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Sie kennen dich! Sie haben dich! Sie steuern dich! (eBook)

Die wahre Macht der Datensammler
eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
287 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-42655-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sie kennen dich! Sie haben dich! Sie steuern dich! -  Markus Morgenroth
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Datenspionage gegen Angestellte ist tägliche Praxis in deutschen Unternehmen. Backgroundchecks bestimmen über Wohnung, Kredit, Job, Liebe. Ein deutscher Datenanalytiker deckt das ganze Ausmaß der Überwachung und des Datenmissbrauchs auf. Man braucht keinen Facebook-Account, kein Amazon-Konto, ja nicht einmal einen Internet-Anschluss, um im Netz der Datenhaie zu zappeln. Internationale und nationale Unternehmen schließen aus Adresse, Alter, Geschlecht auf Person und Charakter und vergeben Kredite, Verträge, Arbeitsplätze - oder eben all dies nicht. Wer möchte, dass seine »Klickspur« vom Arbeitgeber analysiert wird? Wer ist sicher, dass dies nicht geschieht? Und was bedeutet diese Spur bei der nächsten Kündigungswelle? Datenschützer sind sich sicher: Alles, was befürchtet wird, ist bereits Realität. Das, was früher einmal »Schicksal« genannt wurde, ist heute allzu oft das diskrete Ergebnis eines illegalen, aber dreist praktizierten Backgroundchecks. Markus Morgenroth macht auf erschreckende Weise klar, was längst an der Tagesordnung ist, und zeigt auf, wie wir uns - halbwegs - schützen können.

Markus Morgenroth, geboren 1977 in Frankfurt am Main, ging nach seiner Ausbildung zum Informatiker in die USA. Dort arbeitete er im Silicon Valley knapp zwei Jahre lang als Software Engineer bei einem der führenden Unternehmen im Bereich der verhaltensbasierten Datenanalyse. 2007 kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitete fortan als Managing Director of European Operations. Seit seinem Ausstieg aus dem Geschäft 2013 ist Markus Morgenroth als Consultant tätig und berät Firmen zu Fragen rund um den Datenschutz sowie die Chancen und Risiken von Big Data.

Markus Morgenroth, geboren 1977 in Frankfurt am Main, ging nach seiner Ausbildung zum Informatiker in die USA. Dort arbeitete er im Silicon Valley knapp zwei Jahre lang als Software Engineer bei einem der führenden Unternehmen im Bereich der verhaltensbasierten Datenanalyse. 2007 kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitete fortan als Managing Director of European Operations. Seit seinem Ausstieg aus dem Geschäft 2013 ist Markus Morgenroth als Consultant tätig und berät Firmen zu Fragen rund um den Datenschutz sowie die Chancen und Risiken von Big Data.

Vorwort


Sie bewerben sich für einen neuen Job. Sie wollen diesen Job unbedingt, Sie brauchen ihn, denn Ihr alter Arbeitgeber hat Ihre Stelle wegrationalisiert. Die Chancen, dass Sie den Job bekommen, stehen hervorragend. Sie sind ausgezeichnet dafür qualifiziert und wurden zudem persönlich empfohlen. Jemand hat für Sie die Hand ins Feuer gelegt und bürgt mit seinem guten Namen für Sie.

Aber Sie bekommen den Job nicht. Den wahren Grund erfahren Sie nie. Das Unternehmen verrät ihn nicht. Es hat etwas Entscheidendes über Sie herausgefunden: Sie sollen Asthmatiker sein. Das hat Ihr »Background Check« ergeben, die detaillierte Durchleuchtung Ihres Lebens – eine Methode, die von der Öffentlichkeit vollkommen unbemerkt gerade bei Einstellungsprozessen immer populärer wird.

In Wahrheit sind Sie aber kerngesund. Ihr einziger Fehler: Sie haben aus Nettigkeit hin und wieder Asthmamedikamente für Ihren kranken Nachbarn besorgt – und, um Punkte zu sammeln, mit Ihrer eigenen Kundenkarte bezahlt. Die Algorithmen, die Sie als krank und damit ökonomisch unbrauchbar eingestuft haben, interessiert die Wahrheit aber nicht, denn sie kreieren ihre eigene Wirklichkeit. Dieser Irrtum ist irreparabel. Für Sie ist er fatal. Und wer weiß, wie viele Irrtümer noch über Sie kursieren, wie viele Irrtümer über uns alle kursieren.

 

Denken Sie jetzt nicht, dass das Ausspähen aufhöre, wenn Sie erst einmal den Vertrag unterschrieben haben und an Ihrem Büroschreibtisch sitzen. Theoretisch gibt es strenge Grenzen, die die Mitarbeiterüberwachung verbieten, aber Sie können sich sicher sein, dass auch die Arbeitswelt ein »See voller Untiefen«[1] ist. Das sagt nicht irgendjemand, sondern der frühere Landesdatenschutzbeauftragte Niedersachsens, Joachim Wahlbrink. Was genau er meint, werden wir später sehen.

Wir sind ins Visier unsichtbarer Machenschaften geraten. An unseren Biografien schreiben hinter unserem Rücken längst andere mit. Die meisten von uns bemerken noch nicht einmal, dass etwas Grundlegendes schiefläuft, dass es in ihrem Leben immer ungerechter zugeht und sie diskriminiert werden. Sie tappen im Dunkeln. Und selbst die, die etwas spüren, können die Warnsignale in der Regel nicht richtig deuten.

Dieses Mal war es die Jobabsage. Das nächste Mal ist es vielleicht ein negativer Bescheid Ihrer Bank oder Lebensversicherung, die Recherchen über Sie angestellt und herausgefunden hat, dass Sie Fallschirmspringen oder Paragliding betreiben. Damit sind Sie, ohne es zu wissen, ein unkalkulierbares Risiko. Dass Sie Ihre Hobbys mit großer Vorsicht ausüben, fällt nicht ins Gewicht. Es hat Sie ja nie jemand danach gefragt.

Womöglich trifft es aber auch Ihr Internet- und Facebook-begeistertes Kind. Die heutigen Mädchen und Jungen bilden die erste Generation, die von Beginn an flächendeckend ausspioniert und von den Internetgiganten dazu erzogen wird, alles von sich preiszugeben. Vielleicht wird Ihr Kind nicht zum Austauschjahr oder zum Studium in Amerika zugelassen, weil es vor Jahren mal ein paar dumme Bemerkungen über den Kurznachrichtendienst Twitter versendet hat – wie jene zwei ganz normalen jungen Erwachsenen aus Großbritannien, die ihren Urlaub in den USA verbringen wollten und deren Geschichte um die Welt ging. Sie durften nicht einreisen, stattdessen wurden sie wie Schwerverbrecher von Sicherheitskräften abgeführt, verhört, zwölf Stunden lang in eine Zelle gesperrt und schließlich zurück in ihre Heimat geschickt. Die als Spaß gedachte Twitternachricht »@MelissaxWalton free this week for a quick gossip/prep before I go and destroy America?«[2], mit der einer der beiden Verdächtigten seine Freunde fragen wollte, ob sie vor der Abreise noch etwas Zeit zum Quatschen haben, bevor es zum »Party machen« in die USA geht, genügte, um als Sicherheitsrisiko eingestuft zu werden. Das Wort »destroy« sei umgangssprachlich gemeint gewesen und bedeute lediglich »wild feiern«. Doch Amerika fühlte sich bedroht.

 

Unser komplettes Leben wird überwacht. Dass die Geheimdienste das tun, wissen wir inzwischen. Was viele nicht wissen, ist, dass auch zahllose Unternehmen ein System der Intransparenz erschaffen haben, in dem sie uns permanent überwachen und vermessen. Der Zugriff geschieht unbemerkt, dabei findet er nicht einmal im Geheimen statt. Er wird nur perfekt getarnt. Für den Einzelnen spielt er sich im Verborgenen ab. Ein einfaches Beispiel ist das aktuelle Urteil des Bundesgerichtshofs zur Schufa, der Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung. Das Gericht hat entschieden, dass die Algorithmen, die die Kreditwürdigkeit festlegen und unser Schicksal massiv in eine negative Richtung lenken können, ein »Geschäftsgeheimnis« sind.[3]

 

»Die Überwachung ist subtil und verdeckt, sie ist eingebettet in Dinge, auf die wir tagein, tagaus angewiesen sind.«[4] Ausgeschlossen, ihr zu entkommen. Unablässig werden Daten von uns allen erhoben, gespeichert, verknüpft, bewertet und verkauft: In welchem Viertel wir wohnen, wie viel wir verdienen, ob wir Schulden haben, wohin wir reisen, ob wir an einem Burn-out leiden oder an einer Blasenschwäche, welches Auto wir fahren, was unsere Konsumgewohnheiten, wer unsere Nachbarn sind, mit wem wir kommunizieren. Das datenzentrierte Modell des Silicon-Valley-Kapitalismus beherrscht unsere Gesellschaft und versucht, jeden Aspekt unseres alltäglichen Lebens in produktives Kapital zu verwandeln.[5]

Unsere Identität setzt sich nicht länger aus unserer Vergangenheit, unseren Erfahrungen und vielleicht noch aus unserer Rentenversicherungsnummer zusammen. Nein, wer wir sind, entscheiden hochkomplexe Algorithmen, die sich durch Gespräche nicht mehr überzeugen lassen. Und die leistungsfähigen Maschinen erschaffen nicht nur unser digitales Abbild, unser zweites Ich, sie gehen, das ist das Bedrohliche an ihnen, noch viel weiter: Sie treffen Vorhersagen über unsere Zukunft.

Gehen Sie davon aus, dass sehr viele Menschen sehr viele brennende Fragen an Sie haben, die sie Ihnen niemals offen ins Gesicht sagen würden. Schließlich will Sie niemand schockieren. Diese Fragen lauten zum Beispiel: Werden Sie ein guter Arbeitnehmer sein? Sind Sie derzeit ein guter Arbeitnehmer? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Ihr Auto zu Schrott fahren? Ist Ihr Girokonto häufig überzogen? Sind Sie gesund? Werden Sie bei der Abzahlung Ihrer Hypotheken in Rückstand geraten? Neigen Sie dazu, Ware, die Sie im Internet bestellen, wieder zurückzuschicken? Werden Sie das Apartment runterwohnen oder ausziehen, obwohl Sie mehrere Mieten nicht beglichen haben? Sind Sie psychisch krank? Kurz: Wie viel sind Sie auf dem Markt wert?[6]

An den massenhaften Informationsbausteinen, die Datenhändler wie die Deutsche Post, das Einwohnermeldeamt, Versicherungen, der Arzt unseres Vertrauens, Apotheken und die Firma mit dem unscheinbaren Namen Schober über unser Leben erbeuten und skrupellos weiterverkaufen, verdient die Branche Milliarden. Das Geschäft mit unseren Daten und ergo mit unserem Schicksal boomt. Es ist einer der profitabelsten Wachstumsmärkte des 21. Jahrhunderts. Den Preis dafür bezahlen am Ende wir, doch wie hoch er tatsächlich ist, kann heute noch niemand absehen.

Selbst wer sich keinen Deut um seine Privatsphäre schert, wem es vollkommen egal ist, dass er in unserer totalvernetzten Welt unablässig beobachtet, analysiert und in sozioökonomische Raster eingeordnet wird, muss spätestens dann hellhörig werden, wenn die Angriffsfläche sein Körper ist. Niemand zuckt mehr desinteressiert mit den Schultern, wenn seine intimsten Daten, seine Erektions- oder Blasenschwäche, seine manische Depression, sein Lungenkrebs als Ware gelabelt, bewertet und verkauft werden.

 

Dass den Datenjägern kein einziger Schritt verborgen bleibt, ist wortwörtlich zu verstehen, schließlich werden wir jederzeit und überall geortet, selbst bei ganz gewöhnlichen Ausflügen – dank Navigationsgeräten und Smartphones, die ständig mit dem Internet verbunden sein müssen, damit sie uns etwas nützen. Falls Sie jetzt einwenden, dass Sie weder Handy noch Smartphone oder einen Computer besitzen, seien Sie gewiss, auch das rettet Sie nicht. Auch Sie bewegen sich auf gefährlichem Terrain, auch Sie hinterlassen Spuren: bei Ihrer Arbeit, beim Arzt, bei der Krankenkasse, beim Finanzamt, bei Ihrer Bank, beim Einkaufen, Autofahren, Reisen oder Ausfüllen eines Gewinnspiels. Und diese Spuren des Alltags sind nur die evidentesten Beispiele. Sie verwischen nie.

Kameras, die in Einkaufspassagen bisher Diebstähle aufklärten, analysieren neuerdings Kleider und Schmuck ihrer Kunden und informieren die Ladenbesitzer über deren sozioökonomischen Status. Spielekonsolen zählen, wie viele Kinder vor dem Bildschirm sitzen, und erkennen, ob sie Spaß haben. E-Book-Reader zählen, welche Stellen häufig gelesen, welche überblättert werden und wo sich die Pupillen weiten. Wer glaubt, es handele sich hier um Nebensächlichkeiten, täuscht sich gewaltig. In der Ära des Informationskapitalismus existieren keine Nebensächlichkeiten. Für Statistikprogramme sind potenziell alle Informationen wichtig, und weil das Speichern von riesigen Datenmengen spottbillig geworden ist, wird auch alles gespeichert. Jede Information lässt sich zu Geld machen.

Nach und nach ist auf diese Weise ein Paralleluniversum entstanden, in dem eine kühl kalkulierende Maschinerie unser Schicksal anhand unserer Daten permanent neu verhandelt. Ihre schiere Datenverarbeitungskapazität sprengt jedes bisher gekannte Maß. Ihr Gedächtnis ist...

Erscheint lt. Verlag 18.8.2014
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Adresshandel • Apple • Backgroundcheck • Bertelsmann-Stiftung • Big Data • Datenhandel • Datenhändler • Datenschutz • Datenschutz Deutschland • Datensicherheit • DSGVO • Google • Handy • Identität • Internet • Konsum Daten • Konsumentenverhalten • Kredit • Manipulation • Microsoft • Onlinetracking • Persönlichkeit • Post • Privatsphäre • Ratgeber Datenschutz • Schulden • Überwachung • Verbraucherdaten • Verbraucherschutz
ISBN-10 3-426-42655-2 / 3426426552
ISBN-13 978-3-426-42655-5 / 9783426426555
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