Jerry Cotton Sonder-Edition 268 (eBook)
80 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-8194-7 (ISBN)
Vor Mark Frechette zitterte die halbe Unterwelt. Der New Yorker Gangsterboss war ein König in seinem Reich. Er duldete keinen Widerspruch. Wer bei ihm aufmuckte, war ein toter Mann. Doch dann zog Gefahr für ihn auf. Sie kam von einer Seite, die für uns vom FBI ebenso überraschend war wie für den allmächtigen Boss. Sie kam von sanfter Hand ...
1
Das harte Bremsmanöver kam so überraschend, dass Patrolman James Harries mit der Brust gegen das Armaturenbrett knallte. In der nächsten Sekunde drehte sich der Streifenwagen der New York City Police auf dem schlierigen Asphalt der Beach Street. Harries versuchte sich festzukrallen. Es ging zu schnell. Bevor seine Finger Halt fanden, schlug er mit dem Kopf gegen den Türholm.
»Rechts vor dir, James!«
Sergeant Matt Mayberrys Zuruf riss Harries aus der Benommenheit, die sich wie ein weicher Watteteppich über sein Bewusstsein gelegt hatte.
»Die Frau!«
Patrolman Harries riss die Augen auf. Die Frau, die Sergeant Mayberry meinte, bestand für Harries nur aus einem schlanken Schatten, der sich eilig bewegte und schließlich mit der Fassade der Eisenwarenhandlung verschmolz, die sich schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite befand.
»Da stimmt was nicht, Partner.«
Wer wie Sergeant Matt Mayberry mehr als die Hälfte seines Lebens täglich in einem Patrol Car der New York City Police zugebracht hatte, bekam einen untrüglichen Blick für Ärger. Harries' Blick war in dem Moment wieder klar, als der Sergeant die Tür aufstieß und in die Beach Street sprang. Der Sergeant, mit dem er seit einigen Wochen unterwegs war, griff nach der Dienstwaffe. Im selben Augenblick sah er auch die Frau wieder, die aus dem Schatten der Fassade heraustrat und am Straßenrand stehen blieb.
Unzweifelhaft hatte sie den Streifenwagen und Sergeant Mayberry entdeckt. Sie hob die Hand, winkte und schrie etwas, das Harries nicht verstehen konnte.
Sergeant Mayberry, der zwei Sekunden lang zögernd stehen geblieben war, hatte inzwischen den 38er Smith-&-Wesson-Dienstrevolver aus dem Holster freibekommen. Er entfernte sich langsam vom Streifenwagen, hob die Waffe mit der Linken und gab James Harries mit der Rechten zu verstehen, dass er ihm folgen solle.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Harries nichts begriffen. Er nahm an, dass Mayberry mehr als er gesehen hatte.
Harries stieß die Beifahrertür des Streifenwagens auf. Mehr aus Gewohnheit als verstandesgemäß schlossen sich seine Finger um den Griff der Dienstwaffe.
In dieser Sekunde zerrissen die Scheinwerfer eines Wagens die Dunkelheit. Ein alter Chevrolet Monte Carlo schlingerte aus der schmalen Seitenstraße, aus der die junge Frau in die Beach Street gekommen war. Er drehte sich halb und hielt schließlich so, dass sich die junge Frau mitten im Scheinwerferlicht befand.
Harries hielt die Luft an.
Sergeant Mayberry verharrte. Er stellte sich auf die Zehenspitzen. Die blaue Schirmmütze rutschte ihm in den Nacken, als er den Kopf zurücklegte, um besser sehen zu können.
»Polizei!«
Die junge Frau am Bordstein drehte sich um.
Harries sah zum ersten Mal ihr Gesicht. Schmal, mit eingefallenen Wangen. Ein strenger Gesichtsausdruck, der durch die blonden Haare, die bis zur Schulter reichten, noch unterstrichen wurde. Auffallend waren die großen Augen, in denen sich Angst und Entsetzen spiegelte. Geblendet durch das Scheinwerferlicht des Chevrolet, kniff sie die Lider etwas zusammen. Ihr Blick war auf der Suche nach Mayberry, der sich mitten auf der Beach Street in die Hocke niederließ, die Dienstwaffe mit beiden Händen packte und den Chevy anvisierte.
»Polizei!«
Patrolman James Harries stieß die angehaltene Luft aus. Vor vier Wochen war er von der Polizeiakademie zum 1. Revier in der Downtown geschickt worden. Seitdem hatte Mayberry ihn unter seine Fittiche genommen, um ihm als jungem Beamten zu zeigen, dass er sich einen Beruf ausgesucht hatte, von dem man besser nicht träumte. Bis auf einige kleine Zwischenfälle, die Mayberry allesamt mit leichter Hand gelöst hatte, war es zu keiner wirklichen Gefahrensituation gekommen.
Jetzt war das anders. Harries spürte das Kribbeln, das bei seinen Füßen begann und schließlich durch seinen ganzen Körper flutete. In diesen Sekunden fühlte er sich hilflos und verlassen wie ein Kind im Dunkeln.
Sein Blick glitt über den auf dem feuchten Asphalt knienden Sergeant hinweg zum Chevy. Dann weiter zu der jungen, schlanken Frau, die wie ein Star im Scheinwerferlicht stand.
Harries zog die Dienstwaffe, spannte den Hammer und hob den 38er, ohne so recht zu wissen, wie er sich verhalten sollte.
Zwei Sekunden später brach die Hölle los. Zum ersten Mal bekam Harries am eigenen Leib zu spüren, was es hieß, Polizist in New York zu sein.
Aus dem Seitenfenster des Chevy zuckten Mündungsblitze durch die Nacht. Die Schussexplosionen brachen sich an den hohen Fassaden und wurden als Echo zurückgeworfen.
Die junge Frau stand nicht mehr im Scheinwerferlicht. Sie wurde aus dem Lichtschein herausgeschleudert und stürzte dort auf den dunklen Teil der Straße. Noch einmal drehte sie sich. Es sah aus, als versuchte sie sich zu erheben. Dann zuckte ihr Körper wie gepeitscht zusammen, als weitere Schüsse aus dem Chevy abgegeben wurden. Sie rollte über den Gehsteig und blieb auf dem Rücken liegen.
Wie ein Film zog das vor den Augen von Patrolman James Harries ab.
Sergeant Mayberry sprang auf. Zwei Schüsse hatte er auf den Chevy abgegeben, in dem sich der Killer klein machte.
Der Motor des Wagens brüllte auf.
Wie ein Fels in der Brandung stand Sergeant Mayberry in der Beach Street, hielt die Dienstwaffe in beiden Händen, brachte sie in Anschlag und krümmte den Finger.
Dreimal bäumte sich der Smith & Wesson in seinen Fäusten auf, als der Chevy einen Satz nach vorne machte, der Motor abgewürgt wurde und der Wagen schräg zur Fahrbahn stehend wieder zum Halten kam.
Harries hetzte um den Streifenwagen herum, umrundete die Kühlerhaube und ließ sich vor dem linken Vorderreifen in die Knie nieder. Erst nach dieser Aktion wurde ihm bewusst, dass er genau das Falsche getan hatte: Vor dem Reifen saß er wie auf dem Präsentierteller. Wenn der Killer im Chevy Gelegenheit dazu bekam, konnte der ihn leicht treffen.
Harries ließ sich auf den feucht glänzenden Asphalt fallen.
Der Chevy, der schräg zur Fahrbahn stand, löste sich in dieser Sekunde in einem hellen Feuerblitz auf. Eine dumpfe Explosion rollte durch die Beach Street, und die Flammensäule stieg neun Fuß hoch in den Nachthimmel auf.
Sergeant Mayberry stand noch immer hochaufgerichtet auf der Straße. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er in das Feuer. Sein Blick war auf der Suche nach dem Killer, der entweder in den Flammen schmorte und einen ersten Vorgeschmack auf die Hölle bekam oder den Wagen durch die Beifahrertür schon lange verlassen hatte. Mayberry hatte es nicht sehen können.
»Geh von der anderen Seite ran, Cop!«, schrie der Sergeant ihm zu. »Versuch, ihn in die Zange zu nehmen!«
Harries sprang auf. In diesem Moment hatte er grenzenloses Vertrauen zu dem im Dienst ergrauten Sergeant. Mayberry, davon war James Harries überzeugt, wollte die Sache so regeln, dass keiner von ihnen in eine tödliche Gefahr geriet. Er spurtete los, schlug einen Haken zum Gehsteig auf der rechten Seite, wollte so den brennenden Chevy passieren und irgendwo in Deckung gehen, von wo aus er die Straße auf der anderen Seite des brennenden Wagens einsehen konnte.
Er kam drei Schritte weit, als Mayberrys Schrei ihm in den Ohren gellte.
Harries blieb stehen. Die Beine versagten ihm einfach den Dienst. Selbst wenn er es gewollt hätte, er war gar nicht mehr dazu in der Lage, auch nur einen einzigen Schritt zu laufen. Sein Kopf ruckte nach links.
Der Sergeant taumelte zurück. Seine Rechte war in den Stoff des Hemds gekrallt, wo sich das Polizeiabzeichen befand. Verzweifelt versuchte er, die Linke mit dem schweren 38er zu heben und die Waffe wieder auf den brennenden Chevy zu richten. Es gelang ihm nicht.
Aus dem Flammensee heraus fielen die nächsten beiden Schüsse. Jedes Mal wurde Mayberry einen Yard zurückgetrieben. Sein massiger Körper bäumte sich wie unter Schlägen auf. Dann stürzte er wie ein gefällter Baum und blieb lang ausgestreckt auf der Straße liegen.
Etwas in Harries' Brust zerriss schmerzhaft. Er spürte den Kloß, der ihm in der Kehle steckte. Noch immer war er nicht fähig, sich von der Stelle zu rühren. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er einen Menschen sterben sehen.
Rechts neben seinem Kopf klatschte ein Projektil gegen die Fassade des Hauses, wurde als Querschläger zurückgetrieben und erwischte Harries an der Schulter.
Der harte Schlag und der einsetzende Schmerz rissen Harries aus der Lethargie. Brüllend sprang er einige Schritte zurück, prallte mit der Hüfte an den Streifenwagen, dann schoss er.
Seitlich des brennenden Chevy sah er den Schatten des Killers, der die Frau und den Sergeant erschossen hatte. Eine mittelgroße, hagere Gestalt. Der helle Trenchcoat war im Widerschein der Flammen beinahe weiß. Harries sah den eckigen Kopf, das eingefallene Gesicht und den altmodischen Borsalinohut, den der Kerl trug.
Von nun an gab es in Harries nur einen Gedanken: Er wollte den Kerl erwischen, um welchen Preis auch immer!
Sein Kopf war klar, seine Gedanken arbeiteten wie mechanisch und ließen ihn die Dinge tun, die ein Polizist in dieser Situation zu tun hatte.
Er visierte den Mann neben dem brennenden Chevy an, jagte einen Schuss herüber und zog mit der...
| Erscheint lt. Verlag | 16.8.2025 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Action Abenteuer • action romane • action thriller • action thriller deutsch • alfred-bekker • Bastei • bastei hefte • bastei heftromane • bastei romane • bastei romane hefte • Bestseller • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • erste fälle • Fall • gman • G-Man • Hamburg • Heft • Heftchen • Heftroman • heftromane bastei • Kindle • Krimi • Krimiautoren • Krimi deutsch • krimi ebook • Krimi kindle • Kriminalfälle • Kriminalgeschichte • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Kriminalromane • kriminalromane 2018 • kriminalromane deutsch • Krimi Reihe • Krimireihen • krimi romane • Krimis • krimis&thriller • krimis und thriller kindle • Krimi Urlaub • letzte fälle • martin-barkawitz • Polizeiroman • Romanheft • Roman-Heft • schwerste fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • spannende Thriller • Spannungsroman • Stefan Wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • Wegner |
| ISBN-10 | 3-7517-8194-3 / 3751781943 |
| ISBN-13 | 978-3-7517-8194-7 / 9783751781947 |
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