No Cure for Love (eBook)
480 Seiten
Loomlight in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
978-3-522-61197-8 (ISBN)
Anna Hensel, Jahrgang 1990, studierte in Jena Medizin und arbeitete als Ärztin in mehreren Kliniken. In ihrer zweiten Schwangerschaft entdeckte sie nach einem romantischen Traum ihre Leidenschaft für das Schreiben. Und was lag da näher, als ihren Beruf als Inspirationsquelle zu nutzen? Ihr Debütroman über eine junge Ärztin erschien nur wenige Jahre später, weitere Hospital-Romances folgten. Mit ihrem Ehemann und ihren Söhnen lebt sie in Niedersachsen, wo sie neben der Arbeit in einer Klinik an neuen Liebesromanen schreibt. Auf Instagram teilt sie ihre kontroversen Gedanken zu allen Themen des Lebens. Homepage: www.anna-hensel.de Instagram: @anna_hensel_
Kapitel 1
Die Frau auf dem Sitz gegenüber sieht mich schon wieder an. Kein Wunder, denn draußen ist es noch stockduster und viel Spannendes passiert an einem Februarmorgen um kurz nach sieben in Jenas Straßenbahnen nicht. Da stellt ein Fahrgast mit einem Kuchenblech auf dem Schoß fast schon eine Sensation dar.
Ich schenke ihr ein kleines Lächeln, das sie erwidert.
»Das riecht ja gut.« Sie deutet auf die Geschirrtücher, in die ich das Blech gewickelt habe und durch die der Duft nach frischem Gebäck dringt.
Ich nicke. »Heute ist mein erster Arbeitstag.«
»Oh.« Sie nestelt an einer Nadel ihrer brünetten Hochsteckfrisur. »Ihre neuen Kollegen werden sich sicher freuen.«
»Das hoffe ich.« Mein Fuß wippt auf und ab. Eigentlich bin ich gar nicht die übermotivierte Berufsanfängerin, ganz im Gegenteil. Vielleicht habe ich mir bei dem Kuchen besonders viel Mühe gegeben, um das zu kaschieren. Ich will das Beste aus den nächsten fünf Monaten machen, auch wenn ich mir nie ausgesucht hätte, meine medizinische Laufbahn an einer kleinen Provinzklinik zu beginnen.
Vor der Fensterscheibe rast ein Radfahrer vorbei, fast so schnell wie die Bahn. Seine Frontleuchte wirft einen Strahl in die Düsternis, die von den vorbeiziehenden Lichtkegeln der Straßenlaternen erhellt wird.
Ich wende mich der Frau zu. »Eigentlich ist Backen ja gar nicht mein Ding. Das Rezept hat mir meine beste Freundin rausgesucht. Um die Streusel perfekt anzuordnen, habe ich eine halbe Stunde gebraucht. Zuerst sind sie zwischen den Kirschen versunken, aber mit größeren Teigklumpen sah es komisch aus und – na ja, als sie vom Pilates zurückkam, wollte sie wissen, ob in der Küche eine Bombe explodiert ist.«
Keine Ahnung, warum ich das erzähle. Die Fremde zieht ihren Steppmantel enger um ihre Schultern und schaut verständnisvoll. »Wo fangen Sie denn an?«
Bevor ich antworten kann, lenkt der Radfahrer mich ab. Er macht einen Schlenker auf den Bordstein und gerät bei der hohen Geschwindigkeit ins Schlingern.
»Stopp«, rufe ich gegen die Scheibe, als könnte ich ihn damit aufhalten. Ungebremst rast er in einen Stromkasten und fliegt über den Lenker. Wo er landet, sehe ich nicht mehr.
Ich springe auf und drücke das Blech der Fremden in die Hand, die mich nur perplex anstarrt. Mit großen Schritten haste ich zum Ausgang, wo es einen quälenden Moment dauert, bis die Türen an der Emil-Wölk-Straße endlich aufgleiten. Viel kann ich ohne Ausrüstung oder Medikamente nicht ausrichten, aber was, wenn er reanimiert werden muss? Hier gibt es nicht mal einen AED in der Nähe. Ich renne auf die Stelle zu, wo sich um den Radfahrer bereits eine Traube besorgter Pendler schart.
»Lassen Sie mich durch, ich bin Ärztin.«
Diesen Satz wollte ich schon immer mal sagen. Nur nicht ausgerechnet heute.
Alle Köpfe wenden sich zu mir und die Menge teilt sich. Gott sei Dank – das Unfallopfer ist bei Bewusstsein und presst die Hände in einer leicht verkrampften Haltung gegen die Stirn. Sein Helm ist verrutscht. Die Frau, die neben ihm hockt, erhebt sich hastig und macht mir Platz. Ich knie mich auf den eisigen Bordstein.
»Können Sie mich hören?« Ich berühre den Mann an der Schulter. »Haben Sie Schmerzen?«
Er stöhnt und löst die Hände vom Gesicht. Ich blinzle verwundert. Seit wann fährt Dr. Mark Breitenbach Rad? Die verschwitzten blonden Haare kleben ihm in der Stirn und die Überraschung in seinen Augen verrät mir, dass er mich ebenfalls erkannt hat.
»Nee«, knurrt er. »Fühlt sich an wie eine sanfte Akupunktur.«
Okay, sein Sarkasmus funktioniert noch. Und sein Gedächtnis scheinbar auch. Damit wäre ein schweres Schädel-Hirn-Trauma schon mal ausgeschlossen.
»Darf ich?«, frage ich mit professioneller Höflichkeit und zücke mein Smartphone, um ihm in die Pupillen zu leuchten. »Welchen Tag haben wir heute?«
»Lass den Mist, mein Kopf ist in Ordnung.« Mark drückt sich in eine sitzende Position hoch und sieht sich nach seinem motorisierten Sportbike um, das neben dem Stromkasten auf dem Pflaster liegt. Gegenüber rollt eine Linie vier ein, was den Großteil der Schaulustigen dazu bewegt, zu den sich öffnenden Türen zu eilen.
»Trotzdem sollte dich jemand durchchecken«, sage ich. »Wieder aufs Rad steigen wäre keine gute Idee. Am besten rufe ich dir einen RTW.« Ich halte mein Handy ans Ohr. Er grummelt nur leise, während ich der Leitstelle unseren Standort durchgebe. »Sie sollten gleich hier sein.«
Mark setzt seinen Helm ab und wischt sich Dreck von seiner teuren Armani-Jacke. Er wirft mir einen Seitenblick zu und senkt die Stimme. »Warum meldet sie sich nicht bei mir?«
»Das weißt du ganz genau.« Ich presse die Lippen zusammen und hoffe inständig, dass die Sanitäter schnell eintreffen. »Sicher, dass du okay bist?« Ich deute auf den aufgerissenen Stoff seiner hellgrauen Hose.
Er ignoriert meine Frage. »Katja hat mich blockiert, oder?«
Ich schweige. Insgeheim bin ich stolz auf meine Freundin, dass sie es durchgezogen hat und nicht schwach geworden ist. Trotzdem werde ich mich aus der Sache raushalten und ihm auch nicht die Meinung geigen. Schließlich muss ich in fünf Monaten an der Uniklinik wieder mit ihm zusammenarbeiten.
»Schon gut«, brummt er. »Ist unwichtig.«
Ich schnaube leise. Diese Gleichgültigkeit passt viel besser zu ihm. Wir starren beide in die Scheinwerferlichter eines Lasters und der endlosen Reihe an Pkws, die sich durch den Berufsverkehr der Karl-Marx-Allee drängen. Nach ein paar Minuten taucht der Rettungswagen am Ende der Straße auf und parkt am Bordstein. Bevor die zwei Sanitäter Mark erreicht haben, rappelt er sich auf die Füße, humpelt ihnen entgegen und empfängt sie mit einem brüderlichen Handschlag. Danach helfen sie ihm doch tatsächlich, sein Pedelec in den RTW zu laden. Ich grüße sie kurz und wende mich ab, weil ich hier nicht mehr gebraucht werde.
Die leuchtende Anzeigetafel der Haltestelle informiert mich, dass die nächste Linie drei erst in neunzehn Minuten kommt. Ich sinke auf die eiskalte Wartebank und stelle mir das Gesicht meines neuen Chefarztes vor, wenn ich zu spät in die Frühbesprechung reinplatze. Ohne meinen Einstandskuchen, denn der ist ja in der Bahn weitergefahren. Sieht so aus, als wäre mein Start am St. Elias ruiniert, bevor ich überhaupt dort angekommen bin.
Von meinem allerersten Tag als Ärztin träume ich bereits, seit meine Nanny mir im Alter von fünf Jahren einen Plastik-Arztkoffer geschenkt hat. Aber so wie heute hätte ich mir diesen Tag nie vorgestellt. Mit zusammengebissenen Zähnen rufe ich mir die Worte meiner Mutter in Erinnerung. Ich muss das durchziehen, schließlich stellt das St. Elias für meine berufliche Zukunft meine einzige Chance dar.
Als ich meine frierenden Hände in meine Jackentaschen schiebe, ertaste ich einen unbekannten, weichen Gegenstand. Ich ziehe ein farbiges Bändchen heraus und muss trotz meiner Anspannung lächeln. Zwar liegt unsere Anfangszeit im Internat mittlerweile vierzehn Jahre zurück, aber Katjas Anblick mit Hunderten dieser Freundschaftsbändchen am Arm werde ich trotzdem nie vergessen. Du rockst das St. Elias!, steht auf dem Zettel, an den sie es geknotet hat. Ich reiße ihn ab. Obwohl das Armband eindeutig für ein Kind geflochten wurde, gelingt es mir, es um mein Handgelenk zu binden. Ein Typ am anderen Ende der Bank schlürft an einem To-go-Becher und blickt skeptisch zu mir herüber. Ob ich so etwas als 24-Jährige noch tragen kann? Katja würde das eindeutig bejahen. Verdammt, sie hat recht, ich werde das Ding rocken.
Als ich den Klinikvorplatz endlich erreiche, hat sich der Horizont längst aufgehellt. Über dem Bergkamm tauchen die ersten Sonnenstrahlen auf und hüllen den Gebäudekomplex in blassgoldenes Morgenlicht. Der hintere Flügel schmiegt sich direkt ans Ufer der Saale, die sich durch Baumgruppen und Wiesen schlängelt. Doch ich schenke dem malerischen Anblick kaum Beachtung und drücke die Glastür des Portals auf. Mittlerweile bin ich zwar leicht verschwitzt, aber zum Umziehen habe ich vor der Besprechung keine Zeit mehr. Ich eile zum Treppenhaus, öffne im Gehen meine Jacke und setze die Brille ab, die von der Winterkälte beschlagen ist. Hinter mir hallen Schritte im Gang wider.
»Morgen«, grüße ich gestresst. Über die Schulter erkenne ich die Umrisse eines großen, dunkelhaarigen Mannes im weißen Outfit der Klinik.
»Guten Morgen.« Er schließt zu mir auf. »Kann ich helfen?«
Seine tiefe, warme Stimme klingt in meinen Ohren nach, auch wenn ich ohne Brille kaum mehr als verschwommenen Nebel sehe. Ich verlangsame meine Schritte.
»Für die Station B4 bin ich hier richtig, oder?«
»Absolut. Da will ich auch gerade hin.« Er beobachtet meine Versuche, die Gläser an dem dicken Stoff meines Ärmels zu putzen, und deutet auf meine Jacke. »Darf ich?«
»Ähm, danke.« Ich lasse es zu, dass er...
| Erscheint lt. Verlag | 28.7.2025 |
|---|---|
| Mitarbeit |
Designer: Christin Giessel |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
| Schlagworte | Bookstagram • Booktok • Einzelband • Greys Anatomy • hospital romance • Liebesroman • Liebesroman Bestseller • New adult Romance • Office romance • opposites attract • romance enemies to lovers • romance neuerscheinungen 2025 • Workplace Romance |
| ISBN-10 | 3-522-61197-7 / 3522611977 |
| ISBN-13 | 978-3-522-61197-8 / 9783522611978 |
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