Der Morgenrötemensch
Angelika Lenz Verlag
9783933037442 (ISBN)
Wie zutiefst ungerecht und für unser aller Wohlergehen gefährlich derartige Haltungen sind, soll hier nicht weiter dargelegt werden. Nur an eine Tatsache sei erinnert, die zwar jeder kennt, die aber immer wieder mit geradezu unglaublicher Blasiertheit ignoriert wird: Unsere gesamte Zivilisation, unser heutiger Wohlstand beruhen letztlich auf den Leistungen der Naturwissenschaften, der Physik, der Chemie, der Geo-logie und immer mehr auch der Biologie, sowie deren Ausnutzung durch Technik, Landwirtschaft und Medizin. Natürlich ist unsere jetzige Lebensqualität das Werk aller Arbeitenden vieler Generationen. Aber deren Mühen wären nicht annähernd so erfolgreich gewesen, wie sie es tatsächlich waren, hätten Naturwissenschaftler und Techniker nicht immer wieder neue Wege gefunden, um aufgewendete Arbeit produktiver werden zu lassen und sie zu vorher nicht erhofften Ergebnissen zu führen. Kaum jemand möchte auf die Annehmlichkeiten des Lebens im heutigen Europa verzichten. Sogar die wenigen Abenteurer, die in die letzten verbliebenen Überreste unberührter Natur flüchten, um der von der Wissenschaft geprägten Zivilisation zu entfliehen, halten es dort in der Regel auf Dauer nicht aus, sondern kehren früher oder später wieder in ihre vertraute Umwelt zurück. Europäer betrachten es oft als Opfer, müssen sie einige Jahre ihres Berufslebens in einem Entwicklungsland verbringen. In vergangenen Jahrhunderten versuchten die Auswanderer, soviel wie möglich von ihrer Zivilisation nach Übersee mitzunehmen. Heute nutzen immer mehr Bewohner wissenschaftlich und technisch unterentwickelter Länder jede sich bietende Gelegenheit, in fortgeschrittenere auszuwandern, um an deren Vorzügen teilzuhaben, und das oft bedrückende Leben in ihrer Heimat hinter sich zu lassen.
Schließlich verdanken wir der Wissenschaft die nicht unwesentliche Tatsache, dass wir immer länger leben. Und dies zeigt ja wohl unwiderlegbar, dass sich unsere Lebensläufe in irgendeiner Weise angenehmer oder doch zumindest weniger beschwerlich gestalten als diejenigen der Menschen früherer Zeiten, als die Naturwissenschaften noch wenig entwickelt waren.
Natürlich kann man das alles als selbstverständlich hinnehmen. Aber wäre es nicht sinnvoller, uns unsere verbesserte Lebenslage gelegentlich zu vergegenwärtigen und uns darüber zu freuen, statt nur über die unvermeidlichen mit ihr verbundenen Nachteile zu mäkeln und vielleicht dem Berufsstand, der diese Fortschritte in erster Linie ermöglichte, statt Misstrauen und Skepsis ein ganz klein wenig Respekt entgegenzubringen?
Dass wir der Wissenschaft unendlich viel verdanken, ist die große wesentliche Wahrheit, aber es ist natürlich nicht die ganze Wahrheit. Zur ganzen Wahrheit gehört eben auch, dass sich unter den Naturwissenschaftlern zwar überdurchschnittlich viele in der einen oder anderen Weise ungewöhnlich begabte Menschen finden, dass sie sich aber ansonsten kaum vom Durchschnitt unterscheiden oder vielleicht nur dadurch, dass sie oft ein wenig eitler sind. Der einzelne Wissenschaftler kann sich genauso irren und getäuscht werden wie jeder von uns und ist der Versuchung, ihm nicht ins Konzept passende Tatsachen zu ignorieren oder hin und wieder ein wenig zu schummeln, nicht weniger, möglicherweise sogar mehr ausgesetzt als wir. Auch dies prägt den Wissenschaftsbetrieb. Um die Auswirkungen solcher menschlicher Unzulänglichkeiten geht es auf den folgenden Seiten.
Im 19. Jahrhundert herrschte die Überzeugung, die Pathologie sei der Prüfstein der Physiologie, erst durch die Kenntnis des Krankhaften verstünden wir das Normale. Vielleicht erhellen die hier geschilderten Irrtümer und Skandale auch ein wenig den normalen Wissenschaftsalltag und seine Antriebe. Bei allem Unerfreulichen, was sich dabei offenbaren wird, sollten wir aber nie vergessen, dass alle menschlichen Unzulänglichkeiten die Naturwissenschaft nicht daran gehindert haben, auf dem Wege der Lösung der „Welträtsel“ doch eine erhebliche Strecke zurückzulegen.
Auch in der Wissenschaft ist nicht alles Gold was glänzt. Zwar klären sich früher oder später wohl alle Irrtümer einmal auf, aber erstaunlich ist es doch, was oft über Jahrzehnte hinweg auch ernst zu nehmende Fachleute fälschlicherweise akzeptieren. Einige Kostproben hiervon finden sich in diesem Buch. Ist es zu glauben, dass es über 40 Jahre dauern sollte, bis die Anthropologen erkannten, dass der berühmte Schädel von Piltdown aus modernen menschlichen Schädelknochen und einem Affenunterkiefer fabriziert worden war? Musste es wirklich bis nach dem Zweiten Weltkrieg dauern, bis allen Medizinern klar war, dass die bekannten Abwehrfermente, von deren Existenz der Biochemiker Emil Abderhalden die Welt schon 1912 in Kenntnis gesetzt hatte, reiner Humbug waren?
Erich Lange [...] zeichnet Wege nach, wie Wissenschaftler zu biologischen Erkenntnissen gelangten, welche Schwierigkeiten sie zu überwinden hatten und welchen Irrtümern sie dabei unterlagen. Damit korrigiert er so manches vereinfachte Bild von Wissenschaft, macht den manchmal komplizierten und verzweigten Weg wissenschaftlichen erkennens deutlich und konzentriert sich dabei auf Irrwege und unlauteres Arbeiten Einzelner. Beides wird in akzeptabler Weise erklärt, so dass für den Leser eigene Denkwege und die kritische Sicht auf Erkenntnisse befördert werden. Manches aus der Wissenschaft wird entthront, aber dabei nicht niedergemacht.
Erich Lange entwickelt bei seinem "Entmythisieren" gute und nachvollziehbare Argumentationslinien, für die er Erkenntnisse aus den verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen heranzieht und die er mit reichlich Zitaten aus Zeitdokumenten belegt. Was er schreibt ist sowohl aus der Geschichte der Biologie als auch selbst Geschichte, die jedoch ganz anders zu lesen ist als in den einschlägigen Standardwerken und die eine gewisse Spannung aufweist, an manchen Stellen wie ein guter Kriminalroman.
Der Autor [...] geht auch der Frage nach, wieso sich derartige Mythen über Jahrzehnte hinweg halten konnten, welche gesellschaftlichen Hintergründe sie ermöglichten und begünstigten. Er liefert z.B. plausible Erklärungen dafür, welche Umstände die dargestellten Betrügereien und Auseinandersetzungen jenseits von Sachlichkeit und Anstand in der Biologie ermöglichten. Besonders anzuerkennen ist, dass Lange um kein Problem einen Bogen macht und seine eigene Position in seine Darlegungen einbringt. Er stellt sich sogar der in der Biologie lange suspekten Frage "Warum?" und zeigt, dass Antworten darauf nicht unbedingt finalistisch oder teleologisch sein müssen. Er argumentiert nach meiner Auffassung auch treffend, dass Höherentwicklung des Lebendigen eigentlich kein Mythos ist, wohl aber noch heute durch so manchen Wissenschaftler für einen solchen gehalten wird.
[...] Er liefert sehr detaillierte Beschreibungen biologischer Experimente und weist nach, wie schnell Ungenauigkeiten und Fehler beim Experimentieren zu falschen Erkenntnissen führen. Er zeigt, dass Wissenschaftler auch nur Menschen sind, die sich irren können und die genau wie jeder andere der Verlockung von Ruhm und Macht erliegen. [...]
Jeder an Wissenschaft und gesellschaftlicher Entwicklung Interessierte, jeder, der zum selbständigen freien Denken willens ist, kann daraus mannigfaltige Anregungen für eigene Lebensauffassungen und Erkenntnisse gewinnen.
Dr. Dr. Jan Bretschneider
| Erscheint lt. Verlag | 15.7.2004 |
|---|---|
| Verlagsort | Neustadt/Rbge. |
| Sprache | deutsch |
| Maße | 145 x 205 mm |
| Gewicht | 290 g |
| Einbandart | Paperback |
| Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Natur / Technik ► Naturwissenschaft |
| Naturwissenschaften ► Biologie ► Genetik / Molekularbiologie | |
| Naturwissenschaften ► Biologie ► Humanbiologie | |
| Schlagworte | Biologie • Biologie, Ethik, Zeitgeschehen • Ethik • HC/Sachbücher/Natur, Technik/Naturwissenschaft • Zeitgeschehen |
| ISBN-13 | 9783933037442 / 9783933037442 |
| Zustand | Neuware |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
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