Ab ins All! (eBook)
256 Seiten
Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG
9783440510063 (ISBN)
9. PLANETEN TERRAFORMEN
In Science-Fiction-Geschichten sieht es oft super einfach aus: Auf einem unbekannten Planeten einfach ohne Raumanzug landen und nicht direkt draufgehen? Gefühlt immer möglich. Das passiert so sehr nebenbei, dass es uns nicht mal auffällt. Die Realität sieht leider anders aus. In unserem Sonnensystem ist die Erde der einzige Planet, auf dem wir ohne Hilfsmittel existieren können. Mit anderen Worten: Ohne Raumanzug, der Temperatur, Druck und Sauerstoffzufuhr reguliert, können wir nirgendwo hinreisen. Das ist okay für kurze Ausflüge – für eine dauerhafte Siedlung allerdings eher umständlich.
Was wäre also, wenn wir einen Planeten, auf dem wir gerade nicht leben können, einfach umgestalten? Können wir einen Planeten so verändern, dass er wie eine zweite Erde wird? Eine zweite Erde mit Luft, die wir atmen können, mit angenehmen Temperaturen und einem Luftdruck, der nicht so niedrig ist, dass er unser Blut zum Kochen bringt, und nicht so hoch, dass er uns zerdrückt?
Der Fachbegriff dafür ist Terraforming. Terra heißt Erde auf Latein. Und Terra hat nichts mit Tera-, der Vorsilbe für das Billionenfache einer Einheit (wie beispielsweise Terabyte) zu tun. Das Tera mit einem R kommt aus dem Griechischen und bedeutet „etwas ungewöhnlich Großes“. Einen Planeten terraformen ist natürlich auch etwas ungewöhnlich Großes … aber genug sprachlicher Feinheiten.
Mars terraformen
Ja, es gibt wissenschaftliche Überlegungen zum Terraforming. Ob das klappen kann oder nicht, hängt natürlich von unseren technischen Möglichkeiten, dem Planeten, den wir terraformen möchten, und auch dessen Ausgangsbedingungen ab. Auch wenn die Auswahl an Planeten im Universum riesig – man könnte auch sagen: „etwas ungewöhnlich Großes“ – ist, konzentrieren wir uns beim Gedanken ans Terraforming vor allem auf den Mars. Was auch sinnvoll ist, denn der Mars ist nah dran und wir kennen ihn einigermaßen gut. Sprich: Wir wissen, welche Ausgangsbedingungen dort herrschen. Und der Mars wird der erste fremde Planet sein, den Menschen bereisen werden. Zu den Ausgangsbedingungen: Der Mars ist für uns zu kalt, die Atmosphäre dort zu dünn und Sauerstoff, flüssiges Wasser und ein Magnetfeld fehlen. Das sind die Dinge, die wir ändern müssten.
© Kevin M. Gill
So könnte ein geterraformter Mars aussehen – irgendwann mal. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
Zum Glück wissen wir, wie man eine Atmosphäre aufwärmt. Dafür brauchen wir Treibhausgase. Planeten bekommen ihre Energie von der Sonne. Sie absorbieren Sonnenstrahlen und strahlen dann Hitze zurück in den Weltraum. Wenn sich jetzt Treibhausgase in der Atmosphäre befinden, absorbieren sie einen Teil der Wärme und strahlen ihn dann wieder aus. Und zwar in alle Richtungen. Das heißt, ein Teil der Wärme wird wieder zur Oberfläche gesendet. Ohne den natürlichen Treibhauseffekt hätte unsere Erde statt 15 Grad Celsius nur eine Durchschnittstemperatur von –19 Grad Celsius. Und wir Menschen wären wohl nicht da. Einen heftigeren Treibhauseffekt gibt es auf der Venus. Da liegt die Durchschnittstemperatur bei 475 Grad Celsius. Ohne Treibhauseffekt wären es etwa –47 Grad Celsius. Ein deutlich krasserer Unterschied als bei der Erde.
Treibhausgase sind zum Beispiel Wasserdampf, Kohlendioxid, Methan und Stickoxide (wie Lachgas). Und die müssen irgendwie in die Marsatmosphäre. Die Marsatmosphäre besteht übrigens zum größten Teil aus Kohlendioxid. Allerdings beträgt der Atmosphärendruck weniger als ein Prozent des Luftdrucks auf der Erde. Bedeutet: Wir brauchen mehr davon für einen Treibhauseffekt auf dem Mars.
Wie viel mehr und ob die Idee umsetzbar ist, wollte auch die NASA wissen. Deswegen finanzierte sie eine Studie, die genau das herausfinden sollte. Die Studie wurde 2018 veröffentlicht.
Der Mars beherbergt noch mehr Kohlendioxid als nur das in der Atmosphäre – zum Beispiel an den Polkappen und im Boden. Das Ziel ist eine Atmosphäre, in der Wasser flüssig sein kann. Die Forschenden schätzen, dass der Kohlendioxiddruck auf dem Mars dafür etwa so hoch sein müsste wie der Luftdruck auf der Erde. Nur nochmal zur Erinnerung: Der Druck auf dem Mars beträgt rund 0,6 Prozent des Drucks hier auf der Erde. Ist also superduper gering. Wir brauchen eine Menge Kohlendioxid, um den Druck auf dem Mars so stark anzuheben.
Am einfachsten käme man an das Kohlendioxid in den Polkappen heran – das müssten wir verdampfen. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wir nutzen Sprengstoff oder wir verteilen Staub auf den Polkappen, damit sie mehr Sonnenstrahlung absorbieren und sich so aufwärmen. Allerdings hilft uns das nur bedingt bei unserem Ziel, eine Kohlendioxidatmosphäre mit einem Druck wie auf der Erde zu produzieren. Wenn wir die Polkappen verdampfen, dann haben wir laut der NASA-finanzierten Studie trotzdem nur einen Atmosphärendruck von 1,2 Prozent des Luftdrucks auf der Erde. Wir haben den Druck auf dem Mars also nur verdoppelt, obwohl wir ihn eigentlich ver-167-fachen müssten.
Noch mehr Kohlendioxid finden wir gebunden an Staubteilchen im Marsboden. Wenn wir den Boden erhitzen, könnten wir das Kohlendioxid verdampfen und so aus dem Staub lösen. Das bringt uns schätzungsweise nochmal zusätzlich vier Prozent des Drucks, den wir brauchen.
Laut der Studie von 2018 können wir mit der heute verfügbaren Technik keinen ausreichenden Treibhauseffekt auf dem Mars provozieren und den Planeten so terraformen. Die Betonung liegt auf „mit der heute verfügbaren Technik“.
Denn eine dritte Kohlendioxidquelle liegt eingeschlossen in Mineralien, also im Gestein. Das müssten wir mit einer Art Tagebau auf dem Mars abbauen. Und auf genau diese Schwierigkeit beziehen sich die Forschenden, wenn sie sagen, dass die aktuelle Technik das Terraforming beim Mars einschränkt. Denn möglicherweise gibt es genug kohlenstoffhaltige Mineralien tief in der Marskruste. Da heran zu kommen, ist allerdings sehr energieintensiv und deswegen noch unrealistisch.
Wenn wir das abbauen, was laut der Studie in den Polkappen, im Marsboden und in den Mineralvorkommen gut erreichbar ist, dann haben wir insgesamt – Trommelwirbel – 6,9 Prozent unseres benötigten Kohlendioxidatmosphärendrucks auf dem Mars. Und na ja … 6,9 Prozent sind nicht mal ansatzweise genug. Deswegen ist das erstmal ein Nein zum Terraforming auf dem Mars. Es muss allerdings kein Nein für immer sein. Sprich: Wenn wir das machen wollen, dann brauchen wir bessere Methoden für einen energieeffizienten Tagebau auf dem Mars.
Kurze Randnotiz dazu: Wir sprechen übrigens davon, den ganzen Planeten aufzubuddeln und Kohlendioxid aus dem Boden zu holen. Erstmal geht es hier darum, dass es theoretisch gehen könnte. Es ist natürlich nochmal eine ganz andere Frage, ob das sinnvoll ist oder nicht – auch im Hinblick darauf, den Mars und seine Geschichte zu erforschen. Gehen wir aber mal davon aus, dass es keine ethischen Bedenken gibt. Dann können wir unser Gedankenspiel weiterspielen.
Weltraumlupe
Mit aktueller Technik geht es also nicht. Was bräuchten wir denn, um den Mars für uns bewohnbar zu machen? Ein Wissenschaftler, der sich dazu Gedanken gemacht hat, ist der Brite Paul Birch. 1992 – da war ich noch nicht mal geboren – veröffentlichte er im Journal of The British Interplanetary Society einen Artikel mit dem Titel „Terraforming Mars Quickly“, also „Den Mars schnell terraformen“. „Schnell“ bedeutet für ihn in einem Zeitraum von 70 Jahren. 2010 hätte die Forschung und Planung dazu starten sollen und 2020 dann das Terraformen. Wie wir alle gemerkt haben, ist sein Plan bislang nicht umgesetzt worden. Denn ansonsten würde der Mars gerade aus dem All mit hoch konzentrierter Sonnenenergie bestrahlt werden.
Birch schlägt nämlich – ähnlich wie die NASA-finanzierte Studie – vor, Gase aus dem Marsboden zu lösen. Seine Methode ist allerdings eine andere. Eine sogenannte Soletta aus Spiegeln und Linsen soll 100.000 Kilometer vom Mars entfernt im Weltraum platziert werden, das Sonnenlicht verstärken und konzentriert auf den Mars lenken. So wie man mit einer Lupe in der Sonne Papier zum Brennen bringen kann, kann die Soletta dann den Marsboden verdampfen und so die Gase aus der Oberfläche lösen. Wir können also sagen: Zum Terraformen brauchen wir eine riesige Weltraumlupe.
Die Temperaturen, die erreicht werden müssen, um den Marsboden zu verdampfen, sind übrigens enorm. Das müssen um die 4000 Grad Celsius sein. Laut Birchs Plan sollen jedes Jahr 80.000 Kubikkilometer Marsboden verdampft werden. Dann wären wir nach 50 Jahren Bestrahlung durch die Soletta fertig und hätten eine Atmosphäre, die wir atmen könnten, die einen akzeptablen Druck hat und warm genug ist.
80.000 Kubikkilometer sind übrigens das Volumen, das man freischaufelt, wenn man auf der Fläche von ganz Deutschland circa 224 Meter tief gräbt. So viel Boden müsste auf dem Mars jedes Jahr verdampft werden. Klar, wir müssen nicht jedes Jahr die Fläche von Deutschland wegpusten, sondern können auch eine kleinere Fläche tiefer aushüllen. Auf der Fläche von Schleswig-Holstein müssten wir fünf Kilometer tief gehen, dann hätten wir auch 80.000 Kubikkilometer.
Wenn wir den Boden verdampft haben,...
| Erscheint lt. Verlag | 18.11.2024 |
|---|---|
| Illustrationen | Yalini Sivalingam |
| Verlagsort | Stuttgart |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Natur / Technik ► Weltraum / Astronomie |
| Naturwissenschaften ► Physik / Astronomie ► Astronomie / Astrophysik | |
| Schlagworte | Astronomie • Astronomie Anfänger • Astronomie Comic • Astronomie Einsteiger • Aufbruch ins All • Einstein • Hawking • Planeten • Raumfahrer • Raumfahrt • Raumschiff • Schwarzes Loch • Universum • Weltall |
| ISBN-13 | 9783440510063 / 9783440510063 |
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