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Ein Bauch lustwandelt durch Wien (eBook)

eBook Download: EPUB
2019 | 2. Auflage
384 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2203-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein Bauch lustwandelt durch Wien -  Vincent Klink
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Vincent Klink liebt Wien und die Wiener. Gemeinsam mit seiner Frau hat er die österreichische Hauptstadt erkundet. Voller Leidenschaft schreibt er über die österreichische Küche, über Wiens Geschichte und Kultur - und über die vielen schönen Kaffeehäuser, Hotels und Restaurants. Die Wiener reden langsamer, gehen langsamer und essen langsamer als die hektischen deutschen Piefkes. Was nichts anderes bedeutet als: Sie genießen. Deshalb fühlt sich der Stuttgarter Sterne-Koch Vincent Klink in Wien so wohl. Er schätzt das Verweilen in den Kaffeehäusern, könnte - wie Kaiser Franz Josef - jeden Tag Tafelspitz essen und dazu ein Ottakringer trinken. Er lustwandelt durch die Prachtstraßen, besucht die früheren Residenzen der Habsburger und übernachtet im Hotel Sacher. Ein Reise- und Kulturführer der besonderen Art mit vielen Anekdoten und ausgewählten Rezepten.

Vincent Klink, Jahrgang 1949, führt in Stuttgart das Sterne-Restaurant Wielandshöhe. Bekannt wurde er einem größeren Publikum durch die Fernsehsendungen »ARD Buffet« und »Kochkunst« (seit 1997). Er ist Autor zahlreicher Bestseller u.a. von Sitting Küchenbull (2009) und Ein Bauch spaziert durch Paris (2015).

Vincent Klink, Jahrgang 1949, führt in Stuttgart das Sterne-Restaurant Wielandshöhe. Bekannt wurde er einem größeren Publikum durch die Fernsehsendungen "ARD Buffet" und "Kochkunst" (seit 1997). Er ist Autor zahlreicher Bestseller u.a. von Sitting Küchenbull (2009) und Ein Bauch spaziert durch Paris (2015).

Auf nach Wien!

Der echte Wiener ist ein vollkommener Patriot, vor allem aber ist der Wiener auf den Wiener besonders stolz, und die edelste aller Sprachen dieser Welt ist der Wiener Dialekt, das soll zumindest André Heller gesagt haben, und der muss es ja wissen.

Die Einwohner anderer österreichischer Bundesländer sind vorwiegend ganz und gar nicht dieser Meinung. Viele Österreicher sind sich aber den deutschen Piefkes gegenüber einig, dass man mit dieser Ethnie, zumindest nördlich des Mains, nicht verwechselt werden möchte. Die Unterschiede sind auch eklatant. Das Erscheinungsbild Wiens ist von einer barocken Opulenz und die Lebensweise entsprechend. Als Institution, als unabdingbarer Platz zum Leben, gilt dem Wiener das Kaffeehaus.

In Deutschland gleicht die Bezeichnung »Lebemann« fast einem Schimpfwort, in Wien bezeichnet sie den Normalfall, das Gegenteil wäre nämlich der »Todmensch«. Es ist eine radikale Stadt, Vororthässlichkeit der extremen Art, dann aber mehrheitlich wieder verführerische Biotope mit Prachtstraßen, Prachtbauten, alles voll von Ornamenten und Üppigkeit bis hin zum Schwulst. Auch gedieh trotz – oder gerade wegen – der kaiserlichen Schwergängigkeit und Verweigerung in Sachen Fortschritt die künstlerische Sezession, die sogenannte Wiener Moderne, die sich wandelnd bis in die heutige Zeit blüht.

Vincent Klink im Stadtgarten

Die habsburgische Geschichte ist überall spürbar, nicht nur, was Taten und Bauwerke der Monarchie angeht, auch der einzelne Bürger ist davon tief geprägt, egal, ob er sich als glühender Anhänger zu erkennen gibt oder in heftiger Opposition zu allem Monarchischen steht.

Die Wiener gelten von ferne betrachtet als träge, und sie lieben gedehnte Gemütlichkeit. Letztlich ist dies aber eine Art von Heimtücke, denn in Wahrheit sind sie nachdenklich, meiden Turbulenzen und erzielen mit ihrem Ritardando oft bessere Ergebnisse als wir deutschen Hektiker. In diesem Sinne sind sie äußerst effizient. Im Gegensatz zu Deutschland, wo ständig über die nächsten Urlaubsziele geredet wird, macht der Wiener jeden Tag ein bisschen Urlaub. Dazu dienen in erster Linie Musik und Theater. Das tägliche Konzertangebot ist kaum überblickbar. Alle Konzertsäle sind proppenvoll und die Theater ebenso. Theater findet überall statt, auf unzähligen kleinen und großen Bühnen und erst recht auf der Straße. Fast jeder Wiener ist ein begabter Mime. Vertieft man sich etwas in die Politik des Landes, so glaubt man sich ebenso in ein Theaterstück versetzt. Es ist hinlänglich bekannt, dass so ziemlich die besten Schauspieler der Welt irgendwann auch mal am Wiener Burgtheater engagiert waren oder es noch sind, und mit den Politikern ist es nicht viel anders.

In Wien wird die Wirklichkeit gerne durch ein Gerücht ersetzt. Gerüchte werden bevorzugt als Gipfel der Erkenntnis gewertet, und man misstraut der klaren Eingebung. Das Volksempfinden biegt sich die Wirklichkeit in eine heimelige, angenehme Spur. Die harten Fakten werden erst mal beiseitegeschoben, um der Überprüfung zu harren, die meist nie stattfindet. Das mag für manchen irritierend sein und eine vibrierende Beklommenheit verursachen, für den südlich geprägten Menschen wie mich ist es ein Annäherungsversuch ans Paradies.

Das Wesen des Landes und der Stadt beäuge ich übrigens total subjektiv und finde es gut so, denn es entspricht auch dem Lebensgefühl der Wiener, sich der Objektivität möglichst nicht allzu weit zu nähern. Die Effektivität, die Modernität und das Zukunftsweisende dieser nur vermeintlich altmodischen Metropole sind unbestritten, werden aber öffentlich und vor allem im Ausland weniger wahrgenommen.

Der doppelköpfige habsburgische Adler hat seit Langem ausgedient, man könnte meinen, der römische Gott Janus habe seinen Platz eingenommen. Janus, der mit einem Gesicht nach vorne und mit dem anderen nach hinten schaut, das könnte der Schutzpatron der Stadt sein. Auf der einen Seite köcheln modernste Kunst und Weltanschauung, andererseits stimmt es auch, dass der Wiener dauernd im Kaffeehaus sitzt, sich der Melancholie, aber auch der Freude hingibt. Diese zahllosen Kaffeehäuser sind nicht zu verwechseln mit unseren Konditoreien, die möglichst billige Torten offerieren und Omas Kaffeekränzchen einen beheizten Raum bieten. Die Kaffeehäuser in Wien sind wirkliche Heimat, meist mehr als die eigene Wohnung. Die Wiener Literatur, man kann sie getrost zur Weltliteratur zählen, wäre ohne die manchmal stehende Luft des Kaffeehauses in dieser Art nicht möglich gewesen.

Auch trifft man sich gerne im Biergarten – wenn dort kein Bier ausgeschenkt wird, nennt sich das »Gastgarten« – oder man zieht in den grüneren Bezirk wie Grinzing oder Nussdorf unter den Kahlenberg, um in den Weinbergen den Heurigen zu genießen. Heuriger, so nennt sich der junge, leichte Wein, der Gespräche belebt und so gesund ist, dass man ihn eigentlich auf Rezept bekommen sollte. Sich mit der Familie, mit Freunden beim Heurigen zu treffen, beflügelt nach Auskunft vieler Wienerlieder die Vernunft.

Im Café Hawelka

Das Laissez-faire wohnt auf angenehmste Weise diesem Volk inne. Man fragt sich, wo nehmen die Wiener ihre ganze Zeit her, um sich außerhalb der Arbeit und der Wohnung ebenso behaust zu fühlen. Ich kann darauf keine Antwort geben, höchstens mich als Beispiel dafür anführen, dass Faulenzer durch sporadisch aufkeimendes schlechtes Gewissen ungeheure Leistungsfähigkeit zeigen können. Deshalb funktioniert in Wien alles mindestens so gut wie in den leistungsoptimierten Landstrichen dieser Welt. Kürzlich las ich, dass Wien die am wenigsten amerikanisierte Stadt der Welt sei. Ist sie genau deshalb, nach internationalem Ranking, die lebenswerteste Stadt der Welt? Oder liegt es daran, dass die meisten ihrer Bewohner so unterschiedliche Wurzeln haben, was eine besondere Melange ergibt?

Keine Stadt hat je eine solche Zuwanderung erlebt wie Wien. In dem Maße, wie die Grenzen des habsburgischen Reiches immer mehr zur Hauptstadt hin zurückgenommen werden mussten, wurden unzählige Menschen heimatlos und suchten sich eine neue in der Hauptstadt. In hohem Maße war das so nach dem Verlust der ungarischen Monarchie, den Gebietsverlusten in Tschechien, der Slowakei und auf dem restlichen Balkan, nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg. Das war damals so, als würde das heutige Deutschland auf die Größe Württembergs zusammenschrumpfen, und ein Großteil der gesamtdeutschen Bevölkerung würde in Stuttgart siedeln wollen.

Die Wiener selbst verunglimpfen die Landbevölkerung häufig zynisch und verweisen sie herablassend ins Parterre. Reichlich Spott gibt’s gratis, denn wie überall feiern sich die Städter gerne als Genius. Dabei sind die Wiener fast immer nicht nur Städter, sondern eben eine Melange, vulgo Tschuschen. So das hammerharte Urteil des Wiener Dichters H. C. Artmann, als er während einer Lesereise in den Achtzigerjahren einmal mein Restaurant in Schwäbisch Gmünd besuchte: »Tschuschen sans, die Wiener, allesamt!« Es dünkt amüsant, dass mit Tschuschen alles Ungarische, Slawische, Jugoslawische bis hin zum Italienischen, kurzum jeder außerhalb der Hauptstadt, verunglimpft wird. H. C. Artmann, der seine Landsleute mit linksorientierten Gedanken aufs Bissigste eintütete, nannte, wie ich mich erinnere, die Stadt Wien einmal sogar die Metropole der Mongolei. Eine Übertreibung, aber so verkehrt auch wieder nicht.

Die erste große Zuwanderung der besonderen Art fand noch im blühenden Kaiserreich statt. Wer gut kochen konnte, machte sich auf den Weg in die Hauptstadt. Durch gutes Essen wird das Wiener Dasein ohne Schmäh in die Nähe des Paradieses gerückt. Ich habe so meine Theorie: Es gibt zwei traditionelle Hochküchen auf der Welt. Damit meine ich das, was über die Mama-Küche hinausgeht, die beispielsweise Italien und Spanien so angenehm wärmt. Die französische Hochküche, die »Grande Cuisine«, entwickelte sich in der Monarchie, die alle Talente des Reiches anzog.

Am Hofe des österreichischen Kaiser- und Königshofs verhielt es sich wie in Frankreich, allerdings waren die österreichischen Monarchen längst nicht so verfressen wie die französischen. Trotzdem ist für mich die österreichische Küche eine Art Staatsküche. Dem Kaiserhaus ist dies nicht zu verdanken, sondern dem dickbäuchigen Hofstaat und den zugereisten Köchen und Köchinnen aus den Kronländern. Die Wiener Normalbürger selbst trieben und treiben ihre häusliche Kocherei auf möglichst hohes Niveau, und das Qualitätsbewusstsein aller Österreicher gegenüber Lebensmitteln ist beispielhaft und weit höher als in der Bundesrepublik.

Kommen wir nun zu meinem Bauch, meinem fein justierten Kompass durch die Kaffeehäuser, Beisln, Luxusrestaurants und all das Wohlleben, das der Puritaner weltweit für überflüssig hält, weshalb er eine höhere Stufe des Lustgewinns nicht beansprucht. Obliegt die schützende Hand über den Weinbau, beispielsweise in den USA dem Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives (ATF, deutsch: Amt für Alkohol, Tabak, Schusswaffen und Sprengstoffe), so hält sich das »Land an der blauen Donau« ein »Ministerium für ein lebenswertes Österreich«. So benennt sich im Untertitel das Ministerium für Landwirtschaft.

Gefühlt kommt bei einem Spaziergang durch die Stadt alle fünfzig Meter ein Gasthaus. Richtig gut sind längst nicht alle, aber meist sind sie sehr preiswert und selten ganz schlecht. Längst ist nicht alles Nostalgie. Wir haben lieb gewonnene alte Bilder im Kopf und können uns diesen hingeben, aber richtet sich der Blick aufs Moderne, auf Kunst, Lebensart und Architektur, so...

Erscheint lt. Verlag 29.11.2019
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Essen / Trinken
Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Reisen Reiseführer
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Bestsellerautor • Cafés • Essen und Trinken • Habsburger • Hotel Sacher • Kaffeehaus • Kaffeehäuser • Kochen • Kochen, Essen und Trinken • Küche • Meisterkoch • Nationale • nationale, regionale und ethnische Küche • Österreich • österreichische • Österreichische Küche • regionale und ethnische Küche • Reisebericht • Reiseführer Wien • Reiseliteratur • Restaurants • Rezepte • Sozial- und Kulturgeschichte • Stadtführer • Sternekoch • Wien • Wiener • Wiener Küche
ISBN-10 3-8437-2203-X / 384372203X
ISBN-13 978-3-8437-2203-2 / 9783843722032
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