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Panzer vor Bergen-Belsen -  Martin Gadow

Panzer vor Bergen-Belsen (eBook)

Die Landschaft, in der die Menschlichkeit verstummte

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
278 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-6951-2005-5 (ISBN)
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7,49 inkl. MwSt
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PANZER VOR BERGEN-BELSEN? Das Konzentrationslager Bergen-Belsen liegt neben dem Panzerschießplatz Bergen-Hohne. Der in den Jahren 1936 bis 1938 errichtete Panzerschieß-platz diente den Militärs als Probebühne deutscher Kriegspremieren: für Hitlers Zerschlagung der Rumpf-Tschechei, für den Einmarsch in Polen, den Frankreichfeldzug, den Afrika-Feldzug und den Angriffs-, Raub- und Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion. Der Platz diente zur Liquidierung sowjetischer Kriegsgefangener, zur Vernichtung europäischer Juden und zur Abrichtung von Soldaten zu staatlichen Tötungsexperten. 1958 ging der größte Panzerschießplatz Westeuropas, der nach dem Zweiten Weltkrieg von der Britischen Rheinarmee verwaltet wurde, in die Zuständigkeit der Bundeswehr über. Der Soldat Wolfgang Rodewald, der Frisör Rudolf Leibgeber, der im Truppenlager Bergen einen Salon betreibt, dessen Frau Magrit, deren Sohn Peter - sie alle und weitere Protagonisten, u.a. der amtsenthobene Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst Freiherr v. Fritsch, der sich nach Gut Achterberg zurückzog, der Panzergeneral Heinz Guderian und der Kommandant des Konzentrationslagers Bergen-Belsen, Josef Kramer, sind in Ereignisse rund um die Entstehung und den Betrieb des Panzerschießplatzes Bergen verstrickt. Der Journalist Uwe Ossian zeichnet als Erzähler das Porträt einer Landschaft und ihrer Menschen, die 1934 vom Militär heimgesucht wurden, bis zum Jahr 1960. www.gadowliteratur.de

Martin Gadow, geb. 1958 in Bergen/Kreis Celle, ist Buchhändler, Diplom-Dokumentar, Magister Artium (Germanistik und Neuere Geschichte) und Master of Public Administration.

PROLOG


Alle Panzer rollen durch Moor und durch Heid

Die Kanonen sie donnern wie toll

Über’m weiten brennenden Heidenmeer

Wenn nicht »AMEN!« gesprochen sein soll

Zum Nachthimmel hin, wo ein Mündungsblitz zackt

Der die friedliche Stille zerreißt

Und den Anwohnern in die Ohren hackt

Bis man der NATO »AUFHÖREN!« heißt

Peter Leibgeber, frei nach Hermann Löns

Am Mittwoch, dem 13. November 1985 feierte die Bundeswehr ihr 30-jähriges Jubiläum. Die zentrale Jubiläumsfeier fand auf dem Truppenübungsplatz Bergen statt. Sie wurde mittels eines Gefechtsschießens verbundener Waffen und durch einen Vorbeimarsch von Truppenteilen der 1. Panzerdivision vor geladenen Gästen zelebriert. Um die Öffentlichkeit herzustellen waren Medienvertreter eingeladen worden. Die örtliche Szenerie erweckte den Verdacht, dass die Öffentlichkeit eher ausgesperrt als informiert werden sollte. Rund um den Panzerschießplatz waren verschiedene Sperrgebiete eingerichtet worden, um einen störungsfreien Verlauf der Veranstaltung zu gewährleisten. Geladene Gäste und Medienvertreter wurden auf einen Panzerschusstisch entlang der Panzerringstraße geleitet. Auf dem Schusstisch standen drei Besuchertribünen. Auf der Ehrentribüne saß fast das gesamte Bundeskabinett. Bis auf zwei Minister war die gesamte Bonner Regierungsmannschaft zum Bundeswehrjubiläum nach Bergen angereist; neben der politischen Führung auch militärische Beobachter aus zahlreichen Ländern und hochrangige Repräsentanten aus den sieben NATO-Staaten – an ihrer Spitze NATO-Oberbefehlshaber, US-General Bernhard Rogers. Nicht zu vergessen die lokale Prominenz: Landrat Hubertus Bühmann, Oberkreisdirektor Klaus Rathert und die Bürgermeister und Verwaltungschefs der an den Panzerschießplatz angrenzenden Gemeinden. Um 10:36 Uhr schwebte der Kampfhubschrauber Bell UH 1 mit Bundeskanzler Helmut Kohl an Bord vom Himmel. Der Kanzler wurde von Verteidigungsminister Manfred Wörner, dem Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen, Ernst Albrecht, und dem Generalinspekteur der Bundeswehr, General Wolfgang Altenburg, begleitet. Nach dem Aufsetzen der Bell schritt Kohl, gefolgt von Wörner, Albrecht und Altenburg, die vor den Tribünen angetretene Ehrenformation ab. Der Regierungschef hatte sich in einen Bundeswehrparka gehüllt, Schal und Handschuhe schützten zusätzlich vor Kälte. Verteidigungsminister Wörner trat ganz zivil im schwarzen Mantel auf. Ernst Albrecht erschien in Räuberzivil; ein gefütterter Bundeswehrparka ließ am Halsausschnitt Schlips und Kragen erkennen. Verteidigungsminister Wörner verlautbarte, dass die Soldaten dem Frieden dienen. »Ihr Auftrag ist allein die Verteidigung. Sie bedrohen niemanden. Sie werden niemals als erste zu den Waffen greifen; aber sie sind fest entschlossen, unser Vaterland zu verteidigen, falls es angegriffen werden sollte.« Der Minister hatte vor knapp zwei Jahren den Vier-Sterne=General Günter Kießling aufgrund des Vorwurfs der Homosexualität aus dem Amt entlassen. Der Vorwurf erwies sich als haltlos. Der Militärische Abschirmdienst hatte schlampig und grob fahrlässig im Kölner Homosexuellen-Milieu recherchiert, Wörner den Räuberpistolen des Dienstes geglaubt gehabt. Beim Vergleich der beiden Affären drängte sich das Vorgehen Hitlers gegenüber dem damaligen Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst Freiherr v. Fritsch, als historische Parallele auf. Allerdings mit dem Unterschied, dass Kießling durch Wörner auf Weisung des Kanzlers rehabilitiert wurde. Dennoch quittierte Kießling zum 31. März 1984 den Dienst. Nach dem Abgang Wörners vom Rednerpult trat der Generalinspekteur ans Mikrofon. General Wolfgang Altenburg betonte in seinem Grußwort die Einsatzfähigkeit der Verbände. Die aufmarschierten Truppenteile seien weder für die folgende Präsentation ausgewählte Eliteeinheiten noch Lehr- oder Paradebataillone. Es seien normale Truppen, die beispielhaft für jeden beliebigen Verband der Bundeswehr stünden. Als Altenburg abtrat folgte die Probe aufs Exempel. In einer der größten Truppenparaden seit Bestehen der Bundeswehr zogen rund sechstausend Soldaten, 820 Kettenfahrzeuge und 530 Radfahrzeuge an der Ehrentribüne vorbei. Sie wurde zeitgleich von 112 Luftfahrzeugen überflogen. Beim anschließenden Gefechtsschießen verbundener Waffen demonstrierten die Soldaten der 1. Panzerdivision und Verbände der Luftwaffe ihre Leistungsfähigkeit. Auf einer zehn Quadratkilometer großen Fläche wurden Gefechtsausschnitte simuliert, wie sie auch im Ernstfall bei der »Vornestrategie« gegen Verbände der Warschauer Vertragsstatten eintreten konnten. Bei dieser Gelegenheit zeigte die Bundeswehr ihren Transportpanzer Fuchs, den Spähpanzer Luchs, den Schützenpanzer Marder, den Kampfpanzer Leopard, den Jagdpanzer Jaguar und den Flugabwehrpanzer Gepard. Beim Überdonnern der Kampfflugzeuge Tornado, Starfighter, Alphajet, Phantom und der Panzerabwehrhubschrauber mochte auch der Regierungschef nicht auf schützende Ohrenstopfen verzichten. Nach zwanzig Minuten ohrenbetäubenden Geschehens wurde dem Bundeskanzler die erfolgreiche Beendigung des Gegenangriffs Scharfe Kralle gemeldet. Leistungsstand, Elan und Präzision der Soldaten hätten ihn tief beeindruckt, meinte der Kanzler. Die Bundeswehr habe nicht nur das Vertrauen der Bevölkerung, sondern genieße auch bei Freunden und Nachbarn große Anerkennung. Dreißig Jahre Bundeswehr – das seien dreißig Jahre Frieden und Freiheit für die Bundesrepublik. Dreißig Jahre Bundeswehr – das seien dreißig Jahre Staatsbürger in Uniform. Die Bundeswehr sei heute fester Bestandteil des demokratischen Rechtsstaats. Dieses sei eine geschichtliche Leistung, für die wir dankbar sein sollten. Er selbst, so Kohl, erinnere sich noch deutlich an die harten politischen Auseinandersetzungen, die es vor dreißig Jahren um den deutschen Wehrbeitrag gegeben habe. Heute sei der Wehrdienst zu einem »selbstverständlichen Stück Pflicht« geworden, sagte er. Der Wehrdienst sei eine Leistung, die respektiert zu werden verdiene. Recht und Freiheit unter dem Schutz der Bundeswehr erweitere die politische Handlungsfreiheit, versicherte der Bundeskanzler. Der Festakt endete mit dem gemeinsamen Gesang der Nationalhymne. Bei der anschließenden Pressekonferenz antwortete der Kanzler auf die Frage, wie er sich zu der ständig steigenden Lärmbelästigung verhalte, mit der die Bürger der Region belastet würden: »Da muss man sich fragen – was ist mir lieber? Lärm durch Militär, das uns den Frieden und die Freiheit sichert, oder ein Leben in Unfreiheit, wie es unsere Mitmenschen etwa in Leipzig oder Dresden führen?« Im Anschluss an die Pressekonferenz kam es zu einem gemeinsamen Mittagessen mit Soldaten, Grünkohl und Bregenwurst. Dabei gerieten die kritischen Fragen der Journalisten rasch in Vergessenheit. Kohl: »Vorzüglich!«

Zwei Jahre später, im September 1987, beherrschte die Großübung Reforger 87 (REturn FORces to GERmany) unter der Bezeichnung Certain Strike (Sicherer Schlag) die Region. An ihr waren 78.300 Soldaten, 20.000 Rad- und 2.200 Kettenfahrzeuge aus den Vereinigten Staaten von Amerika, der Bundesrepublik Deutschland, den Niederlanden, Großbritannien und Belgien beteiligt. Das Übungsgeschehen konzentrierte sich in den Räumen um Rotenburg, Soltau und Uelzen, Walsrode, Fallingbostel und Bergen sowie Winsen, Celle und Gifhorn. Leibgebers Elternhaus war von tieffliegenden Kampfjets, knatternden Hubschraubern, dröhnenden Panzerhaubitzen und ratternden Maschinengewehren umtost. In der Luft und zu Lande, bei Tag und bei Nacht, wochentags und sonntags wurden Angriffsoperationen feindlicher Panzerverbände und Abwehrmaßnahmen befreundeter NATO-Truppen trainiert. Die von der NORTHAG vorbereitete Übung mit den Truppenkontingenten Blau und Orange führte zu Unfällen, Abstürzen und Schäden an Wohnhäusern, Infrastruktur und Kulturflächen. Der Laufgraben zwischen Cowboys und Kosaken im Theater der Ost-West=Auseinandersetzung verlief entlang der innerdeutschen Grenze. Im Ernstfall hätte die von den NATO-Truppen eingeübte »Vorneverteidigung« im deutschdeutschen Grenzraum zu Vernichtung beider deutscher Staaten, der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) geführt. Bockbildung, Verteidigungsstrategie und Übungsoperationen wirkten alles andere als beruhigend. Rudolf Leibgeber hatte, wie immer, wenn er Fernsehen schaute, in seinem Ohrenbackensessel Platz genommen und sein steifes Bein auf einen Hocker abgelegt. Auf die Frage nach seinem Einberufungsbescheid, den er in der Post entdeckt hatte, antwortete Peter, dass er den Dienst an der Waffe verweigere. Das Konzept der Freiheitssicherung mit militärischen Mitteln führe zur totalen Vernichtung Deutschlands, beklagte Peter: »Ein Angriff der Sowjetunion und ihrer Verbündeten würde mit einer solchen Wucht vorgetragen werden, dass sämtliche auf bundesdeutschen Boden kämpfenden NATO-Kontingente bis an den Rhein zurückgenommen werden müssten,...

Erscheint lt. Verlag 12.8.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-6951-2005-3 / 3695120053
ISBN-13 978-3-6951-2005-5 / 9783695120055
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