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Der Krieg in Briefen 1938-1949 -  Karin Gunnemann-Schoeller

Der Krieg in Briefen 1938-1949 (eBook)

Feldpost von Dieter Schoeller an seine Frau Ruth
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
378 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7562-6638-8 (ISBN)
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(CHF 9,75)
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Das hier ist ein Sachbuch. Keine Fiktion und schon gar kein Heldenepos. Dennoch ist in dieser Geschichte von Dieter Schoeller und seiner Grossfamilie aus den Kriegsjahren ein Spannungsbogen verborgen. Er reicht von Karins Geburt in der luxuriösen Villa ihrer Grosseltern bis zum Einzug der wieder vereinten Familie, neun Jahre später in die bescheidene Dürener Baracke am Fabrikgelände.

Kriegsvorbereitungen
1938 - 1939


Ende August 1938, zehn Tage bevor ich, Karin zur Welt kommen sollte, zogen meine Eltern Dieter und Ruth Schoeller mit meinem zweijährigen Bruder Bernd von ihrem kleinen Reihenhaus am Fluss in die Villa Arnold Schoeller. Die Villa war im Besitz der Großeltern meines Vaters im rheinischen Düren.

Zu dieser Zeit konnte die Familie Schoeller auf eine mehr als 600 Jahre alte Geschichte des Unternehmertums und eine mehr als 800 Jahre alte Familiengeschichte zurückblicken. Mitte des 18. Jahrhunderts etablierten sich die Schoellers in Düren in der Textil- und Papierindustrie, mit Hilfe des günstigen Wassers der Rur. Ihre Produkte waren von weltweitem Ruf und wurden auf verschiedenen Weltausstellungen im 19. Jahrhundert mit Preisen ausgezeichnet. Im Jahr 1938 leitete mein Vater zusammen mit seinem Vetter Fritz von Eynern die Tuchfabrik Leopold Schoeller und Söhne, die 1799 in Düren gegründet worden war und berühmte feine Wollstoffe herstellte.

Meine Eltern hatten beschlossen, dass die Geburt ihres zweiten Kindes mit Hilfe einer Hebamme zuhause in der komfortablen Villa meiner Urgroßmutter (der in der Familie so berühmten „Maam“) stattfinden sollte. Maam hatte für dieses große Ereignis ihr eigenes Schlafzimmer zur Verfügung gestellt und war für die Zeit nach Neuhaus, in ihr Landhaus in Bayern gezogen. Im Jahr 1882 hatte mein Urgroßvater sich eine typische Dürener „Villa“ aus der Zeit der Jahrhundertwende bauen lassen: eine Nachahmung der klassizistischen Villa des berühmten Stahl- und Waffen-Herstellers Krupp in kleinerem Format. Das Haus war üppig ausgestattet mit französischen und englischen Möbeln, mit Gold umrahmten Bildern auf seidenen Tapeten, lebensgroßen Familienporträts, Skulpturen, Marmorsäulen, wertvollen Hölzern und exotischen Pflanzen, die der Gärtner in eigenen Treibhäusern für den Wintergarten züchtete.

In einem Brief an ihre Schwester Verena berichtete meine Mutter, dass sie sich zu ihrem eigenen Erstaunen hier wohlfühlen würde, es sei sogar „fast gemütlich“ an diesem opulenten Ort. Sie lag auf der ruhigen Terrasse, von welcher aus man den herrlichen Garten überschauen konnte, der mit den danebenliegenden Villen anderer Schoeller-Familien geteilt wurde und eine parkähnliche Anlage bildete. Sie liebte die exotischen Bäume, die prachtvollen Blumenbeete, die drei Treibhäuser, die Laube, das Tempelchen und die beiden Teiche im Nebengrundstück. In einer dieser Villen waren mein Vater und seine drei Geschwistern aufgewachsen, und bis zu ihrem Lebensende erzählten sie mit Begeisterung, wie phantastisch es gewesen war, mit ihren Kusinen und Vettern in diesem riesigen Gartengelände zu spielen.

Die Villa meiner Grosseltern in Düren, 1938

Nein, antwortete meine Mutter auf die Frage ihrer Schwester in demselben Brief, sie hatte bisher nichts bemerkt von den riesigen Grenzbefestigungen, die in diesem Teil des Rheinlands errichtet worden waren: „den Drahtverhauen, Unterständen und Panzergräben, die aus dem Boden zu schießen schienen.“ Aber sie war auch schon lange nicht mehr draußen gewesen. Sie wusste nur, dass Arbeiter gezwungen wurden, diese Arbeit zu verrichten. Erschreckende Anzeichen für die Vorbereitung auf eine militärische Mobilisierung in Deutschland.

Meine Geburt am 30. August verlief erstaunlich schnell und leicht, auch wenn sich mein Vater, wie später erzählt wurde, nicht gerade als „Held“ herausgestellt hatte, als er gebeten wurde, Wasser für die Sterilisierung der Instrumente zum Kochen zu bringen. Als sich mein Vater in einem Brief von 1941 an diese Nacht erinnerte, berichtete er ein wenig beschämt, dass er mein erstes Schreien mit großer Freude unten in der Eingangsdiele gehört hatte.

Das geordnete Leben im Haus meiner Urgroßeltern mit seinem friedlichen Luxus stand in scharfem Kontrast zu dem wachsenden Bewusstsein, dass sich Deutschland unwiderruflich auf dem Weg zu einer Konfrontation mit dem Rest Europas befand. Das Land war jetzt seit mehr als fünf Jahren unter nationalsozialistischer Herrschaft und Hitler war dabei, die Verordnungen des Versailler Vertrags von 1919 mit seinen Bedingungen für Deutschland eine nach der anderen abzubauen. 1935 setzte er die Wiedereinsetzung der allgemeinen Wehrpflicht durch. Zudem hatte er damit begonnen, wieder eine deutsche Luftwaffe aufzubauen. Im Februar 1938 erklärte sich Hitler zum Oberbefehlshaber der Wehrmacht und machte seinen Plan, eine neue Ordnung in Europa unter deutscher Vorherrschaft zu schaffen, öffentlich. Im folgenden Monat gelang es ihm, die Begeisterung unter den Deutsch-Nationalisten in Österreich auszunützen und das Land zu einem „Anschluss“ an das Reich zu zwingen. Davon überzeugt, dass weder England noch Frankreich auf seine Aggression militärisch antworten würden, hatte Hitler als Nächstes vor, die deutschsprachigen Teile der Tschechoslowakei und das Sudetenland zu annektieren. Als er im August eine aufrührerische antitschechische Rede hielt und befahl, dass deutsche Truppen an die Grenze des Landes ziehen sollten, schien die Drohung eines Krieges Wirklichkeit zu werden. Die Gefahr wurde jedoch noch einmal abgewendet, als sich England, Frankreich, Deutschland und Italien in dem kontroversen „Münchner Abkommen“ am 30. September 1938 darauf einigten, dass deutsche Truppen das Sudetenland besetzen durften. Hitlers Bluff hatte Erfolg. Tschechische Bauern im Sudetengebiet mussten ihre Höfe sofort aufgeben und den deutschen Truppen Platz machen.

Nein, schrieb meine Mutter Anfang Oktober 1938 an Verena, Gasmasken waren noch nicht an die Bevölkerung im Rheinland ausgeteilt worden, wie in Hannover wo die Schwester lebte. Und glücklicherweise war der Albtraum der letzten Monate von einem erneuten Krieg durch das Münchner Abkommen noch einmal beigelegt worden, indem die englischen und französischen Ministerpräsidenten Hitlers Anforderungen nachgegeben hatten. Neville Chamberlain hatte am 30. September zu ihrer Beruhigung erklärt: der „Frieden für unsere Zeit“ sei gesichert.

Intensive Spannungen und offen ausgetragene Gewalt innerhalb Deutschlands wurden sichtbarer. Meine Mutter hatte ein Erlebnis, als sie im November auf dem Rückweg von einem Besuch bei ihrer Schwester im Zug nach Düren saß. Kaum zu Hause angekommen berichtete sie folgendes: „Leider fand mein Abreisetag noch einen sehr betrüblichen Abschluss, der mich wahnsinnig deprimiert hat. In unserem Eisenbahnwagen befanden sich viele jüdische Flüchtlinge, kleine Kinder mit verzweifelten Müttern – ein erschütterndes Bild. Sie wussten sicher gar nicht wohin, irrten wie aufgescheuchte Vögel umher. In Köln muss es wüst zugegangen sein, die Hohe Straße war noch gesperrt. Auch hier wurde wie wohl überall die Synagoge abgebrannt.“ Meine Mutter bezog sich dabei auf die Folgen der fürchterlichen „Kristallnacht“ am 9. November 1938. Mitglieder der Nazi Partei und der S.A. hatten eine organisierte Hetzjagd auf die jüdische Bevölkerung unternommen, bei der Synagogen und tausende von jüdischen Geschäften im ganzen Land zerstört und 30 000 Juden in Konzentrationslager abgeführt worden waren.

In der Ahnung eines bevorstehenden Krieges, trotz wiederholter Friedensbeteuerungen seitens der Parteiführung, hatte sich mein Vater dazu entschlossen, Freiwilligendienst zu leisten, um zu verhindern, dass er als einfacher Soldat eingezogen werden würde. Im Jahr 1937 und im darauffolgenden Winter 1938 wurde er zuerst nach Bielefeld und dann nach Westpreußen zu einer militärischen Grundausbildung geschickt. Die bestand nach seinen eigenen Worten vor allem im „Anschreien“, in „unerträglichen körperlichen Übungen“ und „miserablem Essen“. Meine Mutter schreibt sarkastisch über den zweiten Dienst, dass mein Vater jetzt in Baracken besser untergebracht sei als im letzten Jahr. Auch dürfe er hier Pyjamas tragen „was von einem freien Geist spricht!“ Im Mai 1939 wurde mein Vater zu einem sechswöchigen Militärdienst nach Aachen direkt an der Grenze beordert - besser als in Richtung Polen, wie meine Mutter meinte. Als sie im Juni ihre Eltern besuchte, die in Berlin lebten, bemerkte sie, dass „verschiedene junge Soldaten aus dem Bekanntenkreis gen Osten verschickt wurden. Es ist nicht auszudenken!“

Anfang August 1939 wurden Hitlers Vorbereitungen auf einen Krieg im Osten so besorgniserregend, dass meine Eltern schweren Herzens die Entscheidung trafen, dass meine Mutter mit uns Kindern Düren verlassen sollte, um in Neuhaus unterzukommen. Dies für den Fall, dass England und Frankreich auf Hitlers Aggressionen reagieren würden.

Neuhaus hieß der Ort, an dem meine Urgroßmutter Maam und ihr Mann Arnold im Jahr 1910 ein „kleines Landhaus“ wie sie es nannten, gebaut hatten, nah am Schliersee in den Oberbayrischen Alpen. Neben großzügigen Wohnflächen hatte das „kleine Landhaus“ sieben Schlafzimmer und einen herrlichen, großen Garten mit Wiesen, Waldstücken und einem entzückenden Holzhäuschen. Ein wahres Paradies für Kinder....

Erscheint lt. Verlag 4.9.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-7562-6638-9 / 3756266389
ISBN-13 978-3-7562-6638-8 / 9783756266388
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
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