Wozu braucht man das? Eine Untersuchung der Motivation im berufsorientierten Mathematikunterricht (eBook)
88 Seiten
Diplomica Verlag GmbH
978-3-96146-442-5 (ISBN)
Sören Köhler (*1997) hat 2022 sein Lehramtsstudium für Mathematik und Chemie an Gymnasien mit dem 1. Staatsexamen abgeschlossen. Im Rahmen mehrerer Praktika an Schulen sowie befristeten Arbeitsverhältnissen an Schulen während des Studiums konnte der Autor die Erinnerungen aus der eigenen Schulzeit um Eindrücke aus einer neuen Perspektive ergänzen.
Textprobe: Kapitel 2.3.2, Unternehmensbefragungen zur Qualifikation von Schulabgängern: Inwiefern Mathematikunterricht den von der KMK festgelegten Ansprüchen nachkommt, soll noch anhand einer anderen Studie untersucht werden. In dem Beitrag 'Was ist Grundbildung? Schulische Anforderungen an die Ausbildungsreife', der 2013 in einer Spezialausgabe des Onlinemagazins 'bwp@' (Berufs- und Wirtschaftspädagogik online) erschien, gehen die Autoren - zwei Vertreter des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) - der These nach, 'dass das deutsche Bildungssystem [seiner] Qualifikationsfunktion [bzgl. der Befähigung zur Bewältigung späterer Lebenssituationen] nicht genügend gerecht wird.' Die in dem Bericht aufgeführten Befunde, Daten und Schlussfolgerungen stützen sich weitgehend auf bundesweite durch das IW Köln durchgeführte Unternehmensbefragungen, aber auch teilweise auf Untersuchungen der deutschen Industrie- und Handelskammer. Einer der zentralen Befunde des Beitrags lautet, dass 'in einer Ende 2010 durchgeführten repräsentativen Online-Unternehmensbefragung des IW Köln [...] neun von zehn [ausbildungsaktive] Unternehmen bei der Auswahl von Auszubildenden zum Teil gravierende Defizite der Grundbildung [feststellten].' Als hauptsächliche mathematikbezogene Problemfelder der Auszubildenden wurde von 78% der befragten Unternehmen 'Dreisatz und Prozentrechnung', von 71% 'Grundrechenarten' und von 70% 'Bruchrechnen' angegeben. Laut dem Bericht, legen die befragten Unternehmen in den Einstellungsverfahren großen Wert auf ebendiese Inhalts- beziehungsweise Kompetenzfelder - diesbezüglich verlasse sich die Mehrheit der Betriebe nicht auf die Aussagekraft der Schulzeugnisse. Bei einer weiteren in dem Beitrag angeführten Umfrage, an der 911 ausbildende Unternehmen teilnahmen, wurde erfragt, welche Kompetenzen (unter anderem mathematische Kompetenzen) die Unternehmen bei Schulabsolventen für unverzichtbar halten. Die Antworten wurden in der Studie kategorisiert und die Autoren kamen zu dem Schluss, dass 'die von den Unternehmen erwarteten Grundbildungskompetenzen nahezu identisch [...] mit den in sämtlichen Lehrplänen angegebenen elementaren schulischen Bildungsinhalten [sind].' Sofern dieser Befund der Autoren korrekt ist, wären die beobachteten Defizite bei den Auszubildenden also durchaus auf ein Versagen des Bildungssystems bei der Vermittlung mathematischer Kompetenzen zurückzuführen. Die Aussage, die Kompetenzerwartungen der Unternehmen seien mit denen der Bildungsstandards und Kerncurricula nahezu identisch, erscheint angesichts dessen, dass andere Quellen vom gegenteiligen Sachverhalt ausgehen allerdings fragwürdig. In einem 2021 im Journal für Mathematik-Didaktik publizierten Artikel heißt es beispielsweise, es sei wenig erforscht, zu welchem Ausmaß in der Schule erworbene Kompetenzen in der Berufsausbildung zum Tragen kommen. Des Weiteren heißt es, die Forschung auf diesem Gebiet würde dadurch erschwert, dass Schulen und Unternehmen 'grundsätzlich verschiedene und nicht unmittelbar anschlussfähige Kompetenzbegriffe nutzen. Unter den bislang angeführten Quellen herrscht also keine Einigkeit darüber, ob die Kompetenzerwartungen der Unternehmen tatsächlich mit den in der Schulausbildung zu erwerbenden Kompetenzen übereinstimmen. Es ist dennoch ersichtlich, dass Schulabgänger*innen die aus den Unternehmensbefragungen zusammengetragenen Problemfelder wie Prozentrechnung, Dreisatz, etc. laut den Bildungsstandards beherrschen sollten. Die Häufigkeit, mit der Unternehmen angaben, Defizite in den entsprechenden Feldern beobachtet zu haben, spricht also dafür, dass die Ziele des Mathematikunterrichts zumindest in den besagten Bereichen bei einem beträchtlichen Anteil der Schüler*innen verfehlt werden. Hierbei sollte angemerkt werden, dass die Ergebnisse der Unternehmensbefragungen keine Informationen über den Teil der Schülerschaft liefern, die nach ihrer Schulausbildung eine akademische Laufbahn ergreifen. Zuletzt soll noch auf einige Aspekte eingegangen werden, die hinsichtlich der Bewertung der Neutralität des Instituts der deutschen Wirtschaft und dessen Studien relevant sind. Das Institut der deutschen Wirtschaft wird durch die Beiträge der Mitgliedsverbände und Mitgliedsunternehmen finanziert. Ein Trägerverein des Instituts ist die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Des Weiteren steht das Institut der deutschen Wirtschaft in Zusammenarbeit mit der Organisation Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Bei dieser Organisation handelt es sich mutmaßlich um eine Lobby-Organisation, die durch Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie finanziert wird. Die INSM adressiert ihre Klassifizierung als Lobby-Organisation auf ihrer Internetseite, hält sich hierbei allerdings sehr vage und nimmt keine klare Position ein. Laut Vorwürfen der IG Metall gegen das Institut der deutschen Wirtschaft, bestünden dessen Ambitionen vor allem darin, 'die öffentliche Meinung, den politischen Diskurs und letztlich die politischen Entscheidungen im Sinne der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände zu steuern.'
| Erscheint lt. Verlag | 1.6.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Mathematik / Informatik ► Mathematik |
| ISBN-10 | 3-96146-442-1 / 3961464421 |
| ISBN-13 | 978-3-96146-442-5 / 9783961464425 |
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