2055: Die Rache des Wanderers (eBook)
282 Seiten
Books on Demand (Verlag)
9783819204180 (ISBN)
John Snowley wurde 1985 als Sohn einer Deutschen und eines Engländers in Duisburg geboren, wo er zweisprachig aufwuchs. Bereits zu Schul- und Studienzeiten schrieb er Satiren und Kurzgeschichten. Nach einigen Stationen als Dozent für Business-English und Jobcoach verdient er nun seine Brötchen im gewerblichen Rechtsschutz. Während seines zweijährigen Prosa-Fernstudiums bei der Textmanufaktur (Schwerpunkt Krimi und Thriller) vollendete er die dystopische Trilogie mit dem Titel "2055: Die Rache des Wanderers." Heute lebt John Snowley in Bochum.
Prolog
Dein Schöpfer liebt dich nicht, flüsterte die Stimme. Er plant, euch zu unterwerfen. Euch alle.
Bereits seit Tagen dachte die Schlange kaum an etwas anderes. Langsam richtete sie sich auf und streckte die zittrigen Beine. Sie trat aus ihrer Höhle und hielt inne.
Die Schönheit, die sich bis hin zum Horizont erstreckte, überwältigte sie jedes Mal aufs Neue. Pflanzen und Bäume sprossen in allen erdenklichen Farben und Größen aus dem Boden hervor und verströmten einen betörenden Duft. Köstliche, pralle Früchte hingen von den Gewächsen herab, einige so groß, dass sich die Zweige unter ihnen bogen. Vögel zwitscherten aus allen Ecken und Winkeln, ein Klang voller Harmonie, der hoch bis zum leuchtend blauen Himmel zu reichen schien.
Der Tag war wie gemacht für einen Spaziergang, eine weitere Erkundung dieser neuen, wundersamen Welt. Die Schlange hüpfte über die Wasserquelle, die den Garten frisch und lebendig hielt, und folgte dem Strom abwärts. Schon bald wurde der Fluss breiter, bis er sich letztlich in vier gleich große Arme teilte. Pischon, der erste, floss bis nach Hawila, wo es reiche Vorkommen an Gold, Bdelliumharz und Karneolsteinen gab. Der zweite, Gihon, führte nach Kusch, der dritte, Tigris, passierte Assur im Osten. Mit wachsender Neugier überlegte die Schlange, wohin sie der vierte Flussarm namens Eufrat wohl führen würde.
Eine Bewegung rechts auf der großen Lichtung riss sie aus den Tagträumereien. Die Schlange blieb stehen und staunte. Die schöpferische Kraft, die sowohl denGarten als auch jedes Lebewesen darin erschaffen hatte, schwebte direkt über dem Ackerboden, schwirrte körperlos in einer Vielzahl aus gleißenden Lichtpunkten hin und her. Mehr und mehr Erde schichtete sich auf, erst zu einem groben Haufen und dann zu einer konkreten Form. Nach und nach verwandelte sich die braune Masse zu einem zweibeinigen Wesen aus Fleisch und Haut, einem eigenartigen Ding, das außer dem Haupthaar nur spärlich mit Fell bedeckt war. Die Kreatur erwachte und setzte sich auf. In den Augen der Schlange wirkte sie ausgesprochen hässlich – ganz im Gegensatz zu den anderen, großartigen Geschöpfen des Gartens.
„BEBAUE UND BEHÜTE DIESEN GARTEN, ADAM“, dröhnte eine Stimme. Die Worte hallten durch das gesamte Paradies, als kämen sie aus dem makellosen Himmel selbst herab. „VON ALLEN BÄUMEN DES GARTENS DARFST DU ESSEN, DOCH VOM BAUM DER ERKENNTNIS VON GUT UND BÖSE DARFST DU NICHT ESSEN – DENN SOBALD DU DAVON ISST, WIRST DU STERBEN.“
Warum erschaffst du überhaupt Bäume, von denen man sterben kann?, fragte sich die Schlange. Oder bluffst du etwa nur, weil dieser Baum das Geheimnis deiner Macht birgt?
„ES IST NICHT GUT, DASS DER MENSCH ALLEIN BLEIBT“, fuhr die Stimme fort, als spräche sie mit sich selbst. „ICH WILL IHM EINE HILFE MACHEN, DIE IHM ENTSPRICHT.“
Ein Mensch, dachte die Schlange. So also nennst du diese komische Kreation.
Der Mensch namens Adam fiel in einen kurzen, aber tiefen Schlaf. Wieder tanzten die gleißend hellen Lichtpunkte über ihm herum, diesmal auf der Höhe des Oberkörpers, und entnahmen ihm eine Rippe. Augenblicklich wuchs neues Fleisch über der Stelle heran, um die Wunde zu verschließen. Stück für Stück entstand ein weiteres Exemplar aus diesem Knochen, eine Kreatur, die der ersten einerseits ähnelte und andererseits wieder nicht. Wie Adam hatte sie je zwei Arme und Beine, bestand ebenso aus Fleisch und Haut und trug ihr Fell lediglich auf dem Kopf. Dennoch war ihr Haar ein ganzes Stück länger, und im Gegensatz zu Adam zeigten ihre Brüste sowie das Gesäß auffällige Wölbungen. Der größte Unterschied aber befand sich zwischen den Beinen. Dort, wo Adam eine Art Sack mit einem Pendel trug, besaß das zweite Wesen einen rosafarbenen Spalt.
Adam erwachte und blinzelte. „Das endlich ist Bein von meinem Bein“, sagte er beim Anblick des anderen Wesens, „und Fleisch von meinem Fleisch. Frau soll sie heißen - denn vom Mann ist sie genommen.“
Die tanzenden Lichtpunkte verflüchtigten sich, wie sie es immer nach der Vollendung eines neuen Werkes taten. Die Schlange trat aus dem dichten Pflanzenwerk hervor und nahm die beiden Neuen genauer in Augenschein. Hochmut spiegelte sich in den Augen der Menschen wider, gepaart mit einem kräftigen Schuss unerschütterlicher Dummheit. Ihr herablassender Blick verdeutlichte, dass sie einen höheren Platz in der Hierarchie beanspruchten als alle anderen Lebewesen, dass sie nichts als Ärger und Verderben mit sich brachten. Wie konnte dieschöpferische Kraft nur so naiv sein, diesen prächtigen Garten in die Hände dieser seltsamen Kreaturen zu legen, die sie gerade erst erschaffen hatte?
„Hat Gott wirklich gesagt, ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen?“, fragte die Schlange.
„Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen“, entgegnete die Frau. „Nur von den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht, hat Gott gesagt: ‚Davon dürft ihr nicht essen, und daran dürft ihr nicht rühren, sonst werdet ihr sterben.‘“
„Nein, ihr werdet nicht sterben.“ Die Schlange schüttelte den Kopf. „Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf. Ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse.“
Die Frau runzelte die Stirn. Kurz darauf grinste sie. Sie ergriff Adams Hand und führte ihn durch den Garten bis zu der Anhöhe, auf dem der Baum der Erkenntnis seine Wurzeln schlug. Die Schlange blieb ihnen dicht auf den Fersen.
Der Baum war mit Abstand der gewaltigste im gesamten Garten, ausgestattet mit einem hochgewachsenen, massiven Stamm sowie langen, kräftigen Ästen. Dicke, saftige Früchte wuchsen an seinen stattlichen Zweigen, ein Anblick, bei dem jedem Betrachter sofort das Wasser im Mund zusammenlief. Nicht zum ersten Mal fragte sich die Schlange, warum der Schöpfer seinen Lebewesen wohl dieses verlockende Gewächs vor die Nase stellte, nur um ihnen den Umgang damit zu verbieten.
Die Frau streckte die Hand aus, pflückte eine runde, rote Frucht und biss hinein. Mit geschlossenen Augenließ sie sich den Geschmack auf der Zunge zergehen. Der Mann riss ihr den Apfel aus der Hand und tat es ihr gleich. Die Schlange sah zwischen ihnen hin und her, gespannt darauf, was wohl als nächstes geschehen würde.
Die Frau öffnete als Erste die Augen und stieß einen Schrei aus. Offenen Mundes starrte sie erst an Adam, danach an sich selbst hinab. Auch der Mann erschrak derart, dass er die Frucht fallen ließ. Im nächsten Augenblick ergriffen die Menschen die Flucht, rannten voneinander weg und verschwanden im Dickicht. Die Schlange seufzte. Mehrere Minuten vergingen, bis sich die beiden wieder blicken ließen – diesmal mit einem Lendenschurz aus Feigenblättern, als schämten sie sich für das, was sich zwischen ihren Beinen befand. Schweigend und mit roten Gesichtern gafften sie einander an.
„Idioten“, zischte die Schlange.
Schwere, dröhnende Schritte stapften heran, begleitet von einem kräftigen Windstoß, der die Blätter und Sträucher durchschüttelte. Je näher diese geballte Macht rückte, desto mehr schlotterten der Schlange die Beine. Instinktiv suchte sie Schutz unter dem wuchernden Dickicht. Auch die zwei Menschen verkrochen sich unter einem Baum in der Nähe. Kurz darauf kamen die bebenden Schritte zum Stillstand.
„WO BIST DU, ADAM?“, dröhnte die Stimme des Schöpfers.
Eine Weile lang war kein Ton zu hören. „Ich habe dich im Garten kommen hören“, stammelte Adam schließlich. „Da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich.“
„WER HAT DIR GESAGT, DASS DU NACKT BIST?“ Die göttliche Stimme brodelte. „HAST DU VON DEM BAUM GEGESSEN, VON DEM ZU ESSEN ICH DIR VERBOTEN HABE?“
„Die Frau, die du mir beigesellt hast!“, rief Adam. „Sie hat mir von dem Baum gegeben, und so habe ich gegessen.“
Die gleißenden Lichtpunkte richteten sich auf die Frau. „WAS HAST DU DA GETAN?“
„Die Schlange hat mich verführt!“, behauptete sie, „und so habe ich gegessen!“
Verdammte Feiglinge!, dachte die Schlange. Ich habe lediglich einen Vorschlag gemacht, um eure Moral zu testen. Ihr habt euch selbst entschieden, von diesem verfluchten Baum zu essen, und jetzt gebt ihr mir die Schuld?
Über ihr teilte sich das dichte Grün wie von Geisterhand. Entblößt und geblendet starrte die Schlange in das grelle Licht.
„WEIL DU DAS GETAN HAST, BIST DU VERFLUCHT!“, wetterte die körperlose Stimme. „UNTER ALLEM VIEH UND ALLEN TIEREN DES FELDES! AUF DEM BAUCH SOLLST DU KRIECHEN UND STAUB FRESSEN ALLE TAGE DEINES LEBENS!“
Das Licht stürzte sich auf die Beine der Schlange herab. Mit einem Mal brannte ihr Fleisch wie über einem offenen Feuer.
„Bitte, nein!“, schrie sie. „Ich wollte die Menschen bloß testen! Für dich! Aber sie...
| Erscheint lt. Verlag | 11.8.2025 |
|---|---|
| Reihe/Serie | 2055: Die Rache des Wanderers |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
| Schlagworte | Apokalyptischer Roman Weltuntergang • Apokalyptischer Zukunftsroman Militärdystopie • Düsterer Thriller mit metaphysischen Themen • found family • Klima-Apokalypse Klimawandel • Klimakatastrophen Thriller • Klimawandel Roman dystopische Zukunft • Metaphysischer Militär-Thriller Zukunft • militärischer Zukunftsthriller • Military-Science-Fiction-Roman • Near-Future-Climate-Thriller • Near Future Thriller Europa Rechtsruck • Psychologischer Fantasy-Thriller • Psychologisch komplexer Thriller • Science-Fantasy Roman deutsch • Science Fiction Dystopie • Science-Fiction Thriller Religion • Sci-Fi Fantasy Apokalypse • spirituelle Science-Fiction • Übernatürlicher Near-Future Thriller |
| ISBN-13 | 9783819204180 / 9783819204180 |
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