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Hirn als Subjekt?

Philosophische Grenzfragen der Neurobiologie

Hans-Peter Krüger (Herausgeber)

Buch | Hardcover
443 Seiten
2006
De Gruyter (Verlag)
9783050042107 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Hirn als Subjekt? -
CHF 118,90 inkl. MwSt
Hans-Peter Krüger (Hrsg.)

Hirn als Subjekt? - Philosophische Grenzfragen der Neurobiologie

Deutsche Zeitschrift für Philosophie. Sonderband, Bd. 15

Während seit einiger Zeit im Feuilleton ein Kulturkampf zwischen Vertretern des "Gehirns" und des "Geistes" ausgefochten wird, haben führende Neurobiologen und Philosophen – unter Beteiligung einer Soziologin, eines Mathematikers und zweier Physiker - in der "Deutschen Zeitschrift für Philosophie" eine Sachdiskussion zu den Grenzfragen der Hirnforschung geführt. Neben der hier vorgelegten vollständigen Neuedition dieser Auseinandersetzung umfasst ca. ein Drittel des Bandes sämtliche Beiträge einer bisher unveröffentlichten Schlussrunde, die eine vorläufige Bilanz zieht, die strittig bleibt.

Alle Diskussionsteilnehmer sind sich in der Intention einig, dass weder der reduktive Naturalismus noch der ontologische Dualismus von Gehirn und Geist überzeugen können. Uneins bleiben aber nicht nur die Neurobiologen und Philosophen gegen einander, sondern auch die Philosophen und die Neurobiologen jeweils untereinander.

Der Dissens betrifft die Frage, wie ihre schwache Gemeinsamkeit methodologisch und geschichtlich, ontologisch und ontisch so durchgeführt werden kann, dass keine Selbstwidersprüche eintreten: Für die Erfüllung des eigenen Anliegens wird noch etwas Anderes in Anspruch genommen, als man selbst zugleich zu erklären vermag. Personale Lebewesen bzw. lebende Personen vollziehen sich anders, als dualistisch konzipiert werden kann.

Aus dem Inhalt:

Einleitung

ERSTE DISKUSSIONSRUNDE

Hans-Peter Krüger: Einleitung

Gerhard Roth: Worüber dürfen Hirnforscher reden – und in welcher Weise?

Wolf Singer: Selbsterfahrung und neurobiologische Fremdbeschreibung. Zwei konfliktträchtige Erkenntnisquellen

Hans-Peter Krüger: Das Hirn im Kontext exzentrischer Positionierungen. Zur philosophischen Herausforderung der neurobiologischen Hirnforschung

ZWEITE DISKUSSIONSRUNDE

Hans-Peter Krüger: Einleitung

Jürgen Habermas: Freiheit und Determinismus

Wolfgang Detel: Forschungen über Hirn und Geist

Uwe Kasper: Kann die Quantentheorie den Hirnforschern helfen, Probleme zu verstehen?

DRITTE DISKUSSIONSRUNDE

Hans-Peter Krüger: Einleitung

Hans Flohr: Der Raum der Gründe

Gerhard Roth: Gehirn, Gründe und Ursachen

Wolf Singer: Wann und warum erscheinen uns Entscheidungen als frei? Ein Nachtrag

Reinhard Olivier: Die Willensfreiheit aus der Sicht einer Theorie des Gehirns. Ein unentscheidbares Problem

Ilan Samson: Freier (?) Wille

Hans Julius Schneider: Reden über Inneres. Ein Blick mit Ludwig Wittgenstein auf Gerhard Roth

Gesa Lindemann: Beobachtung der Hirnforschung

VIERTE DISKUSSIONSRUNDE

Jürgen Habermas: Das Sprachspiel verantwortlicher Urheberschaft und das Problem der Willensfreiheit: Wie lässt sich der epistemische Dualismus mit einem ontologischen Monismus versöhnen?

Arno Ros: Willensfreiheit, Urheberschaft und Zufall

Wolfgang Detel: Perspektiven einer Freiheitstheorie

Reinhard Olivier: Grundzüge einer Gehirntheorie

Reinhard Olivier: Anmerkungen zur psychologischen Deutung von Hirnprozessen

Gesa Lindemann: Plädoyer für einen methodologisch pluralistischen Monismus

Hans Julius Schneider: Abstraktion statt Subtraktion. Eine Auflösung des Leib-Seele Problems

Michael Pauen: Ratio und Natur. Warum unsere Fähigkeit, nach Gründen zu handeln, auch durch reduktive Ansätze nicht in Frage gestellt werden kann

Hans-Peter Krüger: Grenzfragen für einen neuen Umgang mit Dualismen

Pressestimmen

"Ziel des Bandes ist nicht, Harmonie zu stiften, sondern Konsens über Dissens zu markieren und künftige Forschungsperspektiven abzustecken. [...] Der Blick in dieses Buch lohnt schon deshalb, weil es Arbeit an Begriffen leistet."

Yvonne Wübben in: literaturkritik.de, Nr. 8, August 2007

Während seit einiger Zeit im Feuilleton ein Kulturkampf zwischen Vertretern des "Gehirns" und des "Geistes" ausgefochten wird, haben führende Neurobiologen und Philosophen – unter Beteiligung einer Soziologin, eines Mathematikers und zweier Physiker - in der "Deutschen Zeitschrift für Philosophie" eine Sachdiskussion zu den Grenzfragen der Hirnforschung geführt. Neben der hier vorgelegten vollständigen Neuedition dieser Auseinandersetzung umfasst ca. ein Drittel des Bandes sämtliche Beiträge einer bisher unveröffentlichten Schlussrunde, die eine vorläufige Bilanz zieht, die strittig bleibt. Alle Diskussionsteilnehmer sind sich in der Intention einig, dass weder der reduktive Naturalismus noch der ontologische Dualismus von Gehirn und Geist überzeugen können. Uneins bleiben aber nicht nur die Neurobiologen und Philosophen gegen einander, sondern auch die Philosophen und die Neurobiologen jeweils untereinander. Der Dissens betrifft die Frage, wie ihre schwache Gemeinsamkeit methodologisch und geschichtlich, ontologisch und ontisch so durchgeführt werden kann, dass keine Selbstwidersprüche eintreten: Für die Erfüllung des eigenen Anliegens wird noch etwas Anderes in Anspruch genommen, als man selbst zugleich zu erklären vermag. Personale Lebewesen bzw. lebende Personen vollziehen sich anders, als dualistisch konzipiert werden kann.

Hans-Peter Krüger ist Professor für Politische Philosophie und Philosophische Anthropologie an der Universität Potsdam.

Einleitung ERSTE DISKUSSIONSRUNDE Hans-Peter Krüger: Einleitung Gerhard Roth: Worüber dürfen Hirnforscher reden - und in welcher Weise? Wolf Singer: Selbsterfahrung und neurobiologische Fremdbeschreibung. Zwei konfliktträchtige Erkenntnisquellen Hans-Peter Krüger: Das Hirn im Kontext exzentrischer Positionierungen. Zur philosophischen Herausforderung der neurobiologischen Hirnforschung ZWEITE DISKUSSIONSRUNDE Hans-Peter Krüger: Einleitung Jürgen Habermas: Freiheit und Determinismus Wolfgang Detel: Forschungen über Hirn und Geist Uwe Kasper: Kann die Quantentheorie den Hirnforschern helfen, Probleme zu verstehen? DRITTE DISKUSSIONSRUNDE Hans-Peter Krüger: Einleitung Hans Flohr: Der Raum der Gründe Gerhard Roth: Gehirn, Gründe und Ursachen Wolf Singer: Wann und warum erscheinen uns Entscheidungen als frei? Ein Nachtrag Reinhard Olivier: Die Willensfreiheit aus der Sicht einer Theorie des Gehirns. Ein unentscheidbares Problem Ilan Samson: Freier (?) Wille Hans Julius Schneider: Reden über Inneres. Ein Blick mit Ludwig Wittgenstein auf Gerhard Roth Gesa Lindemann: Beobachtung der Hirnforschung VIERTE DISKUSSIONSRUNDE Jürgen Habermas: Das Sprachspiel verantwortlicher Urheberschaft und das Problem der Willensfreiheit: Wie lässt sich der epistemische Dualismus mit einem ontologischen Monismus versöhnen? Arno Ros: Willensfreiheit, Urheberschaft und Zufall Wolfgang Detel: Perspektiven einer Freiheitstheorie Reinhard Olivier: Grundzüge einer Gehirntheorie Reinhard Olivier: Anmerkungen zur psychologischen Deutung von Hirnprozessen Gesa Lindemann: Plädoyer für einen methodologisch pluralistischen Monismus Hans Julius Schneider: Abstraktion statt Subtraktion. Eine Auflösung des Leib-Seele Problems Michael Pauen: Ratio und Natur. Warum unsere Fähigkeit, nach Gründen zu handeln, auch durch reduktive Ansätze nicht in Frage gestellt werden kann Hans-Peter Krüger: Grenzfragen für einen neuen Umgang mit Dualismen

"[...] auch ein unbedarfter Leser, wobei dieses Buch [...] nicht für diesen konzipiert wurde, [kann] dieses Buch zur Hand nehmen [...] und garantiert eine spannende Diskussion miterleb[en], die nicht nur unterhaltsam ist, sondern auch über das eigene Sein nachdenken lässt." Sebastian Birlinger in: webcritics.de, 24. Juni 2010 "Ziel des Bandes ist nicht, Harmonie zu stiften, sondern Konsens über Dissens zu markieren und künftige Forschungsperspektiven abzustecken. [...] Der Blick in dieses Buch lohnt schon deshalb, weil es Arbeit an Begriffen leistet." Yvonne Wübben in: literaturkritik.de, Nr. 8, August 2007 "Die Philosophen fürchten stets um so etwas wie die 'Würde des Menschen' und seines 'Geistes', während die Naturwissenschaftler um ihre 'Freiheit der Forschung und des Denkens' fürchten, wohl sensibilisiert durch bittere Erfahrungen, besonders mit der katholischen Kirche. Das Buch liefert einen spannungsreichen, tiefschürfenden Beitrag zu dieser letztlich jahrhundertalten Kontroverse. Dabei wird gut sichtbar, wie sich auch im Inneren der beiden 'Lager' die Fraktionen differenzieren und aufsplittern." Percy Turtur in: Widerspruch, 46, 2007

I. Unschärfe - Die Willensfreiheit aus der Sicht einer Theorie des Gehirns (S. 203-204)

Ein unentscheidbares Problem

Von REINHARD OLIVIER (Bonn)

Das Gehirn als ein organisches System, das auf Grund einer äußerst komplizierten und subtilen Physiologie das produziert, was wir als psychologische oder geistige, kurz als mentale Leistungen erleben (und so bezeichnen), ist ein äußerst empfindliches System und reagiert auf die verschiedenen Beobachtungen und Untersuchungen, psychologischer wie physiologischer Art, sehr sensibel und vielfach in einer Weise, die sich einer systematischen Betrachtungsweise entzieht. So, wie man in der Physik bei einem Elementarteilchen nur sehr begrenzt voraussagen oder berechnen kann, wie es auf Beobachtung reagiert (die nur mithilfe anderer Elementarteilchen erfolgen kann, die mit ihm in eine Wechselwirkung treten), so reagiert auch das Gehirn in seiner mentalen Verfassung auf eine psychologische Beobachtung – die sich als eine Wechselwirkung mit einem anderen mentalen System repräsentiert – in einer kaum vorherzusagenden Weise und entzieht sich damit ebenso einer genauen Festlegung seines Zustandes. Das Gleiche gilt für physiologische Messungen am aktiven Gehirn. Nicht nur, dass das Bewusstsein einer solchen Messung (durch Elektroden, EEG oder die so genannten bildgebenden Verfahren) eine nicht wirklich abzuschätzende Beeinflussung der Vorgänge impliziert, auch die Korrespondenz zwischen physiologischer und mentaler Aktivität ist zu wenig erforscht und greifbar, um auf diesem Umweg eine präzise und "objektive" Beobachtung der mentalen Vorgänge zu erreichen.

Das Gehirn als ein System, das mentale Zustände produziert, entzieht sich in so nachdrücklicher Weise einer Festlegung, dass man, will man methodisch genau sein, dieses Faktum berücksichtigen muss.

Nehmen wir an, der physiologische Zustand des Gehirns sollte im Rahmen eines Experimentes in allen Einzelheiten gemessen werden, um ihn dann mit dem psychologischen zu vergleichen – und um daraus dann Rückschlüsse zu ziehen. Dazu müssten entweder alle Neuronen abgeleitet oder in einem bildgebenden Verfahren die Aktivität jedes einzelnen Neurons gemessen werden. Von den technischen Schwierigkeiten – um nicht zu sagen: Unmöglichkeiten –, die dies bereitet, abgesehen, würde ein solcher Beobachtungsaufwand mit Sicherheit die Gehirnaktivität in einer nicht abzuschätzenden Weise beeinflussen und zugleich den psychischen Zustand außer Kontrolle bringen.

Ebenso gilt das Umgekehrte: Ein vollständiges und präzises Protokoll eines psychologischen Zustandes eines Probanden (sofern dies überhaupt existiert, siehe unten) erfordert eine absolut ungestörte Innensicht, ein äußerst sensibles Abtasten aller Facetten des Zustandes, das nur vom Probanden selbst geleistet werden kann, und verbietet daher jede von außen erfolgende Aktivitätsmessung, die diesen Zustand ja beeinflussen würde. Gerade die verfeinerte Beobachtung, physisch wie psychologisch, greift unvermeidlich in den Status ein und verändert ihn in einer nicht kontrollierbaren Weise. Das ist eine weitgehende Parallele zum Fall der Elementarteilchen in der Physik. Wenn man aber akzeptieren muss, dass ein bestimmter Messvorgang prinzipiell nicht durchgeführt werden kann, so ist die formale Konsequenz daraus, dass die infrage stehende Größe nicht präzise definierbar ist.

Ich folge damit den Argumenten von Heisenberg in seiner Begründung der Unschärferelation.1 Dies lässt sich in einer Hypothese fassen:

Hypothese 1 (psycho-physische Unschärfe): Der psychologische und der p

Erscheint lt. Verlag 20.12.2006
Reihe/Serie Deutsche Zeitschrift für Philosophie / Sonderbände ; 15
Verlagsort Berlin/Boston
Sprache deutsch
Maße 170 x 240 mm
Gewicht 1056 g
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Philosophie der Neuzeit
Geisteswissenschaften Psychologie
Naturwissenschaften Biologie Humanbiologie
Sozialwissenschaften Ethnologie
Schlagworte 20., 21. Jahrhundert • Anthropologie • Aufsatzsammlung • BBAW • Berichte/Abhandl.12 • Bioethics • Bioethik • Biologie • Biology • Evolution • evolutionary biology • Gehirn • Geist • Hirnforschung • History & Surveys • Life Sciences • Modern • Neurobiologie • Neurobiology • Neurophilosophie • Philosophie • Philosophie der Gegenwart • Philosophy • Science • Subjekt • Zeitschrift/Magazin
ISBN-13 9783050042107 / 9783050042107
Zustand Neuware
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
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