A Monster's Heart (eBook)
528 Seiten
Loomlight in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
978-3-522-61198-5 (ISBN)
Als junger Bücherwurm lernte Liz Skadi mit Asterix und Obelix lesen, erlebte schaurige Abenteuer mit dem kleinen Vampir und brachte bereits als Kind ihre eigenen Geschichten zu Papier. Später studierte sie Archäologie und arbeitete bei den Vereinten Nationen, ehe sie ihre Leidenschaft wiederentdeckte und sich dem Erschaffen fremder Welten widmete. Heute lebt Liz in Wien und schreibt fantastische Geschichten für junge Erwachsene. Sie hat eine Vorliebe für eigenwillige Kick-Ass-Heldinnen, liebenswerte Love Interests, magische Welten von High bis Urban Fantasy und Drachen.
Kapitel 1 Das Fährticket
Heute ist eine dieser Nächte, in denen Menschen im Schlaf krepieren. Sie erfrieren einfach in ihren Betten, das erstarrte Bettlaken ist das perfekte Leichentuch. Wer kann sich in der achten Woche des Winters noch Brennholz leisten? Sobald der eisige Nordwind über Azherdale fegt und unsere Hauptstadt unter einer dichten Schneedecke begräbt, überleben nur die Reichen und die Starken. Die klirrende Kälte aber hat auch einen Vorteil. Kaum ein Dieb wagt sich in den sicheren Tod hinaus, um mit mir in Konkurrenz zu treten. Und wenn ich Glück habe, nicht mal die Stadtwache.
Ich erspähe mein Opfer im sanften Lichtkegel einer Straßenlaterne. Die Abschiedsrufe der Verkäufer und das Klappern der Fensterläden schallen vom Marktplatz herüber und läuten die Nacht ein. Zügigen Schritts lässt der Mann die Marktstände hinter sich und wirft dabei einen prüfenden Blick auf seine goldene Taschenuhr. Leichtsinnig. Eine helle Locke löst sich unter seiner Pelzmütze und baumelt vor seinem Gesicht. Er trägt einen Mantel aus feinstem Wolfsfell, seine Stiefel sind üppig mit Lammwolle gefüttert. Die edlen Lederhandschuhe sind so viel wert wie ein ganzes Schwein. Mit den pompösen Klunkern an seinen Fingern könnte man ein stattliches Anwesen anmieten.
Faisal Sorrel. Unser geiziger Edelsteinhändler.
Wir haben eine unschöne Vergangenheit. Mit acht Jahren wollte ich mich aus dem Waisenhaus freikaufen, stolzierte in seinen Laden am Rosenplatz und bot ihm meinen einzigen Besitz an. Ein Ring aus massivem Silber, in seiner Fassung ruht ein kostbarer Schmuckstein von tiefblauer Farbe. Ein Lapislazuli. Der seltenste und begehrteste Edelstein in unserer Welt. Als Heimleiterin Pistori mich vor zwanzig Jahren als plärrendes Bündel auf ihren Treppenstufen vorfand, hing er an einer Kette um meinen Hals, und sie nahm ihn einfach an sich. Ich revanchierte mich später für diesen Diebstahl und raubte den Ring von ihrem Finger, während sie über ihren Akten döste.
Um den bedeutungsvollen Handel mit Sorrel erfolgreich abzuschließen, stopfte ich die zahlreichen Löcher in meinem Kleid, kämmte mein störrisches Haar und schrubbte meine Zähne mit Kalk. Doch der Mistkerl bot mir lediglich eine Kupfermünze an, obwohl in seinen Augen die Gier schimmerte und sich Sabber in seinen Mundwinkeln sammelte. Als ich den Handel ablehnte, legte er Beschwerde bei der Heimleiterin ein und behauptete, ich wäre ungehobelt und hätte ihn bestohlen. Ich ertrug meine Strafe mit erhobenem Haupt. Die Narben zeichnen mich noch heute.
Rache ist süß.
Meine Muskeln sind steif vor Kälte, als ich aus meinem Versteck hinter einer Pyramide von Obstkisten krieche und die Verfolgung aufnehme. Eine eisige Windböe rüttelt an den kargen Ästen der alten Eichen, die den Marktplatz säumen, und überschüttet mich mit frischem Schnee. Fluchend winde ich mir den von Motten zerfressenen Wollschal enger um Mund und Nase. Es war ein Risiko, heute Nacht auf Beutezug zu gehen. Doch morgen ist Mittwinter, der bedeutendste Feiertag unseres Königreichs, und in der Speisekammer des Gemeinschaftszimmers liegen lediglich drei Äpfel, ein halber Laib Brot und ein zweifelhafter Schinken. Eine Küchenmaus isst festlicher.
Lautlos gleite ich an der Mauer der Käserei entlang, die zu dieser späten Stunde geschlossen hat, und verschmelze mit den Schatten einer unscheinbaren Gasse, in die der Händler abgetaucht ist. Der verwinkelte Gang schlängelt sich zwischen den Hinterhöfen der Stadthäuser hindurch und mündet in die prachtvolle Lindenallee, wo beheizte Pferdekutschen auf ihre gut betuchten Besitzer warten. Es ist eine gefährliche Abkürzung, die weder beleuchtet noch patrouilliert wird. Doch Sorrel scheint es verdammt eilig zu haben.
Zeit ist eben nicht immer Geld. Zumindest nicht heute Nacht.
Die dicke Schneeschicht verschluckt meine Schritte. Tief ziehe ich die Kapuze meines abgetragenen Ledermantels in die Stirn. Ehe ich in den Angriff übergehe, balle ich meine Hände einige Male zur Faust, um meine Finger aufzuwärmen. Ein Dieb mit eingefrorenen Fingern ist wie ein Edelsteinhändler ohne edle Steine. Anschließend nehme ich eine gebückte Haltung ein und beginne den Sprint. Mit ausufernden Schritten schließe ich die Distanz und remple den Händler grob an. Mein Ellbogen bohrt sich in seine Seite, meine Hand verschwindet in seiner Manteltasche. Einmal. Zweimal.
Das ist mehr als ein Glücksgriff.
»Verzeihen Sie«, murmle ich, nachdem ich dreimal zugelangt habe, und will mit der üppigen Beute verschwinden. Doch ich komme nicht weit. Sorrels Finger graben sich in meine Schulter und reißen mich mit unerwarteter Kraft zurück. Einige der Goldmünzen entgleiten mir und versinken im Schnee.
»Hiergeblieben, du Bengel«, knurrt der Händler und drängt mich an die Mauer, presst seinen Unterarm schmerzhaft gegen meine Kehle. Dabei rutscht die Kapuze herunter und offenbart mein Gesicht. In Sorrels Augen schleicht sich eine makabre Genugtuung. Er stuft mich wohl fälschlicherweise als ungefährlich ein. Eine kleine Diebin, an der er ein Exempel statuieren kann. Erkenntnis aber sackt bei ihm nicht durch, und das, obwohl er mir jahrelang nachgestellt hat, um doch noch an den Lapislazuli-Ring zu kommen. Zum Glück. Ich bin gerade erst aus dem Arrest entlassen worden und habe keine Lust, ein paar weitere Monate in der eiskalten Kellerzelle der Stadtwache zu verrotten.
»Eine dreckige Diebin«, speit er verächtlich und greift unter seinen Pelzmantel. In einem schmalen Gürtel aus feinstem Schlangenleder steckt ein prunkvoller Dolch, der mir den Atem raubt. Der Griff ist mit exquisiten Edelsteinen besetzt, die Klinge wurde aus irisierendem Himmelseisen geschmiedet. Bei dem Anblick dieses Schmuckstücks kribbelt es in meinen Fingerspitzen.
Diese Waffe ist mehr wert als alle Goldtaler in seiner Tasche.
»Ich werde dir das Handwerk legen.« Der Händler holt aus und will mir mit einem schwungvollen Hieb seines Prunkdolchs die Kehle aufschlitzen.
Selbstjustiz wird seit vielen Jahren in dieser Stadt geduldet. Der anhaltende Mangel an Ressourcen und die daraus resultierende Hungersnot sorgen für einen exorbitanten Anstieg an Kriminellen. Die Stadtwache kommt schlicht nicht hinterher. Aber wenn dieser Mann glaubt, ich wäre eine gewöhnliche Diebin, hat er sich getäuscht.
Mein Knie landet in Sorrels Weichteilen, und dem Rachen des Händlers entringt sich ein heiseres Keuchen. Ich fange seinen Arm ab, verdrehe seinen Daumen auf schmerzhafte Weise und entwende ihm geschickt die Klingenwaffe. Dann donnere ich dem wimmernden Mann den edelsteinbesetzten Knauf an die Schläfe. Mit einem gedämpften Aufschrei sackt er in sich zusammen und bleibt reglos im Schnee liegen. Aus der Platzwunde an seiner Stirn sickert Blut. Feine Schneeflocken benetzen sein anthrazitfarbenes Wolfsfell.
Ich sollte ihn sterben lassen. Sorrel hat so viele Menschen betrogen. Er lebt im Luxus, während wir verhungern, und unterstützt einen jahrhundertealten Krieg, der uns Jahr für Jahr ärmer macht. Doch wenn die Stadtwache herausfindet, dass ich es war, richten sie mich hin. Der Händler ist nicht irgendjemand, sondern ein Mitglied der Königsfamilie. Dieses verdammte Königreich hat mich bereits zur Mörderin gemacht. Dafür lasse ich mich nicht noch verurteilen und köpfen.
Widerwillig hole ich ein Fläschchen Riechsalz aus der Innentasche meines Mantels, bücke mich zu dem Händler und halte ihm das übel riechende Zeug unter die Nase. Als seine Gesichtsmuskeln zucken und sich ein Niesen anbahnt, stülpe ich meine Kapuze über und ergreife die Flucht. Ich renne um mein Leben, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich bin seit einer Stunde in dieser mörderischen Kälte und das in viel zu dünner Kleidung. Wenn ich nicht sehr bald heimkehre, werde ich erfrieren. Das Waisenheim liegt am östlichen Rand der Stadt und ist noch fünf Meilen entfernt.
Um den Weg zu verkürzen, hangle ich mich eine Regenrinne hinauf. Meine aufgerauten Lederhandschuhe und die tiefen Profile, die ich erst frisch in meine Sohlen geritzt habe, sorgen dafür, dass ich an der dicken Eisschicht nicht abrutsche. Ich überquere die eingeschneiten Dächer des idyllischen Rosenviertels, mache einen großen Sprung über die gutbürgerliche Kupfergasse und lasse mich schließlich am Rand des Hafenplatzes hinter einigen Mülltonnen zu Boden gleiten.
Trotz der unmenschlichen Temperaturen und der späten Stunde herrscht hier reges Treiben, denn morgen hisst die Perle des Ozeans ihre majestätischen Segel und sticht in See. Ein Ereignis, dem unser Königreich seit Monaten entgegenfiebert. Der Entschluss, eine Expedition zur Insel Azythros in die Wege zu leiten, um auf dem sagenumwobenen Eiland ein Monster für den Krieg zu zähmen, sendete diesen Herbst Schockwellen durch die Bevölkerung. Immerhin besagt unser Volksglaube, dass die schaurigen Biester von Azythros des Nachts über den großen Ozean reisen und wahllos Neugeborene aus ihren Wiegen rauben. Die schwachen töten sie. Die starken setzen sie wieder aus – als Wölfe im Schafspelz. Denn jene Kinder sind halb Monster und halb...
| Erscheint lt. Verlag | 25.8.2025 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Realm of Myths and Magic |
| Mitarbeit |
Designer: Christin Giessel |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
| Kinder- / Jugendbuch | |
| Schlagworte | A Monsters Heart • Bookstagram • Booktok • Drachenfantasy • Elementarmagie • elemente fantasy • enemies to lovers • Fantasy Romance Bücher • forced proximity • Gestaltwandler • High Fantasy • Königreich • Romantasy • Royal fantasy • young adult fantasy |
| ISBN-10 | 3-522-61198-5 / 3522611985 |
| ISBN-13 | 978-3-522-61198-5 / 9783522611985 |
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