Oxford
Vom Carfax Tower streift der Blick über die ehrwürdigen Colleges, deren Geschichte bis ins 12. Jh. zurückreicht. Geradezu majestätisch überragen die Türme der Kapellen die zahlreichen Kuppeln und Zinnen der übrigen Wohnhäuser. Und in den Straßen wimmelt es von Studenten, die auf ihren Fahrrädern die verschiedenen Hochschulen ansteuern.
City of dreaming spires - Stadt der verträumten Turmspitzen
Auf den Flüssen Cherwell und Themse (in Oxford Isis genannt, nach dem lateinischen Namen Tamesis) gleiten Stechkähne und durch die Gassen weht ein Hauch von Romantik und Vergeistigung. Alles in allem eine Atmosphäre, die den Besucher in längst vergangene Zeiten eintauchen lässt. Auch der irische Nobelpreisträger William Butler Yeats war von diesem historischen Zauber wie gefangen und schwärmte: „Ich frage mich, ob irgendwer irgendetwas anderes in Oxford tut als zu träumen, denn dieser Ort ist so wunderschön. Man rechnet fast damit, dass die Menschen hier singen anstatt zu sprechen. Alles hier ist wie eine Oper.“
Heinrich II. war maßgeblich für die Entstehung dieser wissenschaftlichen Hochburg verantwortlich, die heute zu einer der ältesten und berühmtesten Universitätsstädte in Europa zählt und in deren Debating Society (Debatierklub der Studentengewerkschaft) noch immer die hellsten Köpfe der Welt zum Wortgefecht in den Ring steigen. Heinrichs Erlass, der Engländern verbot, im fernen Paris zu studieren, schuf die Voraussetzung für die Errichtung der ersten Colleges. University College und Balliol College nahmen im 13. Jh. ihren Lehrbetrieb auf. Die Studenten wohnten zu dieser Zeit in Wirtshäuern oder bildeten Wohngemeinschaften. Das Verhältnis zwischen Studenten und Einheimischen wurde immer wieder durch vehemente Zusammenstöße getrübt - so soll es auf der High Street zwischen St Martin’s und St Mary’s Church keinen Quadratmeter gegeben haben, der nicht irgendwann einmal mit Blut befleckt war. Höhepunkt war 1355 der Scholastica’s Day, ein Massaker an mehr als 60 Studenten. Daraufhin machten die Universitäten (1410) mit Unterstützung von Krone und Kirche das Wohnen in Sammelunterkünften (halls of residence) zur Pflicht. Noch immer wohnen die Studenten wenigstens in ihrem ersten Studienjahr in den Halls, wo sie normalerweise über ein Einzelzimmer verfügen.
Heute bietet sich dem Betrachter ein weitaus friedlicheres Bild. In der einst so umkämpften High Street, kurz The High genannt, reihen sich die Fassaden von sechs Colleges, mehreren Kirchen und Fachwerkhäusern in buntem Mix aneinander, ein malerisches Ensemble, das auch William Turner auf die Leinwand bannte. Am erstaunlichsten ist, dass diese altehrwürdigen Colleges auch im 21. Jh. mit ihren Great Halls (heute meist Speisesäle), Quads (Innenhöfe) und Türmen derselben Berufung nachgehen wie eh und je. Merton College das älteste, New College von seiner Architektur und Anlage her vielleicht das authentischste und Magdalen College gilt als das schönste. Das Christ Church College mit der Oxford Cathedral liegt in einer großen Parkanlage Christ Church Meadow. 13 Premierminister waren Absolventen dieser größten und bekanntesten Hochschule der Stadt! Insgesamt besuchten 27 Premierminister des Landes die hiesige Universität, vom Earl of Wilmington 1742 bis zu Boris Johnson (zur Zeit der Recherche Premierminister), der am Balliol College 1987 sein Degree in klassischer Literatur und Philosophie machte. Alumni aus Oxford erkämpften sich seit der Gründung 160 olympische Medaillen und 52 Nobelpreise, viele fanden auch einen festen Platz in den Geschichtsbüchern: Sir Walter Raleigh, Sir Christopher Wren, Thomas Edward Lawrence (bekannt als Lawrence von Arabien), Oscar Wilde und Eduard VIII., um nur einige zu nennen. Stadtführungen, die das Tourist Office veranstaltet, geleiten die Touristen zu den wichtigsten Colleges und sorgen für das nötige Hintergrundwissen.
Nicht alles hier ist altehrwürdig, so ist etwa der „Bezirk“ rund um die Ruine der normannischen Burg recht neu. Der Castle District lädt mit Open-Air-Veranstaltungen, Restaurants, Cafés und Bars sowie dem Hotel Malmaison im alten Stadtgefängnis zum Flanieren ein. Der etwas alternative Stadtteil Jericho wird vor allem abends lebendig. Hier entstand mit dem Radcliffe Observatory Quarter ein neuer Campus.
Oxford zählt 158.000 Einwohner, von denen 24.000 Studenten der Universität sind, 43 % davon aus dem Ausland, und weitere 30.000 für die Uni arbeiten. Wie in Cambridge („the other place“) gibt es auch hier kaum ein Haus im Stadtzentrum, das nicht der ehrenwerten Lehranstalt gehört. In den 1870er-Jahren wurden erstmals auch weibliche Studenten zugelassen, die jedoch erst ab 1920 einen Abschluss (degree) erwerben durften. Inzwischen sind etwa die Hälfte der Studenten weiblich, auf den Professorenstühlen allerdings sitzen nur zu einem knappen Drittel Frauen. Oxford ist überwiegend männlich und von weißer Hautfarbe, nur 2 % der Studenten und ein Professor sind dunkelhäutig. Attraktiv ist Oxford natürlich auch für Sprachenschüler, gilt doch das Oxford-Englisch als das reinste Englisch, das Englisch der Gebildeten eben. Ein Grund vielleicht, weshalb die Stadt bei vielen Engländern noch immer mit Begriffen wie „Klassengesellschaft“ und „Snobbery“ verbunden wird und so viele ausländische Studenten anzieht. Aus Deutschland etwa bekamen hier Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker, Ex-FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher, der Philosoph Theodor Adorno und der Theaterregisseur Peter Zadek den intellektuellen Schliff.
Die Randolph Sculpture Gallery im Ashmolean Museum
Etwas außerhalb des Stadtkerns, in Cowley, hat die Autoindustrie ihren Sitz. William Morris, später zum Lord Nuffield geadelt, eröffnete hier 1902 einen Fahrradladen, wo er Experimente mit Motorrädern durchführte. Zehn Jahre später produzierte er sein erstes Auto, den Morris Oxford (engl. Spitzname: Bullnose), das ein durchschlagender Erfolg wurde. Wieder zehn Jahre später kamen bereits 41 % aller in England produzierten Autos aus dieser Werkstatt. Noch zu seinen Lebzeiten spendete der mittlerweile reiche Lord 30 Mio. Pfund an die Universität und verschiedene Krankenhäuser. Die Ikone aller englischen Autos, der Mini, wird bis heute hier gebaut. Von der Autoproduktion ist im historischen Stadtzentrum allerdings nichts zu sehen und im Sommer von den Studenten auch nicht. Dann gehört die Stadt ihren Besuchern und deshalb ein Tipp: Wer nach Oxford reist, sollte sich rechtzeitig um eine Unterkunft bemühen. Extrem hohe Besucherzahlen während der Sommermonate können bei der Zimmersuche zum Problem werden.
Museen und Denkmäler
Ashmolean Museum: Ein Tag im Ashmolean Museum und Sie bereisen 8000 Jahre Zivilisationsgeschichte. Das 1683 gegründete Museum ist das älteste in England. Elias Ashmole, Anwalt und Alchimist, hatte zwei Gartenbauer deren naturhistorische und ethnologische Kunstobjekte katalogisieren lassen und sie dabei überredet, ihm die Sammlung zu vererben. Nach dem mysteriösen Tod der Witwe eines der Gartenbauer im Ententeich konnte er 1659 sein Erbe antreten, das er schnell erweiterte und 1677 der Universität Oxford vermachte. Die Kunst- und archäologischen Sammlungen sind in dem riesigen klassizistischen Gebäude auf fünf Etagen untergebracht; ihre Besichtigung würde Tage in Anspruch nehmen. Man betritt das Museum durch sein imposantes Portal und gelangt in ein lichtes, von Treppen gesäumtes Atrium. Der spektakuläre Erweiterungsbau von 2009 schmiegt sich nahtlos an das alte Gebäude von 1845 an, verglaste Flure und Durchgänge verschaffen faszinierende Perspektiven. Es gibt 39 Abteilungen für Dauer- sowie vier Abteilungen für Wechselausstellungen.
Crossing Cultures, Crossing Time heißt das Konzept, bei dem der Besucher auf eine Zeitreise durch Ideen- und Gedankenwelten verschiedener Zivilisationen und Kontinente geschickt wird und die Objekte von der Antike (Erdgeschoss) bis zur Gegenwart (3. Stock) nicht isoliert präsentiert, sondern als Teil einer Weltkultur. Die sehenswerten Artefakte reichen von der größten Sammlung von vordynastischen Kunstschätzen aus Ägypten außerhalb Kairos mit einigen sehr gut erhaltenen Mumien und Sarkophagen über die weltweit umfangreichste Sammlung von Zeichnungen Raffaels bis zu moderner Kunst. Islamische und fernöstliche Kunst und Kultur sind gut repräsentiert, auch britische Funde und Kuriositäten zählen zu den Schätzen, etwa eine Laterne von Guy Fawkes (also dem Mann, der das Parlament samt König in die Luft sprengen wollte) und die Totenmaske von Oliver Cromwell. Die Kunstausstellung setzt ihre Schwerpunkte auf italienische, französische und britische Künstler....