Schweizer Fotorecht (eBook)
152 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-9990-9 (ISBN)
Nicolas Schwarz praktiziert als Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei in Zürich und berät und vertritt Klienten unter anderem auch rund ums Geistige Eigentum. Bevor er 2000 das Anwaltspatent erlangt hat, war er als Gerichtsschreiber an einem zürcherischen Bezirksgericht tätig und studierte in Zürich und Chicago Rechtswissenschaft.
3. Shooting: Personen
Einleitung
Abgebildete Personen verfügen über Persönlichkeitsrechte, was Auswirkungen auf die Erstellung und die Verwendung von Fotografien hat. Besprochen wird zunächst der zivilrechtliche Persönlichkeitsschutz und danach der strafrechtliche Persönlichkeitsschutz.
Zivilrechtlicher Persönlichkeitsschutz
Recht am eigenen Bild
Der Persönlichkeitsschutz ist im ZGB geregelt. Was den Begriff der Persönlichkeit genau beinhaltet, steht nicht im ZGB. Der Gesetzgeber hat es den Gerichten überlassen, den Begriff der geschützten Persönlichkeit zu definieren. Die Gerichte haben den Schutzbereich in Entscheiden genauer umschrieben. Der Persönlichkeitsschutz umfasst nach der Rechtsprechung folgende Bereiche:
- Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit
- Recht auf psychische Integrität
- Recht auf Achtung der Privatsphäre
- Recht auf informationelle Selbstbestimmung
- Recht auf Ehre
- Recht am eigenen Bild
- Recht an der eigenen Stimme
Persönlichkeitsrechte sind sogenannte absolute Rechte. Dies bedeutet, dass diese Rechte gegenüber jedermann geltend gemacht werden können. Es braucht keine bestimmte Rechtsbeziehung zu dieser Person (wie z.B. einen Vertrag). Rechte, welche nur aufgrund einer besonderen Rechtsbeziehung geltend gemacht werden können, werden darum im Gegensatz dazu als „relative Rechte“ bezeichnet.
Alle Menschen haben Persönlichkeitsrechte bzw. geniessen Persönlichkeitsschutz. Nationalität und Alter etc. spielen keine Rolle. Auch Kinder geniessen Persönlichkeitsrechte.
Im Fotorecht geht es natürlich um den Aspekt des Rechts am eignen Bild. Im sogenannten Google Street View Entscheid (BGE 138 II 346) definiert das Bundesgericht das Recht am eigenen Bild folgendermassen:
„Das Recht am eigenen Bild ist das Selbstbestimmungsrecht, das vor widerrechtlicher Verkörperung des eigenen Erscheinungsbildes schützt. Es umfasst zwei inhaltlich verschiedene Rechte: einerseits einen Abwehranspruch gegen gezieltes, auf Identifikation und Ausforschung gerichtetes Erstellen von Fotos und Videoaufzeichnungen, andererseits ein Recht auf Selbstbestimmung des Menschen bezüglich der Veröffentlichung des eigenen Bildes, insbesondere des Porträts, und seiner Verwendung in kommerzieller oder politischer Werbung. Gleichermassen soll das Recht auf Achtung der Privatsphäre verhindern, dass jede private Lebensäusserung, die in der Öffentlichkeit stattfindet, wie zum Beispiel ein Abschiedskuss auf der Strasse oder die Beerdigung eines Menschen der Allgemeinheit bekannt wird. Der Einzelne soll sich nicht dauernd beobachtet fühlen, sondern – in gewissen Grenzen – selber bestimmen dürfen, wer welches Wissen über ihn haben darf bzw. welche personenbezogenen Begebenheiten und Ereignisse des konkreten Lebens einer weiteren Öffentlichkeit verborgen bleiben sollen. Da mit Hilfe elektronischer Datenverarbeitung personenbezogene Informationen in beliebigem Umfang gespeichert, verknüpft und reproduziert werden können, lassen sich auch an sich harmlose Informationen, die ohne Weiteres der Öffentlichkeitssphäre zuzurechnen wären, zu eigentlich schützenswerten Persönlichkeitsprofilen verdichten.“
Damit Rechte aus einer Persönlichkeitsverletzung abgeleitet werden können, müssen immer zwei Voraussetzungen gegeben sein:
1. Es muss eine Persönlichkeitsverletzung vorliegen = Verletzung des Rechts am eigenen Bild.
2. Die Persönlichkeitsverletzung muss auch widerrechtlich sein. Das ist sie dann, wenn kein sogenannter Rechtfertigungsgrund gegeben ist.
Nachfolgend werden diese beiden Voraussetzungen genauer erläutert.
Schritt 1: Persönlichkeitsverletzung
Das Recht am eigenen Bild ist verletzt, wenn eine Person erkennbar und prominent aufgenommen oder das entsprechende Bild publiziert wird. Dies gilt natürlich auch für Fotomontagen. Die nachfolgenden Grundsätze gelten sodann auch für Aufnahmen, welche mit einer an einer Drohne befestigten Kamera angefertigt worden sind.
Fun Fact
In den Anfängen der Fotografie waren die Belichtungszeiten so lang, dass sich bewegende Menschen gar nicht erfasst wurden. Darum wirken Strassenzüge auf alten Bildern immer menschenleer. Berühmt geworden ist in diesem Zusammenhang eine Aufnahme von Louis Daguerre des Boulevard du Temple in Paris (eine der ältesten erhaltenen Fotografien überhaupt), in welcher als Menschen nur ein Schuhputzer und sein Kunde zu sehen sind, welche sich während der Belichtungszeit von vier bis fünf Minuten nicht bewegt hatten.
Wir gehen nun verschiedene Aufnahmesituationen zusammen durch.
Einzelpersonen oder wenige Personen
Wird eine Person oder werden einige wenige Personen bildausfüllend aufgenommen, so ist das Recht am eigenen Bild verletzt. Das gilt natürlich auch, wenn Sie diese Personen gar nicht kennen.
Gruppenfotos
Auch bei Gruppenfotos können die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen tangiert sein, sobald diese auf dem Foto erkennbar bzw. identifizierbar sind. Der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte wiegt dann weniger schwer, wenn keine Einzelperson aus der Gruppe heraustritt und als solche wahrgenommen wird. Inwiefern dies zutrifft, muss jeweils im konkreten Einzelfall beurteilt werden (und nicht aufgrund einer allgemeinen Regel wie z.B. der sogenannten Sechspersonenregel, welche im Internet herumgeistert und gemäss welcher bei sechs oder mehr abgebildeten Personen deren Persönlichkeitsrechte nicht mehr tangiert sein sollen). So kann auch auf einem Foto, auf dem sechs oder mehr Menschen abgebildet sind, eine Person aufgrund der Schärfeverhältnisse, aufgrund ihrer Position im Bild oder aus anderen Gründen so hervortreten, dass das Recht am eigenen Bild verletzt sein kann.
Fotos in der Öffentlichkeit, Street Photography
Wenn Menschen in einer Fotografie eher zufällig – gewissermassen als Beiwerk, z.B. als Passanten – zu sehen sind, dann ist das Recht am eigenen Bild nicht verletzt. Wenn Sie in einer Stadt Bauwerke, Strassen und Plätze etc. fotografieren möchten, müssen diese somit nicht menschenleer sein.
Aber auch diese Regel gilt nicht ohne Ausnahmen. Es ist problematisch, einzelne Personen hervorzuheben. Gerade die Street Photography lebt davon, Strassenszenen so abzubilden, dass niemand bemerkt, dass er oder sie fotografiert wurde. Die Bilder sollen das Leben auf der Strasse ungestellt, wie es sich abspielt, wiedergeben. Wer ein Foto aufnimmt oder veröffentlicht, auf dem eine Person eindeutig zu erkennen ist, braucht aber auch bei der Street-Photography streng genommen eine Zustimmung einer prominent abgebildeten Person als Rechtfertigungsgrund (siehe Schritt 2).
Schritt 2: Kein Rechtfertigungsgrund
§Street Photography: Die Frau im Leopardenmantel
Ein Fotograf hat in Berlin eine Frau fotografiert, die im Leopardenmantel die Strasse überquert. Das Bild wurde in einer Galerie ausgestellt. Die abgebildete Frau sah ihre Persönlichkeitsrechte verletzt und klagte gegen den Fotografen und die Galerie. Das Landgericht Berlin stellte fest, dass die Persönlichkeitsrechte der Frau verletzt wurden. Das danach angerufene Bundesverfassungsgericht in Deutschland trat auf eine Beschwerde, die der Fotograf angestrengt hatte, nicht ein.
Wie bereits erwähnt, ist die Verletzung des Rechts am eigenen Bild nur dann eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung, wenn kein Rechtfertigungsgrund gegeben ist. Die Rechtfertigungsgründe werden in Art. 28 Abs. 2 ZGB aufgezählt. Eine Persönlichkeitsverletzung kann danach durch
- ein überwiegendes privates Interesse oder
- ein überwiegendes öffentliches Interesse,
- durch Gesetz oder
- durch die Einwilligung des Verletzten
gerechtfertigt sein. Beim privaten und öffentlichen Interesse impliziert das Wort „überwiegend“, dass eine Interessenabwägung stattfinden muss – zwischen der Persönlichkeitsverletzung einerseits und den betroffenen (privaten oder öffentlichen) Interessen anderseits.
Zustimmung (Einwilligung des Verletzten)
Grundsätze
Der wichtigste Rechtfertigungsgrund ist die Einwilligung des Verletzten. Dies bedeutet, dass die abgebildeten Personen grundsätzlich zustimmen müssen, ob und in welcher Form ein Bild von ihnen aufgenommen und veröffentlicht werden darf.
Eine Zustimmung sollte etwa auch der Arbeitgeber einholen, wenn er seine Mitarbeiter auf der Webseite des Betriebs mit Bild zeigen will.
Eine Zustimmung ist nur dann gültig, wenn die abgebildete Person über den Verwendungszweck der Fotografie informiert worden ist (Internet, Printmedien, Werbung etc.). Falls das Foto zusammen mit einem Textbeitrag veröffentlicht wird (z.B. in einem Zeitungsartikel), muss der abgebildeten Person auch klar sein, in welchem Kontext ihr Bild veröffentlicht wird, bzw. worum es im Text geht.
Unter Umständen...
Erscheint lt. Verlag | 13.5.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Recht / Steuern ► Privatrecht / Bürgerliches Recht ► Medienrecht |
ISBN-10 | 3-7583-9990-4 / 3758399904 |
ISBN-13 | 978-3-7583-9990-9 / 9783758399909 |
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