Lassiter 2768 (eBook)
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-8767-3 (ISBN)
Ihre Augen, groß und rund, wollten dem gerade noch so zierlichen Köpfchen entfliehen, während ihre Hautfarbe von Porzellan zu reifem Mohn und am Ende zum Grau von Pottasche wechselte. Es dauerte länger, als er erwartet hätte, bis die widerspenstige junge Seele sich endlich ihrem Schicksal ergab und Ruhe einkehrte unter dem stählernen Griff seiner Hände, die sich um ihren Hals geschlossen hatten. Erst als er losließ, hörte er sein eigenes Keuchen, spürte sein rasendes Herz. Doch der leise Applaus, den er darüber hinaus zu vernehmen glaubte, konnte nur ein Streich sein, den ihm ein vorwitziger Teil seines verwinkelten Geistes spielte.
Der
Totengräber
von
Baton Rouge
von Kolja van Horn
Ihre Augen, groß und rund, wollten dem gerade noch so zierlichen Köpfchen entfliehen, während ihre Hautfarbe von Porzellan zu reifem Mohn und am Ende zum Grau von Pottasche wechselte. Es dauerte länger, als er erwartet hätte, bis die widerspenstige junge Seele sich endlich ihrem Schicksal ergab und Ruhe einkehrte unter dem stählernen Griff seiner Hände, die sich um ihren Hals geschlossen hatten.
Erst als er losließ, hörte er sein eigenes Keuchen, spürte sein rasendes Herz. Doch der leise Applaus, den er darüber hinaus zu vernehmen glaubte, konnte nur ein Streich sein, den ihm ein vorwitziger Teil seines verwinkelten Geistes spielte.
»Was für ein Armutszeugnis stellen sich unsere Truppen nun wieder aus?« Der Mann mit der Stirnglatze und einem Schnauzbart, der wie ein Vorhang aus Haar fast den ganzen Mund verbarg, senkte die Zeitung und starrte Lassiter so missbilligend an wie ein Schulmeister gelangweilte Pennäler. Aber auffordernd genug, damit der Mann der Brigade Sieben sich bemüßigt fühlte, wenigstens fragend die Brauen zu heben.
»Dieser Howard bekommt die Nez Percé einfach nicht in den Griff. Lässt sich regelrecht vorführen von den Rothäuten«, informierte ihn sein Gegenüber in resigniertem Tonfall. »Mir war von vornherein klar, dass man sich keinen Gefallen tat, als man ihm die Verantwortung für den Militärdistrikt Columbia übertrug. Ein halber Pfaffe als General? Da halte ich es mit seinem Vorgesetzten McDowell – Soldatisches und Philanthropisches muss man strikt auseinanderhalten. Der wollte die Wilden umarmen, da darf man sich nicht wundern, wenn sie einem das Ohr abbeißen. Nun gab's die dritte Niederlage auf dem Schlachtfeld in Folge. Ist das denn die Möglichkeit?«
»Wenn es im Herald steht, würde ich nicht unbedingt darauf wetten«, erwiderte Lassiter wenig interessiert, nachdem er den oben auf der Titelseite prangenden Namen der Zeitung zur Kenntnis genommen hatte.
»Und doch steht zu befürchten, dass es der Wahrheit entspricht. Die Wahl fiel auf Howard, weil er mit Cochise Frieden schloss. Nur um welchen Preis, frage ich Sie?« Der Mann mit dem kahlen Schädeldach fuhr sich über eben jenes und schien mit keiner Antwort zu rechnen, denn er schüttelte leicht den Kopf und redete weiter. »Warum überhaupt verhandeln? Die Indsmen haben sich an Gesetze zu halten und zu nehmen, was man ihnen zuteilt.«
Erleichtert registrierte Lassiter den Pfiff der Lokomotive, der die baldige Ankunft des Zuges im Bahnhof von Baton Rouge ankündigte. Politische Diskussionen mit Rassisten, deren einzige Begegnung mit Indianern vermutlich im Rahmen einer Show von Bill Cody stattgefunden hatte, waren ermüdend und sinnlos.
Er erhob sich und langte nach seiner Reisetasche. Dabei stand er kurzzeitig dicht vor seinem Mitreisenden, mit gespreizten Beinen, und der Blick hinab ließ ihn direkt in dessen vorwurfsvoll geweitete Augen schauen.
»Haben Sie dazu denn so gar keine Ansicht, Sir?«
Lassiter schnappte sich die Tasche und danach sein Scabbard mit der Winchester, ehe er dem Gent zunickte und antwortete: »Selbst wenn, zwingt mich nichts, diese mit Ihnen zu teilen. Leben Sie wohl.«
Sekunden später befand er sich bereits auf dem Gang, versuchte, dem unweigerlich entstehenden Gedränge dort zuvorzukommen, sobald der überfüllte Zug vor dem Bahnsteig von Baton Rouge zum Stehen kommen würde. Als Vielreisender wusste er um das immer gleiche Verhalten der anderen Passagiere. Also stand er bereits vor der Tür des Wagens, als die Lokomotive Halt machte und das Tohuwabohu begann. Abteiltüren wurden aufgerissen, man rempelte, drängelte und fluchte in der Enge des Ganges, während Lassiter dies alles mit einem beherzten Sprung hinaus auf den Bahnsteig hinter sich ließ. Allerdings war auch hier viel los; schließlich würde der Zug in Bälde weiterfahren nach New Orleans. Auch der Mann der Brigade Sieben wurde dort erwartet, um als Zeuge bei einem Prozess auszusagen. Allerdings erst in zehn Tagen, weshalb er die Wartezeit lieber hier nutzen wollte, um eine alte Freundin zu besuchen.
Er hatte Heather Grimes seit Jahren nicht mehr gesehen, aber kürzlich von ihrem Umzug nach Baton Rouge erfahren, als er in Memphis bei gemeinsamen Bekannten gewesen war. Heathers Abschied war überstürzt verlaufen, und niemand wusste so recht, was sie dazu bewogen hatte. Also hatte der Mann der Brigade Sieben beschlossen, seiner tief verwurzelten Neigung nachzugeben, ungelösten Rätseln auf den Grund zu gehen und Heather einfach selbst zu fragen.
Die Adresse befand sich nicht unbedingt in einer Nobelgegend, eher das Gegenteil war der Fall. In der Pine Street fand sich kein einziger Nadelbaum, dafür umso mehr Kneipen, Absteigen, Stundenhotels und nach altem Fett stinkende Imbisse, in denen lokale Spezialitäten feilgeboten wurden, für die es einen robusten Magen und möglichst verkümmerte Geschmacksnerven brauchte.
Lassiter überprüfte noch einmal die hastig hingeworfenen Daten auf dem Zettel in seiner Hand, als er vor einem windschiefen Bau stand, der eingezwängt zwischen einer chinesischen Wäscherei und einer Spelunke mit Namen Ruby Bat aussah, als könne er jeden Moment sang- und klanglos in sich zusammenfallen. Dennoch, die Nummer stimmte – Heather hatte sich mit dem Ortswechsel eindeutig nicht verbessert.
Das Treppenhaus hatte keine Tür und war so eng, dass Lassiters Schultern so gerade eben genug Platz fanden, zwischen ihnen und den feuchten Wänden, von denen der Putz großflächig herabgefallen war und sich auf den Stufen verteilte, jedoch kaum mehr als eine Handbreit frei blieb. Auf halber Treppe hockte ein hutzeliges Männchen in der Ecke, die klapperdürren Beine angezogen bis ans eingefallene Kinn, und sog an einer Pfeife. Das blumige Aroma von Opium stieg Lassiter in die Nase, und als er sich näherte, wirkte der Blick, mit dem der Raucher ihn begrüßte, als bestünden seine Augen aus farblosem Glas.
Trotzdem fragte er: »Heather Grimes. Wohnt die Lady hier?«
Der Alte sog die Lippen ein, worauf Lassiter unweigerlich an den Anus einer Katze denken musste. Wortlos nickte der Mann in Richtung der oberen Etagen, bevor er sich die Pfeife wieder in den zahnlosen Mund steckte und sein Gesicht hinter bläulichen Wolken aus Träumen verschwand.
Lassiter zwängte sich an ihm vorbei, und als er die erste Etage erreichte, stellte er fest, dass die Tür zur Wohnung ebenfalls fehlte; bis auf ein paar zersplitterte Überreste, die schief an den Scharnieren hängend zurückgeblieben waren. Deshalb konnte er ungehindert in eine von rußgeschwärzten Wänden und einer niedrigen Decke gefasste Küche blicken. Eine junge Schwarze saß dort in einem Lehnstuhl neben dem Ofen und stillte einen Säugling. Als sie ihn bemerkte, reagierte sie kaum.
»Miss, ich möchte zu Heather Grimes«, sagte Lassiter, ohne die Wohnung zu betreten. »Man hat mir diese Adresse gegeben ...«
Die Schwarze schürzte die Lippen. Lassiter war sich nicht sicher, wie er die Miene einschätzen sollte, von Trotz über Abscheu bis zu Anteilnahme konnte alles passen. »Sie wohnt unter dem Dach«, antwortete die Frau schließlich. »Habse aber schon'n paar Tage nich gesehn.«
Lassiter nickte und tippte sich dankend an die Krempe seines Stetsons, bevor er die nächsten Stufen in Angriff nahm.
Die Wohnung in der zweiten Etage verfügte immerhin über eine Tür, wenn auch ein schartiges Loch in ihr klaffte, deren Aussehen in Lassiter den Verdacht hervorrief, es sei durch ein Beil oder eine Axt entstanden. Das Innere der Wohnung lag aber im Dunkeln, und es war kein Laut daraus zu vernehmen.
Auf dem Weg zu Heathers Mansardenwohnung hinauf begegnete er zwei wohlgenährten Ratten, die ihm vom Treppenabsatz her angriffslustig entgegenstarrten. Eines der Nagetiere hielt eine himmelblaue Haarschleife zwischen den Krallen, was Lassiter die Stirn runzeln ließ.
Er musste bis zur obersten Stufe hinauf und drohend zu einem Tritt ausholen, bis die Ratten sich endlich trollten und in einem faustgroßen Loch in der Fußleiste der Seitenwand verschwanden.
Die Tür zu Heather Grimes Wohnung war nicht nur unbeschädigt, sondern schien auch vor nicht allzu langer Zeit gestrichen worden zu sein, denn das Holz leuchtete in frischem Meergrün und wirkte dadurch wie ein Fremdkörper inmitten dieses heruntergekommenen Gebäudes; fast, als könne man durch sie in eine andere Welt übertreten. Das kleine Holzschild neben dem Türknauf, auf dem der Name der Bewohnerin mit einem heißen Eisen durchaus kunstvoll eingebrannt worden war, beseitigte die letzten Zweifel darüber, ob Heather hier wohnte.
Nun, sie war erst vor drei Monaten weggegangen aus Memphis. Vielleicht stellte diese armselige Unterkunft ja nur eine Übergangslösung dar.
Lassiter klopfte an die Tür – und stellte dabei überrascht fest, dass sie keinen Widerstand bot, sondern unter seinen Fingerknöcheln um einen Zoll nach innen schwang. Die Falten auf seiner Stirn vertieften sich.
»Heather?«, rief er verhalten. »Jemand zuhause?«
Keine Antwort. Das gefiel ihm nicht. Heather war keine...
| Erscheint lt. Verlag | 2.8.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer-Roman • Abenteurer • alfred-bekker • Bestseller • bud-spencer • buffalo-bill • Cassidy • Chaco • clint-eastwood • Country • Cowboy • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • erotisch • Erwachsene • erwachsene Romantik • Exklusiv • für • g-f • GF • g f barner • g f unger • Indianer • jack-slade • Karl May • kelter-verlag • Kindle • Klassiker • Krimi • Laredo • larry-lash • lucky-luke • Männer • martin-wachter • Nackt • pete-hackett • peter-dubina • Reihe • Ringo • Roman-Heft • Serie • Sexy • sonder-edition • Unger • Western • Western-Erotik • Western-roman • Wilder Westen • Wilder-Westen • Winnetou • Wyatt Earp • Wyatt-Earp |
| ISBN-10 | 3-7517-8767-4 / 3751787674 |
| ISBN-13 | 978-3-7517-8767-3 / 9783751787673 |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
| Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich