Mehrkatzen-Haushalt (eBook)
300 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-8192-8526-4 (ISBN)
Tierärztin Sabine Schroll ist seit über zwölf Jahren in der Kleintierpraxis tätig. Neben der allgemeinmedizinischen Betreuung beschäftigt sie sich mit der Therapie von Katzen (und Hunden) mit psychischen Störungen und berät deren Besitzer. Seit fast zwanzig Jahren lebt sie mit mehreren eigenen Katzen zusammen.
Ausdrucksverhalten
Für die Beurteilung des Befindens jeder einzelnen Katze und der Kommunikation untereinander im Mehrkatzen-Haushalt ist ein Verständnis des Ausdrucksverhaltens extrem wichtig. Für den Menschen kann das Erlernen der Katzensprache immer nur eine Annäherung bleiben, denn die Wahrnehmungs- und Ausdrucksmöglichkeiten von Katzen unterscheiden sich erheblich von denen des Menschen. Die Welt der zahlreichen Gerüche und chemischen Informationen durch Pheromone, das Hören von Ultraschall oder die Wahrnehmung feinster Einzelbewegungen ist mit menschlichen Sinnesorganen überhaupt nicht erfassbar. Sehr viele zwischen den Katzen – bewusst oder auch unbewusst – übermittelte Informationen bleiben uns also verschlossen. Nichtsdestotrotz ist der einzige Weg, Katzen individuell, im Umgang mit uns Menschen und in der Beziehung untereinander besser zu verstehen, ihre Sprache bestmöglich zu erlernen.
Allgemeines
Wie bei jeder Sprache steht am Beginn das Lernen von einzelnen Wör ternund mitwelcher Struktur sie zu Sätzen zusammengefügt werden. Vor der Bedeutung – also der Interpretation einer Aussage – steht immer die Beschreibung und Analyse. Vorschnelle Interpretationen bergen das grosse Risiko für Missverständnisse und schränken die Sichtweise unnötig ein. Wann immer ein Verhalten unklar oder schwer verständlich ist, gilt es zurück an den Start und in die genaue Beschreibung zu gehen anstatt an der Interpretation festzuhalten.
Umgelegt auf die Katze bedeutet das, ihre Ausdrucksmöglichkeiten zunächst in Einzelteile zu zerlegen, diese einzelnen Elemente zu erkennen und zu verinnerlichen, um sie danach wieder zu einem ganzen Bild zusammenzubauen.
Die grossen Bereiche der Katzensprache sind:
- Akustisch durch Lautäusserungen
- Optisch durch Körpersprache, Bewegungen und Mimik
- Chemisch durch Gerüche und Pheromone
- Taktil durch Berührungen wie Belecken oder Körperkontakt
Manche Botschaften können nur im Hier und Jetzt, im unmittelbaren Sicht- oder Hörkontakt vermittelt werden, wie stimmliche Äusserungen oder die Körperspache. Für Katzen haben aber auch bleibende Botschaften, die ohne Nähe oder direkten Kontakt vermittelt werden, eine sehr grosse Bedeutung. Mit bleibenden indirekten Botschaften wie Harn- oder Kratzmarkierungen können Begegnungen vermieden oder gesucht werden, ohne sofort in direkten Kontakt zu treten. Für das Zusammenleben und vor allem die Zusammenführung von einander noch unbekannten Katzen sind diese indirekten Kontakte nicht zu unterschätzen.
Für das Verständnis von Katzenkommunikation kommt es jedoch nicht nur auf die kleinen Detailsim Ausdruck an, sondern auch auf das grössere Bild in Bezug auf Distanzen und den Raum, in dem sich das alles abspielt. Katzen können durchaus räumliche Strukturen aus der Umgebung in ihre Botschaften integrieren, das heisst es kommt unter Umständen nicht nur auf den Ausdruck an sich, sondern auch darauf an, wo eine Katze das tut oder eine Markierung hinterlässt.
Für die Analyse des Ausdrucksverhaltens zwischen den Katzen gilt es also sowohl mit der Lupe als auch mit dem weiten Blickwinkel zu beobachten, um ein vollständiges Bild zu erhalten.
Die zwei grundlegenden Intentionen des Ausdrucksverhaltens sind
- Distanz zu verringern – Komm näher
- Distanz zu vergrössern – Bleib weg
Die weitaus meisten Aussagen lassen sich nach Absicht oder Ergebnis in eine dieser beiden Schubladen einordnen und damit eine Katzenbeziehung grob überblicken. Für eine erste Beurteilung von Beziehungen im Mehrkatzen-Haushalt können diese beiden Kategorien schon hinreichend sein. Eine Information über Beziehung oder Nicht-Beziehung kommt aus neutralen Äusserungen, die weder annähernd noch abwehrend sind.
Vokalisieren
Für Katzen untereinander ist die akustische Kommunikation vermutlich nicht ganz so vorrangig wie für uns Menschen. Katzen kommunizieren – mit wenigen Ausnahmen – überwiegend leise. Das Miauen ist ohnehin ein Ausdrucksmittel, das sich im Zusammenleben mit dem Menschen entwickelte und für diesen reserviert ist.
Schnurren
Schnurren ist eine grundlegend freundliche Lautäusserung – selbst, wenn es nicht gleichzeitig bedeutet, dass sich eine Katze wohlfühlt! Kätzinnen schnurren während der Geburt und wenn sie ihre Kitten säugen und versorgen. Kitten beginnen bereits ab dem zweiten Lebenstag zu schnurren. Erwachsene Katzen schnurren zum einen, weil sie sich wohlfühlen und zum anderen, damit sie sich wohlfühlen. Es ist also in der Regel keine direkte Botschaft an eine andere Katze, obgleich natürlich die Friedlichkeit erkannt wird. Sehr soziale Katzen schnurren aber auch, wenn sie sich anderen annähern oder beschwichtigen wollen. Ob Katzen das aufdringlich gegenüber Men schen gezeigte „Bettelschnurren“ mit den dringlichen Obertönen auch zeigen, ist unklar, aber nicht ausgeschlossen.
Gurren
Das ähnlich wie ein Taubengurren oder angerolltes Miauen klingende Gurren ist unter freundlichen Katzen eine häufige Lautäusserung. Katzenmütter gurren, um ihre Kitten zu rufen oder zu begrüssen. Erwachsene Katzen gurren ebenfalls sehr oft zur Begrüssung oder als Spielaufforderung. Sehr soziale erwachsene Katzen gurren bei freundlicher Annäherung nicht nur befreundeten, sondern auch unbekannten Katzen gegenüber. Im Rahmen des Werbeverhaltens gurren sowohl Kater als auch Kätzin ausdauernd. Für sich alleine können Katzen als Ausdruck der Freude oder Heiterkeit gurren, wenn sie spielen oder etwas Erfreuliches bekommen.
Rufen
Lautstarkes Rufen dient vor allem der Kontaktaufnahme im Rahmen des Sexualverhaltens. Zwischen Kitten und Katzenmutter gibt es ausdauernd Kontaktrufe, sobald die Kitten beginnen, ihre Umwelt zu erforschen. Auch erwachsene Katzen versuchen mit Rufen akustischen Kontakt zu ihren Sozialpartnern Mensch oder Katze zu halten, wenn sie in einer unbekannten Umgebung oder lange Zeit alleine sind.
Schnaufen
Deutlich hörbares Ausblasen von Luft durch die Nase ist eine milde Unmutsäusserung, mit der ein unerwünschter Kontakt wie Annäherung, Geputztwerden, Kontaktliegen oder Streicheln begrenzt oder beendet werden soll. Auch nach einer kurzen Anspannung, einer Konfliktsituation oder frustrierenden Begegnungen atmen manche Katzen hörbar schnaufend durch die Nase aus. Nicht alle Katzen zeigen dieses eher subtile Distanzierungssignal und manche gehen ohne diese Feinabstufung direkt in den nächstintensiveren Ausdruck über.
Fauchen
Fauchen ist bei Weitem das häufigste und wichtigste distanzierende Signal an einen Kommunikationspartner, Abstand zu halten oder ihn zu vergrössern. Obwohl Fauchen natürlich eindeutig aggressiv ist, so ist es doch ein Ausdruck von Unsicherheit und Defensive. Die fauchende Katze fühlt sich bedrängt oder bedroht und will akustisch ganz einfach signalisieren, dass sie mehr Abstand braucht. Wird das Fauchen als Warnsignal nicht verstanden oder ignoriert, kann die Katze zum nächsten Schritt der Selbstverteidigung übergehen und angreifen. Nichtsdestotrotz bleibt es ein typischer Ausdruck von Unsicherheit und Angst. Das kann sich auch einmal bei einer an sich selbstbewussten oder mutigen Katze nur auf die aktuelle Situation beziehen oder sehr häufig, quasi regelmässig als Ausdruck einer durchgehend ängstlichen Stimmungslage geäussert werden.
Fauchen bedeutet einfach nur, dass eine Katze mehr Abstand haben will.
Knurren
Mit Knurren reagiert die Katze auf eine bedrohliche, verunsichernde Situation, die Annäherung eines Feindes wie Hund, fremde Katze oder unbekannte Menschen, verdächtige Geräusche oder Gerüche. Mit anhaltend tiefem Knurren werden auch wertvolle Ressourcen, vor allem Futter wie Beute, frisches Fleisch oder Leckerbissen, besonders attraktives Spielzeug, Liegeplätze oder der Kontakt mit dem Sozialpartner Mensch verteidigt.
Innerhalb einer Katzengruppe werden mit Knurren die Partnerkatzen vor Bedrohungen gewarnt beziehungsweise in Alarmstimmung versetzt. In entsprechend reaktiven angespannten Katzengruppen kann schon das Knurren einer Katze – egal, was der Grund dafür ist – zum Auslöser für einen Kampf werden.
Schreien
Lautes Schreien und Kreischen begleitet meistens einen Verteidigungskampf oder eine überraschend bedrohliche oder schmerzhafte Situation, wie versehentliches Einzwicken von Pfote oder Schwanz sowie Überraschungsangriffe. Diese Lautäusserung versetzt so gut wie jede andere Katze in Hörweite in sofortige Alarmstimmung und Bereitschaft, sich gegen jeglichen Feind kompromisslos zu verteidigen. Ist eine Katze einmal in dieser Emotion, entfällt die detaillierte Analyse der Lage und jeder im Umfeld wird zum potenziellen Feind. Das kann eine – ebenso alarmierte – Partnerkatze sein oder der befreundete Mensch. Ob und wie heftig eine Katze dann tatsächlich aggressiv handelt, hängt entscheidend von ihrer Reaktivität und Impulskontrolle, vermutlich auch von Lebenserfahrung...
| Erscheint lt. Verlag | 7.4.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| ISBN-10 | 3-8192-8526-1 / 3819285261 |
| ISBN-13 | 978-3-8192-8526-4 / 9783819285264 |
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Größe: 12,6 MB
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