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Deutsche Notfallmedizin im Spannungsfeld von Ethik und Ökonomie: Auswirkungen des fehlenden Facharztes für Notfallmedizin auf die Qualität der Patientenversorgung - Verena Stockfisch

Deutsche Notfallmedizin im Spannungsfeld von Ethik und Ökonomie: Auswirkungen des fehlenden Facharztes für Notfallmedizin auf die Qualität der Patientenversorgung

Buch | Softcover
156 Seiten
2015 | 1. Erstauflage
disserta Verlag
978-3-95425-916-8 (ISBN)
CHF 48,95 inkl. MwSt
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Der fehlende Facharzt für Notfallmedizin in Deutschland bietet seit Jahren Diskussionsstoff. Im europäischen Vergleich gehört Deutschland zu den wenigen Ländern ohne Facharztstatus und ohne Etablierung der Notfallmedizin als eigene Fachdisziplin. Die präklinische Patientenversorgung gilt allgemein als beispielhaft, die innerklinische Notfallversorgung jedoch als vernachlässigt. Aufgrund des föderalistischen Grundprinzips gibt es keine bundesweit einheitlichen Regelungen zu Ausbildungsinhalten, Finanzierung und Vorhaltung von Personal und Technik. Bundesland übergreifende evidenzbasierte Studien existieren nicht. Das vorliegende Buch schafft einen ganzheitlichen Überblick über die notfallmedizinische Situation in Deutschland. Angesichts der Komplexität und Bedeutung der Thematik werden zunächst die Rahmenbedingungen der Notfallmedizin, d. h. die geschichtliche Entwicklung, Finanzstrukturen und rechtliche Aspekte, ausführlich dargestellt, um ein Verständnis für die darauf folgende Beschreibung der präklinischen und innerklinischen Versorgung aufzubauen. Konkret werden theoretische Ausbildungsinhalte der derzeit in Deutschland gültigen Zusatzweiterbildung und der in Europa standardisierten Facharztausbildung aufgezeigt. Der Praxisnähe dienen ein Vergleich im internationalen Kontext mit Fokus auf Frankreich sowie eine eigene Studie und Expertenbefragungen. Ziel des Buches ist es, neben dieser umfassenden Situationsbeschreibung die Auswirkungen des fehlenden Facharztes für Notfallmedizin auf die Qualität der präklinischen und innerklinischen Patientenversorgung darzustellen, mögliche Lösungsansätze für erörterte Probleme aufzuzeigen und in Resümee die Notwendigkeit des Facharztstatus‘ sowie die damit einhergehende Etablierung der Notfallmedizin als eigene Fachdisziplin zu plausibilisieren.

Verena Stockfisch ist Gesundheitsökonomin und Lean Healthcare Expertin. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Projektleiterin in einem Unternehmen, welches auf die Komplettausstattung (Turn-key) von Krankenhäusern spezialisiert ist, arbeitete die Autorin als strategische Unternehmensplanerin in einem Krankenhaus der Maximalversorgung, wo sie erfolgreich mehrere Projekte nach Lean-Kriterien umsetzte. Zudem ist Frau Stockfisch beratend auf Kongressen und Symposien tätig. Fasziniert von den Organisationsstrukturen der Rettungsstelle im Allgemeinen und der Notfallmedizin im Besonderen, vertiefte sie ihr Wissen im Bereich der Notfallmedizin über die berufliche Perspektive hinaus und widmete sich der Thematik des vorliegenden Buches.

Textprobe: Kapitel 7. Fehler und Irrtümer in der Notfallmedizin: Notaufnahmen gelten aufgrund der erschwerten Arbeitsbedingungen für pflegerisches und ärztliches Personal als Hochrisikobereich. Allem voran der hohe Zeit- und Entscheidungsdruck, die verschiedenartigsten Krankheits- und Verletzungsbilder mit jeweiligen Behandlungsdringlichkeiten, multikausale Prozessabläufe und Multimorbidität, die tendenziell steigende Patientenfluktuation sowie personale und räumliche Limitationen zeigen die Notwendigkeit für ein strukturiertes Risikomanagement. Die Fehlerinzidenz in der Notaufnahme beläuft sich laut Koppenberg auf 8,8 Teamfehler pro Tag (Vergleich ITS 1,7 Fehler pro Patient und Tag), wobei mindestens die Hälfte aller unerwünschten Ereignisse vermeidbar gewesen wäre. Hauptgründe für Fehler und Irrtümer in der Notfallmedizin sind falsche oder verzögerte Diagnosen und Therapien, die am häufigsten bei Lungenembolie, Myokardinfarkt, Krebserkrankungen, Schlaganfall und Frakturen auftreten. Dies korreliert mit den hohen Myokardletalitätszahlen 2013 im internationalen Vergleich und der Behandlungsfehlerstatistik der BÄK 2012, die von Diagnose- und Therapiefehlern in der Unfallchirurgie (insb. Gonar- und Koxathrose), Onkologie (insb. Mamma Karzinom) und Kardiologie angeführt wird. Hauptgründe für falsche oder verzögerte Diagnostik und Therapie liegen hauptsächlich in der unvollständigen Anamneseerhebung aufgrund sogenannter Bias, d. h. der Voreingenommenheit oder Beeinflussung des behandelnden Arztes, die sich oft in mangelnden Differentialdiagnosen, Fehleinschätzung eigener Fachkompetenz und der von Kollegen sowie in mangelnder Nutzung von Technik und Hilfsmitteln (kein primäres Schreiben von 12-Kanal-EKG bei Verdachtsdiagnose Abdomen oder AMI) widerspiegelt. In vielen Fällen resultiert dies aus unbegründetem Nichteinhalten internationaler Leitlinien und Nichtnutzung von standardisierter Dokumentation bzw. aus lückenhafter Dokumentation (z. B. NotarzteinsatzprotokolI). Interessanterweise wurde die Hypothese verworfen, dass die Richtigkeit der am Notfallort gestellten Erstdiagnose vom Aus- bzw. Weiterbildungsstatus oder von der Fachdisziplin der Notfallmediziner abhängt. Verschiedene Studien belegen, dass Gründe für mangelhafte Diagnose- und Therapie vielmehr mit der Einsatzfrequenz der tätigen Notärzte zusammenhängen und in der fehlenden Ausstattung und Nutzung der Technik auf RTW und NEF, der mangelnden kontinuierlichen Weiterbildung und Schulung der Notfallmediziner und der schlechten Dokumentationsqualität liegen. Diese Aussage kann teilweise durch die eigene Studie unterstützt werden (siehe Kapitel 11. Studie). Kritisch wird in diesem Zusammenhang noch einmal auf die bundesweit uneinheitliche Regelung zur Vorhaltung von Medizintechnik und Medikamenten in der Präklinik (12-Kanal-EKG und Lysemöglichkeit) hingewiesen, die ein leitliniengerechtes notfallmedizinisches Handeln in einigen Bundesländern erschwert oder sogar unmöglich macht. Eine Standardisierung der Rettungsdienstgesetze sowie die Vereinheitlichung der Ausbildungsinhalte für Notfallmediziner ist unumgänglich und muss mit einem strukturierten Risikomanagement zur Risikoidentifizierung (Fehleinschätzungen, mangelnde Überwachungsmöglichkeiten etc.), Risikobewertung (z. B. Eintrittswahrscheinlichkeit), Risikobewältigung (Algorithmen, SOP, Checklisten, Protokolle etc.) und Risikoüberwachung (z. B. CIRS, M&M Konferenzen) einhergehen. So definiert Neumayr folgende Ansprüche an neue Trainingskonzepte: Integration zertifizierter Kurse zur Verbesserung interprofessioneller und interdisziplinärer Zusammenarbeit, d. h. eine einheitliche Ausbildung mit Vermittlung von Lehrinhalten in der Breite Integration evidenzbasierter Lehraussagen, d. h. Etablierung der Notfallmedizin als eigene Fachdisziplin Standardisierte und kompetenzorientierte praktische Erfolgskontrolle, d. h. verpflichtende einheitliche Regelung in den Ländern zu

Sprache deutsch
Maße 155 x 220 mm
Gewicht 257 g
Einbandart Paperback
Themenwelt Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Medizinethik
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Notfallmedizin
Medizin / Pharmazie Pflege Pflegemanagement / Qualität / Recht
Schlagworte Ärzteverband • DGINA • EuSEM Curriculum • klinische Notfallversorgung • Lean Healthcare • präklinische Patientenversorgung • Rotes Kreuz
ISBN-10 3-95425-916-8 / 3954259168
ISBN-13 978-3-95425-916-8 / 9783954259168
Zustand Neuware
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