Umkämpfte Rohstoffe (eBook)
208 Seiten
Links, Ch (Verlag)
978-3-86284-257-5 (ISBN)
Die Autoren geben einen Überblick zu den wichtigsten Rohstoffen, ihren Hauptförderern und den neuen Technologien bei der Gewinnung. Sie erklären die Mechanismen der Märkte, analysieren die Rolle der Spekulanten und zeigen, wer beim Rohstoffpoker gewinnt und verliert. Abschließend präsentieren sie alternative Nachhaltigkeitsmodelle und unterbreiten Vorschläge für entsprechende politische Regelungen.
1955?2023, Dr. jur., aufgewachsen in Wien, Journalistik-Ausbildung, von 1982 bis 1996 für verschiedene Medien in Zentralamerika tätig, u.a. von 1985 bis 1996 Korrespondent für die taz und zeitweilig auch für die Wochenpost in Ost-Berlin, seit 1996 als freier Journalist und taz-Korrespondent in Wien.
Dr. Dieter Eich: Dipl. Ing., Soziologe, Dr. phil., Tätigkeiten in der Industrie und in verschiedenen Ländern Lateinamerikas im Rahmen der Entwicklungspolitik, zwei Jahrzehnte Geschäftsführer eines bundesweiten Bildungsträgers, Lehrauftrag an der Fachhochschule Aachen, zahlreiche Veröffentlichungen, darunter mit Karl-Ludolf Hübener: "Die strategischen Rohstoffe", Wuppertal 1988 Dr. Ralf Leonhard: Jahrgang 1955, aufgewachsen in Wien, Journalistik-Ausbildung, von 1982 bis 1996 für verschiedene Medien in Zentralamerika tätig, u. a. von 1985 bis 1996 Korrespondent für die taz und zeitweilig auch für die Wochenpost in Ost-Berlin, seit 1996 als freier Journalist und taz-Korrespondent in Wien.
Der Kampf um die Rohstoffe
»Intelligenz ist die einzige
Ressource, die unbegrenzt ist.«
AUTOR UNBEKANNT
Mineralische Rohstoffe sind endlich. Dieser einfachen Erkenntnis trägt der derzeitige Ressourcenverbrauch nicht Rechnung – weder bei den traditionellen Industriemetallen noch bei Mineralien mit kaum bekannten Namen, die aufgrund der explosionsartigen Entwicklung der Informationstechnologie verstärkt abgebaut werden. Zunächst interessierten sich nur Experten dafür, wie sich der zunehmende technische Wandel und die daraus erforderlichen Rohstoffbedarfe der Industrie mit dem Rohstoffhunger der großen Schwellenländer, insbesondere China, in Einklang bringen lassen. Mehrere Studien kamen zu dem Schluss, dass Angebot und Nachfrage wichtiger Rohstoffe zunehmend auseinanderklafften und Turbulenzen auf den jeweiligen Märkten erzeugten.
Einer der wesentlichen Verursacher war nicht der Massenverbraucher Stahlindustrie, sondern die rasant wachsende Informationstechnologie. Sie entwickelt permanent neue Konsumgüter für den persönlichen Bedarf, senkt durch ständig neue Produkte, oft mit Kultwert, deren Gebrauchsdauer auf Basis neuester Technologien. Das bedeutet für die Rohstoffanforderungen den Einsatz von Materialien mit hochspezifischen Eigenschaften und Lieferengpässen. Diese sich abzeichnenden Marktentwicklungen wurden in Deutschland, einem der größten Exportländer, nicht mit der notwendigen Aufmerksamkeit verfolgt. Man hatte den Entwicklungsschub falsch eingeschätzt, und es fehlte an der entsprechenden Versorgungssicherheit. Geforderte Mengen waren nicht mehr vorhanden oder bereits vom Markt weggekauft. Ein Ersatz war nur in Ausnahmefällen möglich. Die Preise schossen bis 2006 in die Höhe und machten erst dann eine Verschnaufpause, als die Finanzkrise einsetzte und die Problematik entschärfte. China war zum wesentlichen Treiber in der Weltwirtschaft avanciert.1 Wuchs die Weltwirtschaft in den letzten 20 Jahren durchschnittlich um 3,8 % jährlich, so pushte China seit 2004 das Wachstum vorübergehend auf 5 %.2
China entwickelte sich mit einem Einfuhrvolumen von 240 Mrd. US-Dollar auch zur zweitgrößten Importnation von Rohstoffen – nach der Europäischen Union – und beeinflusst deshalb in wachsendem Maße die Märkte.
Lieferengpässe, fehlende Bergbaukapazitäten, klaffende Unterschiede zwischen Massen- und Spezialrohstoffen, Konzentrationsprozesse durch Konzernübernahmen im Bergbau und im Handel verschärften die Marktmacht der großen Händler im Rohstoffgeschäft, begleitet von wachsenden Spekulationsgeschäften und verheerenden Auswirkungen auf die Agrarrohstoffe und Lebensmittelpreise. In den armen Ländern wurden die Grundnahrungsmittel zu teuer, Hunger erfasste Millionen.
Eine Studie der KfW Bankengruppe, der sicherlich keine reißerischen Ambitionen nachgesagt werden können, kommt zu dem Schluss, dass Rohstoffmangel die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gefährde, und weist nach, dass die Versorgungslage für 13 mineralische Rohstoffe, ausgewählt aus insgesamt 52, als kritisch einzustufen ist.3 Die deutsche Industrie bestätigte diese Einschätzung.4
Vor diesem Hintergrund, der durch ein zunehmendes Wohlstandsgefälle, eine wachsende Weltbevölkerung und sehr selbstbewusste Schwellenländer noch an Dramatik gewinnt, werden von Experten Szenarien entwickelt, nach denen relativ schnell mit großflächigen, eskalierenden Konflikten zu rechnen ist. Das Gespenst von leergeräumten Lagerstätten, Produktionsrückgängen und einer durch Rohstoffmangel gekappten Zukunft macht die Runde.
Obwohl die Handys täglich gebraucht werden, ist uns das Innenleben eines Autos sicher vertrauter.
Bei einem VW Golf machen 65 % seines Gewichtes Stahl und Eisenwerkstoffe aus, 17 % verschiedene Kunststoffe, 6 % Leichtmetalle wie Aluminium und Magnesium, 3 % Buntmetalle wie Kupfer und Messing. Hinzu kommen noch Keramik, Glas und Gummi. In der Studie »Vom Erz zum Auto« werden dieser direkte Zusammenhang und die daraus resultierende Verantwortung vom Abbau bis zum Automobilproduzenten beispielhaft dargestellt.6
60 Rohstoffe in einem Handy
Es war eine Röntgenaufnahme vom verwirrenden Innenleben eines Handys, die Faszination ausübte – kleinste Schaltkreise und Magnete, winzige Prozessoren als Produzenten einer oft verwirrenden Vielfalt von Funktionen.
Über 60 Rohstoffe sind in diesen »Lebenszellen der Kommunikationsgesellschaft« enthalten, viele in Kleinstmengen und auf Folien gedampft, als unabdingbare Elemente, die das Zusammenspiel aller Funktionen ermöglichen. Aber auch geringste Mengen beanspruchen in der produzierten Anzahl an Handys große Volumina. So ist in 41 Handys die gleiche Menge Gold enthalten wie in einer Tonne Golderz aus dem Bergwerk. Auch Metallexoten wie Neodym in den Magneten der Kopfhörer, dem Lautsprecher und dem Mikrofon gehören dazu, Palladium und Kobalt oder auch Terbium und Europium, ohne Letztere würde es kein farbiges Display geben. Sie zählen zu den Seltenen Erden Metallen (SME), die kaum jemand kannte, bevor sie die Medien 2012 entdeckten und ihre Bedeutung für die IT-Industrie publik machten. Der Grund: China, als Monopolist in der Förderung, stellte teilweise die Lieferung ein. Die Hightech-Welt wurde sich schlagartig ihrer Abhängigkeit und ihrer Grenzen bewusst.
Rohstoffe in einem Handy, ca. 62 Gramm schwer
| ROHSTOFF | ANTEIL (IN %) |
| Kunststoffe* | bis zu 60 % |
| Kupfer | 15 |
| Lithium | 3–4 |
| Aluminium | 3 |
| Kobalt | 2 |
| Nickel | 2 |
| Zinn | 1 |
| Sonstige Metalle** | 2 |
| Glas, Keramik*** | 15 |
* Kunststoffe: Herstellung größtenteils aus Erdöl, bis zu etwa 10 % aus Silizium; ** unter 1 %: Platin, Tantal, Gold, Palladium, Silber, Chrom, Titan, Wolfram, Zink, Mangan, Brom, Blei, Wismut, Barium, Beryllium, Zirkonium, Ruthenium, Strontium, Magnesium, Halbmetalle (Antimon, Arsen, Gallium); *** Glas und Keramik: Herstellung hauptsächlich aus Quarz und Tonmineralien
Quelle: Gehring, Carmen: »Die Rohstoff-Expedition – Entdecke, was in (d)einem Handy steckt!«, Bundesministerium für Bildung und Forschung, Projektgruppe Wissenschaftsjahr 2012, Bonn 2012, S. 24.5
Die 15 größten Automobilkonzerne der Welt produzierten im Jahr 2011 über 66 Mio. Fahrzeuge, das macht bei durchschnittlich einer Tonne Materialgewicht 66 Mio. Tonnen Rohstoffe nur für den PKW-Bereich aus.7 Diese mannigfaltigen Rohstoffe machen die Bundesrepublik Deutschland als Konsument und Exporteur zu einem der weltweit größten Rohstoffverbraucher, der die dafür benötigten Metalle zu nahezu 100 % importieren muss. (Das 2012 entdeckte Vorkommen von rund 115 000 Tonnen Zinn im Vogtland wird noch nicht abgebaut.)
Ein Großteil der benötigten mineralischen Rohstoffe, insbesondere die Steine und Erden (auch als anorganische Nichterze bezeichnet), wird in Deutschland gewonnen. In diesem Bereich ist die Eigenversorgung in der Mehrheit sichergestellt.
Deutschland hat im Jahr 2011 Rohstoffe, Energierohstoffe und Metalle im Wert von 137,6 Mrd. Euro importiert, wobei die Energierohstoffe den größten Teil ausmachen. Diese kommen zu 47 % aus Europa, zu 3 % aus Asien und Nahost, zu 34 % aus Russland und der GUS. Aus Lateinamerika stammen 3 %, aus Nordamerika 6 und aus Afrika (vor allem Nigeria) 7 %. Exportiert wurden nach der Verarbeitung – etwa Roheisen zu Stahl – Mineralien im Wert von 35,8 Mrd. Euro, davon 71,8 % Metalle.8
Hinzu kommen Sekundärrohstoffe, die aus Recyclingprozessen wieder zurückgewonnen werden und 2011 einen Materialwert von zehn Mrd. Euro ausmachten....
| Erscheint lt. Verlag | 17.12.2013 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Politik & Zeitgeschichte |
| Verlagsort | Berlin |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft ► Wirtschaft |
| Naturwissenschaften ► Biologie | |
| Wirtschaft ► Volkswirtschaftslehre | |
| Schlagworte | Ausfuhr • Bergbau • Club of Rome • Dieter Eich • Energie • Export • Förderung • Fracking • Geopolitik • Gewinnung • Grenzen des Wachstums • Handel • Import • Kampf • Kohle • Lateinamerika • Markt • Märkte • Metall • Mining • Opfer • Plündern • Preis • Profiteure • Ralf Leonhard • Recycling • Ressource • Rohstoff • Rohstoffvorkommen • Rohstoff-Wettlauf • Seltene Erden • Spekulation • umkämpft • Urban Mining • Verlierer • Verlust • Wasser |
| ISBN-10 | 3-86284-257-6 / 3862842576 |
| ISBN-13 | 978-3-86284-257-5 / 9783862842575 |
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