Zum Hauptinhalt springen
Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de
Schranken gehen auf -  Eva Opitz

Schranken gehen auf (eBook)

Ein Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
248 Seiten
Books on Demand (Verlag)
9783695166442 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
6,99 inkl. MwSt
(CHF 6,80)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Im Mittelpunkt der Erzählung steht die Fluchtgeschichte der Hamburgerin Elisabeth Jakoby, Tochter eines jüdischen Vaters und einer evangelischen Mutter. Noch minderjährig, gerät sie in Berlin als Studentin ins Visier der Gestapo, weil sie öffentlich den Hitlergruß verweigert. Sie hat furchtbare Angst. Von einem Tag auf den anderen ist sie gezwungen zu fliehen, ohne jede Unterstützung, ohne Geld, ohne abgeschlossene Ausbildung und ohne jemanden zu kennen, der ihr weiterhelfen könnte. Ihre Flucht droht immer wieder unter dramatischen Umständen zu scheitern.

Die Autorin hat Germanistik und Anglistik studiert. Danach hat sie ein Zweitstudium Biologie mit dem Diplom abgeschlossen. Weitere Stationen: waren bundesweites Schreiben als Wissenschaftsjournalistin, als freie Mitarbeiterin der Badischen Zeitung in Freiburg, bei zwei PR-Stationen mit dem Aufgabenfeld Presse und Kommunikation, zuletzt als stellvertretende Pressesprecherin der Universität Freiburg. Elisabeths Fluchtgeschichte aufzuschreiben, war schon lange Herzenswunsch der Autorin, der aber bis zum Arbeitsende warten musste. Eva Opitz ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

Studium in Berlin


Gleichzeitig mit den Vorbereitungen für Berlin und dem Abschied von Hamburg platzte in Elisabeths Leben die Nachricht, dass der von ihr gefürchtete Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannte worden war. Gerade noch rechtzeitig hatte der ehemalige Österreicher, seit 1925 staatenlose Politiker, mit Unterstützung einflussreicher Parteimitglieder erst 1932 die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen. Schnell häuften sich die Nachrichten, mit welcher Eile und Geschicklichkeit er und seine braunen Gefolgsleute alles taten, um ihr Regime aufzubauen und jeden Widerstand zu brechen. Mit Wehmut und düsteren Vorahnungen nahm sie Abschied von ihrem Zimmer mit den hohen Decken und knarrenden Dielen, ihren Pflanzen und Büchern, dem beschaulichen Stadtteil nahe der Außenalster. Ihre Eltern ließen sie nur ungern ziehen, denn sie fürchteten ihren wachen Widerspruchsgeist und Mut zum Widerstand. „Versprich uns, dass du dich raushältst aus politischen Demonstrationen“, sagte ihre Mutter. „Es macht uns schon genug Angst, dass sich dein Bruder den Protestierern anschließen will.“ Elisabeth setzte ihr friedlichstes Gesicht auf und versicherte den Eltern, dass sie sich ganz auf ihr Studium konzentrieren und aus der Politik raushalten werde. „Ich freue mich auf mein Studium in Berlin und werde alles tun, um möglichst schnell fertig zu werden. Und damit ist es mir wirklich ernst.“

Als Elisabeth im April 1933 in Berlin am Hauptbahnhof ankam, waren in den Straßen überall noch Spuren der letzten Reichstagswahlen zu entdecken. Die Plakate der SPD waren zerfetzt, überklebt mit Plakaten der Nazis oder mit hässlichem Geschmiere überzogen. Die Angst, die sie auf dem Rathausplatz in Hamburg empfunden hatte, als die ganze Gruppe, Siegfried eingeschlossen, plötzlich „Heil Hitler“ brüllte, kam heftig zurück. Tief in ihrem Inneren hatte diese Furcht sich nie wirklich aufgelöst. Aber der Verkehr in den Straßen mit einem Gemenge von Autos, Pferdefuhrwerken, Radfahrern und zahllosen Menschen, die es eilig hatten, ließ in dem Moment keinen Platz für ängstliche Gefühle. „Hast du keine Augen im Kopf?“, raunzte sie ein Radfahrer an, fuhr aber so schnell weiter, dass sie sich nicht einmal dafür entschuldigen konnte, dass sie ihn nicht rechtzeitig bemerkt hatte. Sie nahm sich fest vor, aufmerksamer zu sein und sich dem Tempo ihrer Geburtsstadt anzunähern.

Der erste Abend, den sie mit Walter verbrachte und der mit ihr auf ihre Bitten hin einen „Berlin bei Nacht“ Spaziergang machte, versetzte ihr einen weiteren Schock. Randalierende und grölende SATrupps zogen durch die Straßen, demolierten jüdische Geschäfte und lieferten sich Straßenschlachten mit Demonstranten. Es gelang den beiden gerade noch in einem Hauseingang zu verschwinden. „Da haben wir nochmal Glück gehabt“, sagte Walter mit einem Seufzer der Erleichterung. „Wenn sie den Eindruck haben, dass du sie schief anschaust, hast du schon Pech gehabt.“ Elisabeth begann zu ahnen, dass ihre Freude auf ein sorgenfreies Leben in Berlin voreilig gewesen war. Sie beschloss, ihre weiteren Exkursionen in Berlins Straßen auf die Sybelstraße, in der sie wohnten, sowie auf den näheren Stadtteil zu beschränken. Die Häuser in ihrer Straße stammten überwiegend aus der Bauzeit um 1900 und erinnerten sie an ihren Schulweg in Hamburg. Ganz in der Nähe ihres Hauses stach die Fassade eines 1875 gegründeten Gymnasiums hervor. Schwere Steinquader im Erdgeschoss und um den hohen Eingang herum riefen den Eindruck einer Festung hervor, die jedoch keinem Feldherren, sondern einer Frau gewidmet war, der preußischen Königin Sophie Charlotte von Hannover. Die zahlreichen Geschäfte und Gasthäuser zogen viel Verkehr an, der der Straße einen lebhaften Charakter verlieh.

Beim Anblick der Oberschule erinnerte sich Elisabeth daran, dass Clara ihr geschrieben hatte, dass sie die Adresse einer Marlene aus ihrer Parallelklasse hatte, die nach dem Abitur sofort mit dem Studium an der Berliner FriedrichWilhelmsUniversität begonnen hatte. Die Neuberlinerin nahm sich vor, Marlene möglichst bald zu besuchen. Die Wohnung, die sich diese mit anderen Studentinnen teilte, lag im Stadtteil Friedrichshain, in der Nähe des Volksparks und war laut Clara leicht zu finden. Beim Vorbeigehen am nächsten Tag entdeckte Elisabeth im nahen Park einige Kinder, die in schmutzige Lumpen gekleidet waren und ganz dünne Ärmchen hatten. Sie hatten offensichtlich gerade etwas zu Essen geschenkt bekommen und versuchten, es ohne Streit unter sich aufzuteilen. Elisabeth wollte den Anblick nicht länger ertragen und beeilte sich, zu Marlenes Haus zu kommen.

Sie hatte leichte Hemmungen zu klingeln, obwohl sie wusste, dass Clara der ehemaligen Mitschülerin Elisabeths baldigen Besuch angekündigt hatte. Als sich die schwere Holztüre zum Treppenhaus öffnete, fühlte sie sich einen Moment wie zuhause. Egal wie müde oder wie bepackt man war, die steilen, knarrenden Stufen waren unerbittlich. Als Marlene im dritten Stock in der offenen Tür vor ihr stand, war die etwas atemlose Elisabeth einen Moment überrascht. Vor ihr stand eine Frau, die sie so nicht in Erinnerung hatte. Marlene hatte ihre dunkelrote Lockenpracht mit einem roten Stirnband gebändigt, das mit einer grasgrünen Bluse harmonieren sollte. Um den Hals hatte sie ein regenbogenfarbiges Tuch geschlungen, das ihren auffallenden Kettenschmuck mit sehr großen und bunten Motiven zum Teil verdeckte. Dafür reichte er jedoch bis zu dem kurzen, engen Rock hinunter. Zu Elisabeths Erstaunen hatte sie eine Zigarette in der Hand. Ein für sie ungewohnter Anblick, denn in ihrer Familie rauchte niemand. Es wäre gar kein Geld zum Kauf von Zigaretten vorhanden gewesen.

Aus der Wohnung kam laute Musik, gemischt mit einem Stimmengewirr aus hohen und tiefen Tönen. „Komm rein, schön, dass wir uns hier in Berlin treffen“, hieß Marlene sie willkommen und führte sie in ein großes Zimmer mit viel Stuck an den hohen Wänden. „In der Schulzeit haben wir beide uns nur ab und zu auf dem Pausenhof getroffen, vermute ich.“ Fast jeder rauchte und hüllte das große Zimmer in einen nebelartigen Dunst. Elisabeth verstand schnell, dass es um Politik ging, konkret um Verordnungen, die die jetzt regierenden Nationalsozialisten schon angekündigt hatten. Die heftige Debatte drehte sich um den Plan, in Zukunft, den Anteil weiblicher Studierenden auf wenige Prozent der Anfängersemester zu beschränken. „Wir werden uns wehren“, kündete eine wortgewaltige Gerda an. „Wie willst du dich gegen rohe, staatliche Gewalt wehren?“, warf Gustav, ein großer blonder Student ein, der Elisabeth stark an Siegfried erinnerte, nur mit dem Unterschied, dass er sich offensichtlich schon für die andere, für sie richtige Seite entschieden hatte. „Wir waren zu uneins, hätten eher reagieren und in Massen gegen sie demonstrieren müssen“, fügte er hinzu. „Ich fürchte, jetzt ist es zu spät“, sagte ein anderer. „Wir haben die Nazis zu lange machen und die Freiräume der Demokratie missbrauchen lassen. Was willst du jetzt gegen blanke Gewalt machen?“ Die Diskussion mit allem möglichem Für und Wider wurde lauter, so dass Gerda ebenso wie Marlene laut zur Ruhe mahnten. Sie wohnte wie viele andere Studenten in der großen Wohnung einer im Ersten Weltkrieg verwitweten Professorengattin zur Untermiete. Für beide Seiten war das Leben nach Krieg und hoher Inflation mit steigenden Heizkosten, teuren Lebensmittelpreisen und eingeschränktem Wohnraum schwierig geworden. Das bisher ungewöhnliche Zusammenleben von älteren und jungen Menschen, die sich bis dahin nicht kannten, hatte sich jedoch als Erfolgsmodell erwiesen. Elisabeth hatte von ihrem Bruder gehört, dass in den wenigen Wohnheimen, die es für Studenten gab, die Nazis ihren politischen Einfluss immer offener geltend machten. Für jüdische Studenten wurde es zunehmend schwieriger, einen Platz zu erhalten.

Elisabeth folgte der Diskussion mit zunehmendem Unwillen. Ihr fehlte, so wie sie es in den Seminaren ihres Studiums gewohnt war, die in sich schlüssige Diskussion, frei von waghalsigen Sprüchen. Sie lauschte noch eine Weile und verabschiedete sich dann, von den anderen unbemerkt, von Marlene. Die hob entschuldigend die Arme, stand auf und begleitete sie zur Tür. „Es ist schade, dass wir nicht miteinander reden konnten“, sagte sie ehrlich bedauernd. „Lass uns bald ein Treffen ausmachen.“ Auf dem Rückweg fiel Elisabeth auf, dass in den großen Mietshäusern, in denen die Arbeiter wohnten, fast in jedem Haus im Erdgeschoss ein Lokal um Kunden warb. Sie erinnerte sich, dass ihr Bruder sie schon darauf hingewiesen hatte, als sie von ihrem Plan erzählte, eine ehemalige Schülerin im Stadtteil Friedrichshain zu besuchen. „Die Arbeiter wohnen sehr beengt in ihren Mietskasernen“, erklärte er. „Die Gaststube wird dann zu einer Art Ersatzwohnzimmer.“ Sie schlenderte durch die Stadt, nahm die Gerüche und Geräusche wahr und fühlte sich zum ersten Mal in ihren Leben zumindest befreit von materiellen Sorgen.

Als sie sich dem Kurfürstendamm...

Erscheint lt. Verlag 2.12.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-13 9783695166442 / 9783695166442
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,4 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von Wolf Haas

eBook Download (2025)
Carl Hanser (Verlag)
CHF 18,55