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Evidence based Nursing and Caring (eBook)

Methoden und Ethik der Pflegepraxis und Versorgungsforschung - Vertrauensbildende Entzauberung der 'Wissenschaft'
eBook Download: PDF
2022 | 5. Auflage
411 Seiten
Hogrefe AG (Verlag)
978-3-456-96074-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Evidence based Nursing and Caring -  Johann Behrens,  Gero Langer
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Evidenzbasierte Pflege anschaulich, verständlich und nachprüfbar. Evidence-based Nursing and Caring (EBN) ist eine Pflegepraxis, die pflegerische Entscheidungen auf wissenschaftlich geprüfte Erfahrungen Dritter ('externe Evidence') und die individuellen Bedürfnisse und Erfahrungen der Pflegebedürftigen und Pflegenden ('interne Evidence') stützt. Sie tut dies aus Respekt vor der Einzigartigkeit des Pflegebedürftigen und schließt die Unterstützung und Förderung pflegebedürftiger Menschen sowie die Sorge um sie (Caring) mit ein. Behrens und Langer zeigen in ihrem erfolgreichen Praxishandbuch, wie Pflegende an evidenzbasiertes Wissen herankommen, wissenschaftliche Ergebnisse beurteilen, nutzen und in die Praxis transferieren können. Sie beschreiben Wege und Verfahren, einschließlich interpretativ-hermeneutischer und statistischer Methoden, und zeigen, wie damit pflegerische Entscheidungen belegt, begründet und ausgeführt werden können. Die fünfte Auflage wurde überarbeitet und erweitert bezüglich der Kapitel Literaturrecherche, Nutzen und Schaden einer Therapie, Hilfen und Verbesserungen durch Digitalisierung sowie der Lösung des Generalisierungsdilemmas. Aus dem Inhalt •Grundlagen - Evidence-based Nursing und die Ethik professionellen eingreifenden Handelns •1. Schritt: Aufträge klären in der Begegnung - Shared Decision Making •2. Schritt: Probleme formulieren •3. Schritt: Literaturrecherche •4. Schritt: Kritische Beurteilung von Studien •5. Schritt: Veränderung der Pflegepraxis (Pflegemanagement-Modell) •6. Schritt: Evaluation von Wirkungsketten - Qualitätsmanagement und Evidence-based Practice.

Inhaltsverzeichnis und Vorworte 7
Danksagung 15
Geleitworte 17
Evidence-based Nursing im Alltag 17
Grounded Theory und Evidence-based Practice 18
Geleitwort zur 3. Auflage 19
Vorwort zur 4. Auflage 21
Vorwort zur 1. Auflage 25
Grundlagen: Evidence-based Nursing und die Ethik professionellen eingreifenden Handelns 29
G.1 Pflege in Verantwortung fu?r ihre Wirkungen 29
G.1.1 Vertrauen in Zauberkraft, Vertrauen in Wissenschaft 31
G.1.2 Ethik pflegerischer Problemlösungen und Entscheidungen, interne Evidence und externe Evidence 32
G.1.3 Problem(an)erkennung und Evaluationsspirale 39
G.2 Was ist durch Nachpru?fung beständig verbessertes Wissen? 53
G.2.1 Evidenz versus Evidence 53
G.2.2 Was heißt wissenschaftlich begru?ndet? 54
G.2.3 Gibt es einen Unterschied zwischen wissenschaftlicher und alltäglicher Nachpru?fung? 54
G.2.4 Argumentieren mit hermeneutisch-interpretativen oder quantitativen Untersuchungsergebnissen 55
G.2.5 Haben wir einen privilegierten Zugang zum fremden Innersten? 55
G.2.6 Wissenschaftliche Haltung 58
G.2.7 Quantitative Verfahren als Teile hermeneutisch-interpretativer Untersuchungen 58
G.2.8 Handeln nach Gefu?hl und „tacit knowledge“ 59
G.2.9 Ist Wissenschaft objektiv? Die Bedeutung außerwissenschaftlicher Einflu?sse 61
G.2.10 Schlussbemerkung 63
G.3 EBN fu?r die Begru?ndung der Pflegewissenschaft als Handlungswissenschaft 64
G.3.1 Was fu?r eine Wissenschaft ist die Pflegewissenschaft? 64
G.3.2 Externe Evidence bei Albertus Magnus 65
G.3.3 Hermeneutische Spirale im Arbeitsbu?ndnis 68
G.3.4 25 Jahre interne Evidence als gemeinsames Produkt der Begegnung 69
G.3.5 Zur Kritik an der Evidence-Basierung der Pflege, Therapie und Medizin 92
G.3.6 Zur Kritik am Aufbau interner Evidence 99
G.3.7 Erfolge nach 25 Jahren EBP 103
1 Schritt 1: Auftrag klären in der Begegnung – Shared decision-making 107
1.1 Der Auftrag Ihrer Einrichtung 107
1.2 Auftragsklärung mit Ihrem pflegebedu?rftigen Auftraggeber 109
1.2.1 „… – und Sie haben Ihre Präferenzen“ 109
1.2.2 Haben wir ausreichend Präferenzen? 111
1.2.3 Bewältigung der Informations asymmetrie oder der Angst 111
1.2.4 Präferenzen und Ziele klären sich in der Begegnung 112
1.2.5 Beziehungen zum Aufbau interner Evidence – und ihre Gefährdungen 116
1.3 Ein Beispiel: Zielklärung in der onkologischen Pflege 118
1.3.1 Die Verwechslung von Mitteln und Zielen: Vier Stufen der Qualität 118
1.3.2 Verwechslung von interner und externer Evidence 119
1.3.3 Assessmentinstrumente 120
2 Schritt 2: Problem formulieren 123
2.1 Geburtshelferische Fragen interner Evidence/Fragen an die externe Evidence 123
2.2 Wie kommen wir zu Fragen, die sich auch beantworten lassen? 124
2.2.1 Wie wir verlernten, zu fragen 125
2.2.2 Subjektive Fragen – objektive Antworten 125
2.2.3 Gu?tekriterien von Frageformulierungen 126
2.3 Elemente einer Frage 127
2.4 Beispiel: Schlucktraining bei Apoplexie 129
3 Schritt 3: Literaturrecherche 131
3.1 Was veröffentlicht wird 131
3.2 Woher man Wissen beziehen kann 133
3.2.1 Bu?cher 133
3.2.2 Zeitschriften 134
3.2.3 Die eigene Sammlung 134
3.2.4 Das Internet und seine Dienste 134
3.3 Die „EBHC-Pyramide“ zum Auffinden bester externer Evidence 136
3.4 Ablauf der Literaturrecherche 137
3.4.1 Festlegung der Suchkomponenten 138
3.4.2 Festlegung der zu durchsuchenden Fachdatenbanken 140
3.4.3 Identifikation von Suchbegriffen 142
3.4.4 Entwicklung des Suchstrings 144
3.4.5 Durchfu?hrung der Recherche 149
3.4.6 Dokumentation, Sicherung und Export der Recherche 153
3.4.7 Ergänzende Recherchemethoden 154
4 Schritt 4: Kritische Beurteilung von Studien 157
4.1 Verschiedenheit und Eignung von Studiendesigns 158
4.1.1 Goldstandards fu?r Studien, Gegenmittel fu?r Verzerrungsgefahren 161
4.1.2 Angemessenheit von Designs 163
4.1.3 Welche Art von Selbsttäuschung sollen Studien vermeiden? 164
4.2 Hermeneutisch-interpretative Forschungsdesigns 166
4.2.1 Was sollen hermeneutisch-interpretative (qualitative) Designs leisten? 166
4.2.2 Phänomenologische Grundlagen 168
4.2.3 Strukturale oder objektive Hermeneutik 172
4.2.4 Ethnographie 174
4.2.5 Biographische Verfahren 177
4.2.6 Grounded Theory 178
4.2.7 Methoden der Datensammlung 179
4.2.8 Methoden der Datenauswertung 180
4.2.9 Beurteilung der beiden Haupttypen hermeneutisch-interpretativer Studien 181
4.2.10 Beurteilung von hermeneutisch-interpretativen Studien – Einzelfragen 182
4.2.11 Suche nach hermeneutisch-interpretativen Studien in Medline 185
4.3 Epidemiologische (quantitative) Studiendesigns 185
4.3.1 Randomisierte kontrollierte Studie 186
4.3.2 Kontrollierte klinische Studie 188
4.3.3 Kohortenstudie 188
4.3.4 Fall-Kontroll-Studie 189
4.3.5 Querschnittsstudie 190
4.3.6 Diagnostische Genauigkeitsstudien 191
4.3.7 Vorher-Nachher-Studie 191
4.3.8 Multivariate Analysen von Beobachtungsstudien 192
4.3.9 Systematische Übersichtsarbeiten und Meta-Analysen 196
4.4 Interventionsstudien 198
4.4.1 Wirksamkeit, Kausalität und Validität 198
4.4.2 Hypothesentestung 200
4.4.3 Zufallsfehler und systematischer Fehler 201
4.4.4 Fehler 1. und 2. Art 201
4.4.5 Häufige Bias-Quellen in klinischen Studien 205
4.4.6 Randomisierung 206
4.4.7 Verdeckte Zuteilung 207
4.4.8 Verblindung 208
4.4.9 Protokollverletzungen 209
4.4.10 Statistik in Interventionsstudien verstehen 210
4.4.11 Reaktion der Therapieeffekte auf Veränderungen der Ereignisraten 215
4.4.12 Der „Minimale klinisch wichtige Unterschied“ 216
4.4.13 Beurteilung einer Interventionsstudie 217
4.4.14 Suche nach Interventionsstudien in Medline 222
4.5 Diagnostische Genauigkeitsstudien/Diagnosestudien 222
4.5.1 Bias-Quellen in diagnostischen Genauigkeitsstudien 223
4.5.2 Die Vierfeldertafel 224
4.5.3 Statistik in Diagnosestudien verstehen 226
4.5.4 Beurteilung von Studien u?ber diagnostische Tests 230
4.5.5 Beurteilung von systematischen Übersichtsarbeiten oder Meta-Analysen von Diagnosestudien 233
4.5.6 Suche nach Diagnosestudien in Medline 235
4.5.7 Bedeutung von diagnostischen Genauigkeitsstudien fu?r andere Gesundheitsberufe 236
4.6 Studien u?ber Ursachen und Nebenwirkungen 236
4.6.1 Häufige Designs bei Ursachenstudien 236
4.6.2 Vergleich der Designs 238
4.6.3 Beurteilung von Ursachenstudien 238
4.6.4 Suche nach Ursachenstudien in Medline 241
4.7 Prognosestudien 241
4.7.1 Prognostische Faktoren 242
4.7.2 Follow-up 242
4.7.3 Beurteilung von Prognosestudien 242
4.7.4 Suche nach Prognosestudien in Medline 244
4.8 Studien zu komplexen Interventionen 244
4.8.1 Was ist eine komplexe Intervention? 244
4.8.2 Entwicklung und Evaluation komplexer Interventionen 245
4.8.3 MRC-Modell zur Entwicklung und Evaluation komplexer Interventionen 245
4.8.4 Kritische Beurteilung komplexer Interventionen 248
4.8.5 Kriterien fu?r eine hochwertige Berichterstattung komplexer Interventionen 248
4.9 Organisationen als Interventionen 252
4.9.1 Die systematische Begru?ndung 252
4.9.2 Der historische Verlauf 253
4.9.3 Methoden und die Beurteilung der Studiengu?te 254
4.10 Wirtschaftlichkeitsstudien 259
4.10.1 Verschiedene Methoden der Wirtschaftlichkeitsanalyse 259
4.10.2 Kostenarten 262
4.10.3 Beurteilung von Wirtschaftlichkeitsstudien 262
4.10.4 Suche nach Wirtschaftlichkeitsstudien in Medline 265
4.11 Systematische Übersichtsarbeiten und Meta-Analysen 265
4.11.1 Schritte bei der Erstellung einer systematischen Übersichtsarbeit 266
4.11.2 Besonderheiten bei systematischen Übersichtsarbeiten und Meta-Analysen 268
4.11.3 Beurteilung einer systematischen Übersichtsarbeit und Meta-Analyse 274
4.11.4 Suche nach systematischen Übersichtsarbeiten und Meta-Analysen in Medline 279
4.12 Standards und Leitlinien 279
4.12.1 Prozess der Entwicklung von Leitlinien 280
4.12.2 GRADE 282
4.12.3 Beziehungen zwischen der Stärke der Evidence und Empfehlungsklassen 287
4.12.4 Beurteilung von Leitlinien 288
4.12.5 Suche nach Leitlinien in Medline 291
4.12.6 Mitwirkung an der Erstellung von Leitlinien 291
4.13 Erzeugt „Ku?nstliche Intelligenz“ externe und interne Evidence aus „Big Data“? 291
4.13.1 Die Erzeugung externer Evidence durch lernende Maschinen 291
4.13.2 Erzeugung interner Evidence 294
4.13.3 Zwischenfazit: Wo Big Data kaum helfen kann, wo vielleicht doch 298
4.13.4 Digitalisierung erreicht ihr Potenzial nicht 302
5 Schritt 5: Veränderung der Pflegepraxis (Pflegemanagementmodell) 307
5.1 Wenn-dann-Entscheidungspfade 307
5.1.1 Übergang der Erfahrung Dritter auf den Einzelfall 307
5.1.2 Wenn-dann-Pfade statt Einmalentscheidungen 308
5.2 Adaptation der Arbeitsorganisation 311
5.2.1 Ja, Pflegeeinrichtung und EBN sind gut aneinander adaptiert 311
5.2.2 Nein, Pflegeeinrichtung und EBN sind nicht gut aneinander adaptiert 312
5.2.3 Implementierungsmodelle 312
5.2.4 Modelle, die auf Leitlinien, Standards, kontinuierliche Weiterbildung und Qualitätsaudits setzen 313
5.2.5 Gefahren von Leitlinien und Standards 313
5.2.6 Modelle, die auf Organisationskontexte und „Facilitatoren“ setzen 314
5.2.7 Kliniker und Manager 317
5.2.8 EBN: Verantwortungsu?bernahme und Verantwortungsteilung im Team 317
5.3 Möglichkeiten der Implementierung 322
5.3.1 Einzelpersonen 322
5.3.2 Gruppen 326
5.3.3 Implementierung durch EBN-fördernde Berufsbildungsstrukturen 330
5.3.4 Exemplarische Implementierungsprojekte im deutschsprachigen Raum 349
6 Schritt 6: Evaluation von Wirkungsketten– Qualitätsmanagement und Evidence-based Practice 361
6.1 Drei Ebenen der Evaluation 361
6.1.1 Ebene 1: Das Ergebnis ist (nicht) wie erwartet 362
6.1.2 Ebene 2: Das Ergebnis ist wie erwartet, entspricht aber nicht mehr meinen Bedu?rfnissen 362
6.1.3 Ebene 3: Das Ergebnis ist wie erwartet, aber es wäre etwas Besseres möglich gewesen 362
6.2 Die Evaluation von Qualität auf vier Ebenen 363
6.3 Ergebnisse treten schon zeitgleich mit dem Prozess auf 364
Literaturverzeichnis 367
Glossar 391
Verzeichnisse 405
Abbildungsverzeichnis 405
Tabellenverzeichnis 409
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 411
Sachwortverzeichnis 413

|23|Vorwort zur 1. Auflage


Evidence-based Nursing and Caring ist etwas Selbstverständliches, das alle unsere Klienten und Patienten erwarten, nämlich die Integration der derzeit besten wissenschaftlichen Belege in die tägliche Pflegepraxis unter Einbezug des theoretischen Wissens und der praktischen Erfahrungen der Pflegenden, der Vorstellungen des Patienten und der vorhandenen Ressourcen.

Wenn wir uns als Pflegebedürftige überhaupt an Mitglieder der Pflegeprofession wenden, vertrauen wir weniger in ihre Zauberkraft als in ihre wissenschaftlich erwiesenen Verfahren, die uns überflüssige Qual ersparen sollen. In einem langen Prozess der Entzauberung hat sich der Pflegeberuf aus dem Urberuf der Zauberin entwickelt. Aber tritt uns nicht auch Wissenschaft, die an die Stelle der Zauberei trat, doch wie Zauberei gegenüber – nicht nachprüfbar, apodiktisch, Berufsgeheimnis einer Gruppe, deren Interessen verborgen bleiben? EBN ist ein Programm zur Entzauberung und zur Demokratisierung von Wissenschaft – zur Nutzung nachprüfbarer fremder Erfahrung aus Respekt für den jeweils einzigartigen Klienten.

Dieses Buch führt nicht nur in sogenannte quantitative, sondern auch in „qualitative“ Verfahren bei alltäglichen Pflegeentscheidungen ein. Diese „qualitativen“ Methoden hat die Pflege zuerst in den Kreis der evidence-based Zeitschriften eingebracht. Das Buch ist elementar und einfach: Es nimmt seinen Ausgang bei alltäglichen Pflegeentscheidungen unter Zeit- und Entscheidungsdruck, die die Professionsangehörigen im Arbeitsbündnis mit ihren individuierten Klienten fällen. Es bedarf keiner besonderen wissenschaftlichen Vorkenntnisse, um dieses Buch zu verstehen. Es setzt nicht bei der Wissenschaft, sondern bei der Unterscheidung von zwischenmenschlich nachprüfbarem Wissen und individueller Offenbarung ein. Es folgt keinem naiven Induktivismus: ohne Theorie keine Erfahrung und ohne Erfahrung keine gegenstandsbezogene, situationsspezifische Theorie.

Das vorliegende Buch versteht sich als ein Handbuch für Pflegende und ist für den täglichen Gebrauch konzipiert. Die Idee für dieses Buch entstand aus einem einstündigen Vortrag, der bei der Jahrestagung der Deutschen Vereinigung für Pflegewissenschaft 1998 an der Fachhochschule Fulda und, erweitert, im Mai 1999 bei der Eröffnung des 1. Workshops des gerade international anerkannten deutschsprachigen „German Center“ im internationalen Network of Centers for Evidence-based Nursing, dem Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, zur Diskussion gestellt wurde. So wenig Zeit seit 1998/1999 vergangen ist, so viel hat sich in der Aufnahme der Ideen von Evidence-based Nursing seitdem geändert – mit zum Teil bedenklichen Nebenwirkungen: Damals noch galten Evidence-based Nursing und allgemein wissenschaftlich zergliederndes Vorgehen manchmal als eine eher abseitige, dem Wesen der Pflege durchaus fremde Handlungsweise. Pflege solle besser auf Glauben, Intuition und |24|dem Mitgefühl mit dem ganzen Menschen zu begründen sein denn auf Wirkungsnachweisen aus komplizierten klinischen Studien, die den eigenen Erfahrungen widersprachen. Mit solchen Studien habe sich doch gerade die Medizin vom Patienten wegbewegt und sei in ihre Akzeptanzkrise geraten. Außerdem zeigten die widersprüchlichen Ergebnisse der vielen Studien, dass man mit Studien beweisen könne, was man wolle. Warum sollte nun ausgerechnet die Pflege, statt die von den Medizinern dankenswerterweise gelassene Lücke ganzheitlicher menschlicher Zuwendung auszufüllen, der Medizin auf ihrem Irrweg folgen oder gar den gesundheitsökonomischen Sparkommissaren in die Hände arbeiten, die im „Managed Care“ oder „Disease Management“ mit „Critical Pathways“ die individuelle Entscheidungsfreiheit unter Druck setzten?

Diese kritischen Vorbehalte kamen keineswegs nur aus der Pflege. Unvergessen ist uns der eindrucksvolle Auftritt des Dekans einer medizinischen Fakultät auf einer Tagung zu Pflegeforschung und Pflegewissenschaft. Er unterstrich zwar vehement die Notwendigkeit von Pflegeforschung; mit derselben Vehemenz gab er aber seiner Überzeugung Ausdruck, dass für Pflegeforschung Pflegende prinzipiell ungeeignet und nur Ärzte und Ärztinnen geeignet seien. Ärztinnen und Ärzte nämlich würden sich in ihrem beruflichen Werdegang den analytischen Blick und das kalte Herz antrainieren, die für kritische Entscheidungen und für die wissenschaftliche Arbeit nötig seien. Sache der Pflege seien hingegen Warmherzigkeit, Mitgefühl, Ganzheitlichkeit und Mitleiden. Wissenschaft, Entscheiden und Patientenführen seien mit diesen Haltungen unvereinbar. Als Leser mögen Sie vermuten, aus dieser Rede des Dekans spräche auch das Interesse, seiner Berufsgruppe ein Monopol zu erhalten. Aber bedenkenswert ist seine Ansicht trotzdem.

Zweieinhalb Jahre später sind solche Stimmen – leider – kaum noch zu hören. Überall will die Pflege „ihre Leistungen evidence-basiert unter Beweis stellen“. Florence Nightingale höchstselbst wird – selbstverständlich zu Recht – als eigentliche Begründerin von Evidence-based Nursing entdeckt. Evidence-based Nursing wird geradezu als der Kern der von Florence Nightingale neu begründeten beruflichen Identität der Pflege, als zeitgemäß berufliche Form der alten Caritas, herausgestellt (McDonald, 2001). Seit dem Gutachten des Sachverständigenrates der konzertierten Aktion im Gesundheitswesen von 2001 scheint es keine Pflegestation mehr zu geben, die die langfristige Anpassung an Evidence-based Nursing – was immer das heißen mag – nicht für notwendig hält. Zwei Jahre vorher galt Evidence-based Nursing noch als Spielwiese von Theoretikern.

Das ging uns dann doch zu schnell. Vor allem ist uns die Bedeutung sehr suspekt, die das Argument der notwendigen Einsparungen bei dieser schnellen Anpassung spielte. Ein unbegründeter neuer Dogmatismus entwickelt sich. Die beliebte Wendung, die Pflege müsse ihre Leistungen in der ökonomischen Konkurrenz nach außen sichtbar machen, geht an Evidence-based Nursing eigentlich völlig vorbei. Evidence-based Nursing hat im Kern keineswegs die Aufgabe, nach außen das zu präsentieren, was die Pflege ohnehin tut. Es geht Evidence-based Nursing darum, individuelle Pflegebedürftige in deren Auftrag in ihren einzigartigen pflegerischen Entscheidungen besser als bisher zu unterstützen. Wenn etwas eingespart werden soll, dann sind es zuerst überflüssige Nebenwirkungen, Leid durch unwirksame Verfahren und überflüssige Kosten für die Pflegebedürftigen.

Zum Thema „Entscheidungen im individuellen Arbeitsbündnis zwischen Pflegenden und Pflegebedürftigen“ boten die skeptischen Fragen vor fünf Jahren einen weit besseren Zugang als die heutige Bereitschaft, fraglos zu lernen, was in der Statistik als Goldstandard zu gelten hat. Fraglose Anpassungsbereitschaft führt zu einer besonders dogmatischen Spielart des Opportunismus. Deswegen wenden wir uns an die kritischen Leser und halten dieses Buch so elementar, wie wir können. Es setzt nichts voraus außer Neugier und Konzentration. Insbesondere verlangt dieses Buch nicht von Ihnen, dass |25|Sie sich vorab auf einen bestimmten wissenschaftstheoretischen Standpunkt stellen und dort treu verharren. Auch für Leser, die meinen, wissenschaftlich zergliederte Studien vertrügen sich nicht mit den Aufgaben der Pflege und in der Pflegepraxis hätten ganz andere Wissensquellen Relevanz als die zwischenmenschliche Nachprüfung, soll dies das richtige Buch sein.

Sie müssen sich auch keineswegs vorab entscheiden, ob Sie qualitative Studien nach den gleichen Gütekriterien für vertrauenswürdig halten wie quantitative Studien. Auch in einer anderen Hinsicht soll dieses Buch elementar sein. Sie müssen nicht bereits wissen, wie Sie eine Literaturabfrage im Internet durchführen und wie Sie dabei Geld sparen. Dies Buch enthält zahlreiche Tipps dazu. Da solche Tipps schnell veralten, halten wir auf der Homepage des German Center for Evidence-based Nursing (https://www.medizin.uni-halle.de/einrich​tungen/institute/gesundheits-und-pflegewis​senschaft/leistungsspektrum/wissenswertes/ebn-zentrum) jederzeit Aktualisierungen zu diesen Teilen des Buchs für Sie bereit.

Aus diesen Gründen ist das Buch folgendermaßen aufgebaut: Dem einführenden Grundlagenkapitel „Evidence-based Nursing und die Entzauberung der Wissenschaft“ folgen die sechs Schritte von der internen zur externen...

Erscheint lt. Verlag 7.3.2022
Zusatzinfo 65 Abbildungen
Sprache deutsch
Gewicht 822 g
Themenwelt Medizin / Pharmazie Pflege
Schlagworte EBM • EBN • Entscheidungen • Erfahrungen • Ergebnisse • Ethik • Evidence based Nursing and Caring • Evidenzbasierung • Krankenpflege • Lehrbuch • nursing • Pflegeforschung • Pflegepraxis • Pflegewissenschaft • Praxishandbuch • Versorgung
ISBN-10 3-456-96074-3 / 3456960743
ISBN-13 978-3-456-96074-6 / 9783456960746
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