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FKK mit Sinn -  Ekkehard Krüger

FKK mit Sinn (eBook)

eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
194 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-6951-7835-3 (ISBN)
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8,49 inkl. MwSt
(CHF 8,25)
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War's schön? Ich höre die Worte Im Vorbeigehen und kann ihren Ursprung nicht orten. Eine Frage nach dem Lebensgefühl. Wann fällt mir sowas ein? In der Regel macht man sich darüber keine Gedanken. Es ist etwas Vergangenes. War's schön? Wenn ich nach draußen blicke kann ich sagen schön war's.

Eine Weihnachtsgeschichte 2024

Walter Baum sitzt in der Redaktionsbesprechung seiner Zeitung. Es ist Vorweihnachtszeit. “Wir brauchen noch eine Weihnachtsgeschichte. Aber keine zu schwülstige.” Der Chefredakteur schaut in die Runde. “Jetzt kann jeder seinem Affen Zucker geben” poltert er lachend. Alles bleibt ruhig, keiner hat etwas im Hinterkopf vorbereitet, jeder will Ruhe vor Weihnachten. Nach längerem diskutieren fällt das Los auf Walter. Er ist Single und hat noch keine Weihnachtsstory geschrieben. Es gibt immer ein erstes Mal; der Spruch ist ein schwacher Trost, den er schnell wegwischt.

Nach Feierabend geht Walter in die “Mühle”. Seine Stammkneipe ist gut besucht, Fred ist auch schon da. Sie sprechen über den Einkaufstrubel, die geschmückten Fassaden, die himmlische Geschichte. Walter rempelt Fred an. “Was wurde eigentlich aus der Familie?” - “Das Kind blieb zuhause. Kein Krippenplatz. Der Ochse wurde vier Wochen später geschlachtet, der Esel läuft im Göpel im Kreis. Das übliche.” Fred spekuliert wieder mal ganz trocken und ohne Wissen herum. Romantik ist für ihn ein Fremdwort. Als Walter von seiner Arbeitsaufgabe erzählt wird es ruhig am Tisch. Der schwache Lärmpegel in der Kneipe ist auf einmal dominierend. Walter versucht, die leise Musik im Hintergrund zu entschlüsseln. Irgendwo im Nebenraum dudelt eine alte Musikbox. Die Platte hat einen Sprung, sie leiert immer an derselben Stelle … do they know it’s christmas time at all … Walter lächelt verträumt. Der Song ist uralt und läuft jedes Jahr. Bob Geldof, Midge Ure mit der Band Aid 1984. Ob sich die Afrikaner noch an die Spenden erinnern?

Nach Minuten des Schweigens murmelt Fred: “Advent. Heißt doch ankommen. Was kommt an?” Er schaut Walter provokant ins Gesicht. Der überlegt: “Vielleicht sollte ich bei den Ankömmlingen anfangen. Morgen früh fahre ich in die Flüchtlingsunterkunft nach Tegel” entscheidet er. Er weiß, dort sind eine Menge an Entwurzelten und Weitgereisten untergebracht. Alle irren wie Maria und Josef durch die Nacht des 21. Jahrhunderts. Er trinkt sein Bier aus und verschwindet wortlos in den Abend.

Am nächsten Morgen öffnet Walter eine Tür in Tegel. Er hatte gestern Abend noch die Geschichte von dem Jungen gelesen, der die Frohe Botschaft suchte. Der Junge irrte stundenlang im Botschaftsviertel im Tiergarten herum, die frohe Botschaft fand er nicht. Es war halt kein Gebäude gemeint. Der Junge hockte am Schluß der Geschichte neben einem bärtigen Obdachlosen, der dem frierenden Jungen einen heißen Tee spendierte. Es schien ein bißchen menschliche Wärme durch die Geschichte.

Der Empfang in Tegel ist düster und abweisend. Keine Weihnachtsstimmung. Ein Mitarbeiter der Aufnahmeeinrichtung nimmt ihn mit zu einem Zelt. Dort sind seit vier Monaten Asylbewerber untergebracht, deren Personalien allerdings unklar sind. Walter setzt sich zu einer fünfköpfigen Familie und fragt nach ihrer Geschichte. Sie sind aus Syrien und vor den Kämpfen geflohen. Dann waren sie in der Türkei, schließlich kamen sie auf Irrwegen nach Deutschland. Welche Mittel sie dafür eingesetzt haben wollen sie nicht erzählen. Ein kleiner Junge hört scheinbar teilnahmslos zu. Walter fragt nach ihrem Glauben, er möchte eine Verbindung zur frohen Botschaft finden. Ihre Ankunft in Deutschland ist doch schon ein kleines Happy End, oder nicht? Er spricht den Jungen an. “Er kann Sie nicht hören, er ist taub. Die Bomben sind dicht neben seinem Kopf explodiert, wie durch ein Wunder hat er überlebt.” Der Vater berichtet ruhig von der Bombennacht in Aleppo. Die Mutter hält ein Mädchen im Arm. Walter will sich dem Mädchen zuwenden, da weist ihn die Mutter zurück. “Sie kann Sie nicht sehen, Granatsplitter haben ihr Augenlicht zerstört. Sie braucht Ruhe.” Walter erschrickt. Wie soll er hier den Bogen zur christlichen Botschaft schlagen? Er hakt insgeheim diesen Teil seiner Vorbereitung ab. Hier wird er keine frohe Botschaft beschreiben können.

Am Mittwoch früh fährt Walter nach Frankfurt an die Oder. Er ist sicher, auch dort sind herzzerreißende Szenen zu finden. Die Grenze ist uninteressant, zu viele Grenzbeamte. Er beschließt, weiter nach Polen hinein zu fahren. In einem kleinen Dorf beobachtet er Geflüchtete, die eine weite Strecke hinter sich haben. Sie sehen abgehetzt und müde aus. Als er auf sie zukommt nehmen sie flugs Reißaus. Nicht so einfach, mit Migranten eine Weihnachtsgeschichte zu basteln. Im Wirtshaus wärmt er sich auf. Die polnische Bedienung ist höflich distanziert. Er ist für sie schnell als Neugieriger zu erkennen, der die Migration hautnah beobachten will. Hauptsache, er macht eine gute Rechnung. Ein SUV hält vor der Gaststätte. Eine dreiköpfige Familie steigt aus und betritt den Gastraum. Vorsichtig blicken sie in alle Gesichter, dann nehmen sie in der hinteren Ecke Platz. Sie essen Mittag und haben es nicht eilig. Nach einer reichlichen halben Stunde steht Walter auf und spricht sie an. Er fragt höflich nach ihrer Herkunft. Die Familie weiß, daß sie vielfältige Hilfe brauchen wird und nimmt den Kontakt an. Walter darf sich setzen und erfährt, daß sie aus Odessa stammen. Der Vater Anatoli ist 59 Jahre alt. Der Krieg bedrückt sie sehr. Trotzdem haben sie versucht, das Leben so normal als möglich zu gestalten. Anatoli wollte wie jedes Jahr den Weihnachtsmann für Nachbars Enkel spielen. Dieses Jahr kam am ersten Dezember der Einberufungsbefehl. Als die Regierung in Kiew eine Diskussion begann, das Alter für den Armeedienst von 25 auf 18 Jahre zu senken fingen sie an, die Ausreise zu planen. Ihr Sohn Victor ist 20 Jahre alt, er soll nicht an die Front. Walter wird klar, daß die Familie jetzt irgendwie über die deutsche Grenze kommen will. Im Stillen denkt er, das wird auch keine friedliche Weihnachtsgeschichte.

Auf der Rückfahrt nach Berlin nimmt er einen politischen Aktivisten mit. Er hatte sich im Hotel mit Jens angefreundet.

Die politische Farbe des Aktivisten ist für ihn schwer einzuschätzen, rot, grün, dunkelrot? Während der Autobahnfahrt hören sie Nachrichten. Der amerikanische Außenminister Antony Blinken proklamiert: “Wir liefern ausreichend Waffen … “ Jens ergänzt schlagfertig: “… und die Ukraine liefert ausreichend Soldaten.” Walter schaltet das Radio aus. Das Thema hatte er gestern, an Soldaten will er nicht denken. Ihm fällt ein, Antony Blinken ist 62 Jahre alt. Die Wehrpflicht in der Ukraine gilt nur bis 60, er hätte Schwein gehabt.

Er fragt Jens, ob er ein Wunder kennt, zum Beispiel das Weihnachtswunder von 1914. Jens macht große Augen. Das war kein Schulstoff, ihm auch sonst nicht bekannt. Walter erklärt, es gab im ersten Kriegsjahr 1914 an Weihnachten in Flandern für wenige Tage einen Frieden zwischen Deutschen und Briten.

Mitten im Krieg einen Christmas Truce. Die christliche Weihnachtsstimmung besiegte die politische Feindschaft. Ob heute an der Front davon geträumt wird? Die Fahrt geht schweigend weiter.

Walter grübelt intensiv an einem Plot für die Weihnachtsgeschichte. Es fällt ihm nichts ein. Er fährt langsam, nur mit 90 km/h, er hat Zeit. Nach 15 Minuten will Jens das Gespräch wieder aufleben lassen und fragt nach Weihnachtsgeschenken.

Als Walter still bleibt zählt er selbst seine Einkäufe auf. Stolz ist er auf das Raketenset für seinen Neffen. Zehn Oreschnik Raketen und zehn Taurus Raketen, dazu Häuser, Kirchen, Bäume, Tiere, Menschen. Die Raketen können gegenüber in Stellung gebracht werden, wenn sie einschlagen fliegen die gegnerischen Häuser, Kirchen, Bäume, Tiere und Menschen um. Das sieht lustig aus. Zwar nicht so wie in den Kriegsspielen im Internet, dafür haptisch um so besser. Er erinnert sich an Loriot. Der hatte 1978 in einem Weihnachtssketch mit einem Atomkraftwerk großen Erfolg. Weihnachten bei Hoppenstedts.

Da konnte man auch das Atomkraftwerk in die Luft fliegen lassen. Alle haben gelacht. Das muß heute auch noch funktionieren.

Im Radio wird über das Wunder von VW berichtet. Keine Werkschließungen. Klingt gut. Aber wie weiter? Walter diskutiert mit Jens über die deutsche Wirtschaft. Sie zitieren unzählige Experten, die Krise ist gewaltig. Von den Politikern sind beide enttäuscht. Bald sind Neuwahlen. Walter kommt plötzlich Kurt Tucholsky in den Sinn. Gerd E. Schäfer nuschelte in DDR- Zeiten herrlich den Tucholsky-Sketch zu den Wahlen.

Sinngemäß heißt es da: “… denn seh’n se mal, Wahlen sind der Rummelplatz des kleinen Mannes. Einmal alle vier Jahre da tun wir so als ob wir täten. … eine Partei wählen. Man hat das gute Gefühl, man tut etwas für die Revolution und weiß ganz genau, mit dieser Partei kommt sie ganz bestimmt nicht.” Könnte passen, aber das war vor 100 Jahren.

Am nächsten Morgen hat Walter immer noch keinen richtigen Plan für die Weihnachtsgeschichte. Er startet den Rechner und die KI- Software. Mit den Stichworten Weihnacht, Abenteuer im Schnee, Handicap, Inklusion, Kinder produziert sein alter PC eine rührende Story, die er dem Chefredakteur verkaufen will.

Für...

Erscheint lt. Verlag 2.10.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Lyrik / Gedichte
Schlagworte Kurzgeschichte • Kurzgeschichten • Philosophie • Psychologie • Zeitgenössisches
ISBN-10 3-6951-7835-3 / 3695178353
ISBN-13 978-3-6951-7835-3 / 9783695178353
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