wieder peitschte ein Brecher gegen das Fenster und ließ die Sicht nach draußen verschwimmen. Das graue Ungeheuer war müde geworden, wälzte sich noch ein paarmal hin und her und spuckte salzigen Schaum gegen das lästige Fischerboot auf seinem Rücken. Bald würde sich der Meeresdrache in sein Nest auf dem tiefen Grund zurückziehen, und sein Atem würde flach werden.

Sie entspannte die verkrampften Muskeln und blinzelte zu dem Licht hinüber, das über den brodelnden schwarzen Wellen größer und heller zu werden schien. Tatsächlich, ein Leuchtturm. Dort drüben war Land, vielleicht Jersey oder eine andere Kanalinsel. Ein paar Stunden ausruhen, hatten sie gesagt. Die Männer waren müde, das konnte sie verstehen. Auch sie selbst war vollkommen erschöpft, viel zu heftig war die Anspannung gewesen, die Angst, in den grauen Fluten ertrinken zu müssen, das krampfhafte Sich-Anklammern, um nicht hin- und hergeschleudert zu werden. Ihre Lider sanken herab, und trotz der unbequemen Haltung senkte sich erlösender Schlummer über sie. Es war kein Schlaf, nur ein leichter Dämmerzustand, der die Angst betäubte und schöne Bilder aufsteigen ließ. Sie sah sich als kleines Mädchen im Gartenhaus der Eltern, sprang die Treppenstufen hinunter auf den weichen Rasen, lief zu der Trauerweide, unter deren dicht herabhängenden Zweigen sie ein Haus für ihre Puppen eingerichtet hatte. Lulu, die dreifarbige Glückskatze, strich durch die Büsche, und drüben auf dem Wäscheplatz hatte Jette Papas weiße Hemden aufgehängt. Sie blähten sich im Sommerwind wie lebendige Wesen mit langen Armen …

»Verdammte Scheiße. Das ist kein Fischerboot …«

»Ruhig. Das ist die Küstenwache. Bretonen. Aus Dinard oder St-Malo …«

Sie fuhr aus ihren Träumen, schlug mit dem Kopf hart gegen die Kajütwand. Stöhnend setzte sie sich zurecht. Waren sie schon im Hafen? Sie musste blinzeln, denn die Fischer hatten am Bug eine helle Laterne entzündet.

»Das sind keine Bretonen, hol mich der Teufel. Das sind Deutsche …«

»Was haben die Dreckskerle hier zu suchen?«

»Die hat der Sturm abgetrieben. Genau wie uns.«

»Dass ich nicht lache …«

Mit einem Schlag hatte die Angst Margot wieder in ihrem kalten Griff. Zitternd stand sie auf, trat dicht an das Fensterchen heran und sah den schwarzen Leib eines Schiffes. Es war größer als das Fischerboot, auf dem sie sich befanden, von zwei Laternen beleuchtet, man konnte mehrere Seeleute auf Deck erkennen.

»Die schneiden uns den Weg ab …«

»Verflucht! Hart Steuerbord!«

»Wohin denn? Auf die Klippen?«

»Bleib ruhig. Was können sie schon wollen? Wir sind Fischer.«

Margot starrte fasziniert auf das beleuchtete Deck des deutschen Schiffes. Es war breit, die Aufbauten weiß, die Matrosen trugen helle Kleidung und liefen scheinbar aufgeregt durcheinander, in Wirklichkeit aber gehorchten sie den Befehlen des Offiziers. Für einen Augenblick war sie fast stolz auf dieses schöne Schiff, auf dem alles so klar und wohlgeordnet funktionierte. Es näherte sich, der Rumpf wuchs empor, groß, riesengroß, bedrohlich, man vernahm einen tiefen, durchdringenden Warnton.

O Gott, er wird uns rammen, dachte sie entsetzt. Die grausige Vorstellung, mit dem berstenden Fischkutter in die Tiefe gerissen zu werden, trieb sie zur Tür. Sie zerrte daran, riss sie schließlich auf und kämpfte sich nach draußen. Sturm und Regen beutelten sie, ein Brecher, der über das Deck fuhr, riss sie zu Boden. Sie keuchte, rang nach Luft, versuchte, sich an der Reling festzuklammern, doch das Wasser riss sie mit sich fort wie einen leichten Kork, schleuderte sie gegen die Kajütwand. Jemand brüllte etwas, was wie »verdammte Göre« klang, dann überdeckte der gewaltige Ton des Schiffshorns alle anderen Geräusche.

Der nächste Brecher stürzte sich auf...

Erscheint lt. Verlag 16.4.2015
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Familie / Erziehung
Schlagworte 20. - 21. Jahrhundert • Aachen • Australien • Bretagne • Calenberger Land • Cornwall • Europa • Ferne Länder • Fernweh • Frauenroman • Frauenromane • Hannover • Haran • herzkino • Hessen • Ille-et-Vilaine • Kamelie • Kameliengärtnerei • Kauri • Köln • Landleben • Landlust • Landscape • Landschaftsbild • landschaftsroman • Landschaftsromane • Landschaftsromane; 20. - 21. Jahrhundert; Bretagne; Love $amp; Landscape • Liebesroman • Liebesromane • Love • Love & Landscape • Love and Landscape • Love & Landscape • Maori • Natur • Neuseeland • Niedersachsen • Nordrhein-Westfalen • Normandy • Phoenix-Viertel • Pilcher • Quimper • Regierungsbezirk Darmstadt • Rennes • Romantik • romantisch • Rouen • Ruhrgebiet • Sarah Lark • Saterland • Schmöker • Seine-Maritime • Wiesbaden
ISBN-10 3-7325-0653-3 / 3732506533
ISBN-13 978-3-7325-0653-8 / 9783732506538
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