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Eine unbequeme Wahrheit - Al Gore

Eine unbequeme Wahrheit

Die drohende Klimakatastrophe und was wir dagegen tun können

(Autor)

Buch | Hardcover
328 Seiten
2006
Riemann Verlag
978-3-570-50078-1 (ISBN)
CHF 27,90 inkl. MwSt
  • Titel ist leider vergriffen, Neuauflage unbestimmt
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„Überall auf dem Globus – an schwindenden Gletschern, Ausdehnung der Wüsten und Zunahme der Wetteranomalien – bezeugt die Welt eine nicht zu leugnende Wahrheit: Die Zyklen der Natur befinden sich in einem Prozess tief greifender Veränderung.“ Unter dem Titel „An Inconvenient Truth“ lief in den USA ein sehr erfolgreicher Dokumentarfilm – mit Al Gore als Hauptdarsteller. Das dazugehörige Buch mit einer Fülle eindrucksvoller Fotos und Grafiken stürmte schon bald nach seinem Erscheinen die US-Bestsellerlisten. „Eine unbequeme Wahrheit“ ist ein Weckruf in einer Zeit, in der nicht nur in den USA bequeme Lügen die öffentliche Meinung dominieren. Provokativ wie die Filme von Michael Moore, visuell eindrucksvoll und aufrüttelnd wie „Koyaanisquatsi“, erschreckend und dramatisch wie „The Day after Tomorrow“ ist dieses neue Werk des ehemaligen Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten. Ein Buch, das Ihr Bild von dieser Welt verändern kann und Ihnen zeigt, wo Ihre eigene Macht liegt, die Katastrophe abzuwenden.


In einem Punkt sind sich die Wissenschaftler aller Lager einig: Die globale Erwärmung ist real, sie geschieht jetzt und sie ist vor allem auf den massiven und verschwenderischen Einsatz von Kohle, Öl und anderen fossilen Energien zurückzuführen. Daraus resultiert ein beispielloser Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre, die Temperaturen erhöhen sich global in dramatischem Ausmaß, wir erleben eine Zunahme der Dürre- und Flutkatastrophen, mehr Hurricanes als je zuvor in der Geschichte und teilweise irreversible Verwüstungen unseres Ökosystems. Doch während die Schäden immer offensichtlicher werden, sinkt die Bereitschaft in Politik und Bevölkerung, sich für nachhaltige Lösungen zu engagieren. Dieser durch die Bush-Regierung mitverantworteten Lethargie will Al Gore durch eine multimediale Aufklärungskampagne begegnen, die Augen, Herz, Verstand und Gewissen der Menschen gleichermaßen anspricht.


Der Autor versucht nicht durch langwierige Erklärungen und Argumente zu überzeugen, sondern liefert zu jeder seiner Hypothesen ein aussagekräftiges Bild, das seine Betrachter wachrüttelt – wirkungsvoller als tausend Worte: eine auf Grund gelaufene ehemalige Fischfangflotte inmitten der Wüstenlandschaft des ausgetrockneten Aralsees; der intakte Amazonas-Dschungel vor 26 Jahren und – von Waldrodungen verwüstet und zerfressen – heute; ein Alpengletscher 1949 – und vollkommen abgeschmolzen 2003; das Manhattan von heute und – als Zukunftsprojektion – nach einem erheblichen Anstieg des Meeresspiegels. Grafiken verdeutlichen den explosionsartigen Anstieg der Erdbevölkerung und parallel dazu der Temperaturen, der ausgerotteten Tierarten, der Wirbelstürme und der durch Umweltschäden verursachten wirtschaftlichen Schäden. Neben Kurzanalysen, griffigen Slogans und Zitaten, neben Tabellen und Grafiken erzählt Al Gore auch von seinem persönlichen Lebensweg und verleiht dem Kampf gegen den globalen Wahnsinn damit ein menschliches Gesicht.


Gore lässt seine Leser nicht in Mutlosigkeit versinken. Er appelliert an die moralische Kraft einer Nation, die den Weltfaschismus besiegt und den Weltraum erobert hat, die als erstes Land ein Gemeinwesen auf den Prinzipien der Menschenwürde, der Freiheit und des Rechts auf Glück errichtet hat. Auch die gegenwärtige ökologische Krise kann mit vereinten Kräften gemeistert werden. Was der Einzelne dazu beitragen kann, zeigt der Autor im Anhang des Buchs – von Energiespartipps bis zum wahrhaft revolutionären Appell „konsumiere weniger!“


Al Gore verkörpert in einer Zeit, in der Berichte über Folterungen, Angriffskriege und vertuschte Öko-Katastrophen das Erscheinungsbild der USA verdüstern, für viele Menschen die Hoffnung auf ein besseres Amerika: ökologisch bewusst, selbstkritisch und jenseits von Machtinteressen aufrichtig um das Schicksal der Menschheit besorgt. Die gegenwärtige Krise betrachtet Gore als „Gelegenheit zu wachsen“. Er beklagt den globalen Hunger, die Refeudalisierung der Welt, die Erosion der Demokratie in den USA, und er fordert eine „moralische und spirituelle Umwälzung.“ Ein machtvoller, verstörender und zugleich stimulierender Appell von einem der bedeutendsten amerikanischen Politiker der letzten 20 Jahre.


Al Gore war acht Jahre unter Bill Clinton Vizepräsident der USA. 2000 verlor er nur knapp und unter bis heute umstrittenen Umständen die Präsidentschaftswahlen gegen George W. Bush. Er ist als Direktor und Berater u. a. tätig für Google, Apple Computer, f

Einleitung Manche Erfahrungen sind so intensiv, dass es uns vorkommt, als wäre die Zeit stehen geblieben. Solche Erfahrungen lassen uns nie mehr los. Sie bleiben auch dann lebendig, wenn die Zeit längst weiterläuft und unser Leben wieder seinen gewohnten Gang nimmt. Vor siebzehn Jahren wurde mein Jüngster bei einem Unfall so schwer verletzt, dass er fast gestorben wäre – eine Geschichte, die ich nicht zum ersten Mal erzähle, die ich aber immer wieder aus neuen Blickwinkeln betrachte. Dasselbe gilt für die Geschichte, die ich seit vielen Jahren über unsere Umwelt zu erzählen versuche. Ich habe damals mit meinem ersten Buch begonnen, Wege zum Gleichgewicht. Durch den Unfall meines Sohnes wurde der Rhythmus meiner Stunden und Tage abrupt unterbrochen, und ich begann über vieles nachzudenken, vor allem über meine Prioritäten. Mein Sohn ist zum Glück längst wieder ganz gesund. Aber für mich standen nach dieser traumatischen Erfahrung zwei Dinge fest: Ich schwor mir, künftig das Wohl meiner Familie immer obenan zu stellen und den Klimawandel zum zentralen Thema meiner Politik zu machen. Leider ist in den Jahren, die seither vergangen sind, die Zeit nicht stehen geblieben. Die Geschwindigkeit der weltweiten Umweltzerstörung ist noch gestiegen, und es besteht dringenderer Handlungsbedarf denn je. Die Ursachen der Klimaerwärmung sind nach wie vor dieselben. Das Zusammenspiel mehrerer Faktoren hat dazu geführt, dass sich das Verhältnis der zivilisierten Menschheit zur Erde grundlegend gewandelt hat. Zu diesen Faktoren gehören die Bevölkerungsexplosion, die technologische Revolution und unsere Weigerung, auch an die langfristigen Folgen unseres Handelns zu denken. Tatsache ist, dass wir enormen Druck auf das ökologische System dieses Planeten ausüben und dass die Schwachstellen bereits nachgeben. Im Lauf der Jahre habe ich viel über diese Zusammenhänge gelernt. Ich habe die Bücher von weltweit führenden Wissenschaftlern gelesen und aufmerksam zur Kenntnis genommen, dass sie immer schärfere Warnungen ausgesprochen haben. Ich habe mit wachsender Sorge beobachtet, dass die Krise sich schneller zuspitzt als erwartet. Überall auf der Welt – zu Wasser und zu Land, wenn Eis schmilzt oder Schnee ausbleibt, in Hitzewellen oder Dürren, im Angesicht von Orkanen und in den Tränen der Flüchtlinge – häufen sich eindeutige Beweise, dass die Zyklen der Natur sich grundlegend verändern. Mir ist klar geworden, dass es außer dem Tod noch eine unbestreitbare Tatsache gibt: die vom Menschen verursachte Klimaerwärmung existiert nicht nur, sie nimmt mit so hoher Geschwindigkeit zu, dass sie zu einer Bedrohung globalen Ausmaßes geworden ist. Manches von dem, was ich im Lauf der letzten 14 Jahre gelernt habe, hat auch mit Veränderungen meiner eigenen Lebensumstände zu tun. Seit 1992 ist in meinem Leben viel passiert. Unsere Kinder sind mittlerweile erwachsen, und die beiden älteren Töchter haben geheiratet. Tipper und ich sind Großeltern geworden. Meine Eltern und Tippers Mutter sind gestorben. Und keine zwölf Monate nach dem Erscheinen von Wege zum Gleichgewicht bin ich in das Amt des Vizepräsidenten der USA gewählt worden, das ich acht Jahre lang ausfüllen sollte. In der Regierung Clinton-Gore bot sich mir die Gelegenheit, eine ehrgeizige politische Agenda zu verfolgen, mit der wir auf die Klimakrise reagiert haben. Damals musste ich erleben, dass der Kongress den von uns eingebrachten Vorschlägen erbitterten Widerstand entgegensetzte. Ich habe zahllose Veranstaltungen organisiert, um den öffentlichen Druck auf den Kongress zu erhöhen. Dabei habe ich viel darüber gelernt, wie sehr sich der demokratische Diskurs in Amerika in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Heute entscheidet in erster Linie der Unterhaltungswert darüber, ob etwas in den Nachrichten landet. Meinungen, die vom allgemeinen Trend abweichen, werden nicht veröffentlicht. Im Jahr 1997 habe ich bei den Verhandlungen in Kyoto dazu beigetragen, dass die Welt sich in einem bahnbrechenden Vertrag darauf verständigt hat, den Ausstoß klimaschädigender Gase zu kontrollieren. In Washington stand ich dann vor der nahezu unlösbaren Aufgabe, die Zustimmung des Senats zu bekommen. Im Jahr 2000 war ich Präsidentschaftskandidat. Es war ein langer, heftiger Wahlkampf, der dadurch entschieden wurde, dass der Oberste Gerichtshof mit 5 zu 4 Stimmen beschloss, das Auszählen der Stimmen in Florida zu beenden. Ich musste mit ansehen, wie George W. Bush als Präsident vereidigt wurde. In der ersten Woche nach seinem Amtsantritt brach Präsident Bush sein Wahlversprechen, den CO2-Ausstoß zu begrenzen. Mit diesem Versprechen hatte er viele Wähler davon überzeugt, er mache sich ernsthaft Sorgen um unsere Umwelt. Nach der Wahl wurde schnell deutlich, dass die Regierung Bush-Cheney fest entschlossen war, alles zu blockieren, womit der Ausstoß klimaschädigender Gase verringert werden könnte. Sie weichten bestehende Gesetze und Verordnungen auf oder schafften sie nach Möglichkeit ganz ab. Bush verkündete, nach Auffassung des Präsidenten sei die Erderwärmung in keinster Weise ein Problem. Damals musste ich mich entscheiden, was ich mit meinem Leben nun anfangen sollte. Es war keine leichte Zeit, aber es war eine Chance, neu anzufangen. Ich gab Lehrveranstaltungen an zwei Colleges in Tennessee und schrieb zusammen mit Tipper zwei Bücher über Familien in Amerika. Wir zogen nach Nashville und kauften ein Haus, das weniger als eine Autostunde von unserer Farm in Carthage entfernt lag. Ich stieg ins Geschäftsleben ein, wurde Berater zweier großer Hightech-Firmen und gründete im Lauf der Jahre zwei eigene Unternehmen. Heute schätze ich mich glücklich, weil ich meinen Lebensunterhalt verdienen und gleichzeitig ein wenig dazu beitragen kann, dass die Welt sich in die richtige Richtung entwickelt. Gemeinsam mit Joel Hyatt habe ich Current TV gegründet, einen Kabel- und Satellitensender, der ein geradezu revolutionäres Konzept hat: Die Sendungen werden von den Zuschauern selbst gemacht, die dadurch direkt am demokratischen Prozess teilnehmen. Außerdem haben David Blood und ich mit Generation Investment Management eine Firma gegründet, die beweisen soll, dass sich Umweltschutz und Nachhaltigkeit mit lukrativen Geldanlagen vereinbaren lassen. Wir bieten unseren Kunden attraktive Gewinne und schaffen gleichzeitig Anreize für Unternehmen, nachhaltig zu wirtschaften. Die letzten Jahre haben mir gezeigt, dass es neben dem politischen Amt auch noch andere, sehr erfüllende Wege gibt, dem Gemeinwohl zu dienen. Mein Interesse an Bedrohungen unserer Umwelt wurde schon in meiner Kindheit auf unserer Farm geweckt, wo mein Vater mir beibrachte, unser Land zu pflegen. Ich bin halb in der Stadt und halb auf dem Land aufgewachsen. Die Zeit auf unserer Farm habe ich immer besonders genossen. Doch nachdem Professor Roger Revelle mir am College die Gefahr der Erderwärmung vermittelt hat, wollte ich stets besser verstehen, wie sich unser Handeln auf die Natur auswirkt. In den Jahren der Regierung Clinton-Gore haben wir für den Umweltschutz viel erreicht, doch nach dem Regierungswechsel habe ich mit wachsender Besorgnis verfolgt, wie aus unseren Fortschritten Rückschritte wurden. Nach der Wahl im Jahr 2000 habe ich wieder meinen Diavortrag über die Erderwärmung gehalten. Ich habe ihn erstmals zusammengestellt, während ich Wege zum Gleichgewicht geschrieben habe, und ihn im Lauf der Zeit immer weiter verbessert. Mittlerweile sind die meisten Zuhörer nach dem Vortrag überzeugt, dass die globale Erderwärmung vom Menschen verursacht ist und dass es fatale Folgen haben könnte, wenn wir nicht schnell genug handeln. Seit sechs Jahren reise ich nun um die Welt und teile mein Wissen mit jedem, der bereit ist, mir zuzuhören. Allmählich stellte sich das Gefühl ein, dass ich ein Umdenken bewirken kann. Im Frühling 2005 kamen nach einem Vortrag in Los Angeles einige Leute auf mich zu und schlugen mir vor, einen Film über die Erderwärmung zu drehen. Die Umweltaktivistin Laurie David und der Filmproduzent Lawrence Bender baten mich um ein Treffen und machten mich mit dem hochbegabten Filmveteranen Davis Guggenheim bekannt und mit Jeff Skoll, dem Gründer und Geschäftsführer von Participant Productions. Skoll bot an, den Film zu finanzieren, und Davis wollte die Regie übernehmen. Später stießen Scott Burns und Lesley Chilcott zum Produktionsteam. Chilcott wurde Koproduzent und legendärer »Kuhtreiber«. Meine größte Sorge war, dass in dem Film die Wissenschaft der Unterhaltung geopfert werden könnte. Aber je mehr ich mit diesen außergewöhnlichen Menschen redete und ihr Engagement für gemeinsame Ziele spürte, desto mehr war ich von dem Filmprojekt überzeugt. Mit einem Film konnte ich sehr schnell möglichst viele Leute erreichen, anstatt nur einige Hundert pro Vortrag. Das Ergebnis hat mich restlos überzeugt. Der Film trägt ebenfalls den Titel Eine unbequeme Wahrheit. Die Idee zum Buch war jedoch schon älter und kam von Tipper. Übrigens geht alles, was Tipper und ich an Buch und Film verdienen, an eine gemeinnützige, parteiübergreifende Initiative, die in den Vereinigten Staaten für entschlossene Maßnahmen gegen die Erderwärmung wirbt. Wir möchten mit diesem Buch möglichst viele Leser ansprechen. Ich möchte allen, die das Buch lesen oder den Film sehen, die Einsicht vermitteln, dass die Erderwärmung nicht nur ein wissenschaftliches oder politisches, sondern vielmehr ein moralisches Problem ist. Zwar hat die Politik bei der Lösung dieses Problems eine entscheidende Rolle, aber angesichts dieser Herausforderung sollten wir in allen Nationen die Interessen der Parteien hintanstellen. In diesem Buch wird deutlich, dass ich meine Leidenschaft für die Erde und meine tiefe Sorge um ihr Schicksal mit meinen Lesern teilen möchte. Wenn man alle Fakten kennt, ist es unmöglich, das eine ohne das andere zu empfinden. Diese Herausforderung ist jedoch nicht nur ein Grund zur Besorgnis, sondern paradoxerweise auch ein Anlass zur Hoffnung. Das chinesische Schriftzeichen für »Krise« besteht aus zwei Zeichen, die »Gefahr« und »Chance« bedeuten. Die Klimakrise ist eine große Gefahr. Sie ist eine Bedrohung globalen Ausmaßes. Zweitausend Wissenschaftler aus einhundert Staaten haben über zwanzig Jahre lang am aufwändigsten und bestorganisierten wissenschaftlichen Projekt aller Zeiten gearbeitet. Heute sind sie sich darüber einig, dass gegen die Erderwärmung nur etwas getan werden kann, wenn alle Nationen zusammenarbeiten. Es ist absehbar, dass es auf unserer Erde zu schrecklichen Katastrophen kommen wird, wenn wir nichts gegen die Ursachen der Klimaerwärmung unternehmen. Zum Beispiel werden im Atlantik und im Pazifik Stürme wie der Hurrikan Katrina an Häufigkeit und Stärke zunehmen. Wir schmelzen die Eiskappe am Nordpol und praktisch alle Gletscher der Erde. Wir destabilisieren die enormen Eismassen auf Grönland und die gewaltigen Eisdecken der Inseln in der westlichen Antarktis. Dadurch droht ein Anstieg des Meeresspiegels um bis zu sechs Meter. Von der Erderwärmung ist auch das seit Jahrtausenden stabile System der Luft- und Meeresströmungen bedroht. Wir blasen soviel Kohlendioxid in die Erdatmosphäre, dass wir buchstäblich das Verhältnis von Sonne und Erde verändert haben. Ein Teil dieses CO2 wird von den Ozeanen absorbiert. Wenn wir weitermachen wie bisher, wird der Gehalt von Calciumcarbonat in den Meeren so stark ansteigen, dass Korallen nicht mehr lebensfähig sind und Meerestiere keine Panzer und Schalen mehr bilden können. Die Klimaerwärmung und das Abholzen oder die Brandrodung von Wäldern und anderen Lebensräumen verursachen einen Artenschwund, der ähnlich dramatisch ist wie nach dem Ereignis, das vor 65 Millionen Jahren zum Aussterben der Dinosaurier führte. Man nimmt an, dass damals ein Meteoriteneinschlag die Ursache des Klimawandels war. Diesmal ist es jedoch kein Asteroid, der das Gleichgewicht auf der Erde durcheinanderbringt. Diesmal sind wir es. 2005 trafen sich Vertreter der Akademien der Wissenschaften aus den elf einflussreichsten Staaten der Erde. Gemeinsam riefen sie alle Nationen dazu auf, »anzuerkennen, dass die Bedrohung durch den Klimawandel real ist und zunimmt«. Weiter hieß es in der Erklärung: »Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Veränderungen des Klimas sind heute so eindeutig, dass das entschlossene Handeln aller Nationen gefordert ist.« Die Botschaft ist unmissverständlich: »Achtung, Lebensgefahr!« Warum schlägt unsere Regierung eine derart eindeutige Warnung in den Wind? Liegt es nur daran, dass sie diese unbequeme Wahrheit nicht gerne hört? Es mag leichter erscheinen, solche Wahrheiten einfach zu ignorieren. Doch wir wissen aus leidvoller Erfahrung, dass die Konsequenzen dieses Verhaltens verheerend sein können. Beispielsweise wurden die Warnungen lange ignoriert, dass bei einem Hurrikan die Deiche in New Orleans brechen könnten. Der Bericht einer Gruppe von Kongressabgeordneten unter Vorsitz von Tom Davis kam nach dem Hurrikan Katrina zu dem Schluss: »Trotz der ungeheuren Menge an Informationen, die dem Weißen Haus zur Verfügung standen, wurde es versäumt, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.« Die Deiche brachen, New Orleans versank in den Fluten. Heute hören und sehen wir unheilvolle Warnungen vor der möglicherweise schlimmsten Katastrophe in der Geschichte der Menschheit: einer weltweiten Klimakrise, die sich immer mehr verschärft und alle bisher bekannten Gefahren übertrifft. Und doch treffen auch diese deutlichen Warnungen beim US-Präsidenten und im Kongress auf einen unglaublichen Mangel an Einsicht für die Lage. Die Klimaerwärmung birgt jedoch nicht nur Gefahren, sondern auch unerwartete Chancen. Zum einen werden in verschiedenen Bereichen Arbeitsplätze entstehen und Investitionen profitabel werden. Wir können erneuerbare Energiequellen wie Sonne und Wind nutzen. Wir können die Energieverschwendung beenden. Wir können die reichen Kohlevorkommen unseres Planeten nutzen, ohne die Atmosphäre aufzuheizen. Die Zauderer wollen uns einreden, dass das sehr viel Geld kosten wird. Dabei haben in den letzten Jahren viele Firmen ihren Ausstoß von klimaschädigenden Gasen reduziert und gleichzeitig Geld gespart. Einige der weltgrößten Unternehmen arbeiten fieberhaft daran, die enormen wirtschaftlichen Möglichkeiten zu nutzen, die sich in Zukunft durch saubere Energie ergeben werden. Aber wenn wir das Richtige tun, dann gibt es noch etwas Wertvolleres zu gewinnen. Durch die Klimakrise haben wir die Chance, etwas zu erleben, was nur ganz wenige Generationen im Lauf der Geschichte erleben durften: eine Mission von großer Tragweite; das Hochgefühl eines zwingenden moralischen Ziels; eine verbindende gemeinsame Sache; die aufregende Erfahrung, dass wir durch die Umstände gezwungen werden, die kleinlichen Konflikte beiseitezuschieben, die so oft das Streben des Menschen behindern, die eigenen Grenzen zu überwinden. Kurz gesagt, wir können an dieser Aufgabe wachsen. Wenn wir diese Chance ergreifen, wird das sehr erfüllend sein und uns alle miteinander verbinden. Wer heute in Zynismus und Verzweiflung dahinlebt, wird wieder frei atmen können. Wer keinen Sinn im Leben sieht, wird Hoffnung fassen. Wir werden erkennen, dass es bei dieser Krise nicht um Politik geht, sondern um eine moralische und spirituelle Herausforderung. Das Überleben unserer Zivilisation und die Bewohnbarkeit der Erde stehen auf dem Spiel. Was wir dabei über uns selbst lernen werden, wird uns die moralische Kraft geben, gangbare Lösungen für andere, verwandte Probleme zu finden, die wir gleichfalls als moralische Herausforderungen begreifen müssen: AIDS und andere Pandemien, denen Unzählige zum Opfer fallen; die Armut auf der Welt; die weltweite Umverteilung von den Armen zu den Reichen; den Völkermord in Darfur; die Hungersnöte in Nigeria und anderswo; Bürgerkriege, die immer wieder aufflackern; die Überfischung der Weltmeere; zerfallende Familien; Gemeinschaften, in denen die Menschen verstummen; die Erosion der Demokratie in Amerika und die Refeudalisierung der öffentlichen Diskussion. Denken Sie daran, was in der Krise des weltweiten Faschismus geschehen ist. Zu Beginn war auch die Wahrheit über Hitler unbequem. Viele im Westen hofften, dass die Gefahr vorüber gehen würde. Sie schlugen eindeutige Warnungen in den Wind, arrangierten sich mit dem Unrecht, warteten ab und steckten die Köpfe in den Sand. Nach dem Münchner Abkommen sagte Churchill: »Das ist nur der erste Schluck, ein erster Vorgeschmack auf den bitteren Kelch, den man uns jedes Jahr aufs Neue reichen wird – es sei denn, wir besinnen uns unserer moralischen und kriegerischen Stärke, stehen auf und kämpfen für die Freiheit.« Aber als England und später Amerika schließlich aufstanden und sich mit ihren Verbündeten der Bedrohung entgegenstellten, gewannen sie gemeinsam zwei Kriege in Europa und im Pazifik. Am Ende dieses schrecklichen Krieges hatten wir die moralische Einsicht und Weitsicht, den Marshallplan umzusetzen – und konnten die Steuerzahler der USA davon überzeugen, für die Kosten aufzukommen! Wir handelten überlegt und weise, als wir den Wiederaufbau und die Erneuerung Europas und Japans unterstützten und damit den Grundstein für fünfzig Jahre Frieden und Wohlstand legten. Auch jetzt stehen wir moralisch an einem Scheideweg. Es geht darum, wer wir als Menschen eigentlich sind. Wir müssen unsere Grenzen überwinden und beweisen, dass wir den Herausforderungen gewachsen sind. Wir müssen mit offenen Augen und offenen Herzen erkennen, was zu tun ist. Dies ist eine moralische, ethische und spirituelle Herausforderung. Wir sollten diese Herausforderung nicht fürchten, sondern begrüßen. Mit den Worten von Martin Luther King: »Die Zukunft beginnt heute.« Vor 17 Jahren wurde mir durch den Unfall meines Jüngsten klar, wie wichtig unser Verhältnis zu unseren Kindern ist. Seitdem nehme ich meine Verantwortung sehr ernst, für ihre Zukunft Sorge zu tragen und die Erde zu schützen, die wir ihnen hinterlassen. Versetzen Sie sich mit Hilfe Ihrer Phantasie 17 Jahre in die Zukunft und führen Sie ein kurzes Zwiegespräch mit Ihren Kindern und Enkelkindern, die im Jahr 2023 leben. Werden sie verbittert sein, weil wir unserer Verpflichtung nicht nachgekommen sind, die Erde zu erhalten, die ihre Heimat ebenso ist wie die unsere? Stellen Sie sich jetzt vor, dass sie uns fragen: »Was habt Ihr Euch eigentlich dabei gedacht? War Euch unsere Zukunft egal? Wart Ihr wirklich so mit Euch selbst beschäftigt, dass Ihr die Umweltzerstörung nicht aufhalten konntet oder wolltet?« Was würden wir antworten?

Reihe/Serie Riemann
Übersetzer Richard Barth, Thomas Pfeiffer
Zusatzinfo durchgehend 4-farbig
Sprache deutsch
Maße 190 x 228 mm
Gewicht 1016 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Naturwissenschaften Geowissenschaften Meteorologie / Klimatologie
Schlagworte Klimawandel • Klimawandel / Klimaveränderung
ISBN-10 3-570-50078-0 / 3570500780
ISBN-13 978-3-570-50078-1 / 9783570500781
Zustand Neuware
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