Wenn Frauen Verbrecher lieben (eBook)
240 Seiten
Links, Ch (Verlag)
9783862842728 (ISBN)
Wer sind die Frauen, die sich in solche Männer verlieben? Was treibt sie dazu? Und wie leben sie die Beziehung mit dem Traummann hinter Gittern?
Anhand von authentischen, hochdramatischen und tragischen Schicksalen geht Elisabeth Pfister diesem weithin unerforschten Phänomen nach. Einfühlsam erzählt sie von den dunklen Seiten dieser Frauen, von bewussten und unbewussten Motiven und der späteren Realität außerhalb der Gefängnismauern.
Elisabeth Pfister, Jahrgang 1952, lebt als Fernsehjournalistin in Frankfurt am Main und in Bonn.
Elisabeth Pfister: Jahrgang 1952, Studium der Anglistik, Germanistik und Politik; freie Fernsehjournalistin für ARD und ARTE, viele Jahre festangestellte ARTE-Redakteurin, Betreuerin zahlreicher Fernseh-Dokumentationen; lebt als freie Journalistin und Autorin in Frankfurt am Main. Hörspiel- und Buchveröffentlichungen, darunter "Unternehmen Romeo. Die Liebeskommandos der Stasi", Berlin 1999.
Wie alles anfängt
Er sucht Sie und Sie sucht Ihn
Liebesgeschichten, die im Gefängnis spielen. Wie beginnen sie? Wie trifft eine Frau, die in Freiheit lebt, einen Mann, der ein Räuber, ein Totschläger, ein Mörder oder ein Kinderschänder ist, oft seit Jahren in einem Hochsicherheitsgefängnis sitzt und der dort noch lange bleiben wird?
Zufallsbegegnungen sind naturgemäß ausgeschlossen. Es sei denn, eine Frau besucht einen inhaftierten Freund, ihren Bruder oder Vater und verliebt sich dabei in einen Mitgefangenen. Das kommt vor, ist aber eher selten.
Wie findet man dann einen solchen Mann? Oder wie finden Gefangene eine interessierte Frau? Der Zugang zum Internet ist Häftlingen verboten, der Besitz von Handys ebenfalls. Festnetz-Telefonate, die zeitlich eng begrenzt sind, dürfen die Inhaftierten nur mit zuvor überprüften, genehmigten Anschlüssen führen.
In den meisten Fällen beginnt die Geschichte des späteren Liebespaares mit einer Anzeige unter der eher altmodischen Rubrik »Brieffreundschaften«. Da liest man dann zum Beispiel: »Einsamer Er (50), zur Zeit in Haft, sucht liebevolle Sie, die es ehrlich meint. Alter unwichtig«. Die Briefantwort geht dann via Chiffre direkt ins Gefängnis.
Aber das größte Kontaktangebot dieser Art findet sich im Internet.
Da gibt es einmal soziale und karitative Organisationen, die sich im Bereich der Straffälligenhilfe engagieren. Sie bieten auch Briefkontakte zu Gefangenen an. Bei manchen dieser Organisationen kann man sich den Gefangenen nicht aussuchen, sondern man übermittelt der Interessentin – denn es sind vorwiegend Frauen, die hier aktiv sind – einen Namen und eine Gefängnisanschrift. Die Schreiberinnen lassen sich dann von ihrem Briefpartner überraschen. In den meisten Fällen bleibt es bei einem Briefkontakt oder zumindest bei einer rein freundschaftlichen Begegnung. Aber es kommt auf diesem Wege eben auch zu Liebesbeziehungen.
Kontakte finden sich außerdem in Gefängniszeitungen, die ins Internet gestellt werden. Die Knastzeitung Lichtblick zum Beispiel, in der man zahlreiche Inserate unter der Rubrik »Er sucht Sie« findet, viele davon mit einem Foto versehen.
Das umfangreichste Angebot bietet die Website www.jailmail.de. Hier findet man gut 370 Anzeigen von inhaftierten Männern, die Kontakt zu einer Frau suchen. Fast alle sind mit einem Foto versehen. Das Angebot ist nach den Geburtsjahrgängen der Männer geordnet und bietet eine Auswahl von Inhaftierten im Alter von 20 bis 69.
Sie präsentieren sich lächelnd, cool, grimmig in die Kamera blickend, andere zeigen ihre Tattoos, einer posiert gar mit muskulösem, nacktem Oberkörper. Sie sehen aus wie andere Männer auch, und doch versucht man unwillkürlich zu ergründen, was sich hinter ihren Mienen verbirgt.
Die meisten Männer, die eine Brieffreundin oder Partnerin suchen, sind langjährige Sträflinge. Denn wer nur ein oder zwei Jahre im Gefängnis sitzt, hat meist noch Außenbeziehungen, eine Frau, Freundin oder Freunde, und ist daher weniger auf Kontakte dieser Art angewiesen. Darum stammen diese Anzeigen eher von Männern, die schwere Straftaten begangen haben, deren Familien und Freunde sich oft von ihnen losgesagt haben. Und die manchmal jahrelang ohne einen einzigen Besuch im Gefängnis leben müssen.
Sie sind darauf angewiesen, dass ihr Bild, ihr Text eine Frau anspricht – und dass die Art der Kommunikation, nämlich das Briefeschreiben, ihr zusagt.
Verblüffend ist, dass ein scheinbar längst ausgestorbener Begriff hinter Mauern überlebt hat: Federkrieg. Viele benutzen ihn in ihren Anzeigen. »Wollen wir einen lustigen Federkrieg führen?« heißt es zum Beispiel. »Suche einen Federkrieg per Retro-Post«, schreibt der 39-jährige Uwe in seiner jailmail- Anzeige. Die tot geglaubte Briefkultur, handgeschrieben und per Post, hat ausgerechnet in dieser Nische überlebt.
Eine solche Korrespondenz ist für viele der Männer die einzige Möglichkeit, ein bisschen Frischluftzufuhr von draußen zu bekommen, die Langeweile der sich hinziehenden Tage und Nächte zu unterbrechen und überhaupt noch Kontakt zur Außenwelt zu haben. Vielleicht wird der Briefwechsel zu einem Besuch führen, vielleicht auch zur finanziellen Unterstützung bei Anwaltskosten – vielleicht aber entsteht daraus sogar eine Beziehung, in der eine Frau dann aus Liebe alles für diesen Mann tun wird.
In keiner der Anzeigen ist die Rede vom Delikt des betreffenden Mannes. Dafür werden die eigenen guten Eigenschaften ausführlich dargelegt – oder vielleicht auch nur die Vorstellungen der Männer, was Frauen sich von ihnen wünschen könnten:
Horst – Geburtsjahr 1956
Hier kommt mein Herzenswunsch! Ich suche eine liebe Frau im Alter von ca. 35 – 50 Jahren für den ganz normalen Wahnsinn einer echten Brieffreundschaft. Bin eine rheinische Frohnatur, 185 cm groß, schlanke sportliche 82 kg schwer und von Beruf Drucker. Meine Hobbys sind u. a. Reiten, Schwimmen, Tanzen, Zeichnen, Kochen und Backen. Trotz meiner Inhaftierung bin ich ein ehrlicher Mensch, liebevoll, einfühlsam und romantisch veranlagt. Und nun wäre es toll, wenn Du mir schnell schreibst, damit ich dir sofort antworten kann.
Wie Horst beschreiben alle zunächst ihr Äußeres: Alter, Größe, Gewicht, oft auch Haar- und Augenfarbe. Bei der Aufzählung ihrer Hobbies fällt auf, dass viele Inserenten ausgerechnet »Kochen und Backen« nennen, außerdem Tanzen, Zeichnen oder Malen. Sie heben ihre häuslichen oder musischen Interessen hervor, erwähnen, dass sie Gedichte schreiben – alles Dinge, die viele Frauen bei ihren bisherigen Partnern vielleicht vermisst haben. Hier aber scheinen sie zu den Hauptinteressen inhaftierter Männer zu gehören.
Die charakterliche Selbstbeschreibung nimmt in den Anzeigen großen Raum ein. Die Inserenten bezeichnen sich fast durchweg als »ehrlich«, »liebevoll«, »einfühlsam« und vor allem »romantisch«. Sprechen von ihrem »Herzenswunsch« nach einer »lieben« Frau. Das sind eigentlich eher weibliche Attribute, ebenso wie die Fähigkeit, »ein guter Zuhörer« zu sein. »Treue ist meine Stärke, ebenso Aufrichtigkeit«, schreibt Dieter, ein 50-jähriger Mann. Auffällig viele von ihnen bezeichnen sich als »tier- und kinderlieb«, schreiben von ihren Hunden oder Katzen.
Heinz, 69 Jahre alt, sucht »Romantik, Gemütlichkeit und Geborgenheit«. Überhaupt spielt Romantik eine wesentliche Rolle in diesen Texten, viele schreiben von ihrer Sehnsucht nach einer »romantischen Frau«.
In den meisten Fällen geht es natürlich um mehr als um eine Brieffreundschaft. Die Texte spiegeln, oft nur leicht verbrämt, den Wunsch nach einem Liebesverhältnis. »Prinz im Kerker sucht seine Briefprinzessin, die ihn aus seiner Einsamkeit befreit«, schreibt der 39-jährige Häftling Daniel. Kontrastiert wird all dies durch Hinweise, dass es sich bei dem freundschaftssuchenden Häftling keineswegs um ein »Weichei« handelt, sondern um einen äußerlich ausgesprochen maskulinen, muskelbepackten Mann, der intensiv Kraftsport betreibt – übrigens eine der wenigen Sportarten, die Häftlingen zugänglich ist und die ihre Männlichkeit, die ihnen in der Haft oft verloren zu gehen droht, kompensieren soll. Der 28-jährige Fred bietet in seiner Anzeige »einen sportlichen Körper und eine feste Schulter zum Anlehnen«.
Die Anzeigen versprechen einer Frau nichts weniger als den Himmel auf Erden. Darin unterscheiden sich diese Inserate allerdings keineswegs von denen in der »freien Welt«.
Der 41 Jahre alte »Kuschelbär« Klaus etwa schreibt: »Ich bin offen für dich, deine Gedanken, deine Sehnsüchte sowie deine Geheimnisse und Träume. Lass mich teilhaben an deiner Welt, schau hin und spür, welch ein netter Gewinn ich für dich bin. Lass mich dich mit meinen Worten einfangen und verzaubern.«
Und Manfred, 41: »Wünsche es dir einfach. Wunder geschehen jeden Tag, warum nicht bei uns?«
Das Äußere der gesuchten Frau, Alter, Figur, Haarfarbe und so weiter, wird in diesen Inseraten erstaunlicherweise so gut wie nie benannt, im Gegensatz zu »normalen« Bekanntschaftsanzeigen, in denen Männer oft sehr dezidierte Wünsche diesbezüglich äußern. Hier hingegen stehen die »inneren Werte« einer Frau im Vordergrund. Bei Männern über 35 wird meist nicht einmal das Wunschalter der Frau angegeben. Da heißt es zum Beispiel: »Suche interessante und liebevolle Frau zwischen 25 und 99 Jahren.« Oder: »Suche Frau mit Herz und Verstand. Alles andere ist nebensächlich.« »Ehrlich soll sie sein«, »ein Herz haben«. »Wie alt du bist, welcher Nationalität du angehörst und wie du aussiehst, ist mir völlig egal«, schreibt der 44-jährige Michael. Wo sonst findet eine Frau, die vielleicht nicht mehr jung ist, oft eine oder mehrere enttäuschende Partnerschaften hinter sich hat, so viel Akzeptanz und Interesse eines Mittvierzigers? »Ich akzeptiere dich genau so, wie du bist«, schreibt ein anderer. Was für ein verlockendes Versprechen.
Wie es scheint, sind es vor allem die nicht mehr ganz jungen Frauen, für die es »draußen« schwer ist, einen Partner zu finden, die sich von diesen Anzeigen angezogen und fasziniert fühlen. Kann ein Mann, der mit so viel Emotion, mit so viel Sehnsucht schreibt, schlecht sein? Einer, der in seiner Anzeige von Ehrlichkeit und...
| Erscheint lt. Verlag | 17.12.2013 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Lebenswelten & Lebenshilfe |
| Verlagsort | Berlin |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Lebenshilfe / Lebensführung |
| Schlagworte | Dieter Degowski • Dieter Zurwehme • Frank Schmökel • Geiselnehmer von Gladbeck • Gisela Bartsch • Hans-Jürgen Rösner • Heidemörder • Jack Unterweger • JVA • Liebeszelle • Mörder von Remagen • Opfer-Täter-Beziehung • Prostituiertenmörder • Serienvergewaltiger • Stockholm-Syndrom • Thomas Holst |
| ISBN-13 | 9783862842728 / 9783862842728 |
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