App der Verdammnis (eBook)
270 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-6951-4738-0 (ISBN)
Sebastian Kielmann wurde 1980 in Henstedt Ulzburg geboren und wuchs im Amazonas in Brasilien auf. Die prägende Zeit dort hat seine Fantasie beflügelt und liefert ihm bis heute Inspiration. Er begann einem Studium der Betriebswirtschaft in Deutschland und schloss ihn in Großbritannien ab. Als Gründer und Unternehmer hat er erfolgreich eigene Unternehmen aufgebaut, seine Leidenschaft fürs Erzählen aber nie aus den Augen verloren. Über Jahre hinweg schrieb er Kurzgeschichten für seine Kinder. Mit diesem Buch legt er nun seinen ersten Horrorroman vor.
ZWEI
DIE MASKE DER SCHÖNHEIT - LISA
Die Luft im kleinen Abstellraum war abgestanden, warm und still, als Lisa das Handy in den Händen hielt. Die leeren, grauen Betonwände schienen die Zeit anzuhalten. Nichts regte sich außer ihrem eigenen Atem und dem leisen Knistern des Funkgeräts, das irgendwo draußen in den Fluren noch aktiv war. Draußen hörte man Schritte, gedämpfte Stimmen, metallische Klirren von Ausrüstung, die verschoben wurde. Hier drinnen aber war es, als wäre die Welt für einen kurzen Moment angehalten, als wäre der Raum aus der Wirklichkeit herausgelöst. Das Licht, das durch den schmalen Türspalt fiel, malte seltsame Muster auf den Boden.
In Lisas Hand lag dieses Handy, das eben noch eine Botschaft gezeigt hatte, die ihr vorkam wie aus einem Märchenbuch. Ein Wunschgerät. Sie hatte schon viel gesehen in ihrer Laufbahn als Polizistin: Betrüger, Diebe, Mörder, Verwirrte, Psychopathen. Aber nie etwas wie das hier. Nie ein Objekt, das ein Eigenleben zu besitzen schien.
Sie runzelte die Stirn, spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Das Handy war noch immer leicht warm, so als hätte es jemand gerade eben benutzt, um ein langes Gespräch zu führen. Aber sie wusste, das stimmte nicht. Der einzige, der hier gewesen war, war Ben – der Mann, den sie verfolgen sollten, ein Bankräuber, der angeblich einen ungewöhnlichen Gegenstand in seiner Tasche trug. Eine Tasche, die jetzt hier lag, gefüllt mit Geldscheinen, aber ohne ihren Besitzer. Ben war verschwunden, spurlos, als hätte sich sein Körper in Nebel aufgelöst. Keine Tür, kein Fenster, kein geheimer Gang. Nur dieses Handy, diese Botschaften, diese merkwürdige Hitze in Lisas Hand.
"Tippe deinen Wunsch ein, und er wird dir erfüllt.(0/3)"
Die Worte hallten in ihrem Geist nach, wie ein Echo in einer leeren Halle. Sie warf einen kurzen Blick auf den dunklen Bildschirm. Nichts zu sehen. Nur ihr eigenes, leicht verzerrtes Spiegelbild. Ihr Gesicht erschien ihr fremd, älter, als es sein sollte, durch den Stress, die langen Schichten, die immer gleichen Routinen. Sie dachte an all die Fälle, die sie bearbeitet hatte, an die Menschen, die sie retten wollte, an die Zeit, die sie geopfert hatte. Und jetzt stand sie hier, ein seltsames Handy in der Hand, ein Gerät, das Wünsche erfüllen konnte?
Vielleicht war es ein Scherz. Eine ausgeklügelte Technikspielerei, um sie zu verwirren. Vielleicht war es ein psychologischer Trick von Ben, um seine Verfolger in die Irre zu führen. Sie wollte nicht daran glauben, dass es echt sein könnte. Ben war aber verschwunden. Sie hatte die Wärme gespürt, die vom Handy ausging. Es war etwas an diesem Objekt, das sie nicht ignorieren konnte.
Langsam trat sie zur Tür, spähte hindurch, um sicherzugehen, dass keiner ihrer Kollegen hereinschaute. Alle waren beschäftigt. Sie hörte Gesprächsfetzen: "…ist nicht hier…", "…Türen verschlossen…", "…muss irgendwo versteckt sein…" Sie wusste, dass sie einen Bericht schreiben musste, eine Erklärung finden für das Unerklärliche. Doch was sollte sie sagen? Dass Ben sich in Luft aufgelöst hatte, nur zurückgelassen hatte er ein Handy, das Wünsche erfüllte? Niemand würde ihr glauben. Wahrscheinlich würden sie sie zum Polizeipsychologen schicken.
Leise, vorsichtig, schloss sie die Tür hinter sich. Der Raum war ihr Schutzraum, ihr Kokon der Zweifel. Sie musste herausfinden, was hier vor sich ging, ohne die Kollegen einzubeziehen. Sie wollte nicht ihre Integrität verlieren. Vielleicht konnte sie ja irgendwie beweisen, dass dieses Ding wirklich funktionierte. Wenn sie einen kleinen Test machte. Einen unverfänglichen Wunsch. Etwas Harmloses. Sie überlegte kurz: Vielleicht etwas wie: "Ich wünsche mir, dass das Licht in diesem Raum ausgeht." Aber es gab gar kein elektrisches Licht, nur eine Nische mit einer schwachen Neonröhre an der Decke. Und wenn sie ausging, wäre das vielleicht nur ein Zufall. Sie brauchte etwas Unverkennbares.
Ihre Finger glitten über den schwarzen Bildschirm des Handys. Nichts tat sich. Sie wartete. Dann tippte sie vorsichtig mit einem Finger auf die dunkle Oberfläche. Zuerst geschah nichts, doch dann flackerte der Bildschirm auf. Da war wieder diese geschwungene Schrift. Keine Tastatur, kein Menü, nur ein Feld, in das sie offenbar etwas eingeben konnte. Ihre Gedanken rasten. Was, wenn sie wirklich einen Wunsch eingab? Was sollte sie sich wünschen?
Sie musste klein anfangen. Ein schlichter Test. "Ich wünsche mir, dass…" Sie zögerte. Konnte sie es einfach so eintippen? Die Worte fielen ihr schwer. Die Absurdität der Situation lastete auf ihr. Sie dachte an ihre Kindheit, an Märchen. An Feen und Flaschengeister, die Wünsche erfüllten. Doch sie war kein Kind mehr. Sie war eine erwachsene Frau, Polizistin. Rational. Überlegt.
Trotzdem: Der Gedanke, dass dieses Handy real sein könnte, verführte sie. Welche Macht könnte darin liegen? Was könnte sie alles verändern, erreichen, verbessern? Ihr erster Impuls war es, etwas Gutes zu tun. Vielleicht hätte sie sich wünschen können, dass Ben zurückkehrt, damit sie ihn festnehmen konnte, ohne Gewalt, ohne Rätsel. Oder dass das gestohlene Geld an die Eigentümer zurückgelangt. Aber dann dachte sie an Ben. Was waren das für Wünsche gewesen? War sein Verschwinden der letzte Wunsch gewesen? Oder etwas anderes?
Sie überlegte: Wenn dieses Handy wirklich mächtig war, dann war es auch gefährlich. Wären ihre Kollegen sicher, wenn sie das Geheimnis teilte? Würde man ihr das Handy abnehmen, es in irgendwelche Labore bringen, zerlegen, analysieren? Hätte sie dann die Chance verloren, es für etwas Sinnvolles zu nutzen?
Die Vorstellung, Macht zu haben, hatte etwas Verlockendes. Sie war immer pflichtbewusst gewesen, immer loyal, immer auf der richtigen Seite des Gesetzes. Doch das Leben war hart, ungerecht. Sie hatte gesehen, wie Verbrecher ungeschoren davonkamen, wie Opfer in Armut und Verzweiflung zurückblieben. Sie hatte miterlebt, wie ihre Kollegen an Grenzen stießen, an Bürokratie, an politische Entscheidungen, an mangelnde Ressourcen. Wie oft hatte sie sich gewünscht, die Welt ein Stück besser machen zu können, ohne endlose Anträge, ohne langwierige Ermittlungen?
Aber jetzt, in diesem stillen Raum, fiel ihr ein anderer, viel persönlicherer Wunsch ein, der sie schon lange begleitete. Sie hatte es nie ausgesprochen, weil es ihr banal vorkam, nicht vereinbar mit ihrem Bild von einer taffen Ermittlerin. Sie war nicht hässlich, nein, gewiss nicht. Sie war eine durchschnittlich aussehende Frau Ende dreißig, vielleicht etwas müde in den Augen, mit leichten Fältchen, die vom stressigen Job stammten. Ihr Haar war kurz geschnitten, weil es im Dienst praktischer war, ihre Figur athletisch, aber nicht auffallend. Sie war einfach… gewöhnlich.
Sie erinnerte sich an ihre Jugend, als sie manchmal vor dem Spiegel stand und sich fragte, wie es wäre, die Männerwelt zu verzaubern, Blicke auf sich zu ziehen, ohne ein Wort zu sagen. Schön zu sein, so richtig schön, überwältigend schön. Eine Schönheit, die alle Herzen höherschlagen ließ, die jede Konkurrenz verblassen ließ. In der rauen Welt des Polizeialltags hatte sie diesen Wunsch tief vergraben. Aus Eitelkeit durfte man keine Kraft schöpfen, hatte sie sich immer gesagt. Doch jetzt, in der Stille, in der Einsamkeit, in diesem Augenblick der Versuchung, schoss ihr dieser Gedanke durch den Kopf wie ein Funken.
Was, wenn sie tatsächlich die schönste Frau der Welt würde? Nicht nur hübsch, sondern die Schönste überhaupt. Eine, gegen die selbst Filmstars verblassten. Sie musste unwillkürlich lächeln bei dem Gedanken. Es war absurd. Aber warum nicht? War das nicht der ultimative Test für dieses Handy? Wenn sie danach den Raum verließ und die Kollegen sie mit offenem Mund anstarrten, wüsste sie, dass es funktionierte. Dann könnte sie es immer noch sinnvoll nutzen, irgendetwas Gutes tun.
Ja, das war ein dummer, egoistischer Wunsch. Aber er war eindeutig. Entweder würde er erfüllt, oder nicht. Eine klare Prüfung. Und wenn es funktionierte, könnte sie später immer noch einen zweiten Wunsch äußern, um die Welt zu verbessern. Dies war nur ein Test, redete sie sich ein. Ein Test ihrer Macht über dieses Objekt. Nicht mehr.
Ihre Finger zitterten leicht, als sie auf den Bildschirm blickte. Das Eingabefeld war leer, wartete. Sie holte tief Luft, ihr Herz klopfte hart in ihrer Brust. Sie war allein. Niemand würde erfahren, was sie hier tat, außer sie selbst. Und wenn es schiefging, nun, dann war es eben nur eine verrückte Idee gewesen. Langsam, mit Bedacht, begann sie zu tippen. Jeder Buchstabe erschien in geschwungener, eleganter Schrift auf dem Display, als hätte eine unsichtbare Hand ihn mit Tinte gezeichnet.
"Ich wünsche mir, die schönste Frau der Welt zu sein."
Sie starrte die Wörter an. Das war es. So einfach. Sie hatte es ausgesprochen – oder besser gesagt, geschrieben. Jetzt kam der Moment, in dem sie auf "Senden" oder...
| Erscheint lt. Verlag | 13.10.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | Dark Fantasy • Djinn Geschichten • Modernes Märchen mit Horror • Urban Fantasy • Verbotene Macht |
| ISBN-10 | 3-6951-4738-5 / 3695147385 |
| ISBN-13 | 978-3-6951-4738-0 / 9783695147380 |
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