Mythos Central-Theater (eBook)
420 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-5435-6 (ISBN)
Autor und Kulturjournalist Andreas Schwarze wurde 1959 in Meißen geboren. Nach einem Studium der Musiktheaterregie in Berlin arbeitete er als Regisseur, Dramaturg und Solist an verschiedenen Bühnen und bildete an der Musikhochschule Dresden Sängerinnen und Sänger im dramatischen Unterricht aus. Sein künstlerisches Metier Operette und Musical machte er auch zum Gegenstand theater- und kulturhistorischer Forschungen. Seit 2011 befasste er sich zunächst mit der Geschichte der Staatsoperette Dresden und ihrer Vorgängertheater und veröffentlichte das Buch "Metropole des Vergnügens - Musikalisches Volkstheater in Dresden von 1844 bis heute"(Saxophon-Verlag 2016). Gleichzeitig begann er mit der Realisierung eines digitalen Archivs zum Thema "Musikalisches Volkstheater in Dresden und Sachsen", in dem er die umfangreichen und ständig wachsenden Bestände seines privaten Theaterarchivs öffentlich zugänglich macht. Für das Online-Archiv wurde er 2021 mit dem Förderpreis des Sächsischen Landespreises für Heimatforschung ausgezeichnet. Während der Recherchearbeit für all seine Projekte traf er im Sommer 2014 auf den Hamburger Wirtschaftsmanager Wingolf R. Lachmann, den Urenkel des Erbauers des Viktoriahauses und des Central-Theaters, Hofjuwelier Heinrich Mau, der sich dankenswerterweise als Herausgeber für diese Edition engagierte und Förderer des Theaterarchivs wurde.
Der Visionär im Viktoriahaus
4 Heinrich Mau und das Viktoriahaus um 1900
Bereits nach dem Ende der Napoleonischen Kriege hatte in Elbflorenz das Touristenzeitalter begonnen. Die Sehnsucht der aktiven Geschäftsleute und Intellektuellen, der reichen Rentiers und Adligen, Ruhe vor der Hast der neuen Zeit zu finden und dennoch nicht auf die Annehmlichkeiten einer prosperierenden Großstadt zu verzichten, erfüllte Dresden mit seiner überschaubaren Größe und herrlichen Umgebung auf ideale Weise. Durch neue Kommunikationsmöglichkeiten verbreitete sich schnell der internationale Ruf seiner Kunst- und Bildungsstätten, Handwerkserzeugnisse, Industrie-Innovationen und insgesamt hohen Lebensqualität. Menschen aus der ganzen Welt kamen über das wachsende kontinentale Eisenbahnnetz an die Elbe. Auch den Juwelier und Goldschmied Matthias Mau aus Dörnigheim bei Hanau (*1806; † 1859 Dresden) zog es 1830 ins aufstrebende Dresden, wo er sein Geschäft in der Moritzstraße begründete. Sein Sohn, der ideenreiche und produktive Juwelier, Gold- und Silberschmied Jakob Wilhelm Heinrich Mau (* 18.02.1843; † 22.08.1906), übernahm es 1863. Allem Neuen aufgeschlossen, holte er sich in Paris und London Inspirationen für seine Meisterstücke und vornehmen Alltagsgegenstände, welche bei Einheimischen und Fremden gleichermaßen Anklang fanden. Viele regierende Fürsten und Herzöge der kleineren Länder des Deutschen Reiches verbrachten regelmäßig einige Wochen des Jahres in der reizvollen sächsischen Residenz. Man vergnügte sich, kurte in Privatsanatorien oder besuchte die Söhne, welche an den höheren Schulen Dresdens studierten. Die gut betuchten Fremden und ihre Entourage deckten sich bei ihren Aufenthalten in den vornehmen Geschäften Dresdens mit Luxusgegenständen, Kunstwerken und Modeartikeln aller Art ein. Auch die Schaufenster der Firma Mau mit ihrem glitzernden Schmuck, den prachtvollen Silberleuchtern und der hochwertigen Tafel-Ausstattung zogen die adelige Kundschaft magisch an.
1874 gehörte Heinrich Mau zu den Gründungsmitgliedern des Dresdner Kunstgewerbevereins, 1884 wurde er in dessen Vorstand gewählt. Im Zusammenwirken von Fachleuten aus Kunst, Handwerk und Industrie beförderte der Verein die Entwicklung von hochwertigen und stilvollen Erzeugnissen der Gebrauchskunst, veranstaltete Gestaltungswettbewerbe und richtete große Ausstellungen aus, die in ganz Deutschland beachtet wurden. 1882 war Mau zum Herzoglichen Sachsen-Altenburgischen Hoflieferanten und 1891 zum Großherzoglichen Mecklenburg-Schwerin’schen Hoflieferanten avanciert. Seine Bilanzen erlaubten es dem weltläufigen und vielseitig begabten Juwelier, sich selbst und der Stadt Dresden ein angemessenes und zukunftsweisendes Geschenk zu machen. Direkt an der Schnittstelle zwischen Historie und Moderne, vor dem ehemaligen Seetor an der neuen Ringstraße, erwarb Heinrich Mau 1890 das Grundstück Waisenhausstraße Nr. 9 mit dem alten Viktoria-Hotel und ließ sich von den Architekten William Lossow und Hermann Viehweger in einjähriger Bauzeit das Viktoriahaus7 errichten. Am Eingang der florierenden Prager Straße, mitten hinein in die tosenden Wellen des allgemeinen Aufbruchs, reckte sich nun unübersehbar dessen meisterhaft ausgeführter Giebel, geschmückt mit Bismarck-Büste und bekrönt mit stolzer Siegesgöttin. Hinter der Renaissance-Fassade verbarg sich eines der modernsten Wohn- und Geschäftshäuser Dresdens, mit Stigler-Lift, elektrischem Strom vom eigenen Dampfgenerator, Fernsprecher, Zentralheizung und Klimatechnik. Anfang April 1892 konnte sich die Firma Mau in ihren neuen Geschäftsräumen im Erdgeschoss präsentieren. Ein Prunkstück an der Fassade war die überlebensgroße Büste des eisernen Kanzlers, die Bismarck-Verehrer Mau am 21. März 1892 anbringen ließ. Kurz darauf konnte er seinem Idol von einer eigens vor seinem neuen Viktoriahaus errichteten Tribüne zujubeln. Am 18. und 19. Juni 1892 weilte der Reichseiniger in Dresden und wurde von 100.000 Menschen in der festlich geschmückten Stadt überschwänglich gefeiert. Auf der Fahrt vom Hotel Bellevue zum Böhmischen Bahnhof passierte sein Wagen am Mittag des 19. Juni 1892 die Seestraße. Die Einnahmen für die Tribünenplätze spendete Heinrich Mau den Ferienkolonien der Stadt Dresden für bedürftige Kinder.8 Voller Ideen und Energie erschloss sich der kommerziell weitblickende und lebensfrohe Juwelier neue Geschäftsfelder, die auf den einzigartigen Charakter Dresdens als Residenz- und Kunststadt in landschaftlich reizvoller Lage, begehrtes Reiseziel, bevorzugter Wohn- und Erholungsort Wohlhabender und die Fest- und Kulturbedürfnisse der Stadtbevölkerung gründeten. Am 1. Oktober 1892 zog auf der Seite zur Waisenhausstraße die Teehandlung Taen Arr Hee ein, die auch ein großes Komptoir auf der Leipziger Straße in Berlin und Geschäfte in Kobe und Hiogo (Japan) innehatte. Die Verkaufsräume waren im chinesisch-japanischen Stil künstlerisch ausgemalt und möbliert.9 Im zweiten Stock zur Friedrichsallee (damals noch als „Promenadenseite“ bezeichnet, in Erinnerung an die Promenadenwege auf dem alten Festungsring) vermietete Heinrich Mau Räume an den Fabrikanten Oscar Hermann Wolfframm als Verkaufsniederlassung von dessen Pianoforte-Fabrik Apollo Dresden.
Das Viktoriahaus
September 1890 Ausschreibung eines Architekturwettbewerbes durch Heinrich Mau | 4. Januar 1891 Der 1. Preis (3000 Mk.) ging an Friedrich Reuter und Theodor Fischer (Blätter für Architektur und Kunsthandwerk, Jahrg. IV, Nr. 2, Berlin 01.02.1891)
24. Februar 1891 Beginn der Abrissarbeiten am alten Viktoria-Hotel (DN 25.02.1891, S. 9)
März 1891 Architekt Hermann Thüme aus Dresden und das Büro Lossow & Viehweger werden von Heinrich Mau zu Wettbewerbssiegern erklärt und mit dem Bau beauftragt. (DN 03.04.1891, S. 2/Baugewerkszeitung vom 29. März 1891)
11. März 1892 Ausstellung des Tonmodells der Viktoria-Statue im Atelier des Bildhauers Hugo Spieler in der Kunstgewerbeschule (DN 11.03.1892, S. 2)
16. März 1892 Fertigstellung der Fassaden zur Ring- und Waisenhausstraße (DN 18.03.1892, S. 2)
21. März 1892 Aufstellung der Bismarck-Büste (DN 22.03.1892, S. 2)
1. April 1892 Fertigstellung des äußeren Baues, Einzug der Firma Mau
25. September 1892 Installation der 4 m hohen Viktoriastatue
1. Oktober 1892 Einzug der Teehandlung Taen Arr Hee auf der Seite zur Waisenhausstraße und des Pianosalon Wolfframm (Apollo-Pianofabrik Dresden) an der Friedrichsallee (DN 27.09.1892, S. 2; DN 06.10.1892, S. 7)
5. März 1897 wahrscheinlich 1. Leuchtreklame in Dresden: Biermarke Triumphator mit 200 Glühlampen am Viktoriahaus ( DN 05.03.1897, S. 9) Renaissancestil, Eisenskelettbau mit Betondecken , 5 Geschosse, reich verzierte Fassade aus Alt-Warthauer Sandstein mit Granitsockel, Giebel und Erker mit Kupferbedachung; Stigler-Personenlift bis zum 4. Stock, Zentralheizung, Elektroanlage und Generatoren von Schuckert & Co. Nürnberg, Telefon
Restaurant Zum Viktoriahaus im Erdgeschoss mit 150 und 1. Stock mit 450 Plätzen (DN 08.04.1893, S. 2); Holzarbeiten: Königl. Hoftischler Udluft u. Hartmann, Firmen Frank, Müller und Trache; Glasmalereien von der Firma Urban und Maler Josef Goller; Deckenmalereien von Seul, Berlin; Beschläge und Metallverkleidungen von Aug. Kühnscherf & Söhne; Wand-Kachelbilder von Albert Richter; Beleuchtungskörper von der Firma Seifert, Wurzen; Bestuhlung Firma Gebr. Bernhard, Dresden; Ventilationsanlage System Gebr. Körting Hannover; geschlossen am 31.03.1920
1945 zerstört
Am 6. Oktober 1892 eröffnete Kunsthändler Lichtenberg seinen Gemäldesalon im Viktoriahaus.10 Solche Salons, für die man Tages- und Jahreskarten wie für ein Museum erwerben konnte, erfreuten sich großer Beliebtheit.11 Auf Renommee bedachte Villenbesitzer, die nach dekorativen Bildern und Skulpturen suchten, konnten in monatlich wechselnden Ausstellungen die neuesten Werke von hell leuchtenden oder gerade erst aufgehenden Sternen der deutschen und internationalen Maler- und Bildhauerszene in Augenschein nehmen und erwerben. Unbekannte und gestandene Dresdner Künstler fanden hier eine Bühne und maßen sich mit ihren Berufskollegen aus München, Paris oder Wien. Der Verein bildender Künstler, die erste Dresdner Sezessionsbewegung, veranstaltete hier vom 1. November bis 4. Dezember 1894 seine erste Exposition.12 Auch die Angehörigen des Hofstaates, des Militäradels und das Dresdner Bildungsbürgertum besuchten eifrig den neuen Kunstsalon. Regelmäßig waren Königin Carola und die Prinzen und Prinzessinnen zu Gast. Und ganz beiläufig gerieten die...
| Erscheint lt. Verlag | 25.4.2024 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| ISBN-10 | 3-7597-5435-X / 375975435X |
| ISBN-13 | 978-3-7597-5435-6 / 9783759754356 |
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