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Gewaltprävention in der Altenpflege -  Anna Dammermann,  Marco Sander

Gewaltprävention in der Altenpflege (eBook)

Interventionen und Konzepte
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
154 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-042423-4 (ISBN)
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Gewaltereignisse in der stationären Altenpflege sind keine Seltenheit und stellen eine ernstzunehmende Gesundheitsgefahr für alle Beteiligten dar. Daher muss Gewalt in der Pflege enttabuisiert und Konzepte zur Prävention und zum Umgang mit Gewalt müssen erarbeitet werden, um sowohl Mitarbeitende als auch BewohnerInnen wirksam schützen zu können. Das Gewaltpräventionsprojekt PEKo zur partizipativen Entwicklung und Evaluation eines multimodalen Konzeptes zur Gewaltprävention in stationären Pflegeeinrichtungen fokussiert diesen Themenkomplex und bietet entsprechende Lösungsansätze. Das Buch liefert Hintergrundinformationen zu Gewalt in der Pflege, Handlungsansätze in Form von erprobten und evidenzbasierten Maßnahmen zur Gewaltprävention sowie Arbeitshilfen zu deren Umsetzung und Implementierung. Es werden konkrete Wege und Handlungsalternativen aufgezeigt, um Gewalt in der Pflege vorzubeugen und Handlungssicherheit anzubahnen.

Anna Dammermann, Gesundheits- und Krankenpflegerin, Erziehungswissenschaftlerin M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin Universität zu Lübeck am Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Sektion für Forschung und Lehre in der Pflege. Marco Sander, exam. Altenpfleger, Pflegewissenschaftler M.A., wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Pflegewissenschaft der Universität zu Köln.

Anna Dammermann, Gesundheits- und Krankenpflegerin, Erziehungswissenschaftlerin M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin Universität zu Lübeck am Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Sektion für Forschung und Lehre in der Pflege. Marco Sander, exam. Altenpfleger, Pflegewissenschaftler M.A., wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Pflegewissenschaft der Universität zu Köln.

2       Hintergrundinformationen zum Thema Gewalt


Kurzübersicht


In diesem Kapitel erfahren Sie etwas über:

•  verschiedene Formen und Dimensionen von Gewalt

•  Häufigkeiten, Ursachen und Konsequenzen von Gewalt

•  Prävention von Gewalt

Gewalt ist ein Begriff, für den es in der Fachliteratur und im allgemeinen Verständnis keine eindeutige Definition gibt. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird Gewalt von jedem Menschen unterschiedlich erlebt und wahrgenommen (WHO, 2003). Je nachdem, wen Sie fragen, werden Sie unterschiedliche Antworten erhalten, welches Verhalten als akzeptabel eingestuft und was als Gefährdung empfunden wird, sowohl in Ihrem persönlichen als auch in Ihrem beruflichen Umfeld.

Im Zusammenhang mit der Pflege älterer Menschen hat die WHO Gewalt genauer beschrieben als:

»eine einmalige oder wiederholte Handlung oder das Unterlassen einer angemessenen Reaktion, die im Rahmen einer Vertrauensbeziehung stattfindet und wodurch einer älteren Person Schaden oder Leid zugefügt wird« (WHO, 2022 S. 1, zit. nach Eggert et al., 2017, S. 13)

Anders als bei der allgemeinen Definition von Gewalt ist hier die Absicht der gewaltausübenden Person kein entscheidendes Merkmal. Die Entscheidung, was als Gewalt empfunden wird, soll bei der Person liegen, die unangemessenes Verhalten oder Gewaltereignisse erlebt und nicht bei der Person, die das Verhalten ausübt. Das Erleben von Gewalt ist somit nicht zwingend an eine bewusste aggressive Absicht der Verursachenden geknüpft (Nau et al., 2018). Gewalt zwischen Pflegebedürftigen und Pflegenden kann sich wechselseitig bedingen.

Soziale Beziehungen sind von einem Verhältnis des Gebens und Nehmens gekennzeichnet, das durch eine Pflegebedürftigkeit ins Ungleichgewicht gerät (Brucker & Kimmel, 2017). Wer pflegebedürftig wird, erfährt Abhängigkeit von Dritten. Das kann zu einem Machtgefälle zwischen Pflegenden und Pflegebedürftigen führen und in Gewaltsituationen münden. Indem Sie die Ursachen und Motive für Gewalt in der Pflege näher betrachten, können Sie häufig auch eine Verbesserung der Pflegebeziehungen erreichen.

2.1      Formen und Dimensionen von Gewalt


Gewalt in der Pflege kann in verschiedenen Formen auftreten. Sie kann alle Beteiligten im Alltag einer Pflegeeinrichtung betreffen und geschieht keineswegs immer absichtlich. Gewalt kann zwischen Beschäftigten einer Einrichtung und den pflegebedürftigen Personen in beide Richtungen auftreten, zwischen pflegenden Angehörigen und Pflegebedürftigen, aber auch innerhalb des Personals selbst bzw. unter Bewohner*innen.

Pflegebedürftige erleben Gewalt nicht nur in körperlicher Form, sondern bereits durch Vernachlässigung, Demütigung, freiheitsentziehende Maßnahmen oder Eingriffe in die Selbstbestimmung (Sulmann & Väthjunker, 2020). Gewalt muss dabei nicht immer von einer Person ausgehen, sondern kann indirekt durch starre Strukturen entstehen, z. B. wenn festgelegte Tagesabläufe in einer Einrichtung nur wenig Spielraum ermöglichen, um individuelle Wünsche zu berücksichtigen.

Gewaltformen

•  Körperliche Gewalt

•  Psychische Gewalt

•  Vernachlässigung

•  Finanzielle Ausnutzung

•  Intime Übergriffe

Betroffene

•  Pflegebedürftige Personen

•  Pflegende Angehörige

•  Beschäftigte, z. B. professionell Pflegende

Intention

•  Unabsichtlich

•  Absichtlich

(vgl. Sulmann & Väthjunker, 2020)

Zu körperlicher Gewalt gegenüber Pflegebedürftigen zählen unerlaubte oder häufige Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen, die Person grob anzufassen, zu schlagen, kratzen oder zu schütteln bzw. sie unbequem hinzusetzen oder hinzulegen (Sulmann & Väthjunker, 2020; WHO, 2022).

Aspekte psychischer Gewalt zeigen sich durch Missachten und Ignorieren der pflegebedürftigen Personen oder indem sie gedemütigt oder beleidigt werden. Eine speziell für die Altenpflege relevante Form stellt der sogenannte »Elderspeak« (Kemper, 1994) dar. Dabei handelt es sich um eine nicht angemessene Sprachveränderung, die sich an ältere Menschen richtet. Darunter fallen charakteristische Merkmale, wie »Babysprache«, die Nutzung von Kosenamen, unerwünschtes »Duzen« oder eine übergriffige Verwendung von Pronomen (z. B. »wir« gehen jetzt ins Bett) (Bradford, 2009).

Vernachlässigung äußert sich darin, wenn pflegebedürftige Personen eine unzureichende medizinische oder pflegerische Versorgung erfahren. Eine mangelnde Unterstützung im Alltag, z. B. bei der Nahrungsaufnahme, sowie das Übergehen emotionaler Bedürfnisse sind ebenfalls Anzeichen von Vernachlässigung.

Die finanzielle Ausnutzung beinhaltet, wenn pflegebedürftige Personen zu Geldgeschenken überredet werden, ihnen Geld oder Wertgegenstände entwendet oder unbefugt auf ihr persönliches Vermögen zugegriffen wird.

Bei intimen Übergriffen wird das Schamgefühl der Pflegebedürftigen oder ihre Intimsphäre verletzt, dazu zählen sexuelle Andeutungen oder auch das Erzwingen oder Verlangen von Intimkontakten.

2.2      Häufigkeit von Gewaltereignissen in der Pflege


Gewalt gegenüber Pflegebedürftigen, aber auch gegenüber Pflegenden, findet nach einer Umfrage unter Pflegefachpersonen und Auszubildenden sektorenübergreifend alltäglich statt (Weidner et al., 2017). Mindestens jede*r zehnte Pflegende berichtet solche Erfahrungen aus den letzten drei Monaten. Fast ein Drittel gibt an, dass Interventionen gegen den Willen von Patient*innen, Bewohner*innen sowie Pflegebedürftigen üblich sind. Solche gewaltbezogenen Situationen und Erfahrungen werden in den Einrichtungen häufig nur unzureichend dokumentiert und nicht systematisch aufgearbeitet.

Für den Bereich der stationären Altenpflege gibt es eine Übersicht zur Häufigkeit von Gewaltereignissen gegenüber älteren Pflegebedürftigen für verschiedene Länder in Europa, den USA und den Nahen Osten (Yon et al., 2018). Rund zwei Drittel der befragten Pflegenden gaben hierbei an, im letzten Jahr mindestens eine Form von Gewalt gegenüber Pflegebedürftigen ausgeübt zu haben, am häufigsten davon, mit rund einem Drittel, psychische Gewalt. Auch Pflegebedürftige bzw. stellvertretend deren Angehörige gaben Auskunft über erlebte Gewalt. Hier war ebenso mit rund einem Drittel die psychische Gewalt am häufigsten. Pflege- und Betreuungspersonen in Deutschland nannten für die letzten vier Wochen in Bezug auf Gewaltereignisse zwischen Pflegebedürftigen ebenso am häufigsten psychische Gewalt mit rund zwei Dritteln (Goergen et al., 2020).

Häufig können betroffene Pflegebedürftige sich nicht selbst zu ihren Erlebnissen äußern oder scheuen sich, über Gewalt durch Personen zu berichten, auf die sie angewiesen sind (Blättner & Grewe, 2017; Brucker & Kimmel, 2017). Viele pflegebedürftige Personen und Pflegende fühlen sich mit ihren Gewalterfahrungen allein gelassen und schämen sich, Opfer von Gewalt geworden zu sein. Die Dunkelziffer ist hoch und Betroffene suchen selten professionelle Hilfe.

Pflegende in der stationären Altenpflege gaben Auskunft zu Gewalt, die sie erlebt haben (Schultes et al., 2021). Im Vergleich zu Pflegenden aus dem Krankenhaus oder der Behindertenhilfe waren sie am häufigsten von täglicher körperlicher und verbaler Gewalt betroffen, wie Beschimpfen, Kneifen und Kratzen, Schlagen oder Bedrohen sowie zu einem geringeren Anteil von sexueller Belästigung (Schablon et al., 2018).

2.3      Ursachen von Gewalt


Mögliche Einflussfaktoren für das Auftreten von Gewalt in der Pflege liegen auf der Ebene der einzelnen Beteiligten, wie den pflegebedürftigen Personen und den Pflegenden. Es gibt ein erhöhtes Risiko für Gewaltereignisse, wenn Bewohner*innen kognitive Einschränkungen haben, aggressives Verhalten zeigen, sozial isoliert sind und in den Alltagsaktivitäten einen erhöhten Unterstützungsbedarf haben (Visel et al., 2020). Auf Seite des Personals wirken sich die persönliche Einstellung, wie das eigene professionelle Verständnis von Arbeit,...

Erscheint lt. Verlag 26.7.2023
Zusatzinfo 25 Abb., 18 Tab.
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Pflege Altenpflege
Schlagworte Aggression • Altenpflege • Gewalt • Gewaltprävention
ISBN-10 3-17-042423-8 / 3170424238
ISBN-13 978-3-17-042423-4 / 9783170424234
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