Freidurchatmen (eBook)
430 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-6951-8030-1 (ISBN)
Robert Bayer, geboren 1964 in der Oberpfalz, lebt heute mit seiner Familie in Kassel. Als gelernter Koch und begeisterter Sportler, ob Radfahren, Joggen oder Reisen, sucht er stets nach neuen Abenteuern und kulinarischen Genüssen. Mit seinem ersten Buch möchte er die Leser dazu inspirieren, an sich selbst zu glauben und ihre Träume zu verfolgen. Sein Leben ist von Ruhe, Gelassenheit und dem konsequenten Fest-halten an eigenen Werten geprägt. Mehr Informationen finden Sie auf seiner Website Freidurchatmen.de.
ABSCHIED
Der Morgen beginnt kühl, die Luft ist frisch, und ein zarter Nebel zieht über die Wasseroberfläche. Ein Tag voller Möglichkeiten liegt vor mir. Martina, meine langjährige Begleiterin und vertraute Konstante in meinem Leben, steht an meiner Seite, als ich mich auf den Weg mache. Vor uns erhebt sich die Brücke über die Loire ein imposantes Bauwerk aus Beton und Stahl. Mit einer Höhe von 61 Metern und einer Länge von fast 3,3 Kilometern verbindet sie zwei Ufer und trotzt beständig den rauen atlantischen Winden. Die sechs Fahrspuren und der separate Fuß- und Radweg spiegeln die Bedeutung dieser Verkehrsader wider. Ihre massiven Pfeiler und gespannten Stahlseile verleihen ihr eine bemerkenswerte Statik, während die Steigung das Gefühl vermittelt, für einen Moment schwerelos über dem Fluss zu schweben. Die dicken Stahlseile werfen ihre Schatten auf die Brücke, während der Verkehr noch ruhig ist
Das sonore Brummen der LKWs hallt durch die Luft, mischt sich mit dem gleichmäßigen Surren der vorbeiziehenden Autos. In unregelmäßigen Abständen heulen Motorräder auf, bevor sie in der Ferne verschwinden. Die ersten Sonnenstrahlen brechen durch den Dunst und tauchen das Bauwerk in warmes Licht. Dann naht der unvermeidliche Abschied.
Martina steht vor mir, ihr Gesicht blass, ihre blauen Augen glänzen feucht in der Morgensonne. Tränen laufen über ihre Wangen, sammeln sich am Kinn und tropfen unbemerkt auf den Reißverschluss meiner Jacke. Sie schlingt ihre Arme fest um mich, ihre Hände umklammern den dicken Stoff, als könne sie mich so noch einen Moment länger halten. Ihr Schluchzen ist leise, doch es geht mir durch Mark und Bein.
Ich spüre die Kraft ihrer Umarmung, ihre Finger krallen sich in meinen Rücken, als wolle sie mich nicht loslassen. Die Zeit scheint für einen Moment stillzustehen. Dann hebt sie den Kopf, ihre Lippen beben, und mit erstickter Stimme flüstert sie: "Leb wohl... Adieu..." Die Worte hängen schwer in der Luft, ein leiser Nachhall der Liebe, die wir teilen.
Wir lösen uns langsam voneinander, doch ihre Hand ruht noch einen Moment auf meinem Arm, als wolle sie sich jeden letzten Eindruck einprägen. Ein letztes Foto vor dem quadratischen, blauen Eurovelo-6-Schild, das mich noch lange auf meiner Reise durch Frankreich begleiten wird. Ein tiefer Atemzug der salzigen Luft, ein letzter Blick in ihre Augen und dann beginnt meine Reise.
Der Weg führt mich entlang des Flusses, vorbei an Brücken, die tief ins Wasser hineinragen. Einige von ihnen sind aus Holz gefertigt, ihre langen, groben Stäbe tragen die Last der Zeit. Die Lauffläche ist unregelmäßig, Bretter ragen schief hervor, manche knarren leise unter meinem Gewicht, als wollten sie ihre eigene Geschichte erzählen. Die massiven Pfeiler bieten den Fischern einen festen Stand, während die Wasseroberfläche sanft gegen das Holz schwappt.
An der Uferpromenade entdecke ich monumentale Skulpturen aus altem Metall, kunstvoll aus Schrott zu Nashörnern, Kamelen und anderen tierähnlichen Gebilden geformt. Das Sonnenlicht lässt das Metall aufblitzen, während der Wind durch die Hohlräume pfeift, als ob die Skulpturen flüstern würden. Rost überzieht ihre Körper, gibt ihnen eine Patina, die die Zeit sichtbar macht, manche von ihnen scheinen kurz vor dem Verfall, andere trotzen den Jahren mit beeindruckender Beständigkeit. Wie lange werden sie hier stehen, bevor sie eines Tages entfernt oder restauriert werden? Werden sie weiterhin Menschen inspirieren, Gedanken anstoßen, oder zum Gegenstand von Diskussionen werden? Kunstfreiheit bleibt immer im Auge des Betrachters für manche ein Symbol kreativer Kraft, für andere ein rostiges Ärgernis. Ich halte einen Moment inne, betrachte die metallenen Strukturen und versuche, ihre Geschichte zu entschlüsseln.
Entlang alter Steinmauern, die von Generationen aufgeschichtet wurden, huschen Salamander über das warme Gestein. Ihre glänzenden Körper schimmern im Sonnenlicht, das sich auf ihren schwarzen, gelb gefleckten Rücken spiegelt. Einige sind fast vollständig schwarz, andere tragen leuchtend orangefarbene Zeichnungen, die sich von der rauen Steinoberfläche abheben. Sie bewegen sich geschmeidig, ihre feuchten Häute reflektieren das Licht, während sie blitzschnell in die schmalen Ritzen zwischen den Steinen verschwinden, als ich mich nähere.
Erste Schmetterlinge flattern durch die milde Luft ihre Flügel in kräftigem Blau, leuchtendem Orange oder mit filigranen Mustern gezeichnet. Sie setzen sich für einen Moment auf das sonnengewärmte Gestein, lassen ihre Flügel erzittern, bevor sie erneut in die Höhe steigen und in den Wind gleiten. Die Steine speichern die Wärme des Tages, ihre raue Oberfläche fühlt sich lebendig an, durchzogen von winzigen Rissen, in denen Moos und Flechten Wurzeln geschlagen haben. Der Wind trägt den erdigen Duft von feuchtem Moos und Kräutern zu mir herüber, vermischt mit dem sanften Summen der Insekten.
Auf einer nahen Wiese liegt ein ausrangiertes Ruderboot, dessen verblasste Farben Hellblau, Weiß und Gelb von vergangenen Fahrten erzählen. Es liegt schief im Gras, als hätte es die Zeit hier vergessen. Weiß-rote Markierungsfahnen zeigen mir den weiteren Verlauf des Wanderwegs, der sich durch dichtes Grün und entlang verwilderter Tümpel windet. Das hohe Schilf neigt sich sacht im Wind, während Vögel laut zwitschernd zwischen den Halmen aufsteigen und sich wieder niederlassen.
Am Ufer beobachte ich eine Fähre, die gleichmäßig über den breiten Fluss gleitet. Ihr Motor brummt tief, während das Wasser sanft an den Bug schlägt. Menschen lehnen am Geländer, ihre Stimmen mischen sich zu einem unruhigen Murmeln mal ein Lachen, mal ein aufgeregtes Gespräch, dann wieder ein Moment des Schweigens. Einige schauen nachdenklich auf das Wasser, während andere die Aussicht genießen oder mit einem Begleiter plaudern.
Langsam entfernt sich die Fähre, der Klang der Gespräche wird leiser, bis nur noch einzelne Wortfetzen zu hören sind. Schließlich verstummen sie vollständig, übertönt vom rhythmischen Tuckern des Motors, der mit jedem Meter dumpfer wird.
Ich fahre weiter und gelange auf ein weites, goldfarbenes Feld. Die Heuballen, von denen einige noch aus dem letzten Jahr stammen, sind grob gestapelt, von Wind und Wetter gezeichnet. Ihr Geruch mischt sich mit der warmen Sommerluft. Ein alter, rostrot lackierter Traktor tuckert behäbig über die Erde, sein Motor ein beruhigendes, gleichmäßiges Summen. Mit plötzlicher Präzision stürzen Möwen sich auf das frisch gepflügte Feld, ihre Flügel spreizen sich im Sturzflug, bevor sie mit schnellen, präzisen Bewegungen nach Nahrung picken. Der aufgewühlte Boden ist ein gedeckter Tisch für sie, ein Festmahl aus Würmern und Insekten, die aus der Erde hervorgeholt wurden. Nach einem kurzen, hektischen Mahl flattern sie wieder auf, segeln elegant durch die Luft und kreisen weiter über der Landschaft, als warteten sie auf die nächste Gelegenheit.
In der Ferne wirbelt ein Hund aufgeregt durch das Feld, er jagt spielerisch einem flatternden Blatt nach, rennt kreisend um die Bauern, die mit ruhiger Gelassenheit ihrer Arbeit nachgehen. Ich halte kurz an, um den Moment zu genießen, bevor ich weiterziehe.
Mein Weg führt mich weiter entlang des Kanals. Plötzlich nähert sich eine Gruppe Rennradfahrer. Ihre leuchtenden Trikots in grellem Rot, Blau und Gelb scheinen in der Sonne zu flimmern, während sie mit beeindruckender Geschwindigkeit näherkommen. Der kaum vorhandene Verkehr lässt die Straße weit und leer erscheinen, nur das gleichmäßige Surren der schmalen Reifen auf dem Asphalt durchbricht die Stille.
Als sie mich passieren, grüßen sie mit einem kurzen Klingeln oder einem lässigen Handzeichen, ein flüchtiger Moment der Verbundenheit unter Radfahrern. Dann rauschen sie an mir vorbei, ihre Beine bewegen sich wie perfekt synchronisierte Kolben, während sie sich in einer präzisen Formation bewegen. Sie fahren den belgischen Kreisel, eine rotierende Formation, bei der die Fahrer an der Spitze nach außen ausweichen, um sich hinten wieder einzuordnen, während die hinteren nach vorne aufrücken. Mit beeindruckender Leichtigkeit wechselt die Führung, jeder Fahrer nimmt für kurze Zeit den Windschatten der Gruppe in Anspruch, bevor er selbst wieder nach vorn tritt.
Direkt hinter ihnen fährt ein Begleitfahrzeug mit Warnblinkern, das den übrigen Verkehr auf Abstand hält. Der Fahrtwind streift mein Gesicht, eine Sekunde lang bin ich Teil ihrer Dynamik dann sind sie verschwunden, nur das leise Nachklingen der Klingeltöne bleibt für einen Moment in der Luft hängen.
Nach fast 60 Kilometern suche ich einen ruhigen Platz für die Mittagspause. Ich entdecke eine kleine Lichtung mit einer alten Holzbank. Dort sitzt bereits ein junger Mann, der mich freundlich einlädt, Platz zu nehmen. Sein Name ist Antoni, ein erfahrener Backpacker, der seit 20 Monaten auf Reisen ist. Während er sein McDonald's-Menü genießt, packe ich meine eigenen Vorräte aus:...
| Erscheint lt. Verlag | 10.10.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
| Schlagworte | Der Weg zu mir • Mukoviszidose • Natur und Menschen erleben und verstehen • radfahren • Radreisebericht |
| ISBN-10 | 3-6951-8030-7 / 3695180307 |
| ISBN-13 | 978-3-6951-8030-1 / 9783695180301 |
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