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Der General des Bey (eBook)

Das abenteuerliche Leben des Schiffsjungen Hark Olufs

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
320 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3577-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der General des Bey - Udo Weinbörner
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1724: Vor der Küste Englands wird die Dreimastbark 'Hoffnung' von algerischen Piraten überfallen. Unter den gefangenen Seeleuten befindet sich der 15-jährige Hark Olufs aus Amrum, dessen Schicksal sich in diesem Augenblick für immer verändert. Auf dem berüchtigten Sklavenmarkt von Algier verkauft, sieht er sich grausamen Bedingungen und heimtückischen Intrigen gegenüber. Mit unerschütterlichem Mut und einer brennenden Entschlossenheit schafft er das Unvorstellbare: Vom Sklaven zum Schatzmeister und General des Bey. An der Spitze seiner Macht findet er sogar das Glück der Liebe.

Doch als alles perfekt scheint, droht ein aussichtsloser Feldzug, der sein neu gewonnenes Leben in höchste Gefahr bringt ...

Der Schatz des Wiedergängers


Marret stolperte, riss die Laterne in die Höhe, damit sie nirgendwo anstieß und das Glas zerbrach. Sie fiel auf die Knie. Der Wind trieb ihr Sand ins Gesicht und sie schimpfte mit sich selbst. Die Augen tränten von den Sandkörnern und sie spuckte Sand. Die Luft wurde ihr knapp. Für einen Moment hielt sie inne und lauschte. Was glaubte sie zu hören außer dem Wind, dem Meer und dem Rauschen und Schlagen im spärlichen Geäst? Sie hätte den längeren Weg an der Wattenmeerseite und nicht die einsame Strecke unterhalb der Dünen nehmen sollen. Obwohl sie keine ängstliche Natur war, gruselte es ihr. Irgendetwas stimmte nicht.

Es war noch früher Abend, aber schon stockfinster. Die mitgeführte Handlaterne war kaum mehr als eine schwache Funzel. Der böige Wind ließ das Licht flackern, und dann schien es so, als lösten sich die Strahlen des Lichts auf, bevor sie den Boden berührten. Ungefähr so wie Regen über der Wüste, dessen Tropfen auf halbem Weg vom Himmel herab verdunsteten. Seltsam, dass Marret ausgerechnet jetzt in dieser Eiseskälte die Wüste einfiel. Sie erinnerte sich, wie Hark Olufs von der großen Leere, der flirrenden Hitze, von dem Durst, den Oasen und der Fata Morgana erzählt hatte. Niemand konnte so erzählen wie er, so ausdauernd, so packend und so spannend, dabei hatte er das, was man sich in seinen wildesten Träumen ausdenken konnte, selbst erlebt.

Jetzt erkannte Marret genau, wo sie sich befand. Rechts von ihr ragte die dunkle Masse der Ulvsdüne auf, von der aus ihr Vater früher Tag für Tag Ausschau nach seinem verlorenen Sohn Hark gehalten hatte. Sie war schon ein schönes Stück weiter gekommen. Spukte es hier wirklich, wie man es sich in den Dörfern erzählte? Erk Bohm sollte der Geist angeblich erschienen sein. Vor Schrecken habe er wirres Zeug geredet und sei drei Tage im Fieber fantasierend gelegen. Man hatte sogar nach Pastor Mechlenburg geschickt, von dem in weltlichen Dingen niemand viel hielt, und sie selbst hatte ihn schweigend mit bedenklichem Gesicht aus dem Haus treten sehen. Seit seiner Genesung, für die alle gebetet hatten, schwieg Erk Bohm über seine Begegnung mit dem Geist. Was zudem mehr als ungewöhnlich schien, denn er war allerorts als Schwätzer und Geschichtenerzähler bekannt. Pastor Mechlenburg war kurze Zeit danach bei der Witwe Antje Harken[1]  erschienen, um bei Gerstenkaffee mit schrägem Blick auf Olufs’ Wasserpfeife, die einen Ehrenplatz in der Stube erhalten hatte, mehrfach zu betonen, sie solle nichts auf das Geschwätz geben. Ein guter Christenmensch irre nicht als Geist umher und Hark Olufs sei in Gottes Hand. Sein Angebot, Grab und Grabstein erneut einzusegnen, lehnte Antje Harken jedoch entschieden ab, denn das wäre ihr wie ein Eingeständnis erschienen, bei dem Geist könne es sich tatsächlich um ihren Hark handeln. Man hat sie viele Tage zur späten Stunde allein zur Ulvsdüne gehen sehen, doch der Geist erschien ihr nicht mehr. Sollte sich einer einen Reim auf die Gehässigkeiten der Mitmenschen machen, mit denen sie eine arme Witwe und ihre Kinder quälten!

Waren das Schritte hinter ihr? Marret riss die Handlaterne hoch und starrte in die Richtung, aus der sie gekommen war. Nichts!

Mit einem Spitzentuch wischte sie sich den Sand aus dem Gesicht und zwang sich, ruhig zu atmen. Hier war Amrum, ihre Heimat, eine Insel und keine große Stadt wie Hamburg oder Kopenhagen, wo Raub, Mord und Totschlag zum Alltag gehörten. Nebelschwaden raubten ihr die Sicht auf die Lichter des Dorfes. Wüste, Mord und Totschlag! Was war nur mit ihr los? Hinter ihr lag Norddorf, vor ihr zur Linken irgendwo Nebel und Süddorf. Marret würde jetzt aufstehen und einfach mehr auf den Weg achten. Zu viele Spukgeschichten und Spökenkieker – wenn es doch erst wieder Frühling würde!

Der Wind heulte und riss Marret die Haube vom Kopf, die landeinwärts in die Dunkelheit flog, noch bevor sie danach greifen konnte. Nicht ihr Tag! Sie zwang sich zu einem lauten, trotzigen Lachen. Da ihr kein Lied einfiel, redete sie mit sich selbst – das half gegen die Einsamkeit und gegen die Angst.

Genau in dem Moment, als Marret sich mühsam wieder hochrappelte, stand er wie aus dem Nichts vor ihr. Sie erkannte ihn sofort an seinen kostbaren türkischen Pantoffeln, die er ohne Strümpfe trug, und an seiner roten Pluderhose, die zu seiner türkischen Generalsuniform gehörte. Marret sprang auf, schrie vor Entsetzen und machte ein paar rasche Schritte rückwärts, um Abstand zu gewinnen. Wieder schrie sie, keuchte, ihr Herz raste. Sie wollte in Panik fliehen, doch ihre Beine versagten ihr den Dienst. Im schwachen Schein der Laterne blickte sie in die vertrauten Gesichtszüge ihres Halbbruders Hark. Doch den hatten sie vor einem Jahr zu Grabe getragen! Das konnte nicht sein! Ihre Atemluft reichte gerade noch aus, um die Worte hervorzupressen: »Wer bist du?« Der Rest ging in ein Keuchen und Schluchzen über. Ihre Gefühle und ihre Reaktionen gerieten völlig außer Kontrolle.

»Du kennst mich, kleine Schwester.« Seine Stimme, wie aus großer Ferne, glich dem Rauschen des Windes. »Marret, ich bin es, Hark, dein Bruder.« Er machte mit den Händen vorsichtige Bewegungen, um sie zu beschwichtigen.

»Das kann nicht sein. Du bist tot. Dort ist dein Grab!« Ihr zitternder Arm deutete in die Richtung, in der sie den Kirchhof von St. Clement hinter den Nebelschwaden vermutete. »Gäbe Gott, es wäre nicht wahr, aber du bist tot!« Einer plötzlichen Eingebung folgend, presste sie die Augen wieder fest zusammen, bekreuzigte sich dreimal und rief, so laut es ihre schwindenden Kräfte noch zuließen: »Verschwinde, bei Gott! Wer immer du bist! Im Namen Gottes, du bist nicht mein Bruder Hark!« Doch als sie die Augen wieder aufschlug und die Handlaterne hochhielt, blickte sie erneut in die wächsernen, aber vertrauten Gesichtszüge ihres Bruders Hark Olufs. Eine Teufelei! Sie glaubte ihre letzte Stunde gekommen. »Nein! Nein! Zu Hilfe!«, schrie sie und bekreuzigte sich in einem fort. Blindlings flüchtete sie einige Schritte ins Gestrüpp, nur um feststellen zu müssen, dass sie in der Dunkelheit nicht weiterkam. Panisch wandte sie den Kopf hin und her und rief: »Zu Hilfe! Hört mich denn niemand! Zu Hilfe!« Doch da war niemand, der ihr helfen konnte. Die Gestalt folgte ihr langsam, versuchte sie an der Schulter zu packen, doch die Hand des Mannes glitt einfach durch sie hindurch. Marret spürte nicht mehr als einen kalten Lufthauch, der sie erschaudern ließ.

Fast flehentlich klang jetzt seine Stimme: »Marret, bitte hör mich an. Beruhige dich. Nichts wird dir geschehen. Ich bin doch dein Bruder.« Ganz sanft war seine Stimme, wie das Säuseln des Windes in der Pause zwischen zwei Stürmen. Ein trügerischer Frieden. Sie zitterte am ganzen Körper, ihre Sinne drohten ihr zu schwinden. Für einen Moment taumelte sie. Nein! Sie wollte nicht sterben! Sie wollte leben! Sie spürte so etwas wie Kampfesmut in sich wachsen: »Du bist tot! Tot! Tot! Ich habe meine Hand auf deine kalte Wange gelegt, bevor du zu Grabe getragen worden bist. Gib endlich Frieden und lass mich gehen!«

Hark Olufs, sein Geist oder wer immer der Kerl sein mochte, stand mitten auf dem Weg nach Süddorf wie aus einem Block gehauen. Seine kräftige Statur, die langen grauen Haare, das feste Gesicht, die großen Hände und die Art, wie er jetzt zu ihr sprach und sich bewegte, alles versammelte sich in dem Eindruck. An der Ulvsdüne waren die Hoffnungen seines Vaters auf seine Rückkehr zu Hause gewesen. Wie oft hatte Hark in der Fremde davon geträumt, dass der Vater auf der Düne stehen und nach ihm Ausschau halten würde. Hier hatte er sich mit Antje nach seiner Rückkehr heimlich getroffen, um ihr das Eheversprechen abzuringen, war sie doch längst mit einem anderen verlobt. Wenn das vor ihr der Geist von Hark Olufs war, der bittend und flehend mit dem Wind um die Wette säuselte, dann war dieser Ort tatsächlich der einzige Platz, der für sein Erscheinen in Frage kam.

Marret fürchtete sich davor, dass er erneut versuchen könnte, sie zu berühren. Unheimlich und kalt war seine Nähe. Also bemühte sie sich, ihm dafür keinen weiteren Anlass zu geben, und verhielt sich ruhig, während alles in ihr raste und tobte und bebte.

Da stand ihr Bruder und sah so aus, wie ein Mann aussehen musste, der alles erreicht hatte im Leben. Entkommen aus der Sklaverei, als General in der Fremde sich einen ...

Erscheint lt. Verlag 17.6.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Afrika • Amrum • Kapitän • Schiffbau • Schiffe • Seefahrt • Sklavenhandel • Sturmlegende • Westindien
ISBN-10 3-8412-3577-8 / 3841235778
ISBN-13 978-3-8412-3577-0 / 9783841235770
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