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Sucht, Trauma und Bindung bei Kindern und Jugendlichen -  Frank M. Fischer,  Christoph Möller

Sucht, Trauma und Bindung bei Kindern und Jugendlichen (eBook)

eBook Download: EPUB
2023 | 3. Auflage
216 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-044096-8 (ISBN)
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Particularly among children and adolescents who have become severely addicted at an early age, there is a strong correlation between addiction, trauma and attachment disorder as a frequent form of comorbidity. In adulthood, as severely and chronically addicted people, the individuals affected often become hopeless long-term consumers. Adolescents= attachment behaviour is complex, and the treatment & which is already difficult & is therefore extremely challenging. Ways of clarifying this situation represent an innovative development in neurobiology that is currently taking place and is having a major impact on the understanding of addiction. Addiction therapy may be able to benefit from these new findings in trauma theory and attachment theory.

Dr. Frank M. Fischer is Senior Physician at the Bult Children=s Hospital in Hannover and heads the ?Teen Spirit Island= addiction therapy unit for children and young adults. Prof. Christoph Möller is Chief Physician for Paediatric Psychiatry and Psychotherapy at the Bult Children=s Hospital.

Dr. Frank M. Fischer is Senior Physician at the Bult Children=s Hospital in Hannover and heads the ?Teen Spirit Island= addiction therapy unit for children and young adults. Prof. Christoph Möller is Chief Physician for Paediatric Psychiatry and Psychotherapy at the Bult Children=s Hospital.

1 Einleitung und Kasuistik


1.1 Einleitung


Jugendliche mit Suchterkrankungen haben es nach wie vor schwer in Kliniken der Kinder- und Jugendpsychiatrie, sie finden dort keinen Platz. Rückfälle in den Drogenkonsum und das schwierige Sozialverhalten machen die Therapie zu einer Herausforderung. Sucht ist wie eine Infektion, sie erzeugt sozusagen eine starke Abwehr im Immunsystem der anderen. Aber noch etwas lastet den Jugendlichen an: Ihr kompliziertes Bindungsverhalten. Sie wechseln den Gesichtsausdruck, wirken unberechenbar, sind aggressiv oder überangepasst, man weiß nicht, woran man bei ihnen ist. Der Grund dafür liegt oft in einer früh entstandenen Bindungsstörung und Bindungstraumatisierung, die niemand mehr sehen und die auch von den Jugendlichen nicht erzählt werden kann. Warum ist das so? Der Grund liegt in den neurobiologischen und psychopathologischen Mechanismen von Trauma und Bindungsstörung begründet. Sie ähneln denen der Sucht und verstärken sich gegenseitig. Besonders bei den früh und schwer abhängig gewordenen Jugendlichen gibt es einen besonders starken Zusammenhang von Sucht und Trauma als häufige Komorbidität. Die Klärung dieses Zusammenhangs ist eine sich gegenwärtig vollziehende neurobiologische Innovation und wirkt sich aktuell vielfach auf das Verständnis von Sucht aus: Einerseits wird die Droge als chemisches Dissoziationsmittel in seiner Schutzfunktion bei Traumastörungen erkennbar, andererseits zeigt sich, wie ähnlich Sucht- und Traumagedächtnis funktionieren. Daraus resultiert für die Therapie der Sucht die Möglichkeit, von den Erkenntnissen der Traumatherapie zu profitieren und umgekehrt. Die Notwendigkeit eines integrativen trauma- bzw. bindungsfokussierten Ansatzes in der Suchttherapie ist auch dadurch begründet, dass gerade die früh abhängig gewordenen Jugendlichen mit Traumaerfahrung im Erwachsenenalter das Klientel der hoffnungslosen Dauerkonsumenten bilden. Es braucht eine frühe und nachhaltige Intervention schon im Kinder- und Jugendalter. Darüber hinaus zeigt sich, dass viele Methoden der Traumabehandlung ganz allgemein für die Sucht angewendet werden können. Die Bindungsforschung ergänzt diesen Zusammenhang mit einem das Leben umspannenden Fundament: Kommt es durch frühe Traumatisierung zu einer Bindungsstörung, wird das Trauma auf dramatische Weise unsichtbar und versteckt sich hinter einem desorganisierten Bindungsverhalten, das weitere Komorbiditäten erzeugt. Aus diesem Grund sind Trauma und Bindungsstörung therapeutisch nur schwer zugänglich und gehen oftmals mit einer Sucht einher.

In diesem Buch wird auch die schwere chronische Traumatisierung thematisiert, die bei Kindern mit einer Abspaltung (Dissoziation) von Persönlichkeitsanteilen einhergeht. Diese Anteile nennt man auch Ego-States. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen mit Suchtstörung haben verschiedene Ich-Anteile, die sich in der Sucht- und Trauma-Therapie teilweise anpassen und sich scheinbar gut auf die therapeutische Beziehung einlassen können. Es gibt aber andere Anteile, die zunächst unerkannt bleiben oder die Therapie zu zerstören beginnen, weil sie ihren Untergang befürchten. Es handelt sich um destruktive, täterloyale Anteile, die einer Therapie im Weg stehen. Auf der »inneren Bühne« gibt es auch einen Anteil, der einen »inneren Betäuber« darstellt und der Suchtmittel als Betäubung einsetzt, um Täter-Anteile in Schach zu halten. Die Droge fungiert dann meist als chemisches Dissoziationsmittel und als Bindungsfigur zugleich. Für junge Menschen, die aufgrund von Trauma und destruktivem Bindungserleben zur Sucht gelangt sind (und das sind bei den früh abhängig gewordenen Jugendlichen sehr viele), gilt es nun, neue therapeutische Ansätze zu entwickeln. Es soll hier ein integrativer Ansatz dargestellt werden, der sich seit vielen Jahren in der stationären und ambulanten Therapie unserer Klinik bewährt und weiterentwickelt hat. Theoretisch wie praktisch soll gezeigt werden, dass sich die Methoden der Sucht- und Traumabehandlung zwar ergänzen, dass sie aber auch das verbindende Konzept der Bindungstheorie brauchen.

Diese Erkenntnis ist umso wichtiger, als Bindungsstörungen häufig mit Beginn der Pubertät und der Adoleszenz nicht mehr diagnostiziert werden. Plötzlich verschwindet die Diagnose auf dem Radar des Helfersystems. Traumatische zwischenmenschliche Erfahrungen zerstören jedoch das Vertrauen in Bindungen und soziale Sicherheit. Das Bindungsverhalten ändert sich grundlegend und bestimmt womöglich das ganze weitere Leben. Die Gefahr, dass fehlende positive Bindungserfahrungen und somit fehlende soziale Verstärker durch Drogenkonsum als alternative Stimulierung des Belohnungssystems ersetzt werden, ist groß. Die Folgen bleiben ein Leben lang: Das Suchtgedächtnis vergisst nie. Das Bindungsgedächtnis auch nicht. Dies gilt besonders für suchterkrankte Jugendliche und Adoleszente, deren Hirnreifung noch nicht abgeschlossen ist. Die Pubertät ist die Risikozeit für psychiatrische Erkrankungen und es gilt, frühzeitig Wege zu finden, um traumatisierte Kinder und Jugendliche vor der irreversiblen Chronifizierung eines Bindungstraumas zu schützen.

Der aktuelle Stand der Forschung und der (neurobiologische) Zusammenhang von Sucht, Trauma und Bindung werden in Kapitel 3 möglichst prägnant und bereits mit klarem Praxisbezug herausgearbeitet. Um das Verständnis des Theorie-Teils zu unterstützen, werden jeweils Fallbeispiele vorangestellt. Was in der Theorie oft logisch und sinnvoll erscheint, lässt sich nicht selten im therapeutischen und klinischen Alltag nur schwer in ein eindeutiges Schema bringen. Wie dies aber auch bei komplexen Störungsbildern mit hoher Komorbidität möglich ist, soll das kontrastreiche Nebeneinander von Fall und Forschung nachzeichnen. Das Ausweichen des Patienten auf Nebenthemen und in ein Vermeidungsverhalten, der lange Weg voller Rückschläge, Abbrüche, Wiederholungen und sogar Verschlechterungen ergeben oftmals erst einen Sinn, wenn die theoretischen Grundlagen ausreichend in den Blick genommen werden. Erst wenn verstanden wird, worum es bei Trauma und Bindung tatsächlich geht, ergeben sich daraus viele praktische Möglichkeiten und Notwendigkeiten. Die Theorie gibt Orientierung. Die Epidemiologie versucht ebenfalls, anhand von Studien und Definitionen zur Orientierung innerhalb der komplexen Zusammenhänge beizutragen.

Kapitel 5 des Buches bringt die wichtigsten Aspekte der integrativen Therapie von Sucht, Trauma und Bindungsstörung in wesentlichen Begriffen in einen Zusammenhang. Sowohl die ambulante als auch die stationäre Arbeit und Therapieorganisation werden dabei berücksichtigt. Es kommt die Therapieplanung und Psychoedukation ebenso zur Sprache wie verschiedene Techniken der Stabilisierung, der systemischen Rahmung und der praktischen Traumakonfrontation. Zuletzt werden auch verschiedene Formen der EMDR-Anwendung kurz dargestellt. In Bezug auf die frühen dissoziativen Traumafolgestörungen der Kindheit, die bei abhängigen Jugendlichen eine große Rolle spielen, werden Aspekte der Ego-State-Therapie und der Arbeit mit Ich-Anteilen auf der inneren Bühne vertieft. Das besondere Anliegen des Buches ist es, sich auf frühkindliche Traumafolgestörungen im Zusammenhang mit jugendlicher Suchtentwicklung einzulassen, ohne dass bisher aus wissenschaftlicher Sicht das letzte Wort dazu gesagt wäre. Im Gegenteil, es handelt sich noch um Neuland. An dieser Stelle hoffen wir, dass unsere langjährige Erfahrung einen praktikablen Weg zeigen kann.

1.2 Kasuistik


Die folgenden Fallbeispiele repräsentieren typische Patienten, wie sie auf unserer Station und in unserer Sucht-Ambulanz behandelt werden. Die Beispiele sollen exemplarisch veranschaulichen, mit welchen Herausforderungen die Therapeuten konfrontiert werden, wenn sie es mit kombinierten Sucht-‍, Trauma- und Bindungsstörungen zu tun hat. Eine gute Balance von Stabilisierung und Konfrontation ist von großer Bedeutung. Der Therapeut muss erkennen können, ob sich der Patient tatsächlich mit seiner dissoziativen Seite der Sucht auseinandersetzt oder ob er »Ausweichmanöver« (die Vermeidung, den Krankheitsgewinn) vorzieht, um seine gewohnte Abwehrstrategie nicht aufgeben zu müssen. Die Sucht-Seite unterstützt massiv die Vermeidung. Sich dem Trauma zu stellen heißt auch, sich der Sucht zu stellen und umgekehrt. Beide Seiten suchen die Vermeidung in der dissoziativen Betäubung. Der therapeutische Weg aus dieser sich selbst verstärkenden, fatalen Struktur ist lang und gezeichnet von Rückschlägen, Rückfällen, Scham und sogar Verschlechterungen während der Therapie. Der Therapeut braucht Leidenschaft, Vertrauen und viel Wissen, um den krisenhaften, turbulenten Entwicklungen der Patienten mit Ruhe begegnen zu können. Vor allem braucht es aber auch eine gute Nähe-Distanz-Regulation des Therapeuten. In der Arbeit mit traumatisierten Patienten ist das Wissen um die Grenzen der Empathie von großer Bedeutung. Es ist wichtig zu wissen, wann Empathie sein darf, wann sie nötig ist und wann sie sich verbietet. Es braucht das Wissen um den richtigen Augenblick. Und es braucht ein hohes Maß an...

Erscheint lt. Verlag 27.9.2023
Mitarbeit Herausgeber (Serie): Oliver Bilke-Hentsch, Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, Michael Klein
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Schlagworte Bindungsdiagnostik • Dissoziation • Posttraumatische Belastungsstörung • Suchtbehandlung • Traumatherapie
ISBN-10 3-17-044096-9 / 3170440969
ISBN-13 978-3-17-044096-8 / 9783170440968
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