Jerry Cotton Sonder-Edition 270 (eBook)
80 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-8204-3 (ISBN)
Sie wollten einen führenden Wissenschaftler der USA entführen. Östliche Geheimagenten und amerikanische Gangster arbeiteten bei dem Unternehmen Hand in Hand. Phil und mich kostete der Versuch, den verbrecherischen Plan zu vereiteln, fast den Kopf. Denn unsere Gegner kannten einander gut. Sie hatten eines gemeinsam: die Sprache der Mafia.
1
In der letzten Kurve ließen sie den gelben Oldsmobile stehen. Sie stiegen aus und schauten hinauf zu der Villa, die oben auf dem Steilfelsen klebte.
»Jimmy«, sagte der Anführer, »du bleibst mit dem Wagen hier. Nimm das Fernrohr, und behalte die Haustür im Auge. Wenn ich in der Tür erscheine und dir winke, kommst du mit dem Schlitten rauf. Klar?«
Jimmy nickte. Er war der Kleinste unter ihnen, und niemand hatte ihn je gesehen, ohne dass er Kaugummi malmte. Auch jetzt verzichtete er darauf, etwas zu sagen, damit er sein Kauen nicht unterbrechen musste.
»Tom«, fuhr der Anführer fort, »siehst du links vom Haus die beiden angebauten Garagen?«
Tom hob das Fernrohr und schaute zur Villa hinauf.
»Ich seh sie«, brummte er. »Was ist damit?«
»Hinter den Garagen liegt der Swimmingpool und dahinter die Veranda. Von ihr führt eine in den Fels eingehauene Treppe zur Bucht hinunter, wo sie ein Boot und einen Anlegesteg haben. Damit sie nicht mit dem Boot türmen können, schleichst du dich an den Garagen vorbei auf die Veranda und bewachst den Hinterausgang. Klar?«
»Is ja nich schwer zu kapieren«, brummte Tom. Er war mittelgroß, schwergewichtig und ein bisschen langsam.
»Okay«, sagte der Anführer. »Also los!«
Sie machten sich auf den Weg. Die Straße, die zu der Villa oben auf der Klippe hinaufführte, war eine Privatstraße ohne Randbefestigung und gerade breit genug für die Lieferwagen, die aus den Supermärkten von Ramsley alles Nötige für die Villenbewohner hinaufbrachten. Die Straße stieg ziemlich steil an, und sie fingen an zu schwitzen. Es war ein gewöhnlicher Maitag, und das bedeutete hier bereits Temperaturen, die es woanders nur im Hochsommer gab.
Vor der Villa standen einige Eukalyptusbäume. Ihre wachsüberzogenen Blätter ließen sie wie riesige Gummibäume erscheinen. Dazwischen blühten Rhododendronbüsche, hinter denen sie in Deckung gingen und schwer atmend verschnauften. In der Hitze und der reglosen Luft auf der Landseite der Klippe war ihnen der Schweiß in kleinen Bächen ausgetreten und hatte ihnen die bunten Hemden an den Körper geklebt. Hier oben spürte man die erfrischende Brise, die aus der Bucht hereinkam und die Wärme erträglich machte.
Nach ein paar schweren Atemzügen raunte der Anführer: »Tom, mach dich auf den Weg. Ich warte drei Minuten, dann gehen wir rein.«
»Okay«, brummte der Schwergewichtler und wollte sich aufrichten, aber die Hand des Anführers drückte ihn an der Schulter nieder.
»Schraub erst den Schalldämpfer auf!«, befahl er. »Sonst vergisst du es noch.«
»Wenn du meinst«, erwiderte Tom, zog den 38er aus der Hosentasche und kramte in seinen Taschen, bis er das matt glänzende Rohr des Schalldämpfers in der rechten Seitentasche seiner roten Windjacke gefunden hatte.
Als er fertig war, schaute er den Anführer fragend an. Er nickte stumm, und Tom lief geduckt zwischen den Bäumen hindurch an der Vorderfront der Villa und den beiden Garagen vorbei und verschwand dahinter.
Der Anführer ließ seine dicke Taucheruhr nicht aus den Augen. Als der Sekundenzeiger drei Umdrehungen vollendet hatte, zog auch er einen 38er und einen Schalldämpfer hervor. Wortlos tat es ihm der dritte Mann nach. Schließlich zogen sie Strumpfmasken über die schweißverklebten Gesichter.
Als sie auf die breite Eichentür zugingen, bemerkten sie in der ersten offen stehenden Garage einen roten Plymouth Gran Fury, der so staubbedeckt war wie ein Auto nach einer Wüstendurchquerung. Doch sie kümmerten sich nicht um das Auto. Der Anführer drückte auf den blank schimmernden Klingelknopf neben der breiten Tür.
Es dauerte eine Weile, bis die Tür nach innen aufging. Im Vorraum stand ein grauhaariger Schwarzer, der eine schwarze Hose und ein weißes Dienerjackett trug.
Er erschrak, als er die maskierten Männer mit den Revolvern sah, aber er kam nicht einmal dazu, etwas zu sagen. Der Anführer setzte ihm die Mündung des Schalldämpfers auf die Stirn und drückte ab.
Der Schwarze wurde zurückgeworfen, stieß mit dem Rücken gegen einen aufragenden Pfeiler, der eine Empore trug, und rutschte mit bereits starren Augen zu Boden.
In dem ovalen Vorraum, von dem vier Türen abgingen, standen sechs Koffer und zwei Reisetaschen. Der Eingangstür genau gegenüber führte eine schwarze Holztreppe hinauf zu der Empore im Obergeschoss.
Sie sahen sich suchend um. Unten ging eine Tür auf, und eine junge Frau mit langem weizenblondem Haar kam in den Vorraum. Sie trug verwaschene Jeans und eine schwarze Bluse. Die Frau mochte um die dreißig sein. Sie hatte ein winziges Muttermal auf dem linken Nasenflügel.
»Ist Henry ...?«, sagte sie noch in der Tür. Dann verstummte sie vor Schreck, als sie die maskierten Männer sah.
»Schön, dass Sie schon gepackt haben«, sagte der Anführer. Seine Stimme wirkte durch die Strumpfmaske leicht verstellt.
»Was ... was wollen Sie?«
»Wir laden Sie und Ihren Mann zu einer kleinen Spazierfahrt ein, Mrs Maskow«, sagte der Anführer und ging auf die Frau zu, die sich nicht zu bewegen wagte. »Und damit Sie gleich kapieren, wo's lang geht ...«
Er schlug der Frau ins Gesicht. Die Frau stieß einen schrillen Schrei aus und stürzte zu Boden.
Gleich darauf rief im Obergeschoss jemand: »Susan! Susan, was ist los?«
Ein Mann von etwa vierzig Jahren kam die Treppe herabgelaufen. Auf halber Höhe blieb er stehen und starrte auf das Bild, das sich ihm bot.
Zu Füßen des Pfeilers lag der grauhaarige Schwarze, um dessen Kopf sich allmählich eine Blutlache ausbreitete. Nur zwei Schritte daneben lag Susan Maskow schmerzverkrümmt. Daneben kniete ein Mann mit einer Strumpfmaske und drückte der schluchzenden Frau den von einem Schalldämpfer verlängerten Lauf eines Revolvers an die Schläfe.
»Kommen Sie runter, und tragen Sie die Koffer raus!«, kommandierte der Maskierte. »Sie verreisen mit uns.«
Bis zu den Maskows konnte es nicht mehr weit sein. Vielleicht noch fünfundzwanzig oder dreißig Meilen. Wir wurden gerade am Straßenrand von einem Schild willkommen geheißen, auf dem zu lesen stand, dass sich alle 21 314 Einwohner von Ramsley freuten, uns zu sehen.
»Siehst du«, sagte ich zu meinem Freund und Kampfgefährten Phil Decker. »Das sind die Leute vom Land: höflich, nett und zuvorkommend. Ganz was anderes als ihr Großstadtpflanzen.«
Phil saß neben mir auf dem Vordersitz meines roten Jaguar, der mit Staub von dreitausendsiebenhundert Meilen bedeckt war, und gähnte – also Phil gähnte, nicht der Jaguar. Sonst gab er mir keine Antwort – also Phil.
Ich war ziemlich abgeschlafft. Kein Wunder nach einer Autotour quer durch den nordamerikanischen Kontinent. Vor einer Woche waren wir in New York aufgebrochen zu den ersten gemeinsamen Ferien seit ... seit ...
»Wann haben wir eigentlich das letzte Mal zusammen Urlaub gemacht, Phil?«, fragte ich.
Mein Freund schob sich den riesigen Texashut, den er sich unterwegs gekauft hatte, ein wenig tiefer in die Stirn. »Ich hab keine Lust, darüber nachzudenken. Es muss vor der Arche Noah gewesen sein.«
So sind sie, diese geborenen Großstädter: denkfaul, unhöflich und eingebildet.
Ramsley entpuppte sich als ein Städtchen, das sich rings um eine Kreuzung kreisförmig ausgebreitet hatte. An der Kreuzung lag das Rathaus mit der Police Station, die Kirche, das Spritzenhaus und ein Kino. Vor dem Rathaus stand ein Streifenwagen mit der Scheinwerferausrüstung eines Schlachtschiffs, und hinter dem Steuer zwängte sich gerade der Chief aus dem Wagen.
Dass er der Polizeichef war, konnte man an der goldenen Mützenschnur erkennen. Er war um die vierzig und wog bestimmt mehr als zwei Zentner. Davon war das meiste in Muskeln angelegt, wie man leicht an seinen schenkeldicken Oberarmen erkennen konnte, denn er trug ein kurzärmeliges Hemd.
»Wenn ich mal beim FBI aufhöre, werde ich Polizeichef in so einer gemütlichen, ruhigen Kleinstadt«, murmelte ich nachdenklich. »Da besteht der Gipfel der Kriminalität darin, dass einer bei Rot über die Ampel fährt.«
Phil kicherte.
»Was gibt's da zu lachen?«, fragte ich.
»Ich habe mir gerade vorgestellt, wie du an einer Ampel stehst und den Kleinstadtverkehr regelst«, erwiderte er.
Ich gab ihm keine Antwort. Wenn diese Großstadttypen ihre arroganten Augenblicke haben, hält man als taktvoller Mensch am besten den Mund. Außerdem musste ich auf die Straße aufpassen, denn wir waren bereits durch Ramsley hindurch und näherten uns einer Gabelung. Der Wegweiser verriet mir, dass wir nach links mussten, also schaltete ich früh genug den Blinker ein.
Auf der rechten Straße näherte sich eine Gruppe von Motorradfahrern. Es waren Burschen von der Sorte, die aus Protest gegen das uniformierte Leben in der bürgerlichen Gesellschaft nur noch uniformiert in Erscheinung treten konnten. Sie trugen alle schwarze Lederkleidung, obenrum reichlich mit Nietköpfen...
| Erscheint lt. Verlag | 13.9.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Action Abenteuer • action romane • action thriller • action thriller deutsch • alfred-bekker • Bastei • bastei hefte • bastei heftromane • bastei romane • bastei romane hefte • Bestseller • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • erste fälle • Fall • gman • G-Man • Hamburg • Heft • Heftchen • Heftroman • heftromane bastei • Kindle • Krimi • Krimiautoren • Krimi deutsch • krimi ebook • Krimi kindle • Kriminalfälle • Kriminalgeschichte • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Kriminalromane • kriminalromane 2018 • kriminalromane deutsch • Krimi Reihe • Krimireihen • krimi romane • Krimis • krimis&thriller • krimis und thriller kindle • Krimi Urlaub • letzte fälle • martin-barkawitz • Polizeiroman • Romanheft • Roman-Heft • schwerste fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • spannende Thriller • Spannungsroman • Stefan Wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • Wegner |
| ISBN-10 | 3-7517-8204-4 / 3751782044 |
| ISBN-13 | 978-3-7517-8204-3 / 9783751782043 |
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