Intensivmedizin compact (eBook)
740 Seiten
Georg Thieme Verlag KG
978-3-13-241855-4 (ISBN)
1 Intensivmedizinische Techniken
1.1 Atemwegsmanagement
Karsten Schmidt
1.1.1 Einleitung
Aufgaben einer effektiven Atemwegssicherung Die Fähigkeit zur Atemwegssicherung ist eine Kernkompetenz in der Anästhesiologie sowie der Notfall- und Intensivmedizin. Oberste Priorität jeder Atemwegssicherungsmaßnahme ist es, die Oxygenierung eines Patienten zu gewährleisten. Eine effektive Atemwegssicherung zeichnet sich durch die Vermeidung einer Hypoxämie, die Aufrechterhaltung der hämodynamischen Stabilität und die Verhinderung einer pulmonalen Aspiration aus. Die gefürchtetsten Folgen von Komplikationen sind der Tod oder eine hypoxische Gehirnschädigung des Patienten. Atemwegssicherungsmaßnahmen besitzen folgerichtig das inhärente Risiko, sich zu zeitkritischen und lebensbedrohlichen Notfallsituationen zu entwickeln. Das intensivmedizinische Behandlungsumfeld ist ein Hochrisikobereich für erschwerte Atemwegssicherungsbedingungen und schwerwiegende Komplikationen im Rahmen der Atemwegssicherung ▶ [3], ▶ [9], ▶ [15], ▶ [16].
Merke
Stringentes algorithmusbasiertes Vorgehen Mehrere Fachgesellschaften empfehlen in behandlungskontext- und risikoadaptierten Leitlinien bei erwarteten und unerwarteten Atemwegsproblemen ein stringentes algorithmusbasiertes Vorgehen zur Atemwegssicherung ▶ [7], ▶ [9], ▶ [13], ▶ [15], ▶ [17]. Alle Algorithmen enthalten vier Eskalationsstufen mit möglichen Zugängen zur Sicherung der Atemwege:
-
Spontanatmung/Maskenbeatmung
-
Verwendung von extraglottischen Atemwegshilfen (EGA)
-
Platzierung eines Endotrachealtubus in der Trachea
-
translaryngealer/transtrachealer Zugang
Unter Verwendung einer konsequenten Vorwärtsstrategie müssen bei nicht beherrschbaren Oxygenierungsproblemen die Eskalationsstufen ohne Zeitverlust abgearbeitet werden. In begründeten Situationen ist es dem erfahrenen Anwender vorbehalten, vom Algorithmus abzuweichen. Institutionell sollten anästhesiologische und intensivmedizinische Abteilungen einen miteinander abgestimmten Algorithmus verwenden. Dieser sollte sich an lokalen Gegebenheiten orientieren und einfach aufgebaut sein.
Atemwegswägen müssen standardisiert und auf den verwendeten Algorithmus abgestimmt sein. Das Überwachungsmonitoring sollte nationalen Versorgungsstandards entsprechen. Die kontinuierliche Verfügbarkeit eines Bronchoskops sowie eines Videolaryngoskops wird empfohlen. Ein Behandlungsteam sollte in der Verwendung des Atemwegswagens geschult und durch regelmäßiges Training mit den Algorithmen vertraut sein.
Kognitive Hilfsmittel (grafische Darstellung von Algorithmen, standardisierte Beschriftung von Materialien, Intubationschecklisten, bettseitige Risikowarnschilder) verbessern in Stresssituationen die Handlungsfähigkeit und sind integraler Teil einer Gesamtstrategie. Institutionell sollten die Verfügbarkeit von Expertenhilfe (anästhesiologisch/chirurgisch) kontinuierlich organisiert und Notrufketten etabliert sein.
1.1.2 Atemwegsevaluation und Risikoantizipation
In der Intensivmedizin muss eine kombinierte Evaluation von anatomischen, physiologischen und behandlungskontextbedingten Risikofaktoren für eine schwierige Atemwegssicherung erfolgen.
1.1.2.1 Anatomisch schwieriger Atemweg
Der Begriff anatomisch schwieriger Atemweg wird für Schwierigkeiten bei der Maskenbeatmung, bei der Verwendung von EGAs, der direkten/indirekten Laryngoskopie, der trachealen Intubation und bei translaryngealen/transtrachealen Verfahren verwendet. Eine strukturierte Untersuchung auf das Vorliegen von Risiken für einen schwierigen Atemweg bzw. für das Versagen der geplanten Atemwegssicherungstechnik wird von allen Leitlinien empfohlen ▶ [7], ▶ [9], ▶ [15], ▶ [17].
Anamnestische Informationen der letzten Atemwegsevaluation und die Dokumentation von vorherigen Atemwegssicherungsbedingungen sollten bei intensivmedizinisch betreuten Patienten strukturiert dokumentiert werden. Komplikationen bei einer vorangegangenen Atemwegssicherung haben sich als bester Prädiktor für einen schwierigen Atemweg und eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für das erneute Auftreten von Schwierigkeiten erwiesen. Erkrankungsschwere und Intensivtherapie können allerdings vorher normale anatomische Atemwege zu schwierigen Atemwegen machen. Faktoren wie eine positive Flüssigkeitsbilanz, Bauchlagerungstherapie, prolongierte Beatmungstherapie, Atemwegstraumatisierungen und operative Eingriffe können zu erheblichen Veränderungen der Atemwegssicherungsbedingungen führen. Für jede Eskalationsstufe der Atemwegssicherung sollten Faktoren erhoben werden, die zu Schwierigkeiten und/oder dem Versagen des geplanten Verfahrens führen können.
Merke
Ein besonderes Augenmerk sollte auf die Beurteilung der Durchführbarkeit von Notfalltechniken gelegt werden, da das Risiko für Anwendungsschwierigkeiten oder deren Versagen deutlich erhöht ist, wenn bereits die Primärtechnik erschwert war oder versagt hat. Eine standardisierte Atemwegsevaluation sollte in der Intensivmedizin immer erfolgen ▶ [9], ▶ [15], ▶ [17] und mindestens die Überprüfung der Mundöffnung, der Halsbeweglichkeit und der gezielten Lokalisierung des Lig. cricothyroideum beinhalten.
Ein etabliertes Verfahren zur strukturierten Risikoevaluation bei Notfallintubationen ist die (modifizierte) LE(MO)N-Methode (Look, Evaluate, Mallampati, Obstruction, Neck Mobility) ▶ [11], ▶ [18]. Im intensivmedizinischen Bereich ist die Verwendung der Sonografie zur Atemwegsevaluation empfohlen (z.B. Identifizierung des Lig. cricothyroideum, Ausschluss einer ösophagealen Intubation) ▶ [9], ▶ [12].
Der bislang einzige validierte Score zur Identifikation von schwierigen Intubationsbedingungen in der Intensivmedizin ist der MACOCHA-Score. Dieser Score integriert anatomische und physiologische Patientenfaktoren mit Anwenderqualifizierungsfaktoren ( ▶ Tab. 1.1 ).
Tab. 1.1 MACOCHA-Score: Es können 12 Punkte vergeben werden und die Intubationsschwierigkeit erhöht sich von 0 (einfach) auf 12 (sehr schwer) ▶ [5]. Faktoren | Punkte |
Patientenfaktoren |
| 5 |
| 2 |
| 1 |
| 1 |
pathologische Faktoren |
| 1 |
| 1 |
Anwenderfaktoren |
| 1 |
Erscheint lt. Verlag | 10.3.2021 |
---|---|
Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Intensivmedizin |
Schlagworte | Basismonitoring • Beatmung • Covid • Ernährungsmanagement • Infektionskrankheiten • Intensivmedizin • intensivmedizinische Untersuchung • Intensivstation • Intensivtherapie • Intoxikationen • Invasive Maßnahmen • Krankenhaushygiene • Kreislauftherapie • Narkose • Polytrauma • Reanimation • Schmerz • Schock • Sepsis • zerebrales Monitoring |
ISBN-10 | 3-13-241855-2 / 3132418552 |
ISBN-13 | 978-3-13-241855-4 / 9783132418554 |
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Größe: 16,8 MB
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