Lassiter Sonder-Edition 78 (eBook)
80 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-8779-6 (ISBN)
Torkano stand da in seinem weiten Umhang. Der dunkle Stoff umfloss den nackten Körper der Indianerin, die in Torkanos Gewalt war. Und zu Füßen des Unheimlichen lag der junge Rebell, den er erschossen hatte. Mit kalten Augen starrte der unheimliche Mann Lassiter an und sagte zynisch: 'Dein Opfer war umsonst, Lassiter. Sie hatten die letzten Hoffnungen auf dich gesetzt, aber von Anfang an stand fest, dass auch du verlieren würdest.' Als er das gesagt hatte, streckte er die Hand mit dem Revolver nach vorne und ließ Lassiter in die Mündung blicken ...
LASSITER UND DER UNHEIMLICHE
von Jack Slade
Es war eine verdammt unangenehme Überraschung für Lassiter. Zuerst berührte ein feuchtes, klebriges Ding sein Gesicht. Er verspürte warmen, hechelnden Atem, und als er endgültig hellwach war, sah er dicht über sich die funkelnden Augen eines Tieres.
Es war ein Hund oder ein Wolf. Der Geruch war unverkennbar. Jetzt vernahm Lassiter ein dumpfes Knurren, und er lag sofort wieder völlig reglos da. Er hielt es für ratsam, zuerst einmal den »toten Mann« zu spielen. Er musste wissen, was hier los war. Erst wenn er seine Möglichkeiten genau kannte, konnte er zu einem eventuellen Angriff übergehen.
Lassiter hatte nichts gegen Hunde. Er machte hier nicht zum ersten Mal in seinem Leben Bekanntschaft mit einem solchen Vierbeiner. Und er hatte noch jedes Mal die Erfahrung gemacht, dass Hunde niemals bösartiger waren als ihre Herren.
Aber jetzt blieb zunächst einmal die Frage, um was für ein Tier es sich in diesem Falle handelte.
Gehörte der Hund überhaupt zu einem Herrn? Oder war es eher einer dieser halbwilden, streunenden Köter? Am Ende sogar ein Wolf?
In Bezug auf Wölfe hatte Lassiter schon die abenteuerlichsten Geschichten gehört. Diese sogenannten Bestien konnten ganz schön friedlich sein, wenn sie nicht gerade vom Hunger gereizt waren. Es sollte sogar Menschen geben, denen es gelungen war, Wölfe wie richtige Hunde zu halten und zu erziehen.
Während derartige Gedanken durch seinen Kopf schossen, tastete er unendlich vorsichtig nach dem Revolver, den er stets griffbereit unter seinen Decken versteckt hielt, wenn er draußen in der freien Natur übernachtete.
Er hatte kaum mit den Fingerspitzen den Kolben berührt, als ein abgrundtiefes, wütendes Knurren zu hören war. Gleich darauf legten sich die spitzen Fänge des gefährlichen Vierbeiners um seinen Hals.
Wieder hörte Lassiter das tiefe Knurren. Der warme hechelnde Atem traf sein Gesicht.
Lassiter lag völlig still und reglos. Er wagte kaum noch Luft zu holen, denn jetzt wusste er endgültig Bescheid.
Dieses Tier besaß einen unwahrscheinlich ausgeprägten Instinkt. Obwohl Lassiter sich vorhin kaum bewegt hatte, war dem Hund nicht entgangen, dass der Mann eine Gegenaktion plante.
Nach dem letzten Knurren war wieder tiefe Stille eingetreten. Der Hund – oder was immer auch für ein Tier es war – verharrte. Und Lassiter lag weiterhin da wie ein Toter. Eine verrückte Situation.
So etwas hatte auch Lassiter noch nicht erlebt, und dabei hatte er schon verdammt viel durchgemacht. Wahrscheinlich mehr als jeder andere Mann, der je durch den Westen geritten war.
Lassiters Leben hing an einem seidenen Faden.
Im Grunde genommen war es zum Lachen. Ausgerechnet er, der schon in den übelsten Schwierigkeiten gesteckt hatte, befand sich jetzt in der Gewalt eines einzigen Tieres.
In der Nähe rauschte der Rio Grande.
Lassiter hatte am Abend den Fluss schwimmend durchquert. Jetzt befand er sich auf der mexikanischen Seite, in dem kargen, menschenleeren Gebiet südlich von Presidio. Irgendwo in der Einöde, und der Fluss hatte ihn sehr weit abgetrieben, so dass er seine Position nicht mehr genau bestimmen konnte.
Auf jeden Fall hatte er sich eingebildet, vorerst in Sicherheit zu sein. Zusammen mit den hunderttausend Dollar, die Don Martinez gehörten, in dessen Auftrag Lassiter unterwegs war.
Es war eine verdammt dramatische Verfolgung gewesen am vergangenen Abend, also vor sechs oder sieben Stunden. Die Banditen schossen Lassiter das Pferd unter dem Hintern weg, kurz bevor er das Steilufer des Flusses erreicht hatte. Und Lassiter hatte nur noch Zeit gehabt, die Deckenrolle an sich zu reißen, in der sich, eingewickelt in Ölhaut, der Packen mit den Dollars befand.
Nun, Lassiter hatte zunächst einmal seine durchnässte Kleidung und alles andere auf dem noch immer sonnenwarmen Gestein ausgebreitet und die Sachen trocknen lassen. Später hatte er sich dann in die klammen Decken eingewickelt und war vor Erschöpfung eingeschlafen.
Und jetzt lag er völlig hilflos da und spürte die spitzen Fänge eines Hundes oder Wolfes an seiner Kehle.
Wenn das Tier zubiss, würde der große Mann kaum noch Zeit haben, Amen zu sagen.
Minuten vergingen. Das Tier schien auf etwas zu warten, wahrscheinlich auf einen Befehl.
»Hund«, sagte Lassiter leise und in einem leicht singenden Tonfall, »du bist ein guter Hund. Willst du mir wirklich den Garaus machen, Amigo? Such dir doch lieber ein fettes Kaninchen, wenn du hungrig bist.«
Der Hund knurrte.
»Ich bin entschieden zu zäh für dich«, fuhr Lassiter im selben ruhigen Tonfall fort. »An mir haben sich schon ganz andere die Zähne ausgebissen. Also – ich mach dir 'nen Vorschlag. Du nimmst jetzt deine Zähne weg, und wir einigen uns. Vielleicht werden wir gute Freunde. Möglich ist ja alles, nicht wahr?«
Der Hund knurrte nicht mehr.
Seine Ohren spielten, und er schien zu lauschen. Die scharfen Zähne aber blieben weiterhin an Lassiters Kehle.
In der Nähe lachte jemand leise auf. Es klang nicht einmal spöttisch. Lassiter kam es eher wie das Lachen eines Menschen vor, der sich soeben köstlich amüsiert hatte.
»Es ist gut, Arras.«
Das war die Stimme einer Frau, etwas rauchig und dunkel, aber jetzt gab es für Lassiter keinen Zweifel mehr, dass er es hier mit einer Frau zu tun hatte. Vorhin war er sich noch nicht ganz sicher gewesen, als er das Lachen gehört hatte.
Der große Hund zog sich zurück. Im Sternenlicht tauchte eine schlanke Gestalt auf, blieb einen Schritt vor Lassiter stehen. Der große Mann setzte sich auf und schälte sich aus den klammen Decken. Er grinste.
»Ihr zwei habt mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt«, sagte er. »Im ersten Moment habe ich gedacht, das wäre ernst gemeint.«
Die Frau betrachtete ihn schweigend. Ihre Augen glitzerten wie die Lichter einer Raubkatze. Schwarzes Haar fiel lang über ihre Schultern. Sie trug einen bunten Poncho, eine helle Leinenhose und einfache, geflochtene Sandalen. Soweit es Lassiter im Sternenlicht beurteilen konnte, handelte es sich um eine schöne Frau – oder auch um ein Mädchen. Genauer gesagt, eine Señorita, denn Lassiter befand sich ja in Mexiko.
Jetzt lächelte sie. Ihr Mund war weich und sinnlich. Die Zähne glänzten wie Elfenbein zwischen den geschwungenen Lippen.
Der große Hund kauerte wachsam und sprungbereit an ihrer Seite.
»Du irrst dich, Gringo«, sagte sie mit ihrer dunklen, etwas kehlig klingenden Stimme. »Ich habe das keineswegs als einen Spaß aufgefasst. Bist du über den Fluss gekommen?«
Lassiter grinste und deutete mit dem Daumen zu den Sternen.
»Denkst du vielleicht, ich wäre vom Himmel gefallen, Amiga?«, murmelte er, und er benutzte genau wie sie die mexikanische Sprache.
Sie ging auf seinen Scherz nicht ein.
»Du bist also über den Fluss gekommen«, stellte sie sehr sachlich fest. »Man sieht es an deinen Sachen, die noch längst nicht richtig getrocknet sind. Und du bist ein weites Stück geschwommen, denn auf der anderen Seite kannst du auf gar keinen Fall ins Wasser gesprungen sein. Dort hättest du dir das Genick gebrochen. Du bist also ungefähr eine Meile stromaufwärts in den Rio gesprungen. Man hat dir dein Pferd unter dem Hintern abgeschossen, und du konntest nur noch deine Decken an dich reißen. Seltsam, Amigo. Warum denkt ein Mann, der auf der Flucht ist, an nichts anderes als an seine Decken? An deiner Stelle hätte ich wenigstens die Winchester mitgenommen. Warum ausgerechnet die Deckenrolle? Ist sie so wichtig für dich?«
Lassiter grinste.
»Du bist ein kluges Kind, Muchacha. Aber deine Kombinationen stimmen nicht ganz. Es war Zufall, dass ich ausgerechnet meinen Packen retten konnte. Ich hatte gerade abgesattelt, als ich von Banditen angegriffen wurde. Ich riss den Packen und meine Winchester an mich und sprang kurzerhand in den Fluss. Dann wurde ich von der starken Strömung abgetrieben. Das ist die ganze Story.«
»Du lügst«, sagte sie spöttisch. »Ich glaube dir kein einziges Wort. Du bist Lassiter, nicht wahr?«
Lassiter nickte verblüfft. Dieses Weib schien verdammt gut Bescheid zu wissen. Es hatte wohl kaum Zweck, wenn er jetzt noch etwas zu verheimlichen suchte. Wahrscheinlich kannte sie nicht nur seinen Namen, sondern auch alle Zusammenhänge.
»Wer bist du, Señorita?«, fragte er ruhig und ließ sich seine innere Anspannung nicht anmerken.
»Ich bin Rana«, erwiderte sie. »Und damit musst du dich vorerst zufriedengeben. Sprechen wir zunächst weiter von dir, Lassiter.«
Sie legte eine Pause ein und kauerte sich nieder, so dass sie mit ihm auf gleicher Augenhöhe war.
Mit starrem Blick sah sie ihn an.
Lassiter dachte an die hunderttausend Dollar unter seiner Decke. Er verfluchte sich, dass er das Geld nicht schon längst irgendwo in der Nähe seines Lagerplatzes versteckt hatte. Das wäre wirklich ratsam gewesen.
Jetzt saß er gewissermaßen auf einem Pulverfass.
Es gab Menschen, die schon um weniger getötet worden waren als um hunderttausend Dollar.
Vorsichtig...
| Erscheint lt. Verlag | 2.8.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | Abenteuer-Roman • alfred-bekker • Bestseller • Cassidy • Country • Cowboy • Deutsch • eBook • eBooks • erotisch • Erwachsene • erwachsene Romantik • Exklusiv • für • g f barner • Indianer • Karl May • Kindle • Klassiker • Laredo • Männer • Nackt • Reihe • Ringo • Roman-Heft • Serie • Sexy • Western-Erotik • Western-roman • Wilder Westen • Wyatt-Earp |
| ISBN-10 | 3-7517-8779-8 / 3751787798 |
| ISBN-13 | 978-3-7517-8779-6 / 9783751787796 |
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