Allgemeines Verwaltungsrecht für Dummies (eBook)
Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA
978-3-527-82568-4 (ISBN)
Arno Scherzberg ist Professor für Verwaltungsrecht an der Universität Erfurt und gibt seit über 20 Jahren Lehrveranstaltungen zum Allgemeinen Verwaltungsrecht. Außerdem ist er Co-Autor eines juristischen Lehrbuchs zum Thema.
Kapitel 1
Ein erster Überblick
In diesem Kapitel
Begriffliches zum Einstieg
Was zum Allgemeinen Verwaltungsrecht gehört (und was nicht)
Das Allgemeine Verwaltungsrecht als Teil des Öffentlichen Rechts
Wie Sie das Allgemeine Verwaltungsrecht bei der Falllösung anwenden
Das Allgemeine Verwaltungsrecht weist gegenüber anderen Rechtsgebieten einige Besonderheiten auf. Wenn man diese erst versteht, ist der Zugang nicht weiter schwer. Am einfachsten ist es, wenn Sie vom Begriff des Allgemeinen Verwaltungsrechts ausgehen.
Verwaltungsrecht auf den Begriff gebracht
Der Begriff des Allgemeinen Verwaltungsrechts enthält drei Merkmale:
Es handelt sich um Recht, genauer um Öffentliches Recht (wie Sie in Kapitel 2 ausführlich erfahren).
Es ist das Recht der Verwaltung, im Sinne der öffentlichen oder staatlichen Verwaltung.
Es ist »allgemeines« Recht. Hierzu sind ein paar vertiefende Bemerkungen angebracht:
●Die Regeln des Allgemeinen Verwaltungsrechts gelten grundsätzlich für alle Tätigkeitsfelder der öffentlichen Verwaltung. Wieso nur grundsätzlich? Weil es für einzelne Tätigkeitsfelder besondere Bestimmungen geben kann, die dann vorrangig anzuwenden sind. Das Allgemeine Verwaltungsrecht steuert das Verwaltungshandeln nie allein, sondern immer im Verbund mit dem für konkrete Sachgebiete geltenden Recht (zum Beispiel für die Bauplanung, die Polizei, die Umweltverwaltung oder das Hochschulwesen).
Das auf konkrete Tätigkeitsfelder der Verwaltung bezogene Recht nennt man Besonderes Verwaltungsrecht.
●Im Allgemeinen Verwaltungsrecht sind die bereichsübergreifend geltenden Regelungen für das Handeln der öffentlichen Verwaltung zusammengefasst. Diese Gesetzgebungstechnik, die allgemeinen Bestimmungen »vor die Klammer« zu ziehen und den auf konkrete Sachgebiete bezogenen Regelungen voranzustellen, ist in der deutschen Rechtsordnung recht verbreitet. Sie findet sich zum Beispiel auch im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), das einen »Allgemeinen Teil« und verschiedene »Besondere Teile« kennt.
●Die Regelungen des Allgemeinen Verwaltungsrechts sind, weil sie für alle möglichen Tätigkeitsfelder gelten, abstrakt formuliert. Sie enthalten Verallgemeinerungen, die möglichst für alle Aufgaben der Verwaltung und zu allen Gegenständen ihrer Entscheidungen passen, also beispielsweise gleichermaßen für das Hochschul-, das Polizei- und das Kommunalrecht.
●Die für die gesamte öffentliche Verwaltung geltenden Bestimmungen sind vor allem solche über die Organisation, das Verfahren, die Handlungsformen und die Prinzipien ihrer Aufgabenwahrnehmung. Dazu im nächsten Abschnitt gleich mehr.
Wenn Sie die genannten Merkmale zusammensetzen, erhalten Sie den Begriff des Allgemeinen Verwaltungsrechts.
Das Allgemeine Verwaltungsrecht besteht aus bereichsübergreifend geltenden Normen des Öffentlichen Rechts, vor allem über die Organisation, das Verfahren, die Handlungsformen und die Prinzipien der Aufgabenwahrnehmung der öffentlichen Verwaltung.
Was zum Allgemeinen Verwaltungsrecht gehört (und was nicht)
Zum Allgemeinen Verhaltungsrecht gehören
das Recht der Organisation der öffentlichen Verwaltung,
das Recht der Verwaltungsverfahren,
das Recht des Verwaltungshandelns (vornehmlich die Instrumente der Verwaltung und die bei ihrem Einsatz zu beachtenden bereichsübergreifenden rechtlichen Maßstäbe),
allgemeine Regeln über die Rechtsstellung des Bürgers gegenüber der Verwaltung,
das Recht der öffentlichen Sachen,
das Vollstreckungsrecht sowie
das Recht der Staatshaftung.
Mit Ausnahme des (weniger prüfungs- und praxisrelevanten) Rechts der öffentlichen Sachen stelle ich Ihnen in diesem Buch die Grundzüge all dieser Teilgebiete vor. Der Fokus liegt auf denjenigen Inhalten des Allgemeinen Verwaltungsrechts, die Sie für ein grundlegendes Verständnis des Rechtsgebiets und für die Lösung der in Studium und Praxis häufig auftretenden Probleme benötigen.
Nicht zum Allgemeinen Verwaltungsrecht gehören
das Besondere Verwaltungsrecht, das die Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Bürger auf einem bestimmten Sachgebiet ausgestaltet (zum Beispiel Umweltrecht, Wirtschaftsverwaltungsrecht oder Beamtenrecht),
das Staatsrecht, das die Grundlagen der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesländer sowie das Handeln der Staatsorgane regelt (insbesondere das Verfassungsrecht),
das Internationale Recht, vor allem das Völkerrecht und das Recht der Europäischen Union.
In Kapitel 7 erfahren Sie, dass das Internationale Recht bindende und gegenüber dem Allgemeinen Verwaltungsrecht vorrangig zu beachtende Maßstäbe für das Handeln der öffentlichen Verwaltung enthält.
Das Allgemeine Verwaltungsrecht als Teil des Öffentlichen Rechts
Das Allgemeine Verwaltungsrecht wendet sich an die öffentliche Verwaltung. In Verbindung mit dem Besonderen Verwaltungsrecht regelt es, wie diese ihre Aufgaben erfüllt. Gemeinsam mit den an die beiden anderen Staatsgewalten – Gesetzgebung und Rechtsprechung – gerichteten Rechtssätzen bildet es das Öffentliche Recht.
Innerhalb des Öffentlichen Rechts gibt es viele Verweise, Einwirkungen und Wechselwirkungen zwischen den Rechtsmaterien. Näheres hierzu können Sie in Kapitel 7 lesen. Für einen ersten Überblick soll Abbildung 1.1 genügen. In ihr können Sie die zentrale Stellung ablesen, die das Allgemeine Verwaltungsrecht im System des Öffentlichen Rechts einnimmt.
Abbildung 1.1: Das Allgemeine Verwaltungsrecht im System des Öffentlichen Rechts
Die Bedeutung des Verfassungsrechts für das Allgemeine Verwaltungsrecht
Innerhalb des Öffentlichen Rechts kommt dem Verfassungsrecht eine herausgehobene Bedeutung zu. Einzelheiten dazu erfahren Sie in den Kapiteln 7 und 8. An dieser Stelle nur zwei erste Hinweise:
Bindung an die Grundrechte: Wie die gesamte Staatsgewalt ist die öffentliche Verwaltung an die Grundrechte gebunden. Diese prägen deshalb auch die Anwendung des Allgemeinen Verwaltungsrechts.
Bindung an Verfassung und Gesetze: Maßgeblich für das Handeln der öffentlichen Verwaltung ist deren Bindung an das Gesetz. Hierzu gleich mehr.
Bindung an die Grundrechte
Gemäß Art. 1 Abs. 3 Grundgesetz (GG) ist die Verwaltung als Teil der vollziehenden Gewalt – wie auch die Gesetzgebung und die Rechtsprechung – an die Grundrechte gebunden. Damit ist sie insbesondere einem Verfassungsgrundsatz unterworfen, den Sie vermutlich dem Namen nach schon kennen: dem Verhältnismäßigkeitsprinzip.
Die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten wie beispielsweise der allgemeinen Handlungsfreiheit, der Religionsfreiheit, der Meinungsfreiheit oder des Eigentumsrechts darf danach nur unter vier, stets genau zu prüfenden Voraussetzungen beschränkt werden:
1.Die betreffende staatliche Maßnahme (Grundrechtseingriff) muss einem verfassungsrechtlich legitimen Ziel dienen.
2.Sie muss dieses Ziel tatsächlich erreichen können (Eignung).
3.Sie muss das mildeste Mittel zur Erreichung des Ziels sein (Erforderlichkeit).
4.Der Nutzen des Eingriffs und die mit ihm verbundene Beeinträchtigung des Grundrechts dürfen nicht außer Verhältnis zueinander stehen (Angemessenheit).
Alle Maßnahmen der Verwaltung, die grundrechtlich geschützte Güter oder Freiheiten beeinträchtigen – denken Sie etwa an Beschlagnahmen, Datenerhebungen oder körperliche Untersuchungen –, sind an diesen Voraussetzungen zu messen.
Es wäre unzulässig, eine Meinungsäußerung zu untersagen, nur weil sie politisch unerwünscht ist (kein legitimes Ziel). Rechtswidrig wäre es auch, wenn Sie als Mitarbeiter des Ordnungsamts ein falsch geparktes Fahrzeug mit einer »Parkkralle« blockieren (ungeeignet: verlängert eher die Dauer des Falschparkens). Ferner dürfte die Genehmigungsbehörde eine Baugenehmigung nicht ganz versagen, wenn auch eine Modifikation des Bauantrags die berechtigten Interessen der Nachbarn ausreichend schützen würde (nicht das mildeste Mittel). Und zu guter Letzt dürfen bei einem 14-Jährigen, der des sexuellen Missbrauchs einer 13-Jährigen in Form eines Knutschflecks beschuldigt wird, keine Körperzellen zur Speicherung des DNA-Musters entnommen werden (Eingriffsschwere angesichts des Tatverdachts unangemessen).
Bindung an Verfassung und Gesetze
Gemäß Art. 20 Abs. 3 GG ist die Verwaltung »an Gesetz und Recht gebunden«. Dies umfasst zwei Prinzipien, die die Wahrnehmung der Verwaltungsaufgaben maßgeblich bestimmen:
Der Vorrang des Gesetzes: Die Verwaltung ist an die Gesetze gebunden (hierzu gehört naturgemäß auch die Verfassung). Jedes Handeln der Verwaltung muss im Einklang mit dem geltenden Recht stehen.
Der Vorbehalt des Gesetzes: Betrifft die Frage, ob die Verwaltung für ein Tätigwerden eine gesetzliche Grundlage, also eine vom Parlament ausgesprochene Ermächtigung, braucht. Das ist vor allem bei den bereits...
| Erscheint lt. Verlag | 18.11.2019 |
|---|---|
| Reihe/Serie | ...für Dummies |
| ...für Dummies | Für Dummies |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Recht / Steuern ► Öffentliches Recht ► Allgemeines Verwaltungsrecht |
| Schlagworte | Behörde • Bürger • Bürgerrecht u. Menschenrecht • Deutschland /Verwaltungsrecht • Öffentliches Recht • Öffentliche Verwaltung • Politikwissenschaft • Rechtswissenschaft • Verwaltung • Verwaltungsakt • Verwaltungsbescheid • Verwaltungsermessen • Verwaltungsgericht • Verwaltungsrecht • Verwaltungsverfahren • Verwaltungsverfügung |
| ISBN-10 | 3-527-82568-1 / 3527825681 |
| ISBN-13 | 978-3-527-82568-4 / 9783527825684 |
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