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Arabesken

Das Spiel selbst

(Autor)

Buch | Softcover
360 Seiten
2018
Die Blaue Eule (Verlag)
978-3-89924-478-6 (ISBN)
CHF 49,95 inkl. MwSt
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Exposé
Im Zentrum des vorliegenden Buches stehen Überlegungen zur modernen Spieltheorie, die aber in wesentlichen Punkten entscheidend erweitert wurde. Ihrem Wesen nach ist sie eine Wirklichkeits-, Entwicklungs- und Bewusstseinstheorie, auf die letztlich alles zurückgeführt werden kann. Im Gegensatz zu allen bisherigen Theorien dieser Art lässt sich der damit einhergehende Wirklichkeitsbegriff nicht mehr einheitlich formu¬lieren. Das ist u. a. ein Ergebnis der modernen Wissenschaftsgeschichte. Wirkliches ist alles, was als solches erscheint. Es lässt sich in seiner Gesamtheit weder auf erste noch auf letzte Ursachen zurückführen.
In seinem Kern bildet Wirkliches ein Geflecht aufeinander bezogener Ursachen, Grundlagen und Folgen. Ihr relativistischer Aspekt besteht darin, unter welchen Voraussetzungen man sie betrachtet; ihr quantentheoretisches Pendant sagt aus, wie sich Wirklichkeiten unter bestimmten Bedingungen gegenseitig verhalten. Es sind also ganz unterschiedliche Theorien möglich. Wohin das führt, ist derzeit noch völlig offen.
An eine solcherart Beziehungstheorie lässt sich die gesamte Entwicklungstheorie und die daraus hervorgehende Bewusstseinstheorie problemlos anschließen, denn sie folgt Ähnlichkeiten. Hegel und Marx waren die beiden Ideengeber einer darauf aufbauenden Geschichtstheorie, die im Marxismus allerdings schon früh (seit Lenin) von machtpolitischen Prozessen überdeckt wurde. Ihre Ursprünge sind im jüdisch-christlichen Geschichtsdenken verankert, das in seinen modernen Versionen inzwischen in eine ziemliche Krise geraten ist. Ein entsprechender Nachhall findet sich noch in der maoistischen Vorstellung von der „Permanenten Revolution”, die davon ausging, die Geschichte direkt beeinflussen zu können. Dies ist wahrschlich der Tatsache geschuldet, dass China nie eine Geschichtstheorie im europäischen Sinne entwickelt hatte.
In diesem Zusammenhang kommt nun auch der Darwinismus in seinen verschiedenen Versionen ins Spiel. Es besteht kein Zweifel, dass er zu den Großtheorien der modernen Geschichte gehört. Er betrifft die Entstehungsgeschichte des Lebens und die ge-samte Naturgeschichte, die eine durchgehende Einheit bildet, weil alles in sich zusammenhängt. Ihr müssen heute auch die Bewusstseins-, Sprach-, Wissens- und Erkenntnisgeschichte zugeordnet werden. In dieser Hinsicht hielt sich die vorliegende Studie allerdings stark zurück, weil es sich dabei um Phänomene einer Hochkomplexität handelt, an der zahlreiche Wissenschaftsbereiche beteiligt sind, deren zweifellos vorhandene quantentheoretische Aspekte noch kaum erforscht sind; auch nicht die der modernen Informationstheorie.
Der amerikanische Wissenschaftsphilosoph Richard Rorty hatte einst Hegel gegenüber zu Recht eingewandt, dass er von vornherein davon ausging, die Wirklichkeit komplett erfassen zu können. Hätte er seine Philosophie, so Rorty, lediglich als eine Möglichkeit aufgefasst, die Wirklichkeit zu beschreiben, dann wäre er der größte Philosoph aller Zeiten geworden. Diese Kennzeichnung lässt sich zugleich auf zahlreiche Formen des Marxismus, insbesondere auf deren triviale Abirrungen übertragen, was nicht heißt, dass man aus Fehlern der Geschichte nichts lernen kann.
Dieser Tatsache trug die vorliegende Studie insofern Rechnung, als sie von Möglichkeits- und Wirklichkeitsspielen spricht. In diesem Sinne lassen sich sowohl Hegel als auch Marx fortsetzen. Sie münden in eine grundsätzliche Veränderbarkeit der Welt, der Gesellschaft, der Geschichte und des Denkens usw. Eine Systemtheorie der Moderne ist dazu allerdings nicht mehr herstellbar, weil sie ihrerseits eine solche aus zahllosen Einzelsystemen (Wissenschaft, Technik, Ökonomie, Ökologie, Theorie und Praxis usw.) beruhende darstellt. Wir können dabei von einer universellen Spielwirklichkeit ausgehen in der sämtliche Elemente eines Realen versammelt sind, sich gegenseitig bedingen, sich ausgestalten, sich gemeinsam entwickeln usw.
Der modernen Welt fehlt nichts so sehr wie Konzepte, die dazu beitragen, ihre Extreme zu bändigen und sie in vernünftige Bahnen zu lenken, innerhalb derer sie abgearbeitet, überprüft und immer wieder neu entworfen werden können Die betrifft nicht zuletzt die Digitalisierung der modernen Welt. In der modernen Soziologie (J. Habermas) wurde dazu in der Nachfolge der „Frankfurter Schule” eine Diskurs-kultur entwickelt, die leider in ihren Anfängen stecken blieb oder sich den jeweiligen kapitalistischen Zwängen anpasste. Das reicht jedoch schon lange nicht mehr aus. Die moderne Welt ist inzwischen gewaltigen Umbruchserscheinungen ausgesetzt, die sich bereits so weit verselbständigt haben, dass alle vorhandenen Kräfte daran beteiligt werden müssen. Hier hat dann auch noch die Revolutionstheorie einer Rosa Luxemburg ihren Platz. Letztlich geht es um eine ständige Neuorganisation der modernen Welt und ihrer Spielformationen und Spielressourcen, deren intelligible Potentiale darüber entscheiden müssen in welcher Weise das Spiel des Wirklichen in der modernen Welt fortzusetzen ist bzw. unter welchen Voraussetzungen ein solches möglich erscheint.
Auch das philosophische Denken muss in eine solche Spielsituation einbezogen werden. Um ein Bild dafür zu verwenden: Denken und Wissen (Welt und Wirklichkeit wahrscheinlich ebenfalls) gleichen einem Billardspiel, dessen Kugeln sich auf einem gemeinsamen Feld bewegen, von außen angestoßen werden und sich ihrerseits anstoßen und dabei Bewegungen und Konstellationen produzieren, an denen abgelesen werden kann, welche Muster sich daraus ergeben und welche Konsequenzen daraus gezogen werden können. Das ist eine Situation, die letztlich allen Spielen eigen ist. Selbstverständlich handelt es sich in all diesen Fällen um Einfachstbeispiele, die auf zahllose andere Wirklichkeiten übertragen jedoch Durchblicke und vielleicht auch Einsichten vermitteln, die für das Weiterbestehen der modern Welt von entscheidender Bedeutung sein könnten.

Harald Schmid, geb. 1940 in Maulbronn, aufgewachsen in Mühlacker, schulische Ausbildung u. a. an den evangelisch-theologischen Seminaren in Maulbronn und Blaubeuren, Studium der evangelischen Theologie am Tübinger Stift, anschließend Germanistik- und Geschichtsstudium, von 1970 bis 2002 Gymnasiallehrer, seitdem schriftstellerische Tätigkeit mit Schwerpunkt Philosophie.

Erscheinungsdatum
Reihe/Serie Philosophie in der Blauen Eule ; 93
Verlagsort Essen
Sprache deutsch
Maße 148 x 210 mm
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie
Mathematik / Informatik Mathematik Angewandte Mathematik
Schlagworte Philosophie • Politische Theorie • Spieltheorie
ISBN-10 3-89924-478-8 / 3899244788
ISBN-13 978-3-89924-478-6 / 9783899244786
Zustand Neuware
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
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